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Macht des Occidents. Schon zu Ende des foten Jahrhunderts waren Karl's Nachkommen von allen seinen Thronen ausgeschlossen: in Frankreich erhielten sie sich zwar am längsten, aber mit grofser Abhängigkeit von ihren Vasallen, die die ganze Gewalt der Krone an sich gerissen und die schönsten Domänen derselben unter sich vertheilt hatten.

Hugo Kapet, der mächtigste Grofse. Frankreichs, Herr von Isle de France, Burgund und Aquitanien, schwang sich 987 nach dem Tode Ludwig's des Faulen und mit Ausschliefsung des letzteren Karolingers in Lothringen auf den Französischen Thron und stiftete eine neue Dynastie, die bis auf Ludwig XVI. Frankreich Herrscher gab. Die ersten Prinzen dieser Dynastie waren, ob der Besitz gröfserer Domänen ihnen gleich mehr Einfluss gab, noch immer von ihren Pairs abhängig, das Reich ein Wahlreich und ohne innere Kraft. Erst Ludwig V1. und sein weiser Minister Suger legten den Grund zu einer grösseren Gewalt der Krone durch Stiftung der Freistädte, durch Aufhebung der Leibeigenschaft und durch Erwerbung der höchsten Gerichtsbarkeit. Er sowohl als seine Nachfolger Philipp II. August, und Ludwig der Heilige endigten Frankreichs politische Schwäche, erweiterten die Krondomänen durch Einziehung und Eroberung der Normandie, Maine,

jou, Touraine, Poitou, Auvergne, Artois, Picardie, Toulouse und Provence, machten die Krone in ihrer Nachkommenschaft erblich, verbesserten das Kriegswesen, schufen eine stehende Armee und gaben Frankreich eine so grosse innere Stärke, dafs es nun schon eine wichtige Rolle im Europäischen Staatenareopage übernehmen konnte.

Die Könige von England besafsen als Thronlehen wichtige Provinzen im Reiche. Die Eifersucht, die sich hierüber zwischen den gekrönten Lehnsherren und Vasallen entspann, wurde die Mutter der blutigsten Kriege, und legte den Grund zu dem bitteren Hasse, der noch jetzt die beiden Nationen entzweiet, Mehr als einmal kam dadurch Frankreich, besonders unter den Valois, die mit Philipp VI. 1328 den Thron der Kapete bestiegen, an den Rand des Abgrunds, und unter Karl VII. erhielt nur ein Wunder, durch die Energie einer Jungfrau ausgeführt, seinen schon verlorenen Thron Erst spät errangen die Valoiden die Palme, und der Kampf endigte sich mit dem

Verluste aller Besitzungen, die die Plantageneten auf dem Continente erworben. Während dieser Kriege hatten die Könige die höchste Gewalt, die sich noch immer in den Händen der Nation befand, und die sie auf den Reichstagen, welche Anfangs Parlamente, dann assemblées des états généraux hielsen, an sich zu reifsen versucht. Philipp VI. erwarb der Krone die Dauphiné und die Herrschaft Montpellier. Auch Karl V. vergröfserte seine Domänen. Noch mehr that diefs Karl VII. durch glückliche Endigung des Englischen Kriegs. Dieser Prinz fieng zuerst an eigenmächtig Steuern auszuschreiben, jedoch mit Be'hutsamkeit und mit Widerspruche der Stände. Ludwig FI., sein Nachfolger, war zum Tyrannen geboren und unterdrückte mit Gewalt und Arglist die Vorrechte der Stände so sehr, dass man ihn als den Urheber der uneingeschränkten Gewalt der Könige betrachten kann. Auch verstärkte er seine Domänen mit Erwerbung von Burgund 1477. Sein Sohn, Karl VIII., fand bei seinen Unterthanen keinen bedeutenden Widerspruch, und nach der Erheirathung von Bretagne 1490 war im Reiche kein mächtiger Fürst mit Landeshoheit mehr. Indels schützte die Versammlung der Stände auf den états généraux noch manches Vorrecht.

