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<Seit mehreren Jahren hatte ich gehofft, dass von England aus ein entschiedener Einspruch gegen die vielen Bergbahnen und Pläne der Schweiz erhoben werde! Es wurde mir gesagt, dem italienischen Alpenklub gebühre die Ehre, das Eisenbahnprojekt zur Matterhornspitze zum Scheitern gebracht zu haben, und der schweizerische Alpenklub habe wenigstens versucht, die Errichtung von Spielkasinos in einigen beliebten Orten zu verhindern. Hat der englische Alpenklub seine Stimme in der gleichen Sache erhoben? Ich frage in Unkenntniss der Verhält nisse. Doch wäre es ein des Schweisses der Edelsten würdiges Bestreben, den unersetzbaren Zauber schweize rischen Lebens und schweizerischen Landes, das unschätzbare Erbe Europas vor der Vernichtung durch die Kapitalisten zu bewahren. Ich habe letztes Jahr und die vorhergehenden Jahre mit vielen Schweizern darüber gesprochen und kann bezeugen, dass ein tiefes und weitverbreitetes Gefühl der Betrübniss und der Bitterkeit unter ihnen herrscht über die Entweihung und Zerstörung der Schönheiten ihres Landes, die durch das Ausbeutungsverfahren der Ingenieure und Kapitalisten verursacht wird. >>

In der italienischen Kammer wurde ein von Finanzminister Luzzati eingebrachter Gesetzesentwurf angenom men, durch den die sogenannten Zeitungslotterien verboten werden. Einige Blätter hatten angefangen, statt wie früher jeden ihrer Abonnenten mit einer kleinen Prämie (Oeldruck, Photographiealbum, Tintengefäss etc.) zu bedenken, nur noch auf je hundert oder je tausend Abonnenten ein Geschenk zu verabfolgen, dafür aber Dinge im Werthe von vielen Tausend Lire zu geben, wie werbsmässigen Betrieb von Hazardspielen zum Gegenstand

haben.»>

Ueber diese Formel würde aber wohl wieder der gleiche Streit entstehen, ob die Rösslispiele öffentlich und gewerbsmässig betriebene Hazardspiele (und nicht harmlose Gesellschafts- und Vergnügungsspiele) seien; wir halten sie daher nicht für zweckentsprechend.

Automobile, Karossen mit Zwiegespann, Erard-Flügel, ganze Zimmerameublements, Perlenketten etc. Sogar vollständig meublirte Landhäuser bildeten Zeitungsprämien. Die glücklichen Gewinner wurden durchs Loos bestimmt. Dieses System bewährte sich ausgezeichnet für den Abonnentenfang; der «Secolo» z. B. brachte es im letzten Jahre damit auf 56,000 Abonnenten, während das Blatt vor Einführung desselben wohl kaum halb so viel Abonnenten hatte. Auch bei uns kommen diese Zeitungsloosprämien in kleinerem Massstabe vor.

Im grossen Lotterie unwesen zeichnet sich dermalen, wie es nach einem Vortrage von Prof. Mayet in Berlin scheint, Deutschland, sogar vor Oesterreich, Italien und Spanien, aus. Er sagte darin u. A.:

«Von 1882 bis 1902 ist die Stempelabgabe für Lotterieloose von rund 6 auf rund 46 Millionen oder auf das Sieben bis Achtfache gestiegen; trotzdem in diesem Zeitraum die Abgabe von 5 Proz. erst auf 10, dann auf 20 und für ausländische Loose seit 1900 auf 25 Proz., erhöht worden ist. Prof. Mayet schätzt den Lotterieeinsatz im Jahre 1902 auf ungefähr 253 bis 258 Millionen Mark. Die ganze Krankenversicherung in den 23,000 reichsgesetzlichen Kassen, unter Hinzunahme auch der Knappschaftskassen kostete 1901 bei 10,3 Millionen Versicherten 198 Millionen M. Der Spieleinsatz ist also um ein Viertel grösser. Die gesammten Einnahmen der Invalidenversicherungsanstalten und Kasseneinrichtungen betragen 1901 bei 13,4 Millionen Versicherten 1653 Millionen. Der Spieleinsatz ist um die Hälfte grösser. Die ganze Unfallversicherung kostete im gleichen Jahr bei 17,6 Millionen Versicherten 125 Mill. M. Der Spieleinsatz ist das Doppelte.

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Gegenüber einer solchen Lotteriepest in deutschen Landen sei es, sagt Mayet, Pflicht jedes Volkswirths, jedes Volksvertreters, energisch auf die Abschaffung der Staatslotterien hinzuwirken. »

Es ist dies ein Beweis, wie schwer es ist, sogar in einem sehr gebildeten Lande ein solches Uebel, wenn es

eingerissen ist, wieder auszurotten. Man hat sich eben einmal daran gewöhnt.

