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Von der Zahl und den Namen, sowie von den Stationen der zum Kreuzen gegen Sklavenschiffe legitimirten Kriegsschiffe sollen sämmtliche contrahirende Staaten benachrichtigt werden (Art. 3 u. 4); genaue In. structionen, die als Anlage 2 vereinbart und dem Vertrage beigegeben find, regeln bis ins kleinste Detail alle Förmlichkeiten der Durchsuchung, der Beschlagnahme und der übrigen gegen Sklavenschiffe in Anwendung zu bringenden Maßregeln (Art. 5). Beim Eintritt des Deutschen Reiches in den Vertrag ist speciell verabredet worden: alle Deutschen Schiffe, welche auf den Stationen von Amerika oder Afrika durch die Kreuzer der anderen vertragschließenden Theile in Beschlag genommen werden sollten, sind nach Cuxhaven zu führen und durch die dortigen Behörden der Jurisdiction desjenigen Deutschen Staates zu überliefern, welchem der Heimathshafen des Schiffes angehört.

Wenn aber an Bord eines solchen Deutschen Schiffes im Augenblick seiner Beschlagnahme Sklaven vorgefunden werden, so ist das Schiff zuvörderst, um die Sklaven abzuseßen, in denjenigen Hafen zu führen, wohin es, wenn es unter Englischer Flagge gefahren wäre, geführt worden sein würde, um vor Gericht gestellt zu werden. Demnächst ist das Schiff nach Cuxhaven zu führen und der zuständigen Deutschen Jurisdiction, wie oben vereinbart, zu überliefern.

Besonders charakteristisch ist dem Vertrag die genaue Feststellung von Verdachtsgründen, aus denen bis zum Beweis des Gegentheils ver muthet werden soll, daß das Schiff sich mit Sklavenhandel beschäftige. Als solcher Verdachtsgründe gelten z. B. das Vorhandensein eines kupfernen Kessels oder eines anderen Geräthes von ungewöhnlichem Umfange zur Bereitung der Mundvorräthe und zwar größer, oder bestimmt, größer gemacht zu werden, als es den Bedürfnissen der Mannschaft des betreffenden Kauffahrteischiffs entspricht, oder das Vorhandensein von Reserveplanken, welche zugerichtet sind, um daraus ein zweites Deck oder ein sogen. Sklavendeck zu machen. Dazu enthält aber die Instruction einen den Holzhandel ausdrücklich sichernden Vorbehalt zu Gunsten des Transports von Balken und Planken, welche nicht augenscheinlich zur Herstellung eines Sklavendecks bestimmt sind. Wie die Deutschen Sklavenschiffe nach Cuxhaven zu verbringen sind, so sind die Oesterreichischen nach Triest und die Britischen entweder nach Bathurst am Gambiafluß oder nach dem Cap der guten Hoffnung oder nach der Colonie von Damerary oder nach Port royal auf Jamaica zu führen, die Russischen Schiffe aber nach Cronstadt oder Reval (§ 5 der Instructionen für die Kreuzer).

Wie man sieht, steht der Vertrag auf mehreren in der Geschichte der Bekämpfung des Sklavenhandels allmählich zur Existenz gelangten Elementen: aus den Verhandlungen zwischen England und der Nord. amerikanischen Union von 1823 resultirt die Anerkennung der Prisengerichtsbarkeit der Flagge des aufbringenden Schiffes anstatt der Anordnung gemischter Gerichte; dem Boundary-Vertrag ist der Gedanke

genauer geographischer Abgrenzung entnommen (1842), im Wesentlichen aber den Grundzügen des von Frankreich im Jahr 1831 an England zugestandenen droit exceptionel de visite Folge geleistet. Allein es kann nicht verkannt werden, daß der Vertrag vom 20. December 1841, wie er noch jezt gilt, das unangenehm berührende Bild legislativer Klein. malerei bietet, eine Mischung von altenglischer juristischer Unbeholfenheit und einer im continentalen Strafrecht längst überwundenen formalen Beweistheorie, Vorwürfe, welche wohl mit Grund von Mitgliedern des Deutschen Reichstags gegen die Fassung des Quintupelvertrags er. hoben wurden.3) Bedeutender ist der von Martiß erhobene Einwand, daß der Quintupelvertrag nur das Recht, nicht aber die Pflicht den contrahirenden Staaten auferlegt, gegen die Sklavenschiffe kreuzen zu lassen.4)

