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so ist sein voller Name brachte. Dieser Arzt soll angeblich unbegrenzte Vollmacht gehabt haben. Nach Meldungen aus Konstantinopel vom 15. und 16. Juli 1914 soll Idrîs gefordert haben, daß er erblicher Fürst von 'Asîr wird, daß er das Land in voller Souveränität verwaltet, und daß die türkische Regierung weder Beamte noch Truppen nach 'Asîr sendet. Dagegen wollte Idrîs sich verpflichten, die Oberherrschaft des Sultans anzuerkennen, die ottomanische Flagge zu hissen und das Freitagsgebet im Namen des Sultans als Chalifen abhalten zu lassen.

Wie weit man mit den Verhandlungen gekommen ist, ob die Hohe Pforte ihre Zentralisierungsbestrebungen aufgegeben und eine gewisse Autonomie dem Idrîs in 'Asîr gewährt hat, wie sie es früher bei dem Imâm Jaḥjâ in Jemen tat, ist in der Presse nicht bekanntgeworden. Es ist aber schon möglich, daß man guten Willen zeigte, doch scheint es, daß die Verhandlungen zu keinem Ergebnis gekommen sind.

Als nun am 29. Oktober 1914 der Krieg mit Rußland ausbrach und England am 4. November Ägypten, am 6. November Cypern annektierte, sowie als am 11. November der Sultan als Chalif alle Mohammedaner zum Kriege gegen Rußland, England und Frankreich aufrief, da machte sich auch der Krieg sofort in Südarabien geltend.

Wir wollen gleich hier die weiteren Ereignisse in Jemen besprechen, soweit sie bekanntgeworden sind, leider aber tappt man dabei überall im Dunkeln, denn die Meldungen von dort sind äußerst spärlich und unzuverlässig. Die Engländer hatten Veranlassung, alle Nachrichten zu unterdrücken, und die Türken waren lange offenbar ganz ohne Verbindung mit Jemen. Wenigstens wird berichtet, daß die Mannschaft der „Emden", die am 15. März 1915 von Ḥôdeida abfuhr, die ersten Nachrichten von dort nach Norden gebracht haben. Am 3. Mai kamen dann in Konstantinopel zwei Abgeordnete von Ḥôdeida an mit direkten Nachrichten seit mehreren Monaten. Sie waren über Loḥîja und Ghunfude nach Lît gefahren und von dort über Mekka und Medîna gereist. Sie erzählten, daß nach Verkündigung des Heiligen Krieges alle Stämme sich bei Ḥôdeida versammelt hätten, bereit, mit den Türken zusammen das Land zu schützen.

Ich kann nicht mehr tun, als hier eine Reihe von Berichten aus der Presse aufführen.

Mitte November teilte Reuters Bureau offiziös mit, daß die englische Regierung keinerlei Kriegsoperationen zu Lande oder zu Wasser gegen Arabien unternehmen werde, mit Ausnahme solcher, die zum Schutze der arabischen Interessen gegen Angriffe der Türken oder anderer unternommen werden müßten, oder solcher zur Unterstützung der Araber, die sich der türkischen Herrschaft entledigen wollen.

England verhandelte also offiziell von Macht zu Macht mit den Arabern, die gegen die Türken aufsässig waren.

Als erste Kriegstat beschossen die Engländer am 16. November 1914 die türkischen Batterien bei Scheich Sa'îd an der Straße von Bâb el-Mandeb, auf die ich noch ausführlicher zurückkommen muß. Sie sollen dort auch indische Truppen gelandet haben. Unzweifelhaft aber müssen die Türken imstande gewesen sein, später an diesen Plats zurückzukehren, denn Anfang oder Mitte August 1915 wurden von dort aus die englischen Kasernen und der Leuchtturm auf der Insel Perim beschossen. Am 2. November wurde der Ort Mochâ bombardiert, wo Mitte Dezember ein englischer Landungsversuch abgewiesen wurde. Es scheint, daß der Imâm Jaḥjâ sich den Türken gleich zu Beginn des Krieges bedingungslos zur Verfügung gestellt hat. Schon am 10. Dezember 1914 wurde berichtet, daß er die Absicht hätte, gegen Aden zu ziehen. Auch Idris scheint zuerst Ruhe gehalten zu haben. Ob die am 21. Dezember in die Presse gelangte Nachricht, daß der große Häuptling Ibn Sa ûd aus Innerarabien, von dem wir noch viel zu reden haben werden, nach Jemen den Türken zu Hilfe geeilt sei, möchte ich sehr bezweifeln; denn trotzdem er 1913 von den bedrängten Türken zum Pascha und Wâlî von El-Aḥsâ am Perser Golf ernannt war, hat er sich immer mehr auf die Seite der Engländer gestellt. Jedenfalls aber hielten die Engländer es Mitte Dezember für nützlich, indische Truppen in 'Aden zu landen. Zu gleicher Zeit wurde gemeldet, daß alle südarabischen Häuptlinge sich von England abgewandt hätten und von den Türken mit Waffen und Geld versehen würden. Wieviel von dieser Nachricht wahr ist, ließ sich damals nicht feststellen.

