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„Ästhetische Weltanschauung“ und ,,Erziehung durch die Kunst“.

Von Theodor Lipps.

s geht jest durch die Welt der Lobpreis einer sogenannten „ästhetischen Weltanschauung“ und im Zusammenhange damit die Mahnung zur „Erziehung durch die Kunst“. Gewiß wird in jenem Lobpreis und dieser Mahnung etwas Wahres liegen. Vielleicht aber liegt darin zugleich ein verhängnisvoller Irrtum.

Das Wahre, das darin liegt, ist die hohe Wertschäßung der ästhetischen Betrachtung und des ästhetischen Genusses und damit der Kunst, deren Aufgabe es ist, uns Gegenstände der ästhetischen Betrachtung und des ästhetischen Genusses zu schaffen.

Aber nicht nur Hohes, sondern das Höchste muß uns in der ästhetischen Betrachtung aufgehen; nicht nur Hohes, sondern Höchstes muß die Kunst uns darbieten, wenn jener Lobpreis einer ästhetischen Weltanschauung verständlich sein, und wenn es einen Sinn haben soll, die Kunst als ein wesentliches Mittel der Erziehung, ja als das höchste Erziehungsmittel anzusehen. Nun, auch eine Wertschäßung der ästhetischen Betrachtung und des ästhetischen Genusses und insbesondere der Kunst, die meint, daß wir Höchstes im Schönen und insbesondere im Kunstwerk genießen, wird zutreffen.

In der Tat muß es so sein, wenn der Begriff der „Einfühlung“, welcher jezt die Ästhetik beherrscht, sein Recht hat. Einfühlung ist, allgemein gesagt, Durchdringung jedes Gegenstandes der finnlichen Wahrnehmung mit unserem Leben, d. h. mit unserer Kraft und Tätigkeit.. Wir sagen etwa von einer schönen Linie, sie „laufe“ dahin und dorthin, oder sie „verlaufe“ in dieser oder jener Richtung. Wir finden darin Bewegung,

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