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daß der Plats immer besiedelt gewesen ist. Zukünftige Forschungen werden vielleicht ergeben, daß das alte Gerra in derselben Gegend gelegen war, und nicht unmittelbar an der Küste. El-Hufhûf ist etwa 15-18 Stunden entfernt von der Zollstelle an der Küste El-Ağêr (Adscher), auf den Karten auch 'Oqeir genannt. Einen weiteren Platz an der Küste haben die Türken bei El-Qatîf etwas im Norden. Und endlich ist zeitweilig noch ein Punkt auf der Halbinsel El-Qatar besetzt worden, den man gewöhnlich El-Bîḍâ nennt. Die dortige türkische Garnison befindet (oder befand) sich im ganz nahe gelegenen El-Docha. Der ganze Küstenstrich wird El-Chaṭṭ („der Strich") genannt. Chaṭṭische Lanzen aus indischem Bambus waren in Alt-Arabien berühmt.

Die Türken geben im offiziellen Staatskalender (Sâlnâmé) diese Bezirke als „Sanğaq du Neğd" an mit den Bezirken (nâḥije) Mirez, Djefr (Ğefr), ‘Ojun und ‘Ağir ('Ağêr), und den Casa (qaḍâ), Qatîf und Qatar. Es ist aber Tatsache, daß die türkische Verwaltung niemals in das innerarabische Neğd gereicht hat, daß sie sich an den angegebenen Stellen auch kaum viel über die Schußweite der Waffen erstreckte. Ağêr hatte 1903 zur Zeit der Reise von Burchardt eine Kompagnie Soldaten, in Hufhûf standen 3/2 Tabûr (Bataillone), eines in El-Qatar und der Rest in El-Qatîf; alles zusammen 7 Tabûr und 1/2 Tabûr Maultierreiter. Die Garnisonen gehörten zum VI. Armeekorps. Die Einkünfte des Landes beliefen sich außer den für 6000 T. verpachteten Zöllen auf 35000 £ T. Im Jahre 1911 wurden die dortigen Truppen auf 4 Bataillone Infanterie, 2 Schwadronen Kavallerie und 1 Batterie Maultier-Kanonen angegeben.

El-Aḥsâ war schon einmal zur Zeit von Meḥmed 'Alî 1838-1840 eine türkische Provinz gewesen, aber binnen kurzem auf Vorstellung der Engländer wieder aufgegeben. Im Jahre 1871 stritten sich die Wahhâbiten 'Abdâllâh bin Feisal mit seinem Bruder Saûd bin Feisal. Ersterer wandte sich um Hilfe an Midḥat Pascha, der damals Gouverneur von Baghdâd war. Dieser äußerst energische Mann benutzte die Gelegenheit, um vorzugehen, und besetzte ElQaţîf. Die Türkei erklärte damals an England, daß sie keine Oberhoheit über Baḥrain, Masqat und die TrucialChiefs beanspruchte, auch keine Seeunternehmungen machen würde. Die Türken zogen bald ihre regulären Truppen

aus El-Aḥsâ zurück und setzten Bezia bin Areir von dem ihnen befreundeten Benî Chalib-Stamm als Gouverneur ein mit einer Polizeitruppe als Grenzschutz. Als sich 1876 die Stämme in El-Aḥsâ empörten, wurden wieder reguläre türkische Truppen entsandt, und mit ihnen zog der erste Gouverneur des neuerrichteten Wilajets Başra,1 Nâșr Pascha von dem Stamme der Muntafiq, nach Hofhûf, das er nochmals erobern mußte. Der Sohn von Nâșr, Mezjed (Mazîd Pascha Asa dûn?) wurde zum ersten Muteṣarrif dort ernannt. Seit 1876 übte also die Türkei in El-Aḥsâ die Herrschaft aus, aber sie hatte nur wenig Einfluß. Die Häuptlinge waren so gut wie unabhängig. Ganz besonders mußte man mit den Emiren der Wahhâbiten sich stellen, auf die wir noch ausführlicher zu sprechen kommen. Hier sei nur vorläufig folgendes erwähnt: Im Jahre 1902 wurde Tâlib Bêk Annaqîb aus Başra Gouverneur von El-Aḥsâ. Unter ihm herrschte Ruhe, Nach seiner Abdankung ließ man nur sehr wenige Truppen dort. Nachdem im April 1913 der englische Konsul von Kuweit, Cpt. Shakespear, mit Ibn Sa'ûd verhandelt hatte, machte Mitte Mai dieser einen Angriff auf Hofhûf, wo 25 türkische Soldaten getötet wurden. Auch El-Qatîf ist bei dieser Gelegenheit genommen, wo nur 90 Soldaten waren (in Hufhûf 310 Mann). Die türkischen Truppen wurden entwaffnet und nach der Küste gesandt, von wo sie nach Bahrain gesandt wurden. Dort befand sich gerade ein türkisches Kanonenboot, das aber nichts unternehmen konnte. Nach Angabe der Engländer („Times Hist. of the War") sind die Truppen auf britischem Dampfer nach Başra befördert worden. Seit Juni 1913 ist also die Provinz El-Ahsâ nicht mehr im Besitze der Türken, nur in Bîḍâ auf der Halbinsel El-Qatar sollen die Türken länger geblieben sein. Sie waren dort noch im Oktober 1914. Es ist für mich nicht der geringste Zweifel, daß dies Vorgehen von Ibn Sa'ûd auf Anstiften, wenigstens mit Wissen der Engländer erfolgte, die vorher den Arabern Waffen besorgt hatten. Im Juli 1913 wurden die „Fremden" in El-Hufhûf und El-Qatîf zum Verlassen des Landes aufgefordert. Von allen Waren wurde 8% Eingangszoll erhoben. Der Eroberer 'Abd ul-'Azîz ibn