Glücklicherweise hat mit der Aufhebung der Sklaverei in Amerika der Export von Negern aus der westafrikanischen Küste seine Bedeutung in der Hauptsache verloren, während er allerdings an der Ostküste Afrikas noch fortwährend betrieben wird, wie auch im Innern Afrikas Sklavenhandel, Sklavenfang und alles damit zusammenhängende Greuliche auch heute noch im Schwange geht.")

1) Gareis, Das heutige Völkerrecht und der Menschenhandel. Berlin 1879, S. 26 ff., und in den Deutschen Zeit- und Streitfragen a. a. D. 1884.

*) Der Vertrag ist sammt seinen Beilagen in Deutscher Sprache abgedruct in der in Anm. 1 citirten Schrift von Gareis, S. 9 ff., sowie Perels, Internationales Seerecht, S. 331 ff.

3) Verhandlungen des Deutschen Reichstags, Stenographische Berichte, Sizung vom 14. Mai 1879, S. 1177 ff. (von Bunsen, Gch. Legationsrath Reichardt, Gareis, Staatsminister von Bülow).

*) von Martis, in dem Anm. 1 zu § 102 angef. Auffage, S. 96.

5) Nachweisungen s. bei Gareis in den in Anm. 1 citirten Schriften. Vgl. auch z. B. Frankfurter Journal 1885, 24. u. 26. October.

$ 104.

Die Congoacte.

Ein Abschnitt der Generalacte der Berliner Conferenz vom 26. Februar 1885 richtet sich nun gegen leztere Greuel. Wieder war es England, das in praktisch eingehender Weise sein altes Ziel, den Negerhandel zu unterdrücken, nachdrucksamst zur Geltung brachte; aber schon der Deutsche Entwurf der Conferenzacte enthielt ausdrücklich die Ver. pflichtung der Congreßmächte, an der Unterdrückung der Sklaverei und insbesondere des Negerhandels mitzuwirken, wie auch der Deutsche

Reichskanzler bereits in der Eröffnungssizung ausdrücklich hervorhob.1) Alle Mächte, welche in den centralafrikanischen Gebieten, wie sie Art. 1 der Generalacte begrenzt, Souveränetätsrechte oder einen Einfluß aus. üben, verpflichten sich nach Art. 6 der Generalacte vom 26. Februar 1885, die Erhaltung der eingeborenen Bevölkerung und die Verbesserung ihrer sittlichen und materiellen Lebenslage zu überwachen und an der Unterdrückung der Sklaverei und insbesondere des Negerhandels mitzuwirken; sie werden ohne Unterschied der Nationalität oder des Cultus alle religiösen, wissenschaftlichen und wohlthätigen Einrichtungen und Unternehmungen schüßen und begünstigen, welche zu jenem Zweck geschaffen und organisirt sind oder dahin zielen, die Eingeborenen zu unterrichten und ihnen die Vortheile der Civilisation verständlich und werth zu machen.

Christliche Missionare, Gelehrte, Forscher, sowie ihr Gefolge, ihre Habe und ihre Sammlungen bilden gleichfalls den Gegenstand eines besonderen Schußes.

Gewissensfreiheit und religiöse Duldung werden sowohl den Ein. geborenen wie den Landesangehörigen und Fremden ausdrücklich gewährleistet. Die freie und öffentliche Ausübung aller Culte, das Recht der Erbauung gottesdienstlicher Gebäude und der Einrichtung von Missionen, welcher Art Cultus dieselben angehören mögen, soll keinerlei Beschränkung noch hinderung unterliegen (Art. 6).

