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jedes Kind an Gewicht zu, wenn es am Leben bleibt, einfach durch das Wachstum. Man wird also beweisen müssen, dass die Zunahme eine der Norm entsprechende oder über die Norm hinausgehende ist. Das kann ich nun an der Hand von Wägungen, die an 12000 Schulkindern in Brünn in den letzten Jahren vorgenommen worden sind, tun. Dort ist festgestellt worden, dass das Körpergewicht vom 6. bis 14. Lebensjahre bei den Knaben um 19.6 Kilo, also im Mittel jährlich um 2,4, bei den Mädchen um 21,2, also 2,6 Kl. wächst; also im ganzen rund eine jährliche Zunahme von 2,5 Kilo pro Jahr. Diese Zunahme ist ist aber natürlich nicht gleichmässig, sondern beträgt bei den kleinsten 2 Kilo pro Jahr und steigt allmählich bis zu 3,7 Kilo bei den vierzehnjährigen.

Unsere Wägungen haben nun folgendes ergeben.

Das Durchschnittsgewicht des Mülhauser Waldschulkindes betrug bei der Aufnahme 25,5 Kilo, beim Austritt 27,8. Jedes Kind hatte also im Mittel in den sechs Monaten um 2,3 Kilo zugenommen. Ich habe dann sämtliche Schüler in 5 Grössengruppen eingestellt, und erhielt für die Kleinsten eine Durchschnittszunahme von 1,74 Kilo, für die zweitgrössere Gruppe 2,08, für die dritte 2,4, für die vierte 3,07 und in der letzten Gruppe der grössten Kinder wies ein jedes eine Zunahme von durchschnittlich 3,7 Kilo auf.

Also im Ganzen erhielten wir in einem halben Jahre dieselbe Gewichtszunahme, die das Normale für ein ganzes Jahr bildet. Damit können wir zufrieden sein.

Das Augenblicksresultat unserer Waldschule ist demnach ein hoch befriedigendes. Wird es vorhalten? Werden diese Kinder. die, vorher für die Schule und für sich selbst ein Kreuz, Dank der Waldschule nunmehr normal geworden sind, auch normal bleiben?

Das dürfen wir als wahrscheinlich erhoffen, aber Sicherheit werden wir erst haben, wenn sie den Winter über in ihren regulären Familien- und Schulverhältnissen zugebracht haben. Gewisse Rückschläge, schon als Konsequenz der schlechteren Nahrung muss man erwarten. Aber gefordert kann werden, dass durch die sechs Monate der Waldschule die Resistenzfähigkeit des kindlichen Organismus so erhöht worden ist, dass er gegenüber den grossen Fährlichkeiten des häuslichen Elends und den geringeren der Schule nicht mehr dieselbe Hinfälligkeit

zeigt wie früher, so dass diese einen tieferen Eindruck in ihm nicht mehr hinterlassen.

Untersuchungen der Waldschulkinder im Laufe des Winters und gegen Ostern sollen uns darüher aufklären.

Im Laufe meines Vortrags hatte ich erwähnt, dass tuberkulöse und skrophulöse Kinder im Gegenteil zu Charlottenburg von der Aufnahme in unsere Waldschule ausgeschlossen wurden. Hierdurch ist jedoch an diesen keine Ungerechtigkeit begangen worden. Denn erstens waren viel mehr nicht tuberkulöse, schwer anämische Schwächlinge da, als aufgenommen werden konnten, so dass, um gegen diese nicht ungerecht zu werden, eine Erweiterung der Waldschule in Aussicht genommen werden muss, und zweitens sorgt die Stadt auch in gewisser Weise für die tuberkulösen Kinder. Sie besitzt in einem Vorort, in Pfastatt, ein Kinderheim, in welchem leicht lungenkranke Kinder untergebracht werden. Allerdings nicht für genügend lange Zeit, da der Platz knapp ist, und die Ablösung immer wartet. Die skrophulösen Kinder werden in Soolbäder geschickt. Aber man muss sich natürlich nicht verhehlen, dass, wenn von der Kommune in so gründlicher Weise für die tuberkulösen Kinder gesorgt werden soll, wie es durch die Waldschule für die geschwächten Kinder geschieht, dann in ganz anderer Weise vorgegangen werden

muss.

