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gleiches nicht auch für die Nierentuberkulose der Fall sein sollte.

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Zweifellos gibt es solche Fälle von Spontanheilungen im klinischen Sinne, und auch Madelung glaubt, dass kleine „einzelne Herde gewiss spontan ausheilen „können, vielleicht öfters als wir bisher uns dachten" Stoeckel, Le Fur, Kümmell, Pechère, Deschamps (Bazy), u. a. m. führen solche Fälle an. Auch Casper erwähnt 3 Fälle, in denen der zur Zeit der Untersuchung noch nicht vorgeschrittene Prozess zu einer Operation ermutigte, in denen aber gegen seinen Rat die Operation unterblieb und in welchem der Prozess zum Stillstand gekommen ist.

In Betracht zu ziehen ist aber bei dieser Angabe Casper's, dass nur diese 3 Fälle unter 52 so günstig verliefen. Den 3 Fällen mit relativem Stillstand der tuberkulösen Erkrankung stehen 10 gegenüber, in welchen der Prozess ziemlich rapide Fortschritte machte und im Verlauf von 11/2 bis 3 Jahren zum Exitus führte.

Die bisher als Fälle von Spontanheilungen mitgeteilten Beobachtungen stellen wohl fast immer nur Scheinheilungen von längerer oder kürzerer Dauer dar, welche sehr wohl als Heilungen im klinischen klinischen Sinne Sinne gelten können; sie kommen im besten Falle einer funktionellen Unterdrückung des betref enden Organes du ch Verschluss des Ureters und zeitweiser Abkapselung der Herde gleich.

So ist daran festzuhalten, dass die Nierentuberkulose, sich selber überlass n, in der weitaus grossen Mehrzahl der Fälle in kürzerer oder längerer Frist zum Tode führt.

Es liegt in der Eigentümlichkeit einer urologischen Sprechstunde begründet, dass unter den 6 unsere Hülfe in Anspruch nehmenden Fällen von chronischer Nephritis sich 4 befanden, die sich die sich durch besondere Schmerzen in der Nierengegend auszeichneten.

Eben diese Schmerzhaftigkeit veranlasste die Kranken, die sonst von ihrer Nephritis subjektiv kaum oder gar nicht zu leiden hatten (Polydypsie, Polyurie, Pollakiurie, Magen-Darm-Störungen, Atembeschwerden, Oedeme, Blutungen, Schwindel, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Schlaflosigkeit, Hautjucken, usw.) sich in ärztliche Behandlung zu begeben.

Solche oft länger dauernde Perioden von überraschendem Stillstand des Prozesses täuschen leider Arzt und Patient zu leicht eine Heilung vor und sind auch von anderen Autoren, welche sich gegenüber dem Vorkommen dieser sog. Spontanheilungen streng ablehnend verhalten (Guyon, Albarran, Lorenzo, Küster, Mirabeau, Rovsing,,,schmerzhaften" Nierenentzündungen Motz, Delbet u. a. m.) stets anerkannt m.) stets anerkannt worden.

Man wird also gut tun, sich gegenüber den auch sonst noch zahlreich in der Literatur niedergelegten Fällen von „Spontanheilung" etwas skeptisch zu verhalten.

Ich gebe hier die sicher massgebende Ansicht Küster's1 wieder:

trotz allem ist noch niemals selbst,,ständig eine ganz vollständige Heilung einer ,,Nierentuberkulose beobachtet worden, sondern ,,die Träger der Krankheit erliegen gewöhnlich ,,ehe die letzten Spuren derselben verwischt sind". Und an anderer Stelle 2 sagt er:

. . . trotzdem findet sich in der gesam,,ten Literatur nicht ein einziger Fall, in welchem ,,eine vollständige Heilung mit Sicherheit hätte ,,nachgewiesen werden können."

