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Zeit noch weiter ausdehnte. Seine sämmtlichen Feind wurden nicht nur besiegt, sondern völlig gelähmt, und Frankreich erhob sich zu der herrschenden Macht de Continents.

Noch war indefs die Ruhe nicht wiedergekehrt und di scheufslichste Anarchie wüthete noch immer in dem Innere eines Volks, das sich zwar aller Fesseln, die es bisher ge fangen hielten, entledigt hatte, aber es nicht verstand die mit so vielem Blute theuer erkämpfte Freiheit für sich selbst zu behaupten. Mit Energie hatte es jedem Anfall von Aufsen getrotzt; es würde an seinen inneren Wunder verblutet seyn, wenn nicht ein aufserordentlicher Man sich unter seinen Feldherrn hervorgehoben und es zum Bewulstseyn seiner selbst zurückgeführt hätte, Schon im Jahre 1796 hatte das Wirken Napoleons Buonaparte begon nen; an die Schlacht von Montenotte reiheten sich eine Menge der glücklichsten Begebenheiten, die seinen Na men vor allen Männern der Nation heraushoben; er wa es, der den Frieden zu Campo Formio schlofs, er, der die innere Ruhe wieder herstellte, er, der den romantischer Heereszug nach Aegypten ausführte, er, der die unglück bringende Regierung der Directoren stürzte, er, der Frank reich aus dem fürchterlichen Kampfe mit Russland und Oe sterreich ehrenvoll führte. So viele Verdienste mufsten di Dankbarkeit der Nation erwecken, und bald rückte de siegreiche Feldherr zum ersten Consul empor. Aber sei Ehrgeiz war weit entfernt, auf dieser Stufe stehen zu blei ben; Napoleon war nicht zufrieden, der erste Bürger eine freien Staats zu heifsen, er wollte dessen Herrscher wer den, und das Glück begleitete ihn. Anfangs liefs er sic zwar das Consulat nur auf zehn Jahre, dann auf Lebens zeit übertragen, und zuletzt bestieg er den erblichen Ka serthron, um den er auf eine kurze Zeit einen Glanz war der selbst die Zeiten des grofsen Karl's überstrahlte.

Kaum wufste Napoleon seine Herrschaft in Frankreic sicher, so wandte er seinen Blick auf das geschreckte, Lethargie versunkene Europa. Wie er Frankreichs Her scher geworden war, so wollte er nun auch seinen imp rativen Einfluss über diesen ganzen Erdtheil ausdehner alle Völker sollten seinen Gesetzen gehorchen, und kei Mittel blieb unversucht, um diesen Zweck zu erreiche Umsonst war der Widerstand, den Oesterreich, Rufslar und Preufsen in drei blutigen Kriegen dem Eroberer en

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gegenstellten: er blieb bei Austerlitz, wie bei Auerstädt und bei Wagram Sieger. Die Iberische Halbinsel, der Continent von Italien, ein grofser Theil von Teutschland und Polen, selbst die friedlichen Thäler Helvetiens und Holland wurden theils in das Diadem Frankreichs geflochten, theils zu Filialreichen seiner Dynastie umgeschaffen oder durch ein drückendes Lehnband an sein Interesse geknüpft. Auf dem ganzen Continente gehorchte Alles seinem Willen, und blofs der Brittische Leopard fuhr fort über die Meere zu herrschen, wenn ihm gleich jeder Zutritt zu dem Continente verschlossen war,

Napoleon stand im Zenithe seines Glücks. Er hatte Frankreich über alle Staaten der Erde, wie sich selbst über Frankreich erhoben: neben ihm gab es keinen Willen mehr in einem Reiche, wo noch ein Jahrzehend vorher jeder Einzelne die Majestät des Volks sich aneignete. Seine Herkunft aus dem Staube gerieth in Vergessenheit: was noch ein Jahr früher Jeder für Unmöglichkeit gehalten haben würde, war wirklich geworden die Tochter des ältesten Kaiserhauses in Europa gab dem Corsen die Hand, und wurde kaum ein Jahr nach ihrer Vermählung die Mutter eines Sohns, den schon in der Wiege die Krone des alten Roma schmückte! Was hätte Napoleon nicht seinem Volke, nicht seinem Jahrhunderte werden können, wenn er jetzt den Lauf seiner Siege gehemmt und eben so grofs im Frieden, wie im Kriege zu werden vermocht hätte. Allein er hatte einmal den Weg des Eroberers betreten, das Schick al rifs ihn unaufhaltsam mit sich fort!

