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seinem Regulativ fest, und die Preußische Regierung, (nunmehr auch die Deutsche Reichsregierung), sah und sieht in dem Chinesischen Regulativ eine maßgebende Norm für die Deutschen Behörden und die Deutsche Flagge.

1) Hierüber Gareis, Menschenhandel c. 1879, S. 30 ff.

§ 106.

Zusammenwirken der staatlichen Gesezgebungen zur Durchführung der völkerrechtlichen Interdiction des Sklavenhandels.

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Je wichtiger die colonialen Beziehungen und Einrichtungen werden, desto mehr tritt die Nothwendigkeit der Regelung der Arbeiterfrage durch völkerrechtliche Verträge und durch Gesetzgebung der einzelnen Staaten an leztere heran.1) Weder die einen noch die andern sollen soweit gehen, daß eine radicale Abschaffung der unfreien Arbeit aller Orten mit einem Schlage eintrete. Niemand kann dies verlangen; was aber jeder Wohldenkende und in Bezug auf den Afrikanischen Sklavenhandel auch das heute zwischen den civilisirten Staaten geltende Völkerrecht glücklicherweise bereits fordert, das ist die radicale, sofortige und allseitige Abschaffung des Sklaven handels. Darunter ist zu ver stehen: 1) die durch List, Gewalt oder Drohung bewirkte Versetzung eines freien Menschen in den Zustand der Unfreiheit hierdurch sind verurtheilt die Sklavenjagden aller Art, die Verwendung Kriegsgefangener als Sklaven, die Anwerbung trunken gemachter und an Bord eines Werbeschiffs gelockter Eingeborner, der räuberische Ueberfall freier, als Sklaven zu entführender Landbewohner u. dgl.; 2) jegliche Veranstaltung zum Zweck des Transports, sei er Export, Import- oder Transithandel von Sklaven, gleichviel ob dieselben nach ihren nationalen Einrichtungen von Geburt unfrei sind oder in einer unter Ziff. 1 bezeichneten Weise unfrei gemacht wurden, hierdurch sind verurtheilt die Sklavenmärkte, jede Veranstaltung zur Sklavenverschiffung u. dgl., jede finanzielle Unterftüßung solcher Veranstaltungen durch Darlehen, Affecuranz oder dgl.; 3) der Ankauf und der Verkauf der unfreien Arbeiter, gleich als ob dieselben Waaren, Handelsartikel wären. Nicht als rechtswidrig dürfte eine Miethe von Arbeitern anzusehen sein, welche von Geburt unfrei find, soferne nicht einer der unter 1 und 2 erwähnten Thatbestände vorliegt; es ist allerdings die Absicht der vertragsmäßig geeinten Staaten, die Sklaverei als solche, also auch da, wo sie eine althergebrachte natio. nale Einrichtung ist, zu unterdrücken, und dieses ideale Ziel, welches Artikel 6 der Generalacte der Berliner Conferenz (5. oben S. 564)

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leuchtend aufstellt, darf von keinem civilisirten Staate aus den Augen verloren werden; aber so lange in irgend einem halbcivilisirten oder uncivilisirten Gemeinwesen, welches von den Handels. oder PlantagenUnternehmungen, von Angehörigen eines der Signatärmächte berührt wird, die unfreie Arbeit thatsächlich besteht, ohne daß es dem Einfluß der Gebildeten gelingt, sie abzuschaffen oder zu ersehen, so lange ist die Miethe unfreier Arbeiter nicht ausgeschlossen. Diese Miethe wird sich auf tieferer Culturstufe der unfreien Arbeiter oder auch der Herren der selben als ein zwischen dem Eigenthümer der Arbeiter und dem Dienst. miether (Plantagenbesizer, Colonisten u. dgl.) abgeschlossener Vertrag darstellen Arbeitervermiethung durch den Sklavenherrn —; auf höherer Culturstufe aber wird der Miethvertrag zwischen dem unfreien Arbeiter selbst und dem Dienstmiether mit ausdrücklicher oder stillschweigender Genehmigung des Sklaveneigenthümers und der Gesetzgebung abgeschlossen— ein Verhältniß, wie es lange Zeit in Brasilien thatsächlich bestand. ist klar, daß sich das zulezt erwähnte Verhältniß sehr wohl dazu eignet, eine successive Abschaffung der Sklaverei überhaupt vorzubereiten oder einzuleiten. Aber die Gesetzgebung hat Sorge zu tragen, daß überall, wo solche Arbeitermiethsverhältnisse bestehen, keiner der verpönten Thatbestände der Sklaverei und des Sklavenhandels wie sie oben Ziffer 1-3 geschildert wurden, vorkomme oder gar sich einbürgere.