Albarran, Rovsing, Mirabeau, Delbet, u. a. m., sprechen sich in ähnlichem Sinne und mit derselben Bestimmtheit gegen das Vorkommen von anatomischen Heilungen der Nierentuberkulose aus.

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Ich bin bereits früher1 kurz auf diese

eingegangen, und habe dabei betont, dass Schmerzen in der Nierengegend bei der subchronischen, parenchymatösen Nephritis nicht gerade sehr selten sind, wenn sie auch nicht so häufig sind wie bei der akuten Nephritis oder der Schrumpfniere, bei welch' letzterer heftige, wiederkehrende, an Nierenkoliken erinnernde Schmerzanfäl e besonders häufig beobachtet werden.

Im Anschluss an diese Ausführungen erwähnte ich dann 2 Fälle von subchronischer, parenchymatöser Nephritis (mit durch Ureterenkatheterismus festgest. llter doppelseitiger Erkrankung), in welchen streng einseitige (in dem einen), bezw. vorwiegend einseitige Schmerzen (in dem anderen Falle) in der Nierengegend bestanden.

Bei den 4 neuerdings beobachteten Fällen handelte es sich stets um durchaus typische Fälle von chronischer, interstitieller Nephritis, sog. sog. Granularatrophie der Nieren oder Schrumpf

1 Diese Zeitg. III. Jahrgang. 1906, Heft 6, Pg. 161.

niere mit gleichmässig ausgesprochenen, dauernd vorhandenen Schmerzen in beiden Nierengegenden mit gelegentlich auftretenden geringen Exazerbationen der Beschwerden auf der einen oder anderen Seite, ohne gleichzeitige (auch mikroskopisch nicht nachweisbare) Haematurien und ohne besondere eruierbare Ursache. Einmal wechselten die schmerzhaften Perioden mit längeren, schmerzfreien Intervallen ab. Die Schmerzen selbst erreichten in diesem Falle eine solche Intensität, dass an das Vorhandensein von Nierensteinen gedacht werden konnte, jedoch ergab das Röntgenbild nie Anhaltspunkte dafür, auch fanden sich nach dem mehrere Stunden dauernden An'all nie rote Blutkörperchen oder Blutschatten im Urin.

Noch leichter findet eine Verwechslung mit Nierensteinkolik statt in Fällen, in denen die Schmerzen längs des Ureters nach unten ausstrahlen und auch sonst das Bild dem der Nierensteinkolik täuschend ähnlich ist (Frost, Uebelkeit, Erbrechen, geringere oder stärkere Haematurien, etc.): Fälle, die von anderer Seite beschrieben worden sind.

Offenbar beruhen solche Schmerzanfälle auf vorübergehenden, vielleicht unter dem Einflusse des Nervensystems stehenden aktiven Hyperaemien des Organes, das, von einer ganz besonders starken, mit der Niere straff verwachsenen Kapsel umgeben, der durch den wechselnden Blutzufluss bedingten intrarenalen Drucksteigerung nicht nachzugeben imstande ist.

Dass chronische Nephritis auch mit Nephrolithiasis zusammen vorkommen (namentlich bei Gicht- und Bleiniere), und die Koliken von letzterer herrühren können, dafür erwähnt Mannaberg ein Beispiel, bei welchem die Autopsie im Nierenbecken einige kleinste Konkremente aufdeckte.

Es seien hier noch derjenigen Nephritisformen gedacht, die Israel eingehend beschrieben hat, und die sich von den bisher bekannten Formen der Nephritis durch 4 Eigentümlichkeiten unterscheiden:

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Meist handelt es sich bei diesen Formen nicht um eine diffuse Erkrankung beider Nieren (wie das bei der gewöhnlichen Nephritis die Regel ist), vielmehr wurden dabei kleinere entzündliche Herde gefunden, oder der Krankheitsprozess hatte nur einen umschriebenen grösseren Bezirk des einen Organes, z. B. einen Pol, ergriffen.

