Page images
PDF
EPUB

rincq meint nämlich: Die äußere Souveränetät der Staaten der internationalen Rechtsgemeinschaft habe für ihre drei Hauptfunctionen: den Vertragsabschluß, das Gesandtschafts- und Kriegsrecht ihr Grundgesetz im Völkerrecht. Die innere Souve ränetät dieser Staaten habe zwar für ihre drei Hauptfunctionen: die Gesezgebung, Justiz und Polizei ihr Grundgeseß im Staatsrecht, müsse aber in Ausübung derselben Rücksicht nehmen auf die Gemeinschaft und zur Verwirklichung derselben ihr Concessionen gewähren, deren Art und Maß das Völkerrecht oder internationale Recht zu regeln habe. Aus diesen Vordersäßen schließt nun Bulme. rincq (Völkerrecht S. 207): „So ist denn nicht blos die äußere, sondern auch innere Souveränetät der Staaten der internationalen Rechtsgemeinschaft gebunden an die Sazungen des Völkerrechts, und wird der Staatenfrieden wesentlich dadurch verbürgt, daß die Staaten diese Sazungen durch das objective internationale Rechtsprincip und nicht durch das subjective Souveränetätsprincip bestimmen lassen und sich jenen Sazungen gemäß verhalten."— Dem gegenüber glauben wir daran festhalten zu sollen, daß sich die Concession entweder als ausdrückliche Willensbindung kraft eigenen Rechts des Staates darstellt, materiell und formell uns also nicht über die traditionelle Rechtsfigur des Staatsvertrages hinaus führt, welche doch gerade vollberechtigte Staatssubjecte voraussetzt; oder aber die Concession erweist sich als stillschweigende Duldung der Ordnung eines Thatbestandes, eines Lebensverhältnisses durch eine fremdstaatliche Norm, weil der diesseitige Staat selbst hierfür eine eigene Willensäußerung nicht ergehen ließ. Also auch hier ist die Souveränetät des duldenden Staates in keiner Weise in Frage, sie ist viel. mehr geradezu Voraussetzung und Bedingung für die Kraft jener, in ihrer ausfüllenden und vermittelnden Natur für nothwendig erkannten, völkerrechtlichen Gewohnheitssäße. 6) S. hierzu und zum Folgenden die Ausführungen Seydel's, Bayerisches Staatsrecht, Bd. I. S. 517 ff., 572 ff., v. Gerber, Grundzüge eines Systems des Deutschen Staatsrechts, § 11, Laband, Staatsrecht des Deutschen Reiches, I. § 15.

[ocr errors][merged small][merged small][merged small]

A. Die Staatsangehörigkeit im internationalen Verkehr. Dogmatische Vorbegriffe.

[ocr errors]

[ocr errors]

Literatur und Verweisungen: Handbuch, Bd. I. § 15, II. § 2. — v. Martiz' umfassende und grundlegende Arbeit: Das Recht der Staats angehörigkeit im internationalen Verkehr (Hirth's Annalen 1875).-Savigny, System VIII. v. Bar. Intern. Privatrecht § 29 ff. Unger. System des Desterreichischen Privatrechts I. § 38 ff. Gaupp, Die germanischen Ansiedelungen, § 33 ff. v. Schulte, Deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte, S. 63 ff. Martens-Bergbohm, II. § 44. Heffter Geffden § 59. Halled a. a. D. § 29. Bluntschli, Allg. Staatsrecht, I. Blumer, Handbuch des Schweiz. Bundesstaatsrechts, I. p. 240 ff. Westlake Holzendorff, Lehrb. des intern. Privatrechts, II. Kapitel. Demangeat, Histoire de la condition des Étrangers en France. Laurent, Principes de droit civil, T. I.

Wenn die Mitglieder eines Staates unter die Territorialhoheit eines andern treten, dann bildet die Frage nach der Staatsangehörigkeit des Einzelnen1) innerhalb des internationalen Verkehrs den Gegenstand einer Statusuntersuchung, da alle weiteren Rechte und Pflichten des Individuums in mannigfachen Abstufungen von der Beantwortung der auf die Staatsangehörigkeit bezüglichen Vorfrage abhängig find.2)

Erstere können in ihrem Umfange nur dann figirt werden, wenn lettere sicher ermittelt ist. Bei einer näheren Betrachtung dieses Verhältnisses drängt sich uns nun die Wahrnehmung auf, daß die Prüfung der das Individuum umgebenden Normencomplexe ein für das internationale Verkehrsrecht besonders wichtiges doppeltes Ergebniß liefert.

