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Deutsches

Nummer 17 sieht die Brandstiftung mit Rücksicht auf das niederländische Nr. 11428.
Recht (Nr. 16 des Auslieferungsgesetzes in der Fassung von 1886, Artikel 157, Reich.
328 des Strafgesetzbuchs) unter dem doppelten Gesichtspunkte des gemein- 31. Dez. 1896.
gefährlichen Verbrechens und des Betrugs gegen den Versicherer vor. Diese
Unterscheidung entspricht auch dem deutschen Strafgesetzbuche (§§ 306 bis
308 und 265).

In Nummer 18 konnte die Beschädigung von Bauwerken nur soweit
Berücksichtigung finden, wie es nach dem niederländischen Auslieferungsgesetze
(Nr. 17 in der Fassung von 1886) zulässsig ist, nämlich nur, wenn sie sich
als Zerstörung darstellt. Eine solche ist sowohl unter dem Gesichtspunkte
der Sachbeschädigung (Artikel 352 des niederländischen, §§ 303 bis 305 des
deutschen Strafgesetzbuchs), als unter dem der gemeingefährlichen Handlung
(Artikel 170 des niederländischen Strafgesetzbuchs) vorgesehen. In letzterer
Hinsicht war aber mit Rücksicht auf § 311 des deutschen Strafgesetzbuchs
die Beschränkung auf die Zerstörung durch Gebrauch von explodierenden
Stoffen" geboten.

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Nummer 19 entspricht der Nr. 18 des niederländischen Auslieferungs-
gesetzes (in der Fassung von 1886) und dem dort angeführten Artikel 141 des
Strafgesetzbuchs, sowie andererseits dem vom Landfriedensbruch handelnden
§ 125 des deutschen Strafgesetzbuchs mit der Massgabe, dass nicht die blosse
Teilnahme an der Zusammenrottung, sondern nur Verübung der Gewaltthätig-
keit die Auslieferung begründen soll.

Nummer 20 sieht die Bewirkung des Sinkens oder der Strandung von
Schiffen vor, sowie deren Zerstörung, Unbrauchbarmachung oder Beschädigung
(§§ 323, 303, 305 des deutschen Strafgesetzbuchs), mit den durch Nr. 19 des
niederländischen Auslieferungsgesetzes gebotenen Einschränkungen.

Nummer 21 schliesst sich der Nr. 20 des niederländischen Auslieferungs-
gesetzes (Artikel 395, 396 des Strafgesetzbuchs) an, beschränkt den That-
bestand jedoch auf den Widerstand oder thätlichen Angriff der Schiffsmann-
schaft, da das deutsche Recht (§§ 89 ff. der Seemannsordnung) nur derartige.
Handlungen der Schiffsmannschaft unter Strafe stellt.

Nummer 22, Nummer 23, Nummer 24 führen (im Anschluss an Nr. 21,
22, 23 des niederländischen Auslieferungsgesetzes) die vorsätzliche Gefährdung
eines Eisenbahnzugs, den Diebstahl und den Betrug ohne weitere Einschränkungen
des Thatbestandes auf. Die Bedeutung dieser Strafthaten ergiebt sich für
jeden der vertragschliessenden Teile aus dessen Gesetzgebung. Beide Rechte
stimmen in dem Begriffe der vorsätzlichen Gefährdung eines Eisenbahnzugs
(§ 315 des deutschen, Artikel 164 des niederländischen Strafgesetzbuchs) und
des Diebstahls (§ 242 des deutschen, Artikel 310 des niederländischen Straf-
gesetzbuchs) im wesentlichen überein. Dagegen ist der Begriff des Betrugs
(oplichting) im Artikel 326 des niederländischen Strafgesetzbuchs enger bestimmt,
als im § 263 des deutschen. Es wird nämlich nach dem erwähnten Artikel 326
wegen Betrugs (oplichting) nur bestraft, wer in der Absicht, sich oder einem

Deutsches

Reich.

Nr. 11428. anderen einen widerrechtlichen Vorteil zu verschaffen, entweder durch Annahme eines falschen Namens oder einer falschen Eigenschaft oder durch listige 31. Dez. 1896. Kunstgriffe oder durch ein Lügengewebe jemand zur Herausgabe einer Sache oder zur Eingehung einer Schuld oder Aufhebung einer Forderung bewegt.