Im deutschen Reichstage wendete sich ein sozialistischer Abgeordneter gegen die staatlich organisirten Wetten bei den Pferderennen (den sog. Totalisator), die unter dem Titel <<Hebung der Pferdezucht» von dem Landwirthschaftsministerium in Schutz genommen wurden. Herr Singer sagte mit Recht:

<<Bei ihren agrarischen Interessen denken die Konservativen nicht an Moral. Dass die Landespferdezucht aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden muss, ist unbestreitbar. Aber wie ihre Unterstützung durch ein unmoralisches Mittel, Wette und Spiel, erfolgen soll, ist mir unverständlich. Die Begeisterung des Ministers für den Totalisator beweist, wie tief das Niveau ist, mit dem man solche Dinge heute zu vertheidigen sucht. Ausserdem werden heute zum Schein Rennvereine gegründet, um Wetten zu ermöglichen. Sie sind vielfach nichts Anderes als verpuppte Spielklubs. Derselbe Kulturstandpunkt, der zur Schliessung der Spielbanken geführt hat, sollte zum Verbot des Totalisators führen. Das Reich darf Steuern nur aus Quellen erheben, die vor der öffent lichen Moral bestehen können.»>

Wir führen das an, weil auch bei uns die internationalen Pferderennen, die stets mit solchen Wetten mehr oder weniger verbunden sind, in Luzern eingeführt wor den sind.

Sehr verwandt mit Sport und Spiel ist heute die Kunst, welche ihre hohe Bedeutung verloren hat und zu einem gewöhnlichen Amüsement herabgesunken ist. In erster Linie gilt dies natürlich vom Theater, wo eine sehr weitgehende Toleranz in der Auswahl der Stücke stattfindet. In Genf wurde dieserhalb eine Protestation folgenden Inhalts an den Strassenecken ange

schlagen, die dann natürlich die Opposition leider der liberalen Presse hervorrief, welche mit «mauvais citoyens»> um sich warf.1)

«Les soussignés,

mus par le sentiment de leur responsabilité de citoyens et de chefs de famille;

péniblement impressionnés par le caractère hautement immoral de certaines pièces données récemment et à plusieurs reprises au Grand Théâtre de la Ville de Genève; protestent

contre l'usage ainsi fait d'une institution qui exige des sacrifices très considérables le théâtre coûte, loyer compris, près de mille francs par jour - et qu'ils ne

') Das Genfer Journal enthielt dagegen folgenden, in unsern Augen berechtigten Protest:

«Nous avons reproduit hier l'affiche par laquelle un certain nombre de commerçants et industriels genevois protestent contre le caractère de certaines pièces de théâtre représentées sur notre scène municipale. A peine cette affiche avait-elle paru que le Genevois s'empressait de la dénoncer à l'indignation publique et de déclarer que ceux qui l'avaient signée étaient de <<mauvais citoyens qui discréditent leur ville aux yeux de l'étranger».

Mauvais citoyens! Voilà le grand mot lâché contre tous ceux qui dénoncent un abus quelconque par ceux qui profitent de ces abus. Qu'il s'agisse d'une question politique, d'une question administrative ou d'une question morale, toutes les fois qu'un député, un journaliste ou un simple particulier élève la voix pour dire la vérité, pour signaler un abus et pour demander une réforme, il se trouve un roquet quelconque pour aboyer contre lui et pour chercher à lui fermer la bouche en lui criant: «Mauvais citoyen!» Et il y a malheureusement dans tous les milieux des caractères faibles qui se laissent intimider par ces criailleries et qui n'osent plus rien dire dans la crainte de s'entendre traiter de «vertuiste» et de «mômier».

C'est l'impudence des uns et la lâcheté des autres qui sont coupables de tant d'abus qui se perpétuent et que l'on n'arrive pas à déraciner.»

voudraient voir servir qu'à élever le niveau moral, intellectuel et artistique de Genève;

invitent la population

à ne pas encourager par sa présence mais bien plutôt à condamner fermement la représentation d'œuvres qui font étalage des passions humaines les plus basses, sans aucun respect ni pour l'honneur, ni pour la famille, ni même pour les sentiments de pudeur les moins susceptibles;

à répudier une littérature dont le goût national ne saurait s'accommoder, même quand elle vient des auteurs et des theâtres les plus renommés et qu'elle est interprétée par les meilleurs artistes;

à ne pas souffrir que, sous prétexte d'art, on se serve de la scène municipale pour exploiter cyniquement les faiblesses humaines et faire œuvre de désagrégation morale;

font appel à la fermeté des autorités pour que, avec l'appui de tous les bons citoyens, elles travaillent à maintenir la vie morale de Genève à la hauteur de sa répu tation intellectuelle. >

Im Ganzen gibt es natürlich kein sichereres Mittel gegen die zweifelhafte Kunst und Litteratur, als die Abwendung des gebildeten und ehrenhaften Publi kums von beiden. Auch das wollen aber die Fanatiker für die moderne Kunst nicht dulden.

An die Adresse des deutschen Kaisers sogar wagte es ein Verbreiter des modernen Geschmacks, Georg Hirth in München, folgende Reklamation zu richten:

«Gehört die Achtung vor den berechtigten, materiellen Interessen Anderer zu den Geboten der Sittlichkeit? Diese Frage möchte ich in Bezug auf die unablässig sich wiederholenden, scharfen Verurtheilungen der modernen Kunst Seitens Sr. Majestät des Kaisers stellen. Wer mich kennt, wird wohl kaum auf die tolle Idee kommen, dass ich hiermit etwas für das Haupt unserer Nation

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