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In dieser Absicht, den labor trade nicht zum slave trade, die Arbeitermiethung nicht zum Sklavenhandel werden zu lassen, sind die vorhin erwähnten Maßregeln der Chinesischen und der Deutschen Regierung erlassen worden; denselben wohlwollenden Gedanken dient das Englische Gesetz vom 27. Juni 1872, welches die Kidnapping Act" genannt wird, und ebenso ein Deutscher Gesezentwurf, welchen der Reichskanzler am 25. November 1875 dem Reichstage vorlegte. Dieser Gesezentwurf, von Seiten der Reichsregierung vortrefflich begründet, wollte Diejenigen mit Geldstrafen bis zu 6000 Mark oder mit Gefängniß (bis zu fünf Jahren) geahndet wissen, welche den vom Kaiser mit Zustimmung des Bundesraths über die Beförderung eingeborner Arbeiter der polynesischen Inseln oder über die Beschäftigung solcher Arbeiter auf den Deutschen Ansiedelungen in Polynesien erlassenen Verordnungen zuwiderhandeln; dabei soll es keinen Unterschied begründen, ob die strafbare Handlung im Inlande oder im Auslande begangen ist. Dieser Geseßentwurf sollte in gewissem Sinne erseßen, was dem Deutschen Consularrechte, verglichen mit dem Englischen, fehlte, nämlich eine größere Polizeiverordnungs- und Strafgewalt, welche hinreichen könnte, die Mißbräuche des labor trade, die Umwandlung des legitimen Werbe- und Miethverhältnisses in einen Sklavenhandel zu unterdrücken. Durch ein Gesez vom Jahre 1865 ist den Chinesischen Gesandten für China und Japan die Befugniß einge räumt worden, gesetzgeberische Normen unter Androhung einer Gefängnißstrafe bis zu drei Monaten mit oder ohne Zwangsarbeit, oder einer Geld. strafe von 500 mexicanischen Dollars (2000 Mark) zu erlassen. Auf

diese Weise sowie durch das Recht der Englischen Consuln, Maßregeln unter Androhung von Gefängnißstrafen bis zu einem Monat oder von Geldstrafen bis zum erwähnten Betrag anzuordnen, suchte England vor Erlaß der Kidnapping Act die Unterscheidung zwischen erlaubtem und unerlaubtem labor trade durchzusehen. Leider ist der Deutsche Gesezentwurf vom 25. November 1875 Entwurf geblieben, leider fehlt ein solches Gesetz für Deutsche noch heute.