Nummer 25 erwähnt den Missbrauch einer Blanko-Unterschrift mit Rücksicht auf Nr. 24 des Auslieferungsgesetzes von 1875, worin dieses Vergehen im Sinne von Artikel 407 des damals in den Niederlanden noch geltenden französischen Strafgesetzbuchs eigens aufgeführt war. Nach § 269 des deutschen Strafgesetzbuchs wird solcher Missbrauch der fälschlichen Anfertigung einer Urkunde gleich geachtet und ebenso fällt nach dem neuen niederländischen Strafgesetzbuche von 1881 diese Handlung unter den im Artikel 225 festgestellten Begriff der Urkundenfälschung wie die Motive zu dem entsprechenden Artikel des Entwurfs (Artikel 253 des Entwurfs von 1875, Artikel 246 des Entwurfs von 1879) ausdrücklich hervorheben. || Da indess die Nr. 24 des Auslieferungsgesetzes durch Artikel 18 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuche von 1886 unverändert gelassen ist, so empfahl es sich, um keinen Zweifeln Raum zu geben, den Missbrauch einer Blanko-Unterschrift auch im Vertrage besonders zu erwähnen.

Nummer 26. Die Unterschlagung des deutschen Strafgesetzbuchs (§ 246) und die verduistering des niederländischen (Artikel 321) entsprechen einander im wesentlichen.

Nummer 27. Der Thatbestand des betrüglichen Bankerutts ist nach dem niederländischen Strafgesetzbuche (Artikel 341) enger, als nach § 209 der deutschen Konkursordnung. Während nach deutschem Rechte wegen betrüglichen Bankerutts Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, bestraft werden, kann wegen dieser Strafthat in den Niederlanden nur bestraft werden: der Kaufmann, der für fallit (,,in staat van faillissement") erklärt oder zur gerichtlichen. Güterabtretung zugelassen ist. Eine Auslieferung wegen betrüglichen Bankerutts wird hiernach aus den Niederlanden nur herbeigeführt werden können, wenn das Konkursverfahren über das Vermögen des Verfolgten eröffnet und der Verfolgte als Kaufmann anzusehen ist. || Das niederländische Auslieferungsgesetz sieht (in Nr. 26) nur den betrüglichen Bankerutt, aber keine anderen strafbaren Handlungen des Konkursschuldners vor, ebensowenig die zu dessen Begünstigung oder zur Benachteiligung der Konkursmasse oder einzelner Konkursgläubiger verübten Strafthaten. Der Vertrag musste sich dementsprechend gleichfalls auf den betrüglichen Bankerutt beschränken.

Nach Absatz 3 (Schlussabsatz) des Artikels 1 begründet der Versuch einer der unter Nummer 1 bis 27 aufgeführten strafbaren Handlungen gleichfalls die Auslieferung, sofern er auch nach der Gesetzgebung des ersuchten Teiles strafbar ist. In dieser Hinsicht kommt in Betracht, dass nach dem niederländischen Strafgesetzbuche (Artikel 45) der Versuch jeder nicht als Übertretung anzusehenden Strafthat (misdrijf) strafbar ist, wenn der Entschluss des

Deutsches

Thäters sich durch einen Anfang der Ausführung bethätigt hat und die Aus- Nr. 11428. führung nur infolge von Umständen, die von seinem Willen unabhängig waren, nicht vollendet worden ist.

Artikel 2

stellt im Absatz 1 fest, dass kein Theil seine Angehörigen an den anderen Teil ausliefert. || Im Absatze 2 ist der Fall behandelt, dass Auslieferungsanträge verschiedener fremder Regierungen zusammentreffen. In früheren Verträgen ist mehrfach versucht worden, bestimmte Gesichtspunkte aufzustellen, nach denen in solchem Falle einem der Anträge der Vorzug gegeben werden sollte. Es hat sich indess gezeigt, dass eine Regelung in diesem Sinne, gleichviel wie sie erfolgte, weder vollständig sein konnte, noch im einzelnen immer zutreffend war. Der Vertrag beschränkt sich deshalb darauf, den ersuchten Teil von seiner Auslieferungspflicht dann zu entbinden, wenn er dem Antrage des dritten Staates, der gleichzeitig die Auslieferung nachsucht, Folge zu geben vertragsmässig verpflichtet ist oder wenn er ein Eingehen auf diesen Antrag den Interessen der Strafrechtspflege mehr entsprechend findet.