Jedenfalls ist es ein Verdienst Israel's diese Nephritisformen aus der grossen Gruppe der gewöhnlichen, legitimen, jedem Praktiker geläufigen und bekannten Fälle von Nephritis herausgehoben und nachgewiesen zu haben, dass der Prozess durch Exstirpation der betroffenen Niere definitiv geheilt werden kann.

Aetiologisch scheinen die Israel'schen Formen dadurch von der banalen Nephritis sich zu unterscheiden, dass das gewöhnliche ursächliche Moment bei dieser letzteren, die Infektion, die Intoxikation, die Erkältung, Durchnässung, etc., fehlt, oder sich wenigstens nicht direkt nachweisen lässt.

Für den praktischen Arzt e.gibt sich aber die Regel, bei solchen schmerzhaften" Nierenentzündungen, besonders wenn sie sich mit starken Haematurien vergesellschaften, an das Bestehen einer solchen einseitigen Nephritis zu denken, deren Prognose bei geeigneter chirurgischen Behandlung keine allzuschlechte zu sein scheint.

Besprechungen.

Das Medizinalwesen in Elsass-Lothringen. Mit Benutzung amtlicher Quellen, herausgegeben vom. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Biedert und Generaloberarzt a. D. Dr. Weigand. Verlag von L. Beust, hier.

Die Gesetze, Erlasse und Verfügungen, welche auf die öffentliche Gesundheitspflege und das gesamte Medizinalwesen in Elsass-Lothringen Bezug haben, sind bis jetzt nicht, wie z B. für Preussen

in dem bekannten Kreisarzt" von Schlockow gesammelt worden. Sie finden sich vielmehr zerstreut in Gesetzessammlungen, im Archiv für öffentliche Gesundheitspflege, im Jahrbuch der Medizinalverwaltung oder auf losen, zum Teil kaum noch leserlichen Blättern in den Akten der Kreisärzte

Den Anfänger in der Medizinalbeamtenlaufbahn kostet es eine unendliche Mühe, sich in die

vielen Verordnungen hineinzuleben und wohl jedem, auch dem eifrigsten Beamten wird es vorgekommen sein, dass er nach Jahren amtlicher Tätigkeit noch Verfügungen entdeckte, von denen er bis dahin keine Kenntnis hatte. Auch der Kandidat fürs Kreisarztexamen weiss in der Regel nicht wo aus noch ein, wenn ihm nicht ein guter Geist in der Gestalt eines Medizinalreferenten oder Kreisarztes auf den richtigen Weg verhilft.

Die beiden Herausgeber haben es unternommen, Licht in den Wirrwarr zu bringen und sich damit ein grosses Verdienst erworben. Sie haben mit grossem Fleiss die zahlreichen Verordnungen zusammengesucht und unter obigem. Titel lexikonartig zusammengestellt. Es finden sich da die sämtlichen Gesetze und Verfügungen, welche noch zu französischer Zeit und fernerhin im Laufe der Jahre bis zuletzt auf dem Gebiete des Medizinalwesens erschienen sind und heute noch Geltung haben, mit Inhaltsangabe in gedrängter Kürze aufgeführt.

Es ist heute noch nicht möglich auf den Inhalt des Werkes einzugehen. Dasselbe ist im Druck und wird in wenigen Wochen im Verlag von L. Beust hier erscheinen. Ich behalte mir jedoch vor nach Beendigung des Druckes die wichtigsten Abschnitte in dieser Zeitschrift zu besprechen. C. Belin.

Dr. Karl Pfersdorff: Die senilen Veränderungen der Sprache (mit Ausschluss der Aphasie), Strassburg i. E. 1906

Die Arbeit des Autors, Habilitationsschrift, die sich auf 9 ausführliche Beobachtungen stützt, eignet sich nicht zu einem kurzen Referat und muss daher im Original vom Fachmann, für den

sie in erster Linie von Interesse ist, nachgelesen werden. Jul. Hey.