1 So schreibt ein ungenannter Verfasser (Musil?) in der „Österr. Monatsschrift f. d. Orient" vom Jan./Febr. 1914. Soweit ich weiß, ist das Wilajet Başra erst 1884 von Baghdâd abgetrennt worden.

Sa ûd bewaffnete seine Leute mit den türkischen Gewehren und belegte die türkischen Kasernen mit seinen Leuten. Da er auch das Binnenland von Omân erobert hatte, konnte er im Spätsommer 1913 sein Reich in die vier Provinzen 'Omân, El-Aḥsâ, El-Qasîm und Er-Rijâd einteilen. Sein Reich ging also von der Straße von Hormûz bis weit ins Innere von Arabien; er besaß auch die früheren türkischen Plätze El-Qatîf und El-'Ağêr. Sein größter Erfolg bei diesen Unternehmungen war, daß sein Wahhabiten-Reich nunmehr einen Zugang zum Meere hatte, wo es allerdings von England abhängig ist. Im Sommer 1914 entschloß sich Zeitungsnachrichten zufolge die türkische Regierung, ‘Abd ul-Azîz zum Pascha und Wali von Neğd zu ernennen.1 Sie machte also gute Miene zum bösen Spiel und sicherte sich formell den Bestand ihrer Provinz, in der sie aber nicht das geringste zu sagen hat, und in der ein Türkenfeind und Engländerfreund der Alleinherrscher ist. Jedenfalls waren bei Ausbruch des europäischen Krieges mit Ausnahme von der Garnison in Bîḍâ keine türkischen Truppen mehr in der Provinz El-Aḥsâ, die durch den jetzigen „Wali" völlig dem englischen Einfluß ausgesetzt ist. Dies war allerdings auch schon früher der Fall. Die „Times" schrieb am 14. Juli 1911: Jedoch weiß die türkische Regierung genau, daß für die Verbindung mit ihren eigenen Behörden in allen Teilen des Persischen Golfs sie sich nur auf britische Duldung verlassen kann, und daß unter den Bedingungen, welche bisher in den türkischen Golf-Distrikten vorgeherrscht haben, es schwer ist, sehr viel mehr Rechtfertigung für diese Duldung zu sehen als für die außerordentliche Nach

1 Es scheint, daß schon vorher die Pforte feste Beziehungen zum Emir Ibn Sa ûd angeknüpft hatte, denn es verlautete, daß Anfang 1913 sein Monatsgehalt auf 150 £ T. erhöht wurde. (Ich vermute, daß England ihm mehr bezahlte, und daß deshalb der Emir gegen die Türken vorging.) Ende 1913 hißte Ibn Sa ûd die türkische Flagge in seinem Gebiete, als Zeichen seines Anschlusses an die Türkei, und am 18. Juli 1914 meldete Reuter aus Simla, daß Ibn Sa'ûd von der Pforte zum Generalgouverneur und Militärkommandanten ernannt sei, mit dem Recht der Truppenaushebung. Die Verhältnisse sind jedenfalls in der Öffentlichkeit nicht klar. Man kann nur vermuten, daß Ibn Sa'ûd mit England und der Pforte es nicht verderben wollte, tatsächlich aber mit dem Teile geht, der am besten bezahlt und der den größten Erfolg hat. Näheres über die Geschichte der Wahhâbiten-Emire werden wir im nächsten Kapitel bringen.

sicht, die wir fortwährend gegen die persischen Rechte einer unzulänglichen (ineffective) Landeshoheit an der anderen Küste des Golfes zeigen."

12. Kapitel

Die Wahhabiten und ihre Nachfolger in Neğd (Ibn Sa ûd und Ibn Rašîd)

Das

as Innere von Arabien wird durch eine vielfach von Gebirgszügen und Tälern durchsetzte Hochfläche eingenommen, über die wir aber noch recht geringe Kenntnisse haben. Nur wenige Reisende, unter denen Palgrave, Reinaud, Sadler, Pelly, Huber, Nolde und Leachman zu nennen sind, konnten in das Land eindringen. In neuerer Zeit offenbar auch die englischen Konsuln Crow und Shakespear. Nach allem, was man bisher weiß, ist dies Gebiet durchaus nicht völlig wüstenhaft, vielmehr sind überall Täler vorhanden, in denen nicht nur die Kultur von Dattelpalmen, sondern auch etwas Ackerbau möglich ist, und Viehweide ist weithin vorhanden. Die arabischen Schriftsteller berichten von vielen festen Schlössern und Burgen, die teils Winterquartiere der Stämme bilden, teils aber auch als dauernd feste Siedlungen anzusprechen sind. Der nördliche Teil wird als Šammar mit dem Hauptort Hâjil (Haïl) bezeichnet, südlicher liegt das eigentliche Neğd mit den Städten Bereida und Er-Rijâḍ. Die Umgebung letzteren Ortes, El-Jemâma genannt, muß archäologisch höchst interessant sein. Die Erforschung von dem alten Schloß Sadûs zum Beispiel wäre gewiß lohnend und könnte Aufschluß geben über das Eindringen persischer oder jemenischer Kulturen. Glaser nimmt an, daß das Wâdî ed-Dawâsir von Jemen an bis hierher reicht und nach der Bahrain-Küste weiter geht. Wahrscheinlich ist der Kulturzustand des ganzen Innerarabiens zur Zeit von Mohammed viel besser als heute gewesen. Erst mit der Vernachlässigung des Landes durch die Chalifen, besonders durch die 'Abbâsiden, griff das Räuberleben um sich, und der Kulturzustand wurde schlechter.

Dies interessante Gebiet hat immer eine große Selbständigkeit gehabt, auch wenn die antiken Handels- und modernen Pilgerstraßen es durchkreuzen. Seine Geschichte

kann aber wohl erst geschrieben werden, wenn die Erforschung der Burgruinen und ihrer Inschriften erfolgt ist. Uns interessiert das Gebiet seit dem Auftreten der Wahhâbitensekte, deren Vorbereitungsgebiet hauptsächlich das Neğd war, und welche die ganze Halbinsel erschütterte. Im Jahre 1696 wurde in Wasit in Neğd ein Mohammed bin 'Abd elWahhab vom Stamme Tamîm geboren, der von seinem Vater im Ḥambalî-Ritus erzogen wurde und an den Hauptorten des Islam studierte. Auf seinen Reisen schreckte ihn die Entwicklung ab, die der Islam genommen hatte, und er begann eine Rückkehr zur alten, reinen Religion zu predigen. Insbesondere verwarf er die Iğma', die Anbetung der Heiligen und Verehrung der Heiligen Gräber; er verbot den Gebrauch von Tabak, Seide, Gold, Musik und allen sonstigen Luxussachen, nur Wohlgerüche waren ihm erlaubt. Rückkehr zum puritanischen Ur-Islam war sein Ziel. Der Priester fand in einem Weltmann den Verbreiter seiner Lehre. Der Emir Mohammed ibn Sa'ûd von Darîja in Neğd nahm seine Lehre an und verbreitete sie auch nach dem Tode ihres Begründers (1765). Um 1780 war die Lehre über fast ganz Innerarabien verbreitet, hauptsächlich durch die Bemühungen des Sohnes von Mohammed ibn Sa'ûd, 'Abd ul-'Azîz ibn Sa'ûd, der 1804 von einem persischen Fanatiker ermordet wurde, nachdem er sogar Bahrain erobert hatte. Dessen Sohn Sa'ûd II. hatte am 27. April 1803 Mekka erobert, wie er es zwei Jahre vorher mit Kerbela, der heiligen Stadt der Schi'iten, getan hatte. Im Jahre 1805 besuchte der Engländer Reinaud in politischer Mission im Auftrage des politischen Residenten Manesty in Grên-Kuweit Darîja, den Sitz des Wahhâbiten Emirs, traf aber jedenfalls den Abd ul-'Azîz nicht mehr lebend an. Die Türkei rührte sich anfangs trots des Verlustes der Heiligen Orte nicht. Erst 1811 beauftragte sie Meḥmed 'Alî, von Ägypten aus vorzugehen, der eine Expedition unter seinem Sohne Tuşûn Pascha entsandte. Mekka und Medîna wurden 1812 erobert, aber die Türken wurden bald darauf bei Bedr geschlagen. Eine zweite ägyptisch-türkische Armee unter Mustafa Bey nahm Tâif. Endlich konnte Meḥmed 'Alî selbst die Wahhâbiten bei Besel, in der Nähe von Tâif, schlagen. Der Wahhâbitenchef Sa'ûd III. war im April 1814 in seiner Hauptstadt Darîja am Fieber gestorben, und sein Sohn

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