Bei Beginn des Krieges flüchtete der englische Konsul Richardson in Hôdeida in das Haus des italienischen Konsuls Cecchi, wurde dort aber von türkischen Gendarmen gefangengenommen und auf die Vorstellung des Italieners. nicht freigelassen. Der italienische Konsul schiffte sich am 3. Dezember auf dem italienischen Kriegsschiff „Giuliana" ein. Auf seinen Bericht hin verlangte Italien die sofortige Freilassung des Engländers und eine Genugtuung. Die Verhandlungen mit der Türkei zogen sich etwas in die Länge, weil die Verbindung mit Hôdeida unterbrochen war. Ende Januar aber berief der Wali des Jemen die fraglichen türkischen Beamten von Hôdeida ab; am 6. Februar landete der italienische Konsul dort, dem sofort der englische Konsul ausgeliefert wurde. Durch Hissen und Salutieren der italienischen Flagge und Austausch von Besuchen wurde der „Zwischenfall von Hôdeida" aus der Welt geschafft.

Am 7. Januar 1915 landete in Hôdeida ein Teil der Mannschaft S. M. S., Emden" unter Kapitänleutnant von Mücke; sie wurde dort gut aufgenommen, blieb noch zwei Monate in Şan â und fuhr am 14. März von Gebâne wieder ab nach Norden. Am 1. April wurde sie auf dem Marsche von Lît nach Ğidda von Beduinen angegriffen, die von Engländern gekauft sein sollen. Ein vom Großscherif von Mekka gesandte Abteilung befreite sie. Leider ist nicht angegeben, um welchen Stamm von Arabern es sich handelte. In einer Pressenotiz finde ich, daß es Beni Harb" gewesen seien. Es ist also denkbar, daß diese Leute mit denen des Idrîs gemeinsame Sache machten.

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Die Engländer, Franzosen und Italiener, die, wie wir sahen, sämtlich Interessen in Südarabien haben, und die auch schon früher den Idrîs gegen die Türken unterstützten, werden sich die Gelegenheit nicht haben entgehen lassen, mit allen Mitteln diesen zu neuen türkenfeindlichen Taten zu reizen. In der Tat hören wir um Mitte August 1915, da Idrîs in Asîr den Türken feindlich gesinnt sei, wenn er damals auch noch die türkische Garnison unter dem Oberst Muhl ed-Dîn (?) in el-Ebhâ duldete. Aber schon am 22. August wurde dem „Temps" aus Kairo gemeldet, daß Idris plane, auf Sanâ zu marschieren. Zuerst wolle er sich der Orte Šakara(?) und Ṣa'da bemächtigen. Im September sollen dann auch bei einem Angriff der Engländer von

der See aus auf Lohîja die Truppen des Idrîs die türkische Garnison dort von der Landseite angegriffen haben. Der Meldung nach ist aber der Führer der Idrîsleute, Meḥmed Tâhir, bei dieser Gelegenheit gefallen. Drei Tage lang haben die Engländer damals mit vier Schiffen den Ort beschossen, von dem aus die Türken mit ihren Landbatterien ein englisches Schiff getroffen haben wollen, das sich nach der nahen Insel Hamzok(?) zurückzog.