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Aber der Englischen Auffassung ging diese nebenher erfolgte Berücksichtigung des Sklavenhandels, wie erwähnt, zu wenig weit, und der Englische Vertreter auf der Berliner Conferenz, der Botschafter Sir Edward Baldwin Malet, stellte in der fünften Sißung der Conferenz unter dem Beitritt der Amerikanischen Conferenzbevollmächtigten John A. Kasson und Henry S. Sanford den Antrag, den Handel mit Negern und den gesammten Geschäftsverkehr, welcher zu diesem Handel führt, als verboten und es als Pflicht aller Nationen zu erklären, diese Handelszweige so viel als möglich zu unterdrücken. Die Folge dieses Antrags ist das Zustandekommen des Art. 9: Da nach den Grundsäßen des Völker rechts, wie solche von den Signatärmächten anerkannt werden, der Sklavenhandel verboten ist, und die Operationen, welche zu Lande oder zur See diesem Handel Sklaven zuführen, ebenfalls als verboten an zusehen sind, so erklären die Mächte, welche in den das conventionelle Congobecken bildenden Gebieten Souveränetätsrechte oder einen Einfluß ausüben oder ausüben werden, daß diese Gebiete weder als Markt noch als Durchgangsstraße für den Handel mit Sklaven, gleichviel welcher Rasse, benutzt werden sollen. Jede dieser Mächte verpflichtet sich zur Anwendung aller ihr zu Gebote stehenden Mittel, um diesem Handel ein Ende zu machen und diejenigen, welche ihm obliegen, zu bestrafen.“ Diese Verpflichtung erstreckt sich zunächst auf die vierzehn Staaten, welche die Berliner Generalacte unterzeichnet haben, nämlich das Deutsche Reich, Desterreich, Belgien, Dänemark, Spanien, Vereinigte Staaten von

Amerika, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Portugal, Rußland, Schweden und Norwegen und die Türkei. Die gleiche Verpflichtung obliegt aber auch dem Congostaate. Alle betheiligten Staaten haben demnach dafür zu sorgen, daß sowohl ihre interne Gesetzgebung, als auch die für ihre Colonialgebiete maßgebenden Rechtsnormen die erforderlichen Strafbestimmungen gegen jede Art des Sklavenhandels und gegen jede Unterstüßung desselben enthalten. Mit Recht wird die gleiche Aufgabe, welche nach Art. 9 den contrahirenden Staaten der Berliner Conferenz erwächst, subsidiär auch der Congocommission (internationale Schifffahrtscommission des Congo) gestellt,2) nämlich in allen denjenigen conventionellen Theilen des Congobeckens, in denen von keiner Macht Souveränetäts- oder Patronatsrechte ausgeübt werden sollten (Art. 6 der Generalacte).

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Die Tragweite des Art. 9 erstreckt sich auf das ganze Gebiet des conventionellen Congobeckens, nachdem dasselbe aber auch die Ostküste von Afrika erreicht - vom 5. Grad nördlicher Breite bis zu der Mündung des Zambese im Süden trifft sie damit ein Gebiet, in welchem, wie erwähnt, eine der Conferenzmächte, nämlich England, sich bereits durch Separatverträge eine besondere Position zur Unterdrückung des Sklavenhandels geschaffen hat, s. oben S. 559–560. Diese Position wird durch die Stipulationen von Berlin nicht hinfällig, kann aber fortan nur im Geiste der Berliner Generalacte ausgenügt werden. Geschieht dies, so liegt darin keineswegs etwas Abnormes, sondern viel mehr eine sehr erwünschte Ausführungsmethode zu Art. 9 der Generalacte.3)

1) von Martiß a. a. D. S. 21, Anm. 64.

2) von Martiz a. a. D. S. 11, Anm. 39.

3) Etwas anderer Ansicht ist von Martis a. a. D. S. 107.

§ 105.

Die Aufgabe des Völkerrechts der Südsee.