Mit Ludwig XII. erhielt 1499 das Haus Orleans, ebenfalls Spröfslinge von Kapet, den Thron. Unter diesem guten Regenten fiengen die für Frankreich so unglückli chen Kriege in Italien und der Kampf mit Oesterreich über die Herrschaft von Europa an. Franz 1, Ludwig's XII. Sohn, und Heinrich II., sein Enkel, waren die gefürchtetsten, wenn auch nicht immer glückliche Rivale Karl's V. und Philipp's II. Die Schwäche der Söhne, Heinrich's 11., der 1559 starb, gab Gelegenheit, dass sich zwei mächtige Parteien im Reiche bilden konnten, die katholische und de reformirte, durch welche die Parlamente, die Prinzen vom Geblüte, die Statthalter der Provinzen und andere Grosse während der Hugonotten-Kriege sich fast aller Gewalt bemächtigten und die Reformirten besonders einen Staat im Staate formirten. Hauptsächlich hatte die Zerrüttung unter dem Weichling, Heinrich III., den höchsten Grad erreicht; der bürgerliche Krieg hatte das Mark des Landes verzehrt, das königliche Ansehen war auf das tiefste herabgewürdigt, ein mächtiger Feind hielt seine Armee an den Gränzen bereit, um über das wehrlose Land, dessen Bewohner sich selbst zerfleischten, herzu

fallen; Frankreich schien für immer verloren zu seyn, als ein Dominicaner 1589 das Leben des schwachen Monarchen, dessen Armee die Hauptstadt belagerte, endigte.

"Mit ihm erlosch der Stamm der Valois. Die Geburt rief nun den guten und grofsen Heinrich IV. von Bourbon auf den Thron, den er sich zwar erst durch die Waffen zu erkämpfen gezwungen war, den aber keiner vor und nach ihm würdiger bekleidet hat. Seine vortrefflichen Eigenschaften, sein edles grofses Herz und seine grofse Tapferkeit machen ihn zum gröfsten unter Frankreichs Königen. Er endigte die Zerrüttung seines Vaterlandes, indem er die Bürgerkriege unterdrückte und den Reformirten durch das Edict von Nantes die Religionsfreiheit bewilligte; er verschaffte dem Staate Achtung im Auslande und gab ihm inneren Wohlstand und Stärke. Sein Sohn, Ludwig XIII, der nach der Ermordung seines grofsen Vaters 1610 den Thron bestieg, hatte das Glück einen eben so staatsklugen, als hartherzigen Minister zu erhalten. Richelieu erhielt das Ansehen des Monarchen nicht allein. aufrecht, sondern bezwang und vertilgte alle Grofsen, die sich der königlichen Gewalt entgegensetzten; 1614 versammelten sich die Stände und 1626 die Notabeln zum letzten Male; die Grundsäulen des Despotism waren fest gegründet und der Wille des Monarchen kannte nun keine Einschränkung mehr. Glücklich kämpften die Französischen Armeen unter ihm auch im Auslande, und demüthigten die Macht des Hauses Oesterreich, das an Richelieu and Gustav Adolf zwei fürchterliche Gegner, jenen im Cabinette und diesen im Felde erhielt.

Ludwig XIV. trat noch unmündig auf den väterlichen Thron, den dieser 1643 verlassen hatte; aber sein Minister Mazarin war ein Richelieu's würdiger Nachfolger, und seine Armeen hatten unter Condé und Turenne die grölsten Feldherrn ihrer Zeit an der Spitze. Durch den Westphälischen und Pyrenäenfrieden wurde die Macht Frankreichs furchtbar verstärkt. Ludwig XIV. gebrauchte die ersten ruhigen Jahre seiner Regierung wichtige FinanzOperationen vorzunehmen, Künste, Manufacturen und Fabriken in sein Reich einzuführen und Frankreichs Handel zu gründen. Der grofse Colbert gab diesem Reiche dadurch eine solche innere Stärke, dafs dasselbe bei den äuersten Anstrengungen in 3 Kriegen gegen das halbe ver

bündete Europa fechten konnte, aus allen dreien als Sicger schied und es bei der höchsten Verschwendung des Hofs lange für Erschöpfung bewahrte. Letztere würde vielleicht nie erfolgt seyn, wenn Ludwig XIV. in den letzteren Jahren seiner Regierung durch eben so geschickte Minister geleitet und vor groben Fehltritten, worunter die Verjagung der Hugonotten gewils nicht zu den geringsten gehört, bewahrt wäre, auch eben so glückliche und grofse Generale, wie Turenne und Luxemburg, an der Spitze seiner Armeen gestanden hätten. So lange er von guten Generalen und Ministern sich unterstützt sah, blieb Frankreich die herrschende Macht Europa's, und schrieb den übrigen Staaten Gesetze vor. Aber der unglückliche Spanische Erbfolgekrieg warf Frankreichs Gröfse über den Haufen und entkräftete es auf's äufserste, ohne ihm jedoch eine der Eroberungen zu entreifsen, die Ludwig XIV. in den vorigen glücklicheren Kriegen gemacht hatte, und mit Erreichung seines Zwecks einen Bourbonschen Prinzen auf Spaniens Thron zu sehen. Staats- und häusliches Unglück verbitterten die letzteren Jahre eines Monarchen, unter dem Frankreich in jeder Hinsicht sein goldenes Zeitalter gesehen hatte; diefs Reich war in einem verzweiflungsvollen Zustande, als er starb, und mit einer fürchterlichen Schuldenlast von mehr als 4,500 Mill. Franken belastet.