Dr. Paul Asch: Urethroskopische Beiträge zur Diagnose, Therapie und Prognose des Trippers und seiner Folgen. Zeitschr. f. Urolog. Bd. I, Heft.

Asch hebt im Gegensatz zu auf der Tagung der französischen urologischen Gesellschaft aufgetauchten Stimmen den Wert der Urethroskopie besonders seit den Verbesserungen des Instrumentariums durch Valentine-Kollmann und Luys hervor. Zum Beweise führt er mehrere interessante Fälle an, bei denen die Diagnosenstellung und Therapie nur vermittelst des Urethroskopes möglich war. So einen Fall von diphtherieähnlicher, gonokokkenhaltiger Membran in der Urethra, einen andern von Polypen hinter dem Orificium externum, ferner eine durch Gonokokken hervorgerufene, kavernöse Zerklüftung der hinteren Harnröhre. Interessant ist auch ein Fall von Striktur, bei dem sich nach von anderer Seite vorgenommenen Urethrotomia externa später eine neue sehr erhebliche Striktur bildete. die sogar zu totaler Harnretention führte. Urethrotomia interna und späteres Auskratzen der gewucherten Stelle führten zum Ziele.

Ferner will A. auch für die Erteilung des Ehekonsenses die Urethroskopie berücksichtigt wissen und weist dabei auf gewisse lokalisierte himbeerfarbige Rötungen mit samtartigem, zuweilen fein granuliertem Aussehen, welche sehr oft Gonokokken enthalten, ohne dass klinisch die Infektiosität sich durch Fäden oder Ausfluss dokumentierte. Gunsett.

Vereinsangelegenheiten.

Bericht über die Sitzung der Aerztekammer für Elsass-Lothringen,

am 9. Februar 1907, Nachmittags 2 Uhr, im kleinen Sitzungssaal des Bezirkspräsidiums zu Strassburg.

Die Sitzung wird geleitet vom Vorsitzenden der Kammer, Herrn Geh San -Rat Dr. Kroell,Strassburg, Schriftführer Herr Kraft,-Strassburg.

Regierungskommissare die Herren Geh. Reg.Rat Dr. Boehmer und Herr Landesgesundheitsinspektor Dr. Holtzmann-Strassburg.

Anwesend die Herren: Ungerer, CahnStrassburg, Bostetter-Brumath, Kassel-Hochfelden, Flocken-Hangenbieten, Amos-Wasselnheim, Koenig-Colmar, Petri-Dornach, de BaryMülhausen, Weiss-Metz, Lentz-Metz, BehrendtKarlingen, Grotkass-Rodemachern, Nottebaum-Remilly, Stach v Goltzheim-Dieuze, Hedrich-Mülhausen, als einberufene Mitglieder, sowie die Herren Funke, Metzenthin, Klingenhage-Strassburg und Sorgius -Schiltigheim als Stellvertreter.

Vor Eintritt in die Tagesordnung begrüsst der Vorsitzende die Versammlung sowie die Herren Regierungskommissare, um dann zu Punkt 1 der Tagesordnung Geschäftliche Mitteilungen seinen Geschäftsbericht zu geben.

Er gedenkt zunächst des verstorbenen Kammermitgliedes Geh. Med. -Rat Dr. Emil MeyerSchiltigheim, an dessen Grab eine Kranzspende namens der Kammer niedergelegt wurde, wie auch des verstorbenen Herrn Hofrat Prof. Dr. Fuerstner gedacht wurde.

Der ausser Landes verzogene Kollege Gigglberger wurde durch seinen Stellvertreter Behrendt in der Kammer ersetzt, für den erkrankten Geh. San.-Rat Schrick in Metz ist San.-Rat Weiss zur Sitzung einberufen.