Einen großen Erfolg haben die Türken gemeinsam mit den Leuten des Jaḥjâ unter ihrem Feldherrn Mohammed Nasr gegen 'Aden gehabt. Auf das Gerücht hin, daß eine Truppe aus Jemen anmarschiere, hatte der Kommandeur von Aden eine Kameltruppe zur Rekognoszierung vorgesandt, die eine bedeutende Zahl von Feinden feststellte und sich nach Lahedj (Laḥğ) zurückzog, wo sie durch 250 Mann und zwei Geschütze verstärkt wurde. Am 4. Juli 1915 wurden dort die Engländer von mehreren tausend Türken und Arabern angegriffen, die 20 Geschütze gehabt haben sollen. Da Unterstützungen nicht rasch genug herankamen, ging die englische Truppe am 5. Juli aus Lahğ zurück bis 'Aden, mit dem Verlust von angeblich drei verwundeten englischen Offizieren, während sie nach der „Times" 13 Türken gefangengenommen haben will. Nach den türkischen Berichten aber sind die Kämpfe für die Engländer noch ungünstiger abgelaufen: ein Reserveoffizier, 5 indische Soldaten, 4 Schnellfeuergeschütze, 5 Maschinengewehre, 9 Automobile und sehr viel Kriegsmaterial sollen von den Türken erbeutet worden sein. Mehr als 200 Leichen will man auf der Straße gefunden haben. Am 21. Juli sind die Engländer nochmals aus 'Aden vorgestoßen, haben das Dorf Scheich 'Otmân, das in Sehweite der Stadt liegt, genommen und sich auch einige Zeit in Lahğ gehalten. Nach der türkischen Meldung sind die Engländer am 21. August wieder aus Laḥğ herausgeworfen mit einem Verlust von 4 Geschützen und 5 Maschinengewehren. Am 24./25. August versuchten die Engländer, die Ortschaft El-Waht zu überfallen, wurden aber ebenso geschlagen wie drei Tage später, wo sie mit 5 Infanterie-Bataillonen, 3 Kavallerie-Schwadronen, 2 Schnellfeuer-Batterien und 2 Maschinengewehr-Abteilungen vorgingen. Am 8. Dezember wurde eine englische KavallerieAbteilung auf Bîr Aḥmed zurückgeworfen, zwischen dem

10. und 17. Dezember fanden Gefechte bei Mejah (?) statt, nach denen die Engländer auf Scheich 'Otmân zurückgingen. Ebenso fanden etwa im Januar 1916 (Bericht vom 16. Februar) Kämpfe zwischen Scheich Otmân und Elu Aile (el'Alî?) statt, nach denen die Engländer auf ersteren Ort sich zurückzogen. Seit Mitte 1915 ist 'Aden von der Landseite aus durch Türken und Araber abgeschnitten, denen die Engländer früher selbst Gewehre zum Aufstand gegen die Türken geliefert hatten. (Fernere Nachrichten s. bei ‘Aden).

Anfang November 1915 berichtete die „Südslawische Korrespondenz", daß der Sultan außer dem Scheich der Senûsî auch dem Scheich von Jemen - also ohne Zweifel dem Imâm Jâhjâ den Titel Großwesir" (?) verliehen habe, und daß beide der Türkei entschieden freundlich gesinnt seien. Die Italiener (La Perseveranza" vom 4. Nov. 1915) regten sich hierüber sehr auf. Aus Konstantinopel wurde am 15. Dezember gemeldet, daß Imâm Jaḥjâ die Brillanten zum Osmanijeorden sowie die goldene Imtiazmedaille vom Sultan wegen seines tatkräftigen Verhaltens verliehen ist.

Aus allen, wenn auch sehr dürftigen Nachrichten scheint also hervorzugehen, daß die Türken Jemen fest in der Hand haben, dank der Unterstützung durch Jaḥjâ. Die Engländer sind in Aden eingeschlossen, und die Erfolge der Türken werden bewirkt haben, daß anscheinend alle Stämme von Südarabien, auch die in der englischen Interessensphäre, sich der gemeinsamen Sache des Islam angeschlossen haben, mit Ausnahme wahrscheinlich von Idrîs, der offenbar von den Feinden der Türken durch große Geldmittel bestochen wurde.

Es ist aber kein Zweifel, daß das ganze Land durch alle die nun schon fast ununterbrochen seit 1871 währenden Unruhen sehr gelitten hat. Wenn es auch nicht gerade zur Wüste geworden ist, wie Roloff meint, so müssen die Siedlungen und Kulturen doch schwer geschädigt sein. Eine hoffentlich siegreiche Türkei wird alle Mühe aufzuwenden haben, das Land wieder zum Wohlstand zu bringen, auf den es seiner Natur nach rechnen kann. Wie die innere Politik in diesem Lande zu führen ist, läßt sich ohne eigene Anschauung nicht entscheiden. Die Geschichte der ganzen türkischen Verwaltung hat aber doch immerhin gelehrt, daß dort nur die besten Beamten gerade gut genug sind, und daß man sich nicht scheuen soll, auch

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