Es müssten dann schon Schulsanatorien in sonniger, möglichst staubfreier Lage gebaut werden, welche die kranken Kinder, soweit sie überhaupt schulfähig wären, nicht nur am Tage, sondern auch in der Nacht, und nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter, und nicht nur ein Jahr, sondern bis zu ihrer Heilung, am besten durch die ganze Schulzeit hindurch beherbergen sollten. Dann wäre Aussicht, auch hier zu Dauerresultaten zu gelangen.

Ich möchte meinen Vortrag nicht schliessen, m. H., ohne ihnen ans Herz zu legen, soweit Ihnen das möglich ist, auch in anderen Städten des Reichslandes die Gründung von Waldschulen anzuregen; in den grössern wie auch in den kleinern, soweit diese durch ihre hochentwickelte Industrie zu Proletarierkonglomeraten mit all der dazu. gehörigen Misere geworden sind.

Dazu ist weder ein herrschaftlicher Park mit Schloss, wie ihn Mülhausen in der glücklichen Lage ist, verwerten zu können, notwendig, noch Wald. Ja, wenn man nicht, wie Charlottenburg, Kieferwald zur Verfügung hat, mit spärlichem Baumbestand, der der

Sonne reichlichen Durchlass bietet, und mit märkischem Sandboden, der das Regenwasser rasch versickern lässt und bald wieder trocken ist, so ist es besser, mit solchen. Schulen überhaupt nicht in den Wald zu gehen. Denn der Laubwald mit seinem Mangel an Sonnenlicht und Sonnenwärme, mit seinem ständig feuchten Untergrund eignet sich gar nicht dazu.

Ein grosser Garten ausserhalb der Stadt, aber nicht zu fern, und in Ermangelung eines solchen, ein Stück freies Feld, am besten gegen Südosten auf einem Hügel

gelegen, auf dem die zu errichtenden Baracken für den notwendigen Schatten sorgen; das ist alles was man braucht.

Ob der Name dann Waldschule oder Freiluftschule lautet, ist gleich. Die Einrichtung bleibt segensreich; segensreich für die armen Kinder, denen sie einen Reservefonds an Kraft und Gesundheit in ihr späteres Leben mitgibt, und segensreich für die Kommune, die sie sicherlich von einem Teil jener Individuen befreit, welche später als Spital- und Armenpfleglinge der Gesamtheit zur Last fallen.

Ueber Augenmuskel-Lähmungen und ihre diagnostische Bedeutung.

Von Prof LAQUEUR.

(Nach einem am 27. November 1906 gehaltenen Vortrage.)

Das Auge würde seine Funktion, den | Augapfels vom Foramen opticum bis 6 mm Menschen mit der Aussenwelt in Beziehung zu setzen, schlecht erfüllen, wenn es nicht mit einer ausserordentlich grossen Beweglichkeit begabt wäre.

Zwar erfreut es sich eines im Vergleich zu unseren künstlichen optischen Instrumenten enorm grossen Gesichtsfeldes: wir beherrschen mit dem ruhenden Auge einen Raum von 150° in horizontaler, von 120° in vertikaler Richtung. Dies kann uns aber für das eigentliche Sehen nicht viel nützen; denn was wir im eigentlichen Sinne sehen nennen, ist das Erkennen von Formen und Einzelheiten, und dies vermögen wir nur mit dem ganz kleinen Teile der Retina, den wir Fovea centralis nennen. Mit den Netzhautteilen, die nur 1-2 mm davon entfernt liegen, können wir schon nicht mehr lesen. Es gilt also die Fovea centralis auf das zu sehende Objekt einzustellen, und dazu dienen die den Bulbus bewegenden Augenmuskeln die den Gegenstand unserer heutigen Erörterung bilden sollen.