Die Gewaltschritte Napoleon's, wodurch er Holland und einen grofsen Theil von Teutschland ohne irgend ei nen zu rechtfertigenden Grund mit seinem übermächtigen Reiche verschlungen hatte, schreckten alle Völker auf und erfüllten sie mit bangen Besorgnissen. Der Kaiser von Rufs land, bis jetzt der Bundesgenosse Frankreichs, war durch die Länderberaubung seines Blutsverwandten auf das äusserste gereizt, und sammelte seine Truppen an den Gränzen, Napoleon der keinen anderen Willen als den seinigen in Europa anerkannte, führte eins der furchtbarsten Heere, welches dieser Erdtheil je gesehen hatte, im Siegesfluge durch das Innere von Rufsland bis nach Moskwa: gürzte die alte Kaiserstadt freiwillig zusammen, das unge henere Heer verlor den nöthigen Stützpunkt, und der Winer übereilte und vernichtete es gänzlich. Die Russen dran

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gen nun mit den Preufsen, die sich denselben anschlossen, bis zur Elbe nach. Napoleon betrat das Jahr darauf mit einem, dem verlorenen an Stärke wenig nachgebenden Heere, der letzteren Kraft seines Volkes, von Neuem den Kampfplatz, aber das Glück, wenn es ihn schon auf einen Augenblick anlächelte, verliefs den verblendeten Feldherrn ganz und trat auf die Seite seiner Feinde, mit welchen sich jetzt auch Oesterreich vereinigte. Die Völkerschlacht bei Leipzig wurde geschlagen und Europa war frei. Napoleon floh, verlassen von allen seinen Bundesgenossen, über den Rhein, wohin ihm die Sieger folgten, in Frankreich einrückten, nach mehreren blutigen Gefechten Paris besetzten, und dort ihren Entschlufs erklärten, dass sie weder mit Napoleon noch mit einem Gliede seiner Familie unterhandeln, und die Integrität von Frankreich nur so anerkennen wollten, wie es unter den Königen bestanden hatte.

Der Senat sprach hierauf im Namen der Nation die Absetzung des Kaisers Napoleon und seiner Familie aus, welche auch endlich Napoleon annahm, dem Throne von Frankreich, welchen sein toller Ehrgeiz entweiht hatte, entsagte, und sich auf Elba dem Scheine nach in Vergessenheit begrub. Frankreich rief nun seinen alten Herrscherstamm, die Nachkommen Heinrich's IV. unter Vorlegung einer Constitution zurück: letztere nahm indefs Ludwig XVIII., den man mit dem Namen des Ersehnten bewillkommte, nicht an, und gab dafür Frankreich eine Verfassung, welche die königliche Gewalt in die Fesseln einer constitutionellen Monarchie einzwang und das Glück der Nation begründen konnte, wenn diese dafür empfänglich gewesen wäre. Dafür erhielt Frankreich von den Verbündeten einen Frieden, der in seiner Lage nicht erträglicher ausfallen konnte: es behielt nicht nur sein ganzes altes Staatsgebiet von 1789, es behielt auch Savoyen, Avignon, Mömpelgard, alle Teutschen Enclaven, einige Gränzcantone von Belgien und den Bezirk um Landau, und bekam seine sämmtlichen Colonien bis auf Saint Lucie, Tabago, Saint Martin und Insel Frankreich zurück.

Die fremden Heere hatten kaum Frankreichs Gränzen verlassen, als sich allenthalben bedenkliche Gährungen zeigten. Die Nation konnte sich weder an einen Friedens zustand, noch an den ihnen aufgedrungenen Herrscher ge wöhnen, und hieng noch immer an ihrem Idol auf Elba, an welches Frankreichs Ruhm gekettet zu seyn schien.

Kaum zeigte sich daher dieser, der Wachsamkeit der Engländer entronnen, auf den Küsten von Provence, als das ganze Reich ihm zufiel und im Siegestriumphe nach París führte, welches die Bourbonen sogleich verliefsen und nach den Niederlanden flohen. Napoleon wurde von der Mehrheit der Nation, oder vielmehr von Allem, was mit der vorigen Regierung unzufrieden war oder die Bayonette der Armee fürchtete, als Kaiser anerkannt, und schlofs mit derselben am 1. Jun. 1815 durch die angenommene Constitution einen neuen Vertrag.

