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Vierzehntes Stück.

Staatsunterthanen und Fremde.

Von

Dr. Felix Stoerk,

Professor in Greifswald.

Erstes Kapitel.

Die rechtlichen Grundlagen für die Stellung des Individuums innerhalb der Staatengesellschaft.

§ 113.

Die principielle Bedeutung der Staatsangehörigkeit für das System des Völkerrechts.

Literatur und Verweisungen: Handbuch, Bd. I, § 17, 18.

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Heffter.

Geffen, § 8 ff. — v. Holzendorff, Principien der Politik, S. 148 ff. – Bulmerincq, Systematik des Völkerrechts. Geyer, Ueber die neueste Gestaltung des Völkerrechts. Innsbruck 1866, p. 20 ff. Fricker, Das Problem des Völkerrechts. Tüb. Zeitschrift, Bd. 28 u. Bd. 34. Mohl, Staatsrecht, Völkerrecht und Politik I. Martens (Bergbohm), Völker. recht, Das internationale Recht der civilisirten Nationen, I. § 87.

Sowie nur derjenige Theil der Erdoberfläche innerhalb des Staatenlebens als befriedetes Gebiet nach allen Richtungen hin unter die Wirksamkeit des modernen internationalen Verkehrsrechts fällt, welcher sich als territoriale Grundlage eines rechtlich geordneten Staats. wesens darstellt, so steht auch nur derjenige Mensch unter den Ver kehrsnormen des in diesem Sinne lange Zeit ausschließlich, europäisch"1) genannten Völkerrechts, welcher sich als Glied eines rechtlich und staatlich geordneten Verbandverhältnisses darstellt. Die aus anderen, sagen wir niedrigeren Sphären des menschheitlichen Lebens hervorge gangenen Individuen (Nomaden, Halbwilden, Wilden zc.) werden, mitten in das Verkehrsgetriebe der anderen Staaten hinein gesezt, seitens der lezteren gewiß auch der Wohlthaten der durch die Rücksichten auf die eigene sittliche Entwicklung, durch die Forderungen der Religion, der Moral zc. gesezten Rechts- und Schußeinrichtungen theilhaftig werden, 2) allein von einer Geltung völkerrechtlicher Normen, wenigstens unserer Völkerrechtsnormen, kann in Ansehung der Genannten nicht eigentlich die Rede sein.

Das Völkerrecht, als das internationale Verkehrsrecht höherer Entwicklung, beruht seinem Wesen nach auf einem allseitigen ausdrücklichen oder doch mit Gewißheit vorauszusehenden verkehrsrechtlichen Einver ständniß innerhalb eines bestimmten Staatenkreises und auf der Ueberzeugung des leztern, daß jeder seiner Theile unter gleichen Umständen dieselben Impulse, so und nicht anders zu handeln, empfinden

werde und auch bereits zur Zeit durch gleiche oder verwandte rechtliche Anschauungen beherrscht werde.3)

Hier liegt die praktische Nußanwendung des oben (Handb. Bd. I, § 17) aufgestellten, das Verhältniß des Völkerrechts zur Völkermoral bestimmenden Lehrsages, daß sich die völkermoralischen Pflichten in gegen. ständlicher Richtung über das der Herrschaft des Völkerrechts unterworfene Gebiet und über die internationalen Rechtspflichten hinaus erstrecken.

Wenn die Vorschriften des Rechts, sagt v. Holzendorff (a. a. D.), unter den Verkehr pflegenden Nationen nothwendig eine Gemeinsamkeit der Rechtsvorstellungen von dem Wesen der Gegenseitigkeit in den staatlichen Beziehungen zur Vorausseßung haben, so erkennt der höher gesittete Staat außerdem noch den Bestand sittlicher Verpflichtungen auch in seinem Verhalten gegen Barbaren_an.*)

Lediglich mittelst dieser Fixirung der Rechtsstellung des Individuums innerhalb des Völkerlebens bleiben wir dem zum endlichen Durchbruche gelangten Rechtsprincipe getreu, daß lediglich die Staaten als Subjecte des internationalen Rechts gelten können, daß sie in ihrer Gemeinschaft die ihnen gesteckten Aufgaben verfolgend die Factoren ausmachen, die den internationalen Rechtsverhältnissen Richtung und Inhalt geben.

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Für die Zwecke principieller Klarstellung der uns hier beschäfti« genden Frage gewinnen wir somit aus den aufgestellten Vordersäßen das Resultat, daß die Individuen nur als Angehörige staatlich gegliederter Gemeinwesen an dem rechtlich geordneten Verkehr theilnehmen; nicht also, wie zahlreiche Autoren behaupten und jüngst auch Martens, (Bergbohm) betonte, als Menschen überhaupt kraft der unveräußer lichen Menschenrechte, welche auch im Bereich der internationalen Be ziehungen geachtet werden müssen“. Die „internationalen Beziehungen“ stehen eben keineswegs blos unter der Einwirkung des Völkerrechts, nicht alle Impulse der menschlichen Natur, die hier wirksam werden, sind dem Völkerrecht entsprungen oder können je völlig in demselben aufgehen.

Die Kategorie der Menschenrechte oder Urrechte kann zudem auch innerhalb des internationalen Verkehrs keineswegs als sicheres Ordnungsprincip gelten. Die von den verschiedenen Autoren verschieden normirten jedem Individuum im Bereiche des Internationalen gebührenden Grund. rechte und unveräußerlichen Ansprüche“, wie das Recht auf Existenz und Ausbildung der physischen Person, auf Gewerbe- und Handelsbetrieb, der Anspruch vom Staate in den nothwendigsten Bedürfnissen unterstüßt, zum vernünftigen Menschen erzogen zu werden (Heffter), das Recht auf alle Hilfsmittel, die ein Land zur Bildung und Befriedigung der höheren ästhetischen Bedürfnisse des Menschen bietet, als da sind: Schulen, Bibliotheken, Museen (Martens) 2. 2c. alle diese in Optativen sich bewegenden Ausführungen verlassen vollständig das Gebiet des juristisch Zulässigen. Sie lassen den ganzen Staat und seine das Nothwendige und Mögliche seßende Kraft außer Ansay,

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