Aus dem Status ergiebt sich nämlich die Erkenntniß über die rechtliche Fähigkeit oder Unfähigkeit des Individuums

a. zur Vornahme rechtsgültiger Acte überhaupt und

b. zur Vornahme des Rechtsactes im Besondern, mit dessen Hülfe das Individuum aus dem Kreise der seinen bisherigen Status bestimmenden Normen heraus und in einen andern eintritt.

Daß wir hier nicht zwei gleichwerthige, nicht coordinirte Begriffs. reihen vor uns haben, ist offensichtlich. Während die Befugnisse unter a. als die normalen Folgen der staatsrechlich bestimmten persona" er. scheinen, bildet die specielle Befähigung nach b. überdies die Voraus. sezung für die Bewegungsfreiheit des Ausländers innerhalb einer bisher fremden Rechtssphäre, welche ihrerseits wieder einen neuen Status schafft.

Ohne Veränderung des bisherigen politischen Nexus fallen die von dem Angehörigen eines fremden Staates unter fremder Territorialhoheit gesezten Rechtshandlungen entweder unter das Richtmaß des localen Fremden. rechts in seiner jeweiligen Entwicklung oder unter die JurisdictionsHülfsnormen des internationalen Privat- und Strafrechts. Nimmt aber das Individuum jene Rechtshandlungen nach Lösung des alten und nach Begründung des neuen Nexus mit dem Territorialstaat vor, dann fallen sie hinsichtlich ihrer rechtlichen Beurtheilung nicht mehr unter das Richt. maß des Fremdenrechts, sondern unter das des nationalen Rechts mit seinem vollen Zwangs- und Schußeffect.

Im ersten Falle kann das Individuum die aus seinem Status fließenden Rechtshandlungen nur insolange sezen, als der Territorialstaat es innerhalb der Staatsgrenzen duldet und seine Statusrechte anerkennt; im zweiten Falle steht das Individuum dauernd in dem staatlich geschüßten Rechtszustande: unbedingt von den aus seinem nationalen Status fließenden Rechten facultativen Gebrauch zu machen. Während daher der Gebrauch der in der allgemeinen Handlungs. fähigkeit liegenden Befugnisse lediglich zur Sehung von Rechtsacten führt, die, civil- oder strafrechtlicher Natur, nicht unmittelbar das wechselseitige Verhältniß der beiden in Betracht kommenden Staaten berühren,

Handbuch des Völkerrechts II.

38

bewirkt der Uebertritt der rechtlich activen Person aus der einen Statusnormengruppe in die andere ein unmittelbares rechtliches Zusammentreffen zweier Staatshoheiten an einem Punkte; sie berühren sich, wo in der Person des rechtlich Uebertretenden die Verschiebung eines constitutiven Staatsbestandtheils stattfindet.

Volle rechtliche Unterwerfung unter die Personalhoheit des Staates, und Eintritt in die Einheit der nationalen Statusrechte, diese beiden Elemente der Staatsangehörigkeit3) bedingen sich aufs Engste. Je nach der Natur des Rechtsactes, welcher die Begründung des staatlichen Bandes zur Folge hatte, tritt bald die rechtliche Unterwerfung in den Vordergrund und zieht die Statusrechte nach sich (Fall des selbstständigen Erwerbes der Staatsangehörigkeit durch Naturalisation), bald hat der Genuß der Statusrechte die Unterwerfung unter die Personalhoheit des Staates (Geburt, Ehe) zur Folge: was dort Effect ist, ist hier bewirkende Ursache und umgekehrt. So lange die hier betrachteten. Verhältnisse lediglich im Lichte der Territorialgewalt des einen Staates oder blos unter dem Gesichtswinkel der Personalhoheit des andern besehen werden, kann eine juristische Schwierigkeit nicht entstehen, da das Souveränetätsprincip dem Lebensverhältnisse seine bestimmende Formel giebt. Der Rechtsact und seine Folgen fallen in den ausschließlichen Bereich staatsrechtlicher Betrachtung.