Die Natur hat dafür gesorgt, dass sie diese Funktion leicht und sicher erfüllen können.

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vergrössert werden. Von dieser Formveränderung des N. opt. bei jeder etwas exkursiven Bewegung des Auges haben wir im normalen Zustande nicht die geringste Empfindung. Anders freilich bei der Neuritis retrobulbaris; dann wird jede Bewegung des Nerven schmerzhaft und dies ist ein wichtiges Symptom dieser nicht sehr seltenen Krankheit. Die vordere Hälfte des Bulbus ist ja mit der Conjunktiva überzogen; obwohl dem Augapfel locker aufgeheftet, würde auch sie, da sie in den Augenwinkeln mit den Lidern zusammen hängt, die Rotationen des Bulbus behindern, wenn wir nicht die Plica semilunaris im inneren Augenwinkel hätten, die durch grösseres oder geringeres Verstreichen dem Bulbus die im gegebenen Falle erforderte Abduktion ermöglichte.

Die Muskeln selbst sind für die leichte Last, die sie zu bewegen haben, sehr mächtig. Es sind quergestreifte Muskelfasern und die Fasern zeichnen sich durch ihre grosse Feinheit aus. Das Kaliber ihrer Primitivfibrillen ist bei weitem das kleinste, welches wir im Muskelsystem kennen. Nach den Untersuchungen von Mayeda ist es 3-4 mal kleiner als das der groben Körpermuskeln, z. B. des Latissimus dorsi. Dabei sind sie überaus reich innervirt; während auf eine Nervenfaser bei grossen Muskeln z. B. 30-40 Muskelfibrillen kommen, kommen bei den Augenmuskeln auf eine Nervenfaser 3-4 Muskelfibrillen. Dies steht offenbar im Zusammenhang mit der Funktion; die Augenmuskeln müssen mit ausserordentlicher Sicherheit und Präzision arbeiten. Es soll ein exzentrisch gelegener Punkt fixiert werden, und mit grösster

Treffsicherheit finden wir ihn. Sie sind das Ideal von Arbeitern; sie arbeiten schnell, sicher und geräuschlos das letztere verdient hervorgehoben zu werden, weil man erwarten sollte, da sie in der Nähe des Gehörorgans wirken, dass das Muskelgeräusch vernehmbar sein könnte. An Schnelligkeit der Leistung und Präzision können sich nur die Kehlkopfmuskeln mit ihnen messen.

Im Einzelnen betrachtet sind es 3 Paare - 4 Recti und 2 Obliqui. R. int. und Rect. ext. ziehen bekanntlich die Hornhautmitte grade nach aussen und grade nach innen; der Rect. sup. und inf. aber nicht grade nach oben resp. unten, sondern zugleich nach innen, und die Obliqui, deren Hauptwirkung eine Rollung ist, ziehen die Hornhautmitte zugleich nach aussen. Der Vortragende veranschaulichte die Zugrichtung der einzelnen Muskeln an einer Figur und an einem Modell.

Die Lähmungen der Augenmuskeln müssen sich kundgeben:

1. In einem Defekt der Beweglichkeit; dieser ist am leichtesten zu erkennen beim Blick nach aussen und nach innen, weil wir für diese Richtungen gute Kriterien besitzen;

2. in einem Uebergewicht des Antagonisten, welches eine Schielstellung des Auges nach der der Lähmung entgegengesetzten Seite zu Folge haben muss;

3. in Doppelsehen, dem für den Kranken lästigsten Symptom, und zwar ist das Doppelsehen für jede Lähmung von eigener, typischer Art;

4. im Muskelschwindel d. h. in falscher Lokalisation der gesehenen Objekte, wenn sie mit dem kranken Auge allein gesehen werden.

Aus diesen Elementen setzt sich die Symptomatologie der Muskellähmungen zusammen. Dazu kommt noch die sekundäre Abweichung des andern Auges und eine schiefe Kopfhaltung, die der Patient instinktiv annimmt, um sich vor dem lästigen Doppelsehen zu schützen.