Sein fünfjähriger Grofsenkel, Ludwig XV., folgte ihm 1715 zuerst unter der Regentschaft des staatsklugen Orleans, dann unter der Leitung der Minister Bourbon und Fleury. Ersterer rettete das Reich durch einen Staatsbankerott, letzterer gab ihm neue innere Kräfte, erweiterte seine Gränzen durch das langgewünschte Lothringen, und erhob es zu einer der ersten Europäischen Mächte. Aber an den kostbaren blutigen Krieg, den es zur Zertheilung der Oesterreichischen Monarchie ohne Erfolg führte, reiheten sich mehrere unglückliche Begebenheiten, die das Königreich abermals an den Rand des Abgrunds führten. Die verschwenderische und üppige Regierung eines Monarchen, der den Namen des Vielgeliebten auf die gewissenloseste Art verscherzt hatte, die Einmischung seiner Maitressen und ihrer Creaturen brachte eine grofse innere Schwäche, eine höchst fehlerhafte Verwaltung der Angelegenheiten, die höchste Unordnung in den Finanzen und innere Uneinigkeiten hervor. Frankreich lag in dem Seekriege, den es von 1755 bis 1762 mit Grossbrittanien und

deren Alliirten führte, völlig unter, es verlor nicht allein seine wichtigsten Colonien und den ganzen Antheil an dem Welthandel, den es bisher mit Glanze genommen hatte, sondern sank zur völligen Kraftlosigkeit herab.

Zwar würde eine kraftvollere Regierung bei den ungeheueren Hülfsmitteln, die der Staat besafs, und der gesunden Constitution seines gedrängten Staatskörpers das Uebel ohne Zertrümmerung des Ganzen gewifs gehoben haben; aber dem verschwenderischen Ludwig XV. folgte 1774 sein gutmüthiger unglücklicher Enkel Ludwig XVI., ein Monarch, dem bei dem besten Willen sein Volk zu beglücken, es leider an eigener Kraft gebrach. Der Anfang seiner Regierung liefs sich nicht unglücklich an; seine ersten Minister Maurepas und Vergennes änderten zum Theil die Zerrüttungen im Staate ab, schränkten die unmässige Verschwendung des Hofes ein, gaben den Parlamenten wieder Kraft und dem Staate eine solche Stärke, einen langdauernden Seekrieg gegen England aushalten und den Zweck, Trennung der Brittisch-Americanischen Colonien von dem Mutterlande erzwingen konnte. Aber die Unordnung in den Finanzen stieg mit jedem Tage und die Maafsregeln, die man zu ihrer Abhelfung ergriff, waren zu kraftlos und zu schwankend; der Recurs an die Nation, das letzte verzweiflungsvolle Mittel, wozu man seine Zuflucht nahm, gebar unter unseren Augen die grosse Revolution, die alle Banden zerrifs, die ehemals den Franzosen heilig gewesen waren, und ihren unschuldigen Monarchen selbst 1793 auf das Schaffot führten,

dafs er

Hinweg den Blick von jenen Schreckenstagen, welche die fürchterliche Revolution im Gefolge hatte; Jahre lang war Frankreich der Henker seiner eigenen Kinder, Jahre lang wütheten in diesem schönen Reiche alle Gräuel des Terrorism, der seinen Boden mit Blute tränkte und dessen Erinnerung noch jeden Zeitgenossen mit Abscheu und Entsetzen erfüllt! Aber selbst unter diesen fürchterlichen Scenen entwickelte sich die Energie der Nation bis zu einer furchtbaren Höhe! Der ganze Continent ergriff gegen Frankreich die Waffen; die furchtbarsten Coalitionen, wie sie nie die Vorzeit kannte, entstandeu; die Streitkräfte eines Welttheils traten gegen Frankreich in die Schranken, aber besiegt beugten sie sich vor der Majestät und der Kraft eines Volks, das seine Selbstständigkeit mit Muthe vertheidigte, und selbst seine Gränzen unter allen Stürmen der dig. Eur. Staatshandb. 11. Ed. I. Abth.

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