Die Nachwahl zur Aerztekammer in Mülhausen fiel auf Herrn Dr. Hedrich dort als Mitglied. Herrn Dr. Kleinknecht als dessen Stellvertreter

Eingelaufen ist eine Einladung zum Interna. tionalen Kongress für Hygiene und Demographiin Berlin vom 23.-29. September 1907, eine Reihe von Beschwerden gegen Aerzte an das gea

nicht bestehende Ehrengericht der Ae K. f. E L., die zeigten, wie nichtärztliche Kreise geneigt wären, eine solche Institution als bequemes Sondergericht zu missbrauchen.

Der Vorsitzende teilt die Beschwerde eines Augenarztes mit, wonach ein beamteter Arzt in amtlicher Eigenschaft und ohne vorherige Rücksprache mit dem behandelnden Spezialarzt einem Patienten, der auch von andern Spezialärzten Strassburgs als an Sehnerven- atrophie leidend beurteilt wurde, von der Landesversicherungsanstalt die Mittel zu verschaffen suchte, um sich von einem sogenannten Magnetiseur behandeln zu lassen. Er glaube, dass die Kammer einer Missbilligung derartiger bedauerlicher Vorkommnisse beistimmen werde.

Zur Wahrnehmung der Vorstandsgeschäfte nach einer Neuwahl der Kammer bis zur Wahl eines neuen Vorstandes hat das Ministerium durch Erlass vom 20. April 1906 bestimmt, den Antrag der Aerztekammer in der beschlossenen Form in die Geschäftsordnung aufzunehmen.

Derselbe lautet:

<Den interimistischen geschäftsführenden Vorstand bilden

1. die wiedergewählten bisherigen Vorstandsmitglieder,

2 zur Ergänzung diejenigen der sonstigen wiedergewählten Kammermitglieder, welche nach der Approbation die Aeltesten sind. >

Die Festsetzung der Taxe bei Gutachten für die Berufsgenossenschaften hat zu Umständlichkeiten aller Art geführt, insbesondere seitens der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft für Unterelsass.

Die Frage kommt erneut zur Behandlung als Punkt 2 der Tagesordnung. Herr Kraft Strassburg plädiert, entsprechend den vom Vorsitzenden gemachten Vorschlägen und auf Grund der ihm vorliegenden Formulare auf 10 M für das ausführliche Gutachten, auf 6 M für Zwischenberichte und Befundschein, auf 3 M für einfachen Totenschein. Herr Kassel ergänzt das dahin, es mögen 10 M für jedes erste Gutachten, das ein Arzt über einen erstmals gesehenen Patienten abzugeben habe, auf jedes Gutachten mit Aktenstudium, sowie angemessene Reiseliquidation festgesetzt werden, M 6 für jedes Zwischenattest.

Die Herren Flocken, Grotkass, Nottebaum wünschen 10 M als Taxe für jede gutachtliche Aeusserung, ob erste oder Zwischenbericht oder Befundschein festgehalten, um Missbrauch mit letzteren zu Umgehung von Gutachten zu verhüten.

Die Herren Stach v. Goltzheim und Lentz betonen, dass in I.othringen die Durchführung der Taxe von 10 M allen Berufsgenossenschaften gegenüber gelungen sei

Die Schlussabstimmung ergiebt nach ausführlicher Debatte folgendes Ergebnis.

1. Das erste Hauptgutachten ist mit 10 als Mindestsatz zu liquidieren.

2. Kontrollgutachten (Antrag Nottebaum) ebenfalls mit 10 M.

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Punkt 4 der Tagesordnung. Antrag des Metzer Aerztevereins auf Aenderung der Vorschriften über die Typhusbekämpfung.

Der Metzer Aerzteverein hat die zur Zeit in Lothringen übliche Art der Typhusbekämpfung in mehreren seiner letzten Sitzungen zum Gegenstand eingehender Beratung gemacht und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass dieselbe in mehrfacher Hinsicht gewisser Abänderungen bedarf.