Artikel 3

trifft im Absatz 1 Vorkehr dafür, dass eine Auslieferung nicht stattfindet, wenn nach der Gesetzgebung des ersuchten Teiles Verjährung eingetreten ist oder der Verfolgte wegen derselben strafbaren Handlung im Gebiete des ersuchten Teiles abgeurteilt worden ist. Während ein solches Verfahren schwebt und nach dessen Einstellung ist nach Absatz 2 die Auslieferung zwar nicht ausgeschlossen, zur Wahrung des Interesses der inländischen Strafverfolgung und Justizhoheit aber die Ablehnung der Auslieferung gestattet.

Artikel 4

sieht im Absatz 1 für den Fall, dass der Verfolgte im Gebiete des ersuchten Teiles wegen einer anderen strafbaren Handlung verfolgt wird, bis zur vollständigen Beendigung dieser Strafsache einen Aufschub der Auslieferung vor, gestattet aber im Absatze 2, um den Nachteilen eines zu grossen Aufschubs vorzubeugen und den Abschluss der im Gebiete des ersuchenden Teiles schwebenden Untersuchung zu ermöglichen, eine einstweilige Auslieferung unter der Bedingung der Zurücklieferung nach Beendigung jener Untersuchung.

Artikel 5

enthält die auch in fast allen anderen Auslieferungsverträgen des Reichs sich findende Bestimmung, dass Privatverbindlichkeiten des Verfolgten der Auslieferung nicht entgegenstehen.

Artikel 6

folgt im Absatz 1 dem Grundsatze der sogenannten Spezialität der Auslieferung, wonach der Ausgelieferte ohne Zustimmung des ausliefernden Staates im Gebiete des anderen Teiles nicht wegen anderer vor der Auslieferung begangener

Reich.

31.Dez. 1896.

Deutsches

Reich.

Nr. 11428. strafbarer Handlungen zur Verantwortung gezogen werden kann, als wegen deren die Auslieferung erfolgt ist. Dieser Grundsatz ist auch im Artikel VII des 31. Dez. 1896. Auslieferungsvertrags mit England vom 14. Mai 1872 aufgestellt, während die übrigen für das Reich abgeschlossenen Auslieferungsverträge die Verfolgung des Ausgelieferten nur wegen solcher Handlungen untersagen, die im Vertrage nicht vorgesehen sind. Die letztere Bestimmung sollte die Strafverfolgung des Ausgelieferten möglichst erleichtern, immer jedoch mit dem Vorbehalte, dass sie nur wegen im Vertrage vorgesehener strafbarer Handlungen erfolgen dürfe. Die Frage, ob eine Handlung zu den im Vertrage aufgeführten Strafthaten gehört, giebt aber in vielen Fällen zu den grössten Zweifeln Anlass und kann von beiden Teilen verschieden beurteilt werden. Dem ausliefernden Staate ist daher mit jener Bestimmung keine sichere Gewähr dafür geboten, dass die Verfolgung des Ausgelieferten sich auf solche Handlungen beschränke, die auch nach seiner (des ausliefernden Staates) Auslegung unter den Vertrag fallen. Es hat jene Bestimmung auch schon zu Schwierigkeiten Anlass gegeben, indem einzelne fremde Staaten sich bestrebt zeigten, dem nach deutscher Auffassung klaren Wortlaute der betreffenden Verträge eine eingeschränkte Bedeutung beizulegen, die mehr oder weniger wieder auf den Grundsatz der Spezialität der Auslieferung hinauskommt. Diesem Grundsatze hat sich auch beispielsweise das neue schweizerische Auslieferungsgesetz vom 22. Januar 1892 (Artikel 7 und 8) wieder angeschlossen. Seine Annahme empfahl sich ebenfalls für den vorliegenden Vertrag. Erforderlich war dabei nur, die nachträgliche Erstreckung der Auslieferung auf andere strafbare Handlungen vorzusehen, wie solches im Artikel 6 des Vertrags geschehen ist (vergleiche auch Artikel 7). || Ausserdem war, wie in sonstigen Auslieferungsverträgen des Reichs, vorzusehen, dass der Strafverfolgung wegen anderer Handlungen nichts entgegensteht, wenn der Ausgelieferte demnächst während einer bestimmten Frist (die auf einen Monat bemessen ist) freiwillig im Lande bleibt oder, nachdem er es verlassen hat, dahin zurückkehrt. || Der Strafverfolgung ist die Weiterlieferung an einen dritten Staat in diesem Absatze gleich gestellt. || In den Absätzen 2 und 3 wird die Verfolgung des Ausgelieferten wegen politischer Strafthaten und die Auslieferung wegen anderer als der im Artikel 1 aufgeführten gemeinen strafbaren Handlungen ausgeschlossen. Da die Niederländische Regierung nach ihrer Gesetzgebung Bedenken trug, auf die Fassung des Artikels 6 des Deutsch-Belgischen Auslieferungsvertrags vom 24. Dezember 1874 einzugehen, erschien es angemessen, in den vorliegenden Vertrag lediglich die Bestimmungen wiederaufzunehmen, die sich über diesen Punkt in den bisherigen Auslieferungsverträgen einzelner Bundesstaaten mit den Niederlanden (wie insbesondere im Artikel 4 der Verträge Preussens und Oldenburgs) finden und zu Schwierigkeiten oder Bedenken niemals Anlass gegeben haben. Nur waren statt der Ausdrücke Verbrechen und Vergehen, wie zu Absatz 1 von Artikel 1 bemerkt, die allgemeineren Ausdrücke Strafthaten und strafbare Handlungen zu wählen,

