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reits übrige evangelische Orte der Eidgenossenschaft bequemt (jedoch gegen den mailändischen Staat nichts versäumt an erforderlichen guten Wachten), für diesesmal ersißen geblieben. Zugleich ist auch von der Herrschaft Venedig den Bündnern etwas kleines Geschüß, Munition und Geld überschickt worden.

(Im Jahr 1607.)

Es waren die Läufe in den graubündnerischen Banden dieser Zeit gar seltsam geftellet. Der Gubernator zu Mailand ließ die an der bündnerischen Grenzen gebauene Veftung, welche er nun auch mit vierzehn Stück groben Geschüßes versehen, nicht hinwegschleifen. Also gewannen die Sachen ein je länger je schlimmeres Aussehen. Denn der gemeine Pöbel ist mehrentheil an Orten wider die Oberkeit aufgeftanden, auch unter dem Vorwand den ankom menden Lotharingern den Baß nach Venedig abzuschneiden, mit bewaffneter Hand vor die Stadt Chur gerückt, hat die Mathsherren allda ihres Amtes entseßt, und Hans Jenni zu ihrem Haupt aufgeworfen. Eidgenössische Gesandte suchten die Sachen zu thädigen. Schon waren sechs Kompagnien zu Fuß in das Veltlin und Grafschaft Kleven zu Bewahrung selbiger Grenzen unter dem Oberften, Johannes Güler, gelegt worden. Die Boten, welche die Sachen wiederum in ein friedliches