So großartig der Fortschritt ist, den die Annahme des Princips von Art. 9, die Uebertragung des Negerhandelverbots auf das central. afrikanische Landgebiet, angenommen von sämmtlichen betheiligten Culturstaaten, bedeutet, so ist damit doch keineswegs alles das erreicht, was zur Unterdrückung des Sklavenhandels überhaupt völkerrechtlich geschehen könnte. Der Abgeordnete von Bunsen hat mit Recht schon darauf aufmerksam gemacht (Deutsche Reichstagssizung vom 14. Mai 1879, S. 1178 u. 1179), daß auch der indische Ocean in den Bereich der völkerrechtlichen Interdiction des Sklavenhandels gezogen werden sollte. Als wünschenswerth muß aber noch weit mehr bezeichnet werden: die große Arbeiter

frage (labor trade) der Südsee erheischt dringend die Aufmerksamkeit der den humanen Interessen huldigenden Mächte, welche in der von ihnen unterzeichneten Generalacte der Berliner Conferenz ein so schönes Zeugniß für die Möglichkeit, ja Wirklichkeit der fortschreitenden Huma, nität des Völkerrechts abgelegt haben. In Bezug auf die Arbeiterver hältnisse an den indischen und ostasiatischen Küsten, sowie in den auftralischen und polynesischen Gewässern thut eine gleiche Vereinbarung noth, wie in Bezug auf den centralafrikanischen Sklavenhandel; nur sind dort die Verhältnisse noch viel subtiler, die Regelung darum schwieriger.

Was vor allem verlangt werden kann, ist, daß wenn ein Staat Maßregeln dagegen ergreift, daß seine Angehörigen in Sklaverei oder in einen der Sklaverei ähnlichen Zustand versezt werden, keine civilisirte Macht ihm hierin hinderlich sein darf. Als die Chinesische Regierung in Anbetracht des traurigen Schicksals zahlreicher Chinesischer Auswanderer, welche sich von Agenten der Colonien des Auslands vielfach unter Anwendung übertriebener Versprechungen und anderer unerlaubter Mittel anwerben ließen, dem Culihandel durch strenge Auswanderungsverbote entgegentrat, benußten Frankreich und Großbritannien nach den Kriegen von 1857, 1858 und 1860 ihre Waffenübermacht unter anderm dazu, die Chinesische Regierung zur Aufhebung des Auswanderungsverbots zu zwingen;1) jedoch sollten gemäß den Pekinger Friedensschlüssen (Convention between Her Majesty and the Emperor of China, 24. Oct. 1860, Art. 5, und Convention of Peace between the Emperor of France and China, 25. October 1860, Art. 9) Verordnungen zwischen Frankreich, Großbritannien und China vereinbart werden, welche die Sicherstellung der Chinesischen Auswanderer in moralischer und physischer Hinsicht zum Zwecke haben sollten. Auf Grund jener Friedensbestimmungen arbeitete die Chinesische Regierung ein Regulativ aus, welches ihr sowohl seiner Tendenz als seinem Detail nach alle Ehre macht. Dieses Regulativ ist datirt aus Peking, 5. März 1866 (19. Tag des ersten Monats des fünften Jahres von T'ung chi), unterscheidet zwischen der durch auswärtige Auswanderungsagenten veranlaßten und der freien Auswanderung und enthält hinsichtlich der ersteren sehr umsichtig angelegte Vorschriften, 3. B. die Festsetzung von Normalcontracten, die Beschränkung der Dienstzeit auf höchstens 5 Jahre, die Deponirung und Auszahlung der Fracht zur Heimreise; auch ist überall ein wohlgeregeltes Zusammenwirken der Europäischen Consularbehörden mit den Chinesischen Polizeiämtern vorgesehen. Allein dieses Chinesische Regulativ konnte sich der Billigung Großbritanniens und Frankreichs nicht erfreuen; in den hierüber er öffneten Verhandlungen im Jahre 1866 erklärten die Westmächte, ihre Interessen seien hauptsächlich dadurch verleßt, daß die Anwerbefrist nicht länger als 5 Jahre betragen dürfe, und daß der exportirende Agent nach Ablauf jener fünf Jahre zum freien Rücktransport oder zur Zahlung der hierzu nöthigen Summe verpflichtet sein solle. Troz des Widerspruchs von Seiten Frankreichs und Englands hielt jedoch China an

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