So haben wir eine ganze Reihe von objektiven und von subjektiven Symptomen, und man sollte meinen, dass die Diagnose überaus leicht sein müsste. Das ist sie auch meist, namentlich für die Recti. Sie kann aber schwierig werden, wenn die objektive Beschränkung der Motilität sehr gering ist, (wie bei den Obliquis) und die Lähmung dabei nur unvollständig ist: dann kann es merkwürdigerweise selbst schwierig werden zu bestimmen, welches das kranke Auge ist.

Haben wir gefunden welcher Muskel gelähmt ist resp. in welchem Grade, dann ist

die diagnostische Aufgabe noch nicht gelöst; es gilt jetzt den Sitz und die Natur der Lähmungsursache aufzufinden. Natürlich kann der den Muskel innervierende Nerv an jedem Punkte seiner langen Bahn getroffen sein. Er hat seinen Verlauf in der Orbita und an der Basis cranii; dann sammeln sich die Fasern zu den Kernen, den Zentren zweiter Ordnung; von dort strahlen sie wieder aus, um sich in der Hirnrinde zu den Zentren erster Ordnung zusammen zu finden. Daher unterscheiden wir die Lähmungen in orbitale, basale, nukleäre, faszikuläre und endlich corticale. Als solche Zentren erster Ordnung sind ziemlich sicher anzunehmen die Rinde im Stirnlappen und zwar im hinteren Bereich der 1. und 2. Stirnwindung, aber auch in andern Rindengebieten, dem unteren Scheitellappen und Occipitallappen. Alle diese Arten von Lähmungen sind beobachtet. Obwohl jeder Sitz theoretisch möglich ist, hat die Erfahrung doch gelehrt, dass die isolierten Lähmungen meist nukleärer Natur sind. In der Orbita liegen die Nerven so nahe beisammen, dass es ein merkwürdiger Zufall wäre, wenn eine Blutung, eine Geschwulst und dergl. grade nur einen dieser Nerven schädigten; dagegen werden wir mit Recht eine orbitale Ursache supponieren, wenn Z. B. alle Nerven des Auges gelähmt sind und nur diese. (Ophthalmoplegia externa). Auch an der Basis cranii liegen sie sehr nahe bei einander, doch kann hier schon eher ein einzelner Nerv getroffen sein, namentlich der Abducens, dessen Verlauf der längste ist. Dagegen können pathologische Prozesse, kleine Herde in der Kernregion sehr wohl einzelne Nerven paralysieren. Die Region liegt am Boden des 4. Ventrikels und hier hat man ermittelt, dass die Kerne in einer gesetzmässigen Reihe gelegen sind. Am weitesten nach vorn der Kern des Sphincter pup. und M. ciliaris, dann die des Rect, sup. und Levator, weiter hinten des Internus., dann der andern Zweige des Oculomotorius und zuletzt der des Trochlearis. So erklärt es sich, weshalb bei Lähmungen mehrerer Aeste grade gewisse Kombinationen häufig vorkommen, andere aber nicht. Z. B. sehr oft sind zugleich gelähmt Sphincter und M. ciliaris; Levat. und Rect. sup., R. sup. und internus., deren Kerne eben benachbart sind.

Bei der grossen Länge der Nervenbahnen innerhalb des Schädels sollte man erwarten, dass die A. Muskellähmungen wichtige Indizien für Gehirnkrankheiten bieten müssen. Das ist auch z. T. der Fall, aber nicht in dem erwarteten Masse und zwar darum, weil der nervöse Faserverlauf innerhalb des Gehirns,

also der faszikuläre Teil nicht genügend bekannt ist. In Beziehung auf die topische Diagnostik stehen die A. Muskellähmungen an Wert den Krankheiten des Optikus nach, namentlich der Stauungspapille, die für manche Gehirnleiden pathognomonisch ist. Ich will hier erwähnen, was bezüglich der Krankheiten des Zentralnervensystems einigermassen sicher bekannt ist.

