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die insektenfressenden Vögel am liebsten ihre Nester, besonders wo unter anderem Gehölze auch Dornbüsche wachsen. In diese kann kein Raubvogel eindringen. Künstliche Nistkasten sind am Ende doch nur ein Nothbehelf. Auch die Igel suchen die Hecken zu ihrer Wohnung auf, um von dort aus des Nachts dem Mäusefang obzuliegen. Die Igel sind bekanntlich die besten und billigsten Mauser. Eidechsen und Kröten haben in den Hecken ihre Schlupfwinkel, von wo aus sie auf alles mögliche Ungeziefer Jagd machen. Rechnet man alles zusammen, was diese nützlichen und harmlosen Thiere an Kulturschädlingen vertilgen, so darf man wohl behaupten, dass die Hecken mehr Nutzen als Schaden bringen. Zudem sollte man das Land nicht aller Poesie berauben. Es gibt im Leben ohnehin mehr als genug Prosa.»>

Es ist die rastlose und rücksichtslose Gewinnsucht, die sich auch des landwirthschaftlichen Standes bemächtigt hat, welche solche Fehler hervorruft.

In Bezug auf die Reblausgefahr, die damit auch zusammenhängt, weil die kleinen Vögel vermindert werden, ist folgendes bekannt geworden:

Den von der Reblaus betroffenen Kantonen Zürich, Thurgau, Tessin, Waadt, Neuenburg und Genf hat der Bundesrath im letzten Jahre für ihre pro 1902 zur Bekämpfung des Schädlings gemachten Auslagen im Gesammtbetrage von 500,500 Fr. einen Betrag von zusammen 180,573 Fr. geleistet. Die grössten Summen verwendeten die Kantone Waadt mit 189,623 Fr., Neuenburg 150,640 Fr., Zürich 72,403 Fr. Eine Abnahme der Reblaus-Infektion ist für 1903 (gegenüber 1902) zu konstatiren im Kanton Zürich (Rückgang sowohl in der Zahl der inficirten Gemeinden als der Infektionspunkte und der befallenen Stöcke).

In den gebirgigeren Gegenden kommt nach und nach die vielverläumdete Ziege wieder zu Ehren, seitdem die Kuhmilch selbst in einem Lande, wie die Schweiz, für

die ärmere Bevölkerung fast nicht mehr in genügendem Mass und zu billigem Preise zu erhalten ist, weil die Milch Käsereien oder Milchcondensirungsgesellschaften dienstbar wird, die uns den schwarzen Kaffee und Alkohol gebracht haben, oder für Viehmästung verwendet wird. Da muss nun die Ziege nachhelfen trotz dem etwelchen Schaden, den sie am Walde anrichtet. Eine sehr lesenswerthe Schrift darüber ist: «Die sozialwirthschaftlichen Verhältnisse für die Ziegenhaltung in der Schweiz» von Prof. F. Anderegg 1904 (ursprünglich in der Zeitschrift für schweizerische Statistik 1904 gedruckt).

Der Vogelmord im Tessin geht erbarmungslos vorwärts. Ueber 20,000 Stück Fanggeräthe wurden im letzten Jahre dort konfiszirt. Dennoch redeten die Tessiner in der Bundesversammlung der Sonntagsjagd eifrigst das Wort, die gerade von solchen Vogelmördern betrieben wird. Der Vorsteher des Departements des Innern, Bundesrath Forrer, sprach sich dafür bei einem andern Anlasse im Sinne des energischen Einschreitens dagegen aus.

Ueber den «Unsinn des Wetterschiessens», wie eine Zeitung das respektlos nennt, was noch vor ganz kurzer Zeit als eine naturwissenschaftliche Entdeckung ersten Ranges gepriesen wurde, ergiebt sich aus Mittheilungen der Schweiz. Hagelversicherungsgesellschaft, dass unter den während der Zeit vom 18. Juli bis 11. August mehrfach von Hagelwetter betroffenen Gemeinden sich auch solche befinden, in denen Wetterwehrgenossenschaften bestehen, welche die Gewitter mit Kanonen bekämpft haben. Es hat in einer dieser Gemeinden vier Mal gehagelt, in zweien je drei Mal und in andern je zwei Mal. Merkwürdigerweise ist auch der höchste Schaden von 50 Prozent in unmittelbarer Nähe einer Wetterkanone konstatiert worden. Aus einer andern Gemeinde, wo mit Hagelra

keten geschossen wurde, sind vom 1. und 2. August über 100 Schadenanzeigen eingegangen.

Es ist also auch das wahrscheinlich zu den zweifelhaften <modernen Errungenschaften» zu zählen und können Kantone und Bund die Subsidien für Hagelkanonen sparen.