Die auf dem Congresse zu Wien befindlichen Europäischen Monarchen erkannten diese Contrerevolution` jedoch nicht an. Ganz Europa, mit Ausnahme der Türken und Schweden, trat in ein bewaffnetes Bündnifs wider das empörte Frankreich und den darin herrschenden gekrönten Jacobinismus, und alle Versprechungen, alle Anerbietungen Napoleon's wurden zurückgewiesen. Der Krieg brach

hierauf in den Niederlanden aus, aber schon einige Tage nach seinem Ausbruche am 18. Jun. erfolgte die Schlacht bei Waterloo, worin Napoleon's Heer gänzlich vernichtet wurde. Er selbst floh nach Paris zurück, wo er am 23. Jun. die Krone niederlegte, sein politisches Leben für beendigt erklärte und sich am 12. Jul. auf dem Bellerophon als Gefangener begab, von welchem er in der Folge nach Sanct Helena gebracht und dort für immer eingeschlossen ist. Die Bourbone kehrten nun nach Frankreich zurück, und die Verbündeten dictirten zu Paris einen zweiten Frieden, der Frankreich zwar seine Integrität von 1789 mit Avignon, und Mömpelgard liefs, aber Savoyen, die Belgischen Gränzcantone, die Festungen Landau, Saar- Louis, Marienburg und Philippeville davon trennte, ihm eine Kriegssteuer von 700 Mill. Franken auferlegte, alle in den vorigen glücklichen Kriegen fremden Nationen entführten Kunstwerke und Trophäen entrifs und zum Unterpfande der Ruhe und Sicherung des Throns den Bourboniden die Ueberlassung von 17 Festungen und die Unterhaltung eines Europäischen Heers von 150,000 Mann auf 5 Jahre aufdrang. Seit diesem am 2. Oct. 1815 geschlossenen Frieden scheint nun endlich Ruhe in das gebeugte Reich zurückzukehren, und der Gährungsstoff sich immer mehr zu verlieren, indefs dürfte noch immer eine geraume Zeit darüber hingehen, ehe Frankreich zu einem völligen inneren Gleichgewichte kommen und einer fremden Brandwache entrathen wird.

III.

STATISTISCHE ÜBERSICHT,

Frankreich ist ein völlig gerundeter und zusammen hängender Staat, der gröfstentheils in natürliche Gränzen eingeschlossen und wo diefs nicht ist, von einem dreifacher Gürtel von Festungen umgeben ist. Es liegt in der ge mälsigten Zone Europens zwischen 12° 21' bis 26° 4′ ö. L und 42° 23' bis 51° 3′ n. Br., mithin zum Theil in deren wärmeren Hälfte. Aufserhalb seiner Gränzen gehören zum Reiche die in den anstofsenden Meeren belegenen Inseln und Eilande: Corsica, die Hieren und Lerinen, Oleron, Ré, d'Jeu, Noirmoutiers, Belleisle, Grouaix, Ouessant und Bas; als Colonien sind von demselben abhängig in Westindien die Hälfte von Domingo (welche zwar noch immer von den Negern behauptet wird), Martinique und Guadeloupe mit ihren Zubehörungen; auf dem Continente von Südamerica das Generalcapitanat von Cayenne mit Guiana; in Nordamerica 'die Fischerinseln Saint Pierre und beide Miquelon, auf den Küsten der Bärberei die festen Plätze Bastion de France, Calle, Golo und Bonne; am Senegal und Gambia Cap François und die Eilande Goree und Senegal; im Indischen Oceane die Insel Bourbon und auf dem Ostindischen Continente die Plätze Pondichery, Mahé, Karikal und Tschandernagor mit ihren Gebieten,

A. Das Königreich Frankreich enthält in seinem jetzi gen Umfange ein Areal von 10,264 geogr. Meilen mi einer Bevölkerung von 27 Millionen Menschen. Nach Fran zösischen Geographen beträgt das Areal nur 10,086,12 geo graph. Meilen oder 36,239 Lieuen, die Volksmenge aber, wie sie der Alm. Roy. von 1815 bestimmt, nach Abrechnung der im Pariser Frieden von 1815 abgetretener Parzelen 28,996,211, mithin auf jeder Meile im Durch schnitte 2,875 Individuen, und zwar:

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