1. Ich stelle an die Spitze die Tabes, bei der merkwürdigerweise die A. Muskellähmungen häufig beobachtet werden. Bei ihr kommt die Lähmung des Abducens und Oculomotorius vor, des Abduc. wohl etwas häufiger als des Oculomot.; selten sind alle Aeste getroffen, gewöhnlich nur einige, am häufigsten der Levator (also Ptosis). Es handelt sich um ein Frühsymptom der Tabes; doch ist fast immer bereits das Kniephänomen und die Pupillenenge, auch Ungleichheit der Pupillen vorhanden. Die Lähmung ist flüchtiger Natur, wie die Blasenstörungen, kann verschwinden, obwohl die Tabes vorschreitet, kann rezidivieren, und bleibt selten dauernd. In dieser Beziehung besteht ein gewisser Gegensatz zur Dementia paralytica, in deren Initialstadium Augenmuskellähmungen sehr selten sind, während in späteren Stadien eine vollständige Ophthalmoplegia ext, auftreten kann. Bei jeder isolierten A. Muskellähmung von Personen im mittleren Lebensalter muss man daher an die Möglichkeit denken, dass Tabes die Ursache ist.

2. Multiple Sklerose des Rückenmarks, eine Krankheit jugendlicher Individuen vom 20.-30. Jahre. Hier findet sich Atrophie des Opticus als Krankheitssymptom, welches den andern Zeichen

oft jahrelang vorausgeht, ferner Nystagmus und Muskellähmungen meist in Form der assoziierten Blicklähmung (Parinaud) bei erhaltenen Konvergenzbewegungen.

3. Tumoren oder Erweichungen im Pons bewirken eine Hemiplegia alternans d. h. eine gekreuzte Lähmung der Extremitäten und Lähmung des Facialis, Abducens und Trigeminus der gleichen Seite.

4. Für die Krankheiten des Pedunculus cerebri ist charakteristisch die Lähmung des Oculomotorius der contralateralen Seite und der Extremitäten ebenfalls der contralateralen Seite.

5. Die Tumoren der Corp. quadrigemina zeigen eine doppelseitige Lähmung der gleichnamigen Augenmuskeln (beider Interni.). Diese kann sehr gut diagnostisch verwertet werden unter Berücksichtigung anderer Symptome: Lähmung der Pupille, Nystagmus, Inkoordination beim Stehen.

Noch wäre zu nennen die Déviation conjuguée (Prévôst) die zuweilen bei Affektionen besonders der Stirnlappen des Grosshirns mit gekreuzter Hemiplegie beobachtet wird. Die Abweichung der Augen erfolgt nach der Seite des Herdes.

Bei einer Menge anderer Hirnaffektionen kommen als Begleiterscheinungen noch A. Muskellähmungen vor; sie sind aber so verschieden gestaltet und so inkonstant, dass sie zur Lokalisation nicht verwertbar sind; namentlich ist das zu bedauern für die Krankheiten der Cerebellum. Weitere Forschungen und besonders sorgfältige Autopsien von klinisch gut beobachteten Fällen werden uns hier sicher brauchbare Resultate bringen,

Zwei merkwürdige Kephalocelen.*

Von Prof. MADELUNG.
(Mit zwei Abbildungen).

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eine kleinapfelgrosse Geschwulst an einem fingerdicken Stiel. Dieser heftete sich ungefähr in der Gegend des vorderen unteren Winkels des Scheitelbeins an. Die Geschwulst hatte etwas höckerige Oberfläche; die Konsistenz war die des gespannten Muskels. Sie war, abgesehen vom Stielteil, mit einer ganz dünnen Haut überzogen; diese selbst war teilweise geschwürig. Bei Druck verkleinerte sich die Geschwulst nicht. Ein Defekt in den Schädelknochen war nicht abtastbar.