Der Metzer Aerzteverein erlaubt sich die auf Grund der gepflogenen Beratungen gefassten Beschlüsse dem Kaiserlichen Bezirkspräsidium nachstehend zur Kenntnisnahme sehr ergebenst zu unterbreiten und bittet das Kaiserliche Bezirkspräsidium, die erforderlichen Schritte in die Wege leiten zu wollen, um eine den nachfolgenden Wünschen entsprechende Abänderung der Typhusbekämpfung zu erwirken.

Die vom Metzer Aerzteverein in seiner Sitzung vom 7. d. Mts. gefasste Resolution lautet:

Die jetzige Art der Typhusbekämpfung erscheint undurchführbar, dieselbe stört in bedauernswerter Weise die Beziehungen zwischen den Aerzten und dem Publikum und führt durch ihre von dem Volke sehr unangenehm empfundenen Massregeln zur Verheimlichung von typhusverdächtigen Erkrankungen, so dass das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erreicht wird. Eine anderweitige und genaue Regelung der Vorschriften im Einverständnis mit den Aerzten und unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen erscheint dringend notwendig.

Der Metzer Aerzteverein spricht in dieser Beziehung folgende Wünsche aus:

1) Bei klinisch sicherem Typhus sollen während der Fieberperiode überhaupt keine Stuhluntersuchungen eingefordert werden.

Die Stuhluntersuchungen in der Rekonvaleszenz (nach Beendigung des Fiebers) beschränken sich bei negativem Befund auf 2.

2) Bei typhusverdächtigen Fällen genügt zunächst die Desinfektion nach Anweisung des behandelnden Arztes; die übrigen Massregeln der Typhusbekämpfung treten erst dann in Kraft, wenn die Diagnose Typhus klinisch und bakteriologisch festgestellt ist.

3) In Familien, die alle Gewähr für sach

gemässe Desinfektion bieten, kann eine solche, | Tätigkeit und bedeutet ein durch nichts gerechim Einverständnis mit dem zustehenden Kreisarzte, seitens der Gemeindedesinfektoren unterbleiben.

In allen Fällen, wo die Wohnungsdesinfektion von den Desinfektoren der Gemeinde ausgeführt wird, erfolgt sie kostenlos.

In Esswarengeschäften ist die Verwendung übelriechender Antiseptika möglichst zu vermeiden.

4) Die Besichtigung von Wohnungen im Privatbesitz durch beamtete Aerzte kann bei vereinzelten Typhusfällen unterbleiben, wenn die Gewähr für die Durchführung der notwendigen Massnahmen gegeben ist. Wo die Typhuskommission Missstände vermutet, soll der behandelnde Arzt vor einer etwaigen Besichtigung rechtzeitig benachrichtigt werden.

5) Als typhusverdächtig gemeldete Fälle sollen. der Militärbehörde erst dann angezeigt werden, wenn sie klinisch oder bakteriologisch als Typhus sicher gestellt sind.

In allen der Militärbehörde angezeigten Typhusfällen ist derselben späterhin auch die bakteriologische Gesundung mitzuteilen.

6) Es ist eine pekuniäre Entschädigung für durch Typhus verursachte wirtschaftliche Einbussen einzuführen; erst dann lassen sich weitergehende Massregeln zur Bekämpfung des Typhus durch

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Referat zu dem Antrag des Metzer Aerztevereins um Abänderung der Vorschriften zur Typhusbekämpfung.

Dem ersten Teil der Resolution des Metzer Aerztevereins vom 7. Dezember 1906 kann ich nur voll und ganz beipflichten.