Halten wir uns aber die Thatsache vor Augen, daß die Staaten die Verschiebung ihrer persönlichen Bestandtheile nach anderen Grundfäßen beurtheilen, je nachdem sich die fragliche Thatsache eben als Personen Eintritt oder als Personen- Austritt für den betreffenden Staat darstellt, so ergiebt sich die Nothwendigkeit, angesichts dieser Spaltung die den einzelnen Fall beherrschende Regel ausfindig zu machen, wobei dieselbe aber gleichzeitig so beschaffen sein muß, daß durch sie der internationale Verkehr ermöglicht und unterstüßt wird. Die Betrachtung der hier sich ergebenden Rechtszustände und Complicationen, die Entwicklung des dogmatischen Zusammenhanges dieser Erscheinungen mit den zu Tage tretenden übrigen Rechtsverhältnissen der Staaten und den zu ihrer Normirung ausgebildeten Rechtsinstituten bildet die Aufgabe des Völker. rechts in seiner oben angegebenen vermittelnden Function.

Ausgangspunkt der näheren Darstellung ist die rechtsgeschichtliche Erkenntniß, daß fast jeder der modernen Staaten, einerseits im Interesse seiner Selbsterhaltung und der Erhaltung seiner Eigenart, andererseits von dem Bestreben geleitet, dauernd im internationalen Verkehr zu verbleiben, innerhalb seiner Gesetzgebung vier Gruppen von Vorschriften befißt, die je nach ihrer Beschaffenheit dazu bestimmt sind:

1. die Auswanderung aus seinem Staatsgebiete zu verhindern; 2. sie möglich zu machen;

3. die Einwanderung in sein Staatsgebiet möglich zu machen und 4. sie gegebenen Falls zu verhindern.

Es giebt heute keinen Staat innerhalb der Verkehr pflegenden Staatengemeinschaft mehr, der die Auswanderung den eigenen Staaten

gliedern völlig schrankenlos freistellte, oder sie ihnen unbedingt unter sagte; keinen Staat mehr, der die Einwanderung Fremder gänzlich verweigerte, keinen aber auch, der sich ihr bedingungslos öffnete.

Innerhalb dieser durch die Rechtsgeschichte und durch die ver gleichende Rechtswissenschaft bezeugten vier Grenzlinien bewegt sich das Personenrecht des heutigen internationalen Verkehrs.

Erst aus der wechselseitigen Betrachtung der bewilligenden und beschränkenden staatlichen Normen in ihren Grundzügen, erst aus der Ermittlung ihrer Correlation wird es möglich, zur Aufstellung der richtig begrenzten Grundsäße zu gelangen, auf welchen die rechtliche Ordnung des hier in Behandlung gezogenen Theils der internationalen Gemeinschaft ruht.

1) In der nachfolgenden Darstellung sind wir nicht von dem Bestreben ge. leitet, eine Uebersicht der in allen Einzelstaaten bestehenden und früher gültig gewesenen geseßlichen Bestimmungen vorzuführen, welche die Zustitute der Aus. wanderung und Ausbürgerung einer, der Einwanderung und Einbürgerung andrerseits beherrschen und beherrschten. Wir finden diese mechanische, stofffüllende Aufzählung der einzelstaatlichen Normen weder mit dem Gedanken der Systematik vereinbar, noch auch den Bedürfnissen der Praxis entsprechend. Der Schwerpunkt der völkerrechtlichen Betrachtung dieser noch mitten im Flusse befindlichen Materie liegt eben nicht in der rechtlichen Modalität des Erwerbes und des Verlustes der Staatsangehörigkeit im einzelnen Gemeinwesen, (diese beurtheilt das Staats. und Verwaltungsrecht), sondern in der Ermittelung der Principien, welche unter Wahrung des Verkehrsbedürfnisses der Staatengesellschaft incongruente Normi. rungen zur begrifflichen Aufhebung und Ausgleichung bringen sollen. S. dagegen die durch Lücken und Irrthümer vielfach störende Uebersicht bei Calvo, T. II. p. 8-122, bei W. Beach-Lawrence, Commentaire sur les Éléments du droit intern. etc., de Wheaton, T. III. und bei vielen Anderen. Genauer: Cagordan, La nationalité. Folleville, Naturalisation.