Artikel 7

Deutsches
Reich.

ordnet das Verfahren, das bei Stellung eines Auslieferungsantrags oder eines Nr. 11428. Antrags auf nachträgliche Ausdehnung der Auslieferung (vergl. das zu Artikel 6 Abs. 1 Bemerkte) einzuhalten ist und bezeichnet insbesondere die mit dem 31. Dez. 1896. Antrage vorzulegenden Schriftstücke, bei deren Aufzählung auf Artikel 11 des niederländischen Auslieferungsgesetzes Rücksicht zu nehmen war.

Artikel 8

regelt die vorläufige Festnahme des Auszuliefernden und bezeichnet die Behörden, die beiderseits einen Antrag auf vorläufige Festnahme unmittelbar zu stellen befugt sein sollen. Der besonderen Bezeichnung dieser Behörden bedurfte es mit Rücksicht auf Artikel 9 des niederländischen Auslieferungsgesetzes. Bisher musste die vorläufige Festnahme, wie schon oben bemerkt, auf diplomatischem Wege beantragt werden.

Artikel 9

setzt die Frist, binnen deren der Auslieferungsantrag gegen einen vorläufig Festgenommenen zur Vermeidung von dessen Freilassung gestellt sein muss, in Übereinstimmung mit Artikel 10 des niederländischen Auslieferungsgesetzes auf zwanzig Tage fest.

Artikel 10

regelt die Ausantwortung der im Besitze des Ausgelieferten in Beschlag genommenen Gegenstände und

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regeln die sonstige Rechtshülfe in Strafsachen in ähnlicher Weise, wie andere Auslieferungsverträge des Reichs, insbesondere der mit Belgien vom 24. Dezember 1875 (Artikel 13 bis 15).

Hervorzuheben ist nur zu

Artikel 12,

dass für dringende Fälle eines Ersuchens um Zeugenvernehmung oder eine andere Untersuchungshandlung ein unmittelbarer Geschäftsverkehr zwischen den beiderseitigen Gerichtsbehörden zugelassen ist, desgleichen zu

Artikel 14,

dass hier auch die Zuführung von Gefangenen zum Zwecke der Gegenüberstellung vorgesehen ist, die in den Vertrag mit Belgien der belgischen Gesetzgebung wegen nicht hatte aufgenommen werden können.

Artikel 15

regelt den Kostenpunkt in den Absätzen 1 und 2 in Übereinstimmung mit den sonstigen Auslieferungsverträgen des Reichs dahin, dass der ersuchte Teil die ihm erwachsenden Kosten trägt, ohne Erstattung verlangen zu können. || Nur für den Fall der Durchlieferung, bei der die Verhältnisse zu verschieden

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