Das Deutsche Consulargerichtsbarkeitsgeseß, welches durch Reichsgeseh vom 17. April 1886 maßgebend für die Rechtsverhältnisse der Deutschen Schußgebiete geworden ist, gibt den Consuln die Befugniß, für ihren Gerichtsbezirk oder einen Theil desselben polizeiliche Vorschriften mit verbindlicher Kraft für die seiner Gerichtsbarkeit unterworfenen Per sonen zu erlassen und die Nichtbefolgung derselben mit Geldstrafen bis zum Betrage von 150 Mark zu bedrohen. Diese Befugniß, Normen mit Strafandrohung zu erlassen, kann nach dem Reichsgeset betr. die Rechtsverhältnisse der Deutschen Schußgebiete vom 17. April 1886 § 3 durch Kaiserliche Verordnung in der Weise ausgedehnt werden, daß der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in dem betreffenden Schußgebiet ermächtigte Beamte befugt wird, bei Erlaß polizeilicher Vorschriften (§ 4 des Gesezes über die Consulargerichtsbarkeit) gegen die Nichtbefolgung derselben Gefängniß bis zu drei Monaten, Haft, Geldstrafe und Einziehung einzelner Gegenstände anzudrohen. Die Kaiserlichen Verordnungen v. 5. Juni u. 13. Sept. 1886, sowie v. 11. Januar 1887, betreffend die Rechtsverhältnisse in den Schußgebieten, ordnen an, daß den daselbst zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten die im Gesez v. 17. April 1886 § 3 vorgesehene Befugniß in der That zustehen soll, soweit der Reichskanzler dies anordnet. Es steht zu erwarten, daß diese Anordnungsund Strafbefugniß auch dazu verwendet werde, die Arbeitermiethung von den Greueln des Sklavenhandels fern und frei zu halten. Immerhin ist ein Gesetz gegen den Sklavenhandel unvermeidlich. Zwar sind viele Fälle des Sklavenhandels nach Deutschem Rechte als Menschenraub strafbar, aber bei weitem nicht alle (vgl. § 234 des Deutschen Strafgesetzbuchs); 2) es ist unvermeidlich, daß Deutschland zum Vollzuge der Artikel 6 und 9 der Generalacte der Berliner Conferenz seine Strafgesetzgebung besonders ergänzt, wie dies auch von berufenster Seite Binding, v. Martiz u. A. - ausdrücklich anerkannt ist. Die Er gänzung der Strafgesetzgebung muß nach zwei Richtungen hin erfolgen: a) in der Richtung, welche durch bereits vorhandene Gefeße in Bezug auf den Sklavenhandel vorgezeichnet ist, so durch das Oldenburgische Gesez wegen Bestrafung des Handels mit Negersklaven vom 18. Januar 1876, das Preußische Gesez (Verordnung wegen Bestrafung des Handels mit Negersklaven) v. 8. Juli 1844, das Gesez von Mecklenburg-Schwerin v. 17. März 1846, von Hamburg v. 19. Juni 1837, von Lübeck v. 26. Juli 1837, und von Bremen v. 20. Febr. 1837; ferner durch das Fran. zösische Gesetz v. 4. März 1831 (loi pour la répression de la traite de noirs)

und vor Allem nunmehr das Niederländische Strafgesetzbuch vom 3. März 1881 in seinen Artikeln 274-277.9) Hiernach müßten Sklavenhändler und alle ihre Gehilfen, Rheder, Befrachter, Führer, Superkargo und Mannschaften der Sklavenschiffe, nicht minder auch Schiffsgläubiger und Schiffsaffecurateure mit entsprechenden Strafen wegen Sklavenhandels bedroht werden, und wie die Berliner Generalacte das Verbot des Sklavenhandels von der hohen See und von der Küste ins Binnenland ausdehnt, so müssen die vertragsnothwendigen Strafgeseze den Landsklavenhandel mit Strafe bedrohen. Nicht minder wichtig aber als diese in Erfüllung des Berliner Vertrags nothwendig vorzunehmende Geseßesergänzung ist die in der andern Richtung erforderliche Gesetzgebungsarbeit: b) es müssen die Grenzen zwischen dem erlaubten Miethvertrag, sei es, daß sich derselbe auf freie oder auf unfreie Arbeit (j. oben S. 567-568) bezieht, und jeder Art von Sklavenhandel greifbar gezogen und rechtlich befestigt werden. Es wird kaum möglich sein, dieses Ziel durch abstracte Gesezesvorschriften allein zu erreichen, sondern man wird zum Erlaß von Blanketgesezen greifen müssen, durch welche die Uebertretung der von den Localbehörden erlassenen Vorschriften mit einschneidender Strafe be droht wird. Die Localbehörden allein sind im Stande, zu ermessen, welche Maßregeln je nach den Schlichen der Arbeitersuchenden nothwendig sind, um den erlaubten labor trade nicht in Sklavenhandel ausarten zu lassen. Daß der hochcivilisirte Europäische Staat, dessen König das Staatshaupt des Congostaats geworden ist, in diesen Beziehungen wie mit seinen Erfahrungen, so auch mit seinen Bemühungen den übrigen Staaten vorangehe, darf wohl mit Sicherheit erwartet werden.