*) Die Entscheidung dieser Statusfrage kann sowohl richterlichen Behörden als auch Verwaltungsbehörden (parlamentarischen Körpern c.) nach Maßgabe des innern staatlichen Rechts zustehen. Für die Frage des Beweises und der Beweislast giebt das locale Proceßrecht den Ausschlag und dessen nähere oder entferntere Stellung gegenüber dem fremden Recht. Nach Deutschem Reichsrecht bedürfen das in einem anderen Staate geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei Ermittelung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnißquellen zu benußen und zum Zwecke einer solchen Benußung das Erforderliche anzuordnen. (§ 265 der Civilproceßordnung des Deutschen Reiches.) Die amtliche Beurkundung der Staatsangehörigkeit erfolgt in den verschiedenen Staaten durch Aufnahme., Naturali. sationsurkunden (Deutsches Reich), Paß, Heimathsschein (Desterreich), Eintragung in das Consularregister u. s. w. Innerhalb des Amerikanisch Englischen Rechts. systems wird auch der Eid als Beweismittel zugelassen.

Das durch den internationalen Verkehr lebhaft gesteigerte Interesse aller Staaten an der Sicherheit des Namensrechts (Vor, Familien, Stammname,

Adelsprädicate 2c.) hat bisher im internationalen Verwaltungsrecht nicht diejenige Berücksichtigung gefunden, welche für die Rechtssicherheit des Verkehrs geboten erschiene. S. über Belgien Martens N. R. G. II. Série Tome XI.

3) Wir können uns der Theorie v. Martiz' (a. a. D. S. 799 ff.) nicht anschließen, wonach das Verhältniß des Staatsangehörigen zu seinem Staate im Gegensaße zum Verhältniß des Fremden zum diesseitigen Staate nur durch das Vorhandensein des dem ersteren zustehenden Wohnrechts und der ihm obliegenden Treuepflicht charakterisirt werde. Die Staatsangehörigkeit muß sich auch, abgesehen von diesen beiden, gegebenen Falls gar nicht fraglichen, Punkten, als inneres Rechtsverhältniß darstellen; dasselbe erscheint uns allerdings darin gelegen, daß der Angehörige in Ansehung seiner ganzen privat- und öffentlich-rechtlichen Persönlichkeit, in Ansehung seines gesammten Status (Familien-, Vermögens, bürgerl. Ehrenrechte, staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten :c.) durch den heimatlichen Staatswillen beherrscht wird. Diese Relation wird u. E. zutreffend von Seydel als Unterworfensein unter die Personalhoheit des Staates bezeichnet (a. a. D. S. 518). Die in einigen Gebieten durch die Domiciltheorie bewirkte Modification des Status ist nur von localem Effect und nicht von genereller Wirkung für den Rechtszustand der Person im internationalen Verkehr. Ihr unterliegt zudem der Inländer ebenso wie der Ausländer. Die dogmatische Würdigung der Domicil theorie liegt daher nicht in der Aufgabe des Völkerrechts, sie muß ihre um. ständliche Berücksichtigung in den einzelnen Lehren des internationalen Privat. rechts finden. S. Laurent a. a. O., T. III. p. 437 ff., Du domicile; v. Bar a. a. D. § 30; Westlake.(Holzendorff), Lehrbuch des intern. Privatrechts, S. 273 ff., Asser. Cohn, Intern. Privatrecht, S. 26 ff.

§ 116.

Auswanderung und Ausbürgerung.

Literatur und Verweisungen: Handbuch, Bd. I. S. 50 ff., 313 ff., Bd. III. 21. Stück. v. Martiz a. a. D. Rojcher, System der Volkswirthschaft, Bd. I. Vesque von Püttlingen, Handbuch des in Oesterreich. Ungarn geltenden internationalen Privatrechts. wanderung in seinem R.-L.

[ocr errors]

Seydel a. a. D. Bd. II.

v. Holzendorff, Aus

Martens (Bergbohm), II. § 44. ff.
Welder, Abfahrt“ in Rotteď u. B.’z

"

Staatslexicon mit Angaben über ältere Literatur.
Völkerrecht § 26.

-

[blocks in formation]

Bluntschli, Völkerrecht Art. 370 ff. Stoerk, Option und Plebiscit. v. Gerber, Deutsches Privatrecht, § 48. Maurer, Geschichte der Frohnhöfe II. Bd. S. 96 ff. Mancini, Rapport à l'Institut de droit international (Revue de droit international, T. I.) Beach-Lawrence, Fœlix, Droit international privé, T. II. Wheaton, Commentaire T. III. Dudley Field - Rolin, Code. Ca gordan, La nationalité. M. Cockburn, Nationality or the law relating to subjects and aliens. Stephen, Commentaries T. I. — Phillimore, Commentaries T. I. Story, Conflict of laws. -Salem Dutcher, The right of expatriation (American Law Rev. 1877).

--

[ocr errors]

-

« PreviousContinue »