Wir mussten diese, wie gesagt, angeborene Geschwulst als eine laterale Kephalocele ansprechen und glaubten nach der Konsistenz, dass es eine im wesentlichen

aus Hirnmasse bestehende Bruchgeschwulst sei. | Geburt. Kommt es zum Aufbruch der GeWir nahmen an, dass das Kind bei fortschreitendem gangränösen Zerfall der Geschwulst rasch sterben würde. Jedenfalls war bei dem elenden Allgemeinbefindeu vorerst nichts zu machen.

Unserer Erwartung entsprechend wurde. die Geschwulst in toto nekrotisch. Aber wider unser Erwarten ertrug dies das Kind. 15 Tage nach der Geburt fiel ein eigrosser, völlig mumifizierter Geschwulstteil (Abbildung I natürliche Grösse) ab und es blieb ein markstückgrosses Geschwür in einem Rest

schwulst, sei es, dass derselbe spontan oder nach einem leichten Trauma erfolgt, so ist nach den sonstigen Erfahrungen das Auftreten von Meningo-Encephalitis sicher zu erwarten. In unserem Fall hat das Kind die Totalgangrän fast störungslos überwunden.

Wenige Tage später, nachdem wir das eben besprochene Kind in unserer Klinik aufgenommen hatten, wurde uns das jetzt

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Abbildung I.

des Stieles der Geschwulst zurück. Dieses Geschwür verkleinerte sich dann schnell.

Das Kind ist in seiner Ernährung vorangekommen und scheint am Leben zu bleiben.

Nach Besichtigung des abgestorbenen Teiles der Kopfgeschwulst unterliegt es keinem Zweifel mehr, dass dieselbe wirklich eine Encephalocystocele war. Ein teilweise mehrere Millimeter dicker Sack ist nach innen von einer völlig glatten Haut ausgekleidet. Wie viel von den Wandungen des Sackes aus Hirn besteht, lässt sich bei dem Zustand des Präparats nicht mehr feststellen. Da während und nach der Ablösung Liquor cerebrospinalis nicht, jedenfalls nicht in grösserer Menge abfloss, muss die Kommunikation mit dem Seiten- Ventrikel wohl eine sehr enge gewesen sein.

Laterale Kephalocelen sind bekanntlich im Verhältnis zu den in der Mittellinie des Schädels vorkommenden den occipitalen und sincipitalen sehr selten beobachtet worden.

Aber merkwürdiger als dies ist der Verlauf, den der Fall genommen hat.

Die meisten Kinder mit angeborenem Hirnbruch sterben bekanntlich bald nach der

Abbildung II.

28 Tage alte, zweite Kind zugeführt, 18 Tage alt, geboren mit den Veränderungen, die Sie hier sehen (Abbildung II).

Unmittelbar über dem linken Ohr liegt eine Geschwulst dem Schädel an. Ein Teil von ihr ist von normaler Haut bedeckt; ein Teil entbehrt der häutigen Bedeckung.

Die hier liegende Masse ist ganz eigentümlich geformt. Neben einer grösseren und mehreren kleinen rundlichen Kuppen liegen einige, den Endteilen eines Regenwurmes ähnliche Zapfen. Der Schädelknochen ist unter dem von Haut bedeckten Geschwulstteil beträchtlich verdickt und unregelmässig geformt. Einen Defekt in ihm konnte ich nicht finden. Pulsation ist nicht erkennbar. Hingegen glaube ich sicher zu sein, dass in der Geschwulst, auch wenn das Kind den Unterkiefer nicht bewegt, die Stirne beim Schreien nicht runzelt, zuckende Eigen-Bewegungen vorkommen.

Wie ist nun diese Missbildung zu deuten? Unter dem Eindruck stehend, den die vorher beschriebene machte, liegt es nahe, auch hier das Vorhandensein einer lateralen Kephalocele anzunehmen. Der nicht von Haut bedeckte Teil müsste dann freiliegendes Gehirn sein und es müsste dann hier während des intrauterinen Lebens, in ähnlicher Weise wie im

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