Das völkerrechtliche System der Bekämpfung des Sklavenhandels ist unzweifelhaft eines weiteren Ausbaues bedürftig. Trefflich hat von Martiz am Schlusse seiner classisch zu nennenden Darstellung des internationalen Systems zur Unterdrückung des Afrikanischen Sklavenhandels die Mängel der gegenwärtigen Rechtslage gerügt, insbesondere den Mangel der Einheit des Verpflichtungsgrundes und die bedauerliche Verschiedenheit des Inhalts der Separatverträge.4) Es ist dringend wünschenswerth, daß die „bunte Mannigfaltigkeit der Einzelconventionen durch einen allgemeinen Vertrag nach dem Vorgange der Berliner Generalacte von 1885 und der zahlreichen Unionen, in denen heute die Fortschritte des Völkerrechts vornehmlich sich vollziehen, ersetzt werde." Dazu muß jedoch die Ausdehnung des Bereiches, innerhalb dessen die Sklaverei und insbesondere der Sklavenhandel kraft völkerrechtlicher Vereinbarung unterdrückt und verfolgt werden soll, auf den Indischen und großen Ocean kommen. Nicht blos der Neger, auch der Mongole und der Südsee. insulaner hat Anspruch auf den Schuß der Menschlichkeit.5)

1) Ueber die Arbeiterfrage auf den Samoa- und Fitjiinseln s. die von Gareiz in der Deutschen Revue 1881 zusammengestellten Berichte.

*) Vgl. Binding, Handbuch § 60, Anm. 13, Bd. I., S. 321.

*) von Martiß in dem Anm. 1 zu § 102 angef. Aufsaß, S. 37, Anm. 30. 4) von Martis a. a. D. S. 105, 106.

5) In Bezug auf den Culihandel s. von Holzendorff in der Gartenlaube 1874, Nr. 38 und die übrige von Gareis in den Deutschen Zeit- und Streit, fragen 1884 a. a. D. Anm. 22, angeführte Literatur.

Zweites Kapitel.

Die Interdiction des Seeraubs.

§ 107.

Die usuelle Völkerrechtswidrigkeit des Seeraubs.

Literatur: Klüber, Droit de gens, 1819, § 260, Anm. c. (ältere Literatur). Perels, Das internationale öffentliche Seerecht der Gegenwart. Berlin 1882. Seite 125 ff. Heffter, Das Europäische Völkerrecht der Gegen. wart, 7. Ausg. von H. Geffden, S. 323 ff. Martens, Fr. v., Völker. recht, Ausg. von Bergbohm. Berlin 1883. Bd. I. S. 46, 288, 328, 333, 379; Bd. II. S. 209, 239, 385. Oppenheim, H. B., System des Völkerrechts 1866, S. 279, 280. Neumann, L., Grundriß des heutigen Europäischen Völkerrechts 1877, S. 54. v. Holzendorff, Das Europ. Völkerrecht (Rechts-Encyclopädie, system. I. Theil, § 36 u. Lex. u. „Seeraub“.) Bulmerincq, Aug. v., in Marquardsens Handbuch, Th. I. § 37. — Bluntschli, Das moderne Völkerrecht 1872, 2. Aufl., S. 201 ff. — Wheaton, Elements du droit international. Leipzig 1858, Vol. I. p. 141, Vol. II. p. 20. Halleck, H. W., International law. New-York 1862, 2, Ch. XXXV. § 26, Ch. XXV. § 8. Travers Twiss, The law of nations, Bd. II, Ch. X. p. 373–423. Wildmann, Institutes of international Phillimore, Robert, Com

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Law. London I. 1849, p. 201-203.

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mentaries upon international law. 2 edit. Vol. 1-4. London 1871— 1874, Vol. I. p. 411-436. Johnson, Chr., A general history of Pyrates, London 1724. Ortolan, Th., Règles internationales et diplomatiques de la mer. 4 ed. Paris 1860. Ch. 12., p. 249-273, p. 434-439. Hautefeuille, Droit des nations neutres III, insbesondere die Erörterungen über das Droit de visite (Tit. XI) und ferner p. 405, 407.

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