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bringen wozu wir schon jetzt mitunter ein kleines Vorspiel in den Festungsbezirken besitzen - das ist eine andere Frage; theilweise auch eine Personenfrage, und das sind die allerdifficilsten.

Aus dem Gebiete der militärischen Gesetze und Verordnungen ist namentlich zu erwähnen: Das Gesetz über die Verwendung und Ueberwachung der ausländischen Brieftauben vom 24. Juni 1904 (E. G. S. XX, 146); die Neuordnung der Feldartillerie; die Vollziehungsverordnung über die freiwillige Sanitätshülfe zu Kriegszwecken (E. G. S. XIX, 817); die neue Felddienstordnung, die zwar bloss in einem Entwurfe vorliegt, aber provisorisch eingeführt ist.

In Bezug auf die Militärjustiz ist eine Novelle zum Militärstrafgesetzbuch in Kraft getreten, die es den Militärgerichten erlaubt, bei kleinen Vergehen gegen das Eigenthum unter das im Gesetz niedergelegte Strafminimum hinunter zugehen. Dieselbe lautet wie folgt (E. G. S. XX, 127):

«Art. 35bis. Bei den Verbrechen der Eigenthumsbeschädigung (Art. 130, erster Satz), des Diebstahls (Art. 131-136), der Veruntreuung (Art. 150-152) und des einfachen Betruges (Art. 153 und 154) kann der Richter, wenn die Handlung im Instruktionsdienste verübt wurde, bis auf einen Drittheil des Mindestmasses der angedrohten Freiheitsstrafe hinuntergehen und nach Art. 7, Absatz 4, an Stelle von Zuchthausstrafe Gefängnisstrafe setzen. (Bundesgesetz vom 23. Juni 1904.)»

Im gleichen Sinne einer gewissen Milderung von bestehenden Härten der Gesetzgebung ist folgende Ordonnanz des Bundesrathes vom 23. September d. J. erlassen worden:

«Nach Artikel 166, Ziffer 20 des Militärstrafgesetzes vom 27. August 1851 können unbedeutende Eigenthumsbeschädigungen und Entwendungen (Art. 130 und 131

des Gesetzes) disziplinarisch bestraft werden. Nach den Artikeln 152 und 154 werden Veruntreuung und einfacher Betrug gleich wie Diebstahl bestraft; es ist deshalb am Platze, auch diese Vergehen unter gewis sen Umständen disziplinarisch zu bestrafen.

Seit einer Reihe von Jahren hat sich die Praxis gebildet, dass Diebstahl, Betrug, böswillige Eigenthumsbeschädigung und Veruntreuung in Fällen, wo der in Frage stehende Werth den Betrag von fünf Franken nicht übersteigt, disziplinarisch abgewandelt werden. Die Kurskommandanten erhalten, in Bestätigung dieser Praxis, den Befehl, in solchen Fällen die Voruntersuchung nur dann zu verfügen, wenn der Thäter nicht geständig ist, aber bestimmte Anhaltspunkte für die Thäterschaft vorliegen. Ist der Thäter jedoch geständig, so soll er ohne weiteres vom Kurskommandanten plinarisch bestraft werden.

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In Fällen, wo der in Frage stehende Werth den Betrag von fünf Franken nicht wesentlich übersteigt, sollen die Auditoren stets die Weisung des Oberauditors einholen (Art. 122, Lemma 2 der Militärstrafgerichtsordnung).»

Statt weiteren Befestigungen am Simplon und an der Grimsel hat die Bundesversammlung im Juni 1904 vor der Hand eine ausgedehntere Minenanlage mit einer Thalwacht, wie bei dem Gotthardt und St. Maurice, adoptirt. Ob das für alle Eventualitäten genügend sein wird, ist aber eine ganz andere Frage. Die Kosten sind dermalen auf 890,000 Franken berechnet.

Die aktuellsten Fragen der Zukunft werden muthmasslich sein: die Behandlung der prinzipiellen Dienstverweigerer (sei es aus religiösen, oder aus sozialistischen Gründen) und die wirksamere Bestrafung der dazu auffordernden und anleitenden Pressorgane; daneben die Frage über die Verwendung des Militärs im Falle von Strike. Es ist auch bei uns die Tendenz vorhanden, der bürger

lichen Gesellschaft die Waffe gegen den fortschreitenden Sozialismus aus der Hand zu winden, und sie den <<Arbeiterbataillonen» gegenüber wehrlos zu machen. Die nächste Folge eines Verzichtes auf die Verwendung von Truppen, bei Eintritt einer wirklichen Nothwendig keit (anders steht die Frage gar nicht zur Berathung) die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, wäre zwar nicht die, wie sie sich einige Agitatoren vorstellen. Sondern dann müssten entweder die Polizeicorps durch die Kantone, und nöthigenfalls sogar durch den Bund, bis in das Ungemessene verstärkt werden und es würde ein eigentlicher «Polizeistaat» mit stehenden Truppen daraus hervorgehen, oder die Bourgeoisie würde sich zur Vertheidigung selbst militärisch organisiren und den Generalstrikern gegenüber auch Gewalt anwenden. Das wäre dann die Organisation eines beständigen Bürgerkriegs, in welchem jedenfalls die Strikeführer nicht siegen, aber die Republik zu Grunde gehen würde. Caveant consules.

Inneres. Verfassung, Gesetzgebung und Verwaltung.

Die Verfassung der Eidgenossenschaft hat im Berichtsjahre keine Veränderungen erlitten. Eine grössere Abstimmung fand bloss noch im Jahre 1903, den 25. Oktober, statt, über einen Initiativvorschlag (Hochstrasser und Fonjallaz) auf Abänderung des Art. 72, wonach künftig bei den Wahlkreisen bloss die bürgerliche Bevölkerung massgebend sein sollte (nicht das Resultat der Volkszählung, das auch die Fremden inbegreift), sowie über die sog. Motion Steiger, eine Abänderung des Art. 32 in dem Sinn, dass der freie Verkauf der nichtgebrannten alkoholischen Getränke nicht schon bei 2 Litern beginne. Beides wurde verworfen und gleichzeitig leider auch ein Gesetz, welches beabsichtigte, die Aufreizung von Militärpersonen zu militärischen Vergehen (Desertion, Insubordination etc.) unter militärische Justiz zu stellen, wie es in Zeiten aktiven Dienstes nach den Bestimmungen der Militärstrafgerichtsordnung (Art. 1) bereits der Fall ist. Die Abstimmungsresultate sind im Bbl. 1903 Nr. 47 enthalten.

Für die nächste Zeit ist von Verfassungsfragen eine Initiative der Kantone Zürich und Solothurn zu Gunsten der Einführung der Gesetzgebungsinitiative zu erwarten, welche die meisten Kantone bereits besitzen, die Eidgenossenschaft aber nicht. Dort können zwar 50,000 Bürger die Aenderung der Bundesverfassung begehren, nicht aber die Erstellung eines neuen Bundesgesetzes, resp. die Beseitigung eines bestehenden. Muthmasslich wird sich der Zürcher-Initiative Niemand sehr ernstlich widersetzen, schon deshalb nicht, weil man

die mangelnde Gesetzgebungsinitiative durch eine Verfassungsinitiative umgehen kann und dies schon bisweilen geschehen ist. Nur darüber muss man sich im Klaren sein, dass die Initiative in der Gesetzgebung dann überhaupt von dem Bundesrath und den Eidg. Räthen an die Parteien und ihre Presse übergeht. Und damit der Bundesrath den Aufträgen derselben auch jederzeit gehörige Folge leiste und nicht in die Velleität eigener Entschliessungen zurückfalle, wird die nächste demokratische Forderung die Volkswahl des Bundesraths sein. Das ist also auch mit in Erwägung zu ziehen. Die Föderalisten erblicken in dem Allem einen neuen Triumph ihrer Anschauung, wünschten dann aber noch, dass das Bundesgericht die Bundesverfassung auch gegen die Auffassung der eidg. Räthe interpretiren könne, was nicht annehmbar ist.

In weiterer Sicht steht eine Volksinitiative gegen die Spielhäuser, d. h. die sogenannten Kursääle in den Fremdenorten, in denen dem Rösslispiel, in völliger Umgehung des Art. 35 der B. V., gehuldigt wird. Durch einen dreisten Versuch einiger Wirthe und sonstiger Interessenten an dem Restaurant Schänzli in Bern, auch dort, unter den Augen der Bundesbehörden, dieses Spiel einzuführen, wäre die Frage beinahe brennend geworden, wenn nicht die Regierung von Bern dies verboten hätte. Nun liegt die Frage einstweilen vor Bundesgericht in dem Sinne zur Entscheidung, ob damit eine Verletzung der Rechtsgleichheit gegenüber Interlaken begangen worden sei. Eine Zeitlang schien die etwas veraltete <gemeinnützige Gesellschaft» sich zu einer lebensfrischen Aktion gegen das Spiel aufraffen zu wollen, wies dann aber nach einem kurzen Anlauf die Frage wieder an ihre

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