Die Typhusbekämpfung wird in der Tat von der gesamten lothringischen Aerzteschaft als sehr lästig empfunden und für undurchführbar gehalten. Nur widerstrebend wirken die Aerzte an derselben mit. Der Aufbau der Massnahmen auf dem Sande labiler bakteriologischer Wahrheiten erscheint nicht angängig. Die Zweckmässigkeit vieler Anordnungen will nicht einleuchten. Sprach doch ein angesehener Kollege im Metzer Aerzteverein seine Ansicht unumwunden dahin aus, dass die Typhusbekämpfung ein Sieb sei, durch welches nichts leichter durchfalle wie die Typhusbazillen.

Der Besuch nicht als typhusverdächtig oder typhuskrank gemeldeter Patienten der Aerzte durch die mit der Typhusbekämpfung betrauten Organe ist eine für die praktischen Aerzte unerträgliche, ihr Ansehen schwer schädigende Kontrolle ihrer

fertigtes Misstrauen in die Erfüllung der Meldepflicht durch die Aerzte.

Wahr ist auch, dass das Publikum die Massregeln der Typhusbekämpfung sehr unangenehm empfindet, sodass vielfach bei typhusverdächtigen Erkrankungen die Zuziehung eines Arztes unterlassen bezw. tunlichst hinausgeschoben wird. Dies kann aber sicherlich nicht zur Eindämmung des Typhus beitragen.

Der Wunsch des Metzer Aerztevereins nach einer anderweitigen und genauen Regelung der Vorschriften zur Typhusbekämpfung im Einverständnis mit den Aerzten erscheint somit durchaus gerechtfertigt.

Die von dem Metzer Aerzteverein in dem zweiten Teile seiner Resolution vorgetragenen Wünsche bieten eine geeignete Grundlage zur Verständigung über die Abänderung der Typhusbekämpfung.

Dem Wunsche nach einer gesetzlichen Unterlage für die Typhusbekämpfung kann nur mit dem Vorbehalt beigepflichtet werden, dass der Aerzteschaft Gelegenheit gegeben wird, zu dem Entwurfe Stellung zu nehmen.

Remilly, 2 Februar 1907.

gez. Dr. Nottebaum.

Ich schliesse mich den Ausführungen des Herrn Referenten voll und ganz an und habe zur Sache nichts hinzuzufügen.

Metz, den 3. Februar 1907.

gez. Dr. Lentz, Korreferent.

Herr Nottebaum gibt in kurzem den Inhalt seines Referates wieder und betont, dass die bisherige Handhabung der Typhusbekämpfung nur zur Verheimlichung der Fälle, insbesondere auf dem Lande, wegen der Umständlichkeit führt, die damit verknüpft sei. Des weiteren bringt er Klagen vor über das Verhalten der Herren Bakteriologen, bei denen eine engere Vertrautheit mit der Praxis vermisst würde.

Herr Lentz-Metz bestätigt die Auffassung Nottebaums über die derzeitige Sachlage in der Typhusbekämpfung und sieht gleiche Missstände wie bei dem Vorgehen gegen die Pocken entstehen.

Herr Geheimrat Böhmer als Regierungskommissar erklärt, dass die Mitwirkung der Kreisärzte und Bakteriologen bei der Typhusbekämpfung nicht die Kontrolle der behandelnden Aerzte sondern ihre Unterstützung bezweckt. Sollten in einzelnen Fällen Missgriffe vorgekommen sein, so sei die Regierung jederzeit gerne bereit auf Mitteilung dieser Fälle Abhilfe zu schaffen. Die Regierung lege jedoch Wert darauf, die grundsätzliche Stellung der berufenen Vertreter der Aerzteschaft des Landes zu der Frage der Typhusbekämpfung zu erfahren. Er frage demnach an, ob die Aerztekammer und insbesondere auch ihre lothringischen Mitglieder mit der Beibehaltung der systematischen Typhusbekämpfung in ihrer jetzigen Organisation im allgemeinen grundsätzlich einverstanden sei (Allseitige Zustimmung).

Herr Böhmer konstatiert die einmütige Stellungnahme der Aerztekammer in der Frage

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