Das Parteiwesen in der Eidgenossenschaft ist unseres Erachtens nichts Selbständiges, sondern gänzlich einer allgemeineren Reformfrage untergeordnet. Ohne Zweifel müssen sich zuerst bei uns, wie überall, die oberen Stände reformiren, d. h. besser, einfacher, gründlicher in ihren Anschauungen werden, und ihre Kinder in dieser Weise zu Arbeit und Einfachheit erziehen. Das wird dann schon von selbst darauf hinwirken, dass dies in den untern Klassen ebenfalls geschieht, welche jetzt in ihrer Weise fast ebenso genusssüchtig und arbeitsmüde gewor den sind. Ohne Beispiel aber nützt keine Predigt mehr, weder in der Kirche noch sonst wo. Die Parteien werden dadurch nicht aufhören, aber sich darnach einrichten. Die Sozialisten, die wir dermalen noch nicht entbehren können, werden das Mögliche wollen, von Revolution, oder Anarchie nicht weiter reden, und mehr das eigene Land und seine Bedürfnisse, als das Ausland im Auge haben. Die liberale Mittelpartei wird die naturwissenschaftlich-materialistische, oder agnostische Lebensanschauung verlassen müssen, welche die Rösslispiele nicht antasten und dem Alkohol nicht an's Leben will, wodurch sie sich allmählig in den Augen des ernster werdenden Publikums herabsetzt. Die Katholiken werden zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem in Christenthum und Kirche unterscheiden lernen, und dem Patriotismus einen

Raum in ihrem Gefühlsleben einräumen, der sie vor allem Excessiven, nur ausländischen Mustern Nachgeahmten abhält. Das ist das Programm unserer Zukunft; auf die andern Programme halten wir nicht viel, es kommt überhaupt auf die Personen an, die eine Partei wesentlich bilden und leiten, nicht auf solche, stets sehr wohltönende Worte.

Bemerkenswerth ist aus dem Parteileben der letzten Zeit allfällig noch Folgendes: In der Stadt Bern wurde. eine s. Zt. mit grossem Aufwand von Reden, Statutenberathungen und was sonst noch dazu gehört, in's Leben gerufene «Christlich-soziale» Vereinigung nach Naumann'schem Rezept in aller Stille aufgelöst. Der Herausgeber des Jahrbuchs, der zu dieser Firma stets zu wenig Vertrauen hatte, hatte damals auf Ersuchen einen Vortrag darüber gehalten, den ein begeisterter pfarramtlicher Anhänger der Idee einen «bethlehemitischen Kindermord» nannte. Das Kindlein blieb dann zwar am Leben, nachdem ihm Naumann selber neuen Athem eingeblasen hatte; als es aber in das Alter von etwa 7 Jahren gelangte, wo bei den Menschen die Arbeit anfängt, da zog es vor, derselben aus dem Wege zu gehen. Das Christenthum ist eben, wo es ächt ist, an sich schon sozialistisch genug, ohne Zuthat, und der Sozialismus ist nicht christlich, was Jeder erfahren muss, der sich mit solchen innerlich unwahren Vermischungen abgibt.

Ganz ähnlich wie mit dem christlichen Sozialismus verhält es sich mit einem andern Lieblings-Instrument der modernen Zweiseelen-Leute, dem proportionalen Wahlsystem, das überall Vorspann leisten muss, wo die Minderheitsparteien zur Herrschaft gelangen wollen, von ihnen selbst aber verläugnet wird, sobald sie dieses Ziel erreicht haben.

In dieser Richtung ist zu berichten, dass in Baselstadt die Konservativen und in Freiburg die Sozialdemokraten einen neuen Vorstoss versuchen werden. In Schaffhausen ist der Gründung einer freisinnig-demokratischen Partei die Gründung einer sozialistischen gefolgt. Auch von einer neuen Bauernpartei war die Rede. Wenn es so fortgeht, meint ein Korrespondent des «Intelligenzblatt, müssen wir unbedingt den Kanton vergrössern und mehr «Volk» schaffen, damit für jede Partei, wenigstens für jeden Parteivorstand, genug Leute da sind.

In den <sozialistischen Monatsheften» von Georg Schmidt fand sich in diesem Jahre die bemerkenswerthe Feststellung, dass die sozialdemokratische Maifeier ein vollständiges Fiasko erlitten hat. In den 15 Jahren, seit sie veranstaltet wird, hat die Maifeierdemonstration, wie Schmidt nachweist, noch nicht 5 Minuten Verkürzung der Arbeitszeit gebracht, und auf den Weltfrieden hat sie nicht mehr Einfluss als das Haager Schiedsgericht. Das Hauptkontingent der Theilnehmer an der Maifeier stellen die Arbeitslosen, die in den Kleinbetrieben Beschäftigten, die Hausindustriellen und kleinen Gewerbetreibenden, die Arbeiter und Angestellten aus den Parteibetrieben, sowie die Beamten der Krankenkassen und der Gewerkschaften. Dagegen feiert kein Grossbetrieb weder in den Grossstädten noch in den Kleinstädten und auf dem Lande. Selbst in diesem Jahre, wo der 1. Mai auf einen Sonntag fiel, hat sich die Hoffnung auf eine starke Betheiligung nicht erfüllt. «Nach allen diesen Betrachtungen», so schliesst Genosse Schmidt seinen Aufsatz, «muss die Maifeier als eine verfehlte Sache bezeichnet werden, die baldigst zu beseitigen nur im Interesse der Gewerkschafts- und auch Parteibewegung liegen kann. Das Sträuben einer grossen Anzahl von Parteigenossen, dem Gegner das amüsante Schauspiel einer solchen grossen Mauserung zu geben, ist ganz und gar nicht am Platze. Was kümmert uns das Ge

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