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Jedenfalls sind die Heiligen Orte Mekka und Medîna fest in der Hand der Türkei, und alle von England und Frankreich1 unternommenen Pläne, das Chalifat des Sultans durch ein Gegenchalifat zu stürzen, müssen scheitern, solange die Türken Herren der Ka'ba sind.

Der

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7. Kapitel

Jemen und 'Asîr

er Südwestteil von Arabien bildet eine geographische und kulturelle, damit auch politische Einheit. Es ist das Glückliche Arabien", Arabia felix der Alten, ein Name, der vielleicht aus Aden" entstanden ist, woraus man „eudaemon“ und „felix" machte. Man wollte aber hiermit auch das infolge natürlicher und wirtschaftlicher Lage günstigste Gebiet der großen Halbinsel bezeichnen. Im Altertum war im Lande selbst keine einheitliche Bezeichnung des fraglichen Gebietes üblich. Es war das Land der Sabäer, aus dem sich das der Himjariten entwickelte, die je nach ihrer staatlichen Kraft engere oder weitere Länder beherrschten.

Einem niederen, am Roten Meer gelegenen Wüstenstreifen, Tihâma genannt, folgt landeinwärts in Stufen aufsteigend ein hohes Bergland, Serat, das vielfach zerrissen ist und das nach Osten hin allmählich in die innerarabische Wüste übergeht. Den Monsumwinden ausgesetzt, empfangen die Berge genügende Sommerregen, so daß die Flüsse dann sogar das Meer erreichen. Nach den Beobachtungen von Beneyton ist im Küstenland (Tihâma) die Temperatur während der Kalmen von Mai bis September 35-43°; während der Sommerregen sinkt die Temperatur etwas, im Winter ist sie 25-35°. Auf dem Plateau beobachtete er im Sommer 17-27°, im Winter 5 bis 29°, wobei diese Unterschiede von 34° oft innerhalb von 24 Stunden

1 Unter Nr. 1533 ist in der französischen Kammer ein Gesetzentwurf eingebracht, nach dem 500000 Frank bereitgestellt werden sollen, um in Mekka und Medîna je eine Unterkunft für Pilger aus den französischen Protektoraten zu schaffen. Diese „Hôtelleries" sollen unter die Bestimmungen des „Habous" (Waqf) fallen. (Bulletin du Comité de l'Afrique française 1915. S. 291.) Auf diese Weise hofft Frankreich seinen Kolonial-Mohammedanern gefällig zu sein und in den Heiligen Orten Einfluß zu gelangen.

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eintraten. Die Berge sind von der Talsohle an bis auf die Gipfel terrassiert; eine erstaunliche Arbeit ist auf diese Anlagen von der Urzeit an verwandt. Die Terrassen werden sorgsamst künstlich bewässert, besonders um auf ihnen Kaffee zu bauen. Schon die Altägypter sprachen von den Stufenländern zu beiden Seiten des Meeres", und es ist denkbar, daß sie hiermit diese Terrassenbauten meinten. Die Kaffeekultur auf den Terrassen allerdings ist dort anscheinend kaum vor dem 15. Jahrhundert unserer Zeitrechnung von Abessinien aus eingeführt, wo der Kaffeebaum einheimisch ist. Der Sage nach soll ein sufitischer Mufti Scheich Šihab-ed-Dîn Dabhânî1 um 1470 den Gebrauch der Kaffeebohne in 'Aden eingeführt haben. Und mit dieser Kultur wird man auch die des Qât (Catha edulis) aus Abessinien in Jemen eingeführt haben. Außerdem baut man Getreide in den Tälern früher vielleicht auch auf Terrassen ebenso Mengen von Fruchtbäumen. Der Gebrauch des Pfluges ist seit alter Zeit üblich. Gemüse scheinen durchweg gefehlt zu haben; wenigstens wird von den ersten türkischen Militärexpeditionen gemeldet, daß viele Soldaten aus Mangel an Gemüsen an einer skorbutartigen Krankheit gestorben wären, weshalb man ihnen zubereiteten Klee (Luzerne?) gegeben habe. Erst die Türken scheinen Gemüse gebaut zu haben. Die seẞhafte, kulturell hochstehende Bevölkerung ist offenbar Meister gewesen in der sorgsamen Wasserwirtschaft. Kanalbewässerung und Stauwerke waren schon in alter Zeit weit verbreitet. Stellenweise hatte man ganz bedeutende Werke, wie den Damm bei Ma'rib, dem Hauptorte der Sabäer, der angeblich 30 Schleusen hatte. Man kennt die Reste von 27 solcher Talsperren. Unter den inneren Wirren des Feudaladels, unter den Kriegen mit Abessiniern und Persern, über die wir in einem früheren Abschnitt berichteten, litt die staatliche Gewalt und somit der Kulturzustand des Landes, die

1 Nach anderer Angabe wurde der Kaffee etwa 1450 von Ğemâl ed-Dîn Abû ́Abdallah Mohammed bin Sa'îd ed-Dubanî, dem Qâdî von ‘Aden, aus Abessinien gebracht. Wieder andere sagen, daß 1430 Scheich 'Ali Sadulî bin Omar, der in Mochâ angesiedelt war, den Kaffee damals schon hatte. In Südarabien trinkt man aus Sparsamkeitsgründen nur eine Abkochung aus den Kaffeeschalen (Qišr), die Bohnen werden exportiert.

Wasserwerke wurden vernachlässigt. Jener Damm von Ma'rib soll 120(?), 447, 539 und 550 (nach Glaser nur 543) n. Chr. gebrochen sein, die Leute wanderten aus, und das Land verfiel. Durch den Einfluß des Islam bekam das Beduinenelement das Übergewicht über die seẞhafte Bevölkerung, und auch dadurch wird ein Kulturrückgang stattgefunden haben, so daß allmählich die Wüste Gegenden einnahm, die früher blühende Kulturländer waren. So sollen gerade bei Ma'rib riesige Steinbauten von dem Damme und von Tempeln einen hohen Kulturzustand bezeugen in einer Gegend, wo heute die gefährlichsten Beduinenräuber hausen. Überall im Lande verstreut sind richtige Städte mit hohen Häusern von einer ganz eigenartigen Architektur,1 die wahrscheinlich stark von Persien aus beeinflußt ist. Aus alter Zeit kennt man einstweilen nur Inschriften, viele tausend in sabäischer und himjaritischer Sprache, in eigenen südsemitischen Schriftzeichen verfaßt. Aber wirkliche Ausgrabungen hat man noch nicht vornehmen können. Hier ist noch alles zu leisten. Auf Schritt und Tritt sollen dem Reisenden Ruinen begegnen. Der Jemen-Araber el-Hamdânî hat im 10. Jahrhundert eine Menge von ihnen aufgezählt, er ist der eingeborene Archäologe von Südarabien. Ein Bild aber von den kulturellen Zusammenhängen des Volkes oder der Völker, die diese Bauten vollführten, kann man sich heute noch nicht machen. Das ganze Land, von der Küste bis weit ins Innere hinein, von Haḍramaût bis zum fernen Norden schreit geradezu nach dem Spaten des gründlich arbeitenden Archäologen, der hier ein überreiches Feld haben wird. Alles, was er dort leistet, vom ersten Spatenstich an, wird erfolgreich sein. Und welche interessanten und wichtigen Probleme der alten Geschichte hier zu lösen sind, ist schon weiter oben angedeutet. San'â selbst (das alte 'Uzel, wo das Schloß Ghomdân stand), Ma'rib, Šabwat (Sabota der Alten, die alte Hauptstadt von Ḥaḍramaût), vor allem auch Zofâr, der frühere Weihrauchhafen, sind die Punkte, wo zum Bei

1 Es wird beschrieben, daß bei der Architektur in Jemen Gipsornamente eine große Rolle spielen (wohl im Inneren der Häuser), ein Art von Gipsmosaik, wie es in Nordafrika und Spanien seit der Mitte des 7. Jahrhunderts so schön entwickelt ist. Nach Strzygowski ist diese Ornamentik wahrscheinlich aus Babylonien nach Nordafrika gelangt.

spiel ein Erfolg am ersten zu erreichen sein wird. Wenn die politischen Verhältnisse die Arbeit dort gestatten, dann ist zu erhoffen, daß deutschen Gelehrten diese blühen wird.

Über die alte Geschichte des Landes haben wir oben einige Angaben gemacht. Wir sahen, daß die Städte dort Zentren des Welthandels waren für die Produkte des Landes selbst, Gold, Weihrauch und Myrrhe, sowie für die Gewürze aus Indien, und wie sich dort ein märchenhafter Reichtum entwickelte. Und damit einher gingen politischer Einfluß und Handelsbeziehungen bis weit nach der Ostküste von Afrika und bis nach Indien.

Aber der Antagonismus von Rom-Abessinien einerseits und von Persien anderseits sowie die inneren Feudalfehden hatten das Land geschwächt, und als um 634 der Islam dort durch die Sendlinge Mohammeds eingeführt wurde, kam als zersetzendes Element noch dazu der Einfluß von Religionsstreitigkeiten und das Überwiegen des Nomadentums, von dem der Islam getragen wurde.

Martin Hartmann hat („Arabische Frage" S. 530 ff.) die frühislamische Geschichte von Jemen behandelt, wie Ibn Chaldûn und 'Omârâ sie aufzeichneten. Ihm folgen wir im nachstehenden durchweg. Das Land stand unter dem Zeichen der alten Sippenherrschaft, die „Könige" von Himjar behielten eine Zeitlang ihre Sonderstellung. Neben ihnen aber war ein Vertreter des Chalifen von Damaskus oder Baghdâd als „âmil" anwesend. Später wurden die eingeborenen Häupter als „Imâm" oder „Emîr" bezeichnet. Bei dem Zerfall des großen Chalifenreiches im Beginn des 9. Jahrhunderts machte sich auch der Statthalter des Chalifen in Jemen in der von ihm gegründeten Stadt Zebîd unabhängig. Eine Reihe von selbständigen Dynastien folgten einander. Bemerkenswert ist, daß alle diese Herrscher ihre eigenen Münzen prägten, und daß auch in mohammedanischer Zeit mehrere weibliche Herrscher vorkamen.

1. die Zijâdiden in Zebîd (819-1018), deren Macht sich über einen großen Teil von Jemen bis Ḥadramaût und 'Aden erstreckte. Der Stammvater Ibn Zijâd baute 819 Zebîd. Beim Zurückgehen ihrer Macht entstanden in Şan â und Ğanad lokale Herrschaften. Die Qarmaten zerstörten 904 Zebîd, eroberten 912 Şan â. Beim Tode von Ibn Salâma 1011 zerfiel das Reich;

Wasserwerke wurden vernachlässigt. Jener Damm von Ma'rib soll 120(?), 447, 539 und 550 (nach Glaser nur 543) n. Chr. gebrochen sein, die Leute wanderten aus, und das Land verfiel. Durch den Einfluß des Islam bekam das Beduinenelement das Übergewicht über die seẞhafte Bevölkerung, und auch dadurch wird ein Kulturrückgang stattgefunden haben, so daß allmählich die Wüste Gegenden einnahm, die früher blühende Kulturländer waren. So sollen gerade bei Ma'rib riesige Steinbauten von dem Damme und von Tempeln einen hohen Kulturzustand bezeugen in einer Gegend, wo heute die gefährlichsten Beduinenräuber hausen. Überall im Lande verstreut sind richtige Städte mit hohen Häusern von einer ganz eigenartigen Architektur,1 die wahrscheinlich stark von Persien aus beeinflußt ist. Aus alter Zeit kennt man einstweilen nur Inschriften, viele tausend in sabäischer und himjaritischer Sprache, in eigenen südsemitischen Schriftzeichen verfaßt. Aber wirkliche Ausgrabungen hat man noch nicht vornehmen können. Hier ist noch alles zu leisten. Auf Schritt und Tritt sollen dem Reisenden Ruinen begegnen. Der Jemen-Araber el-Hamdânî hat im 10. Jahrhundert eine Menge von ihnen aufgezählt, er ist der eingeborene Archäologe von Südarabien. Ein Bild aber von den kulturellen Zusammenhängen des Volkes oder der Völker, die diese Bauten vollführten, kann man sich heute noch nicht machen. Das ganze Land, von der Küste bis weit ins Innere hinein, von Ḥaḍramaût bis zum fernen Norden schreit geradezu nach dem Spaten des gründlich arbeitenden Archäologen, der hier ein überreiches Feld haben wird. Alles, was er dort leistet, vom ersten Spatenstich an, wird erfolgreich sein. Und welche interessanten und wichtigen Probleme der alten Geschichte hier zu lösen sind, ist schon weiter oben angedeutet. Şan â selbst (das alte 'Uzel, wo das Schloß Ghomdân stand), Ma'rib, Šabwat (Sabota der Alten, die alte Hauptstadt von Ḥaḍramaût), vor allem auch Zofâr, der frühere Weihrauchhafen, sind die Punkte, wo zum Bei

1 Es wird beschrieben, daß bei der Architektur in Jemen Gipsornamente eine große Rolle spielen (wohl im Inneren der Häuser), ein Art von Gipsmosaik, wie es in Nordafrika und Spanien seit der Mitte des 7. Jahrhunderts so schön entwickelt ist. Nach Strzygowski ist diese Ornamentik wahrscheinlich aus Babylonien nach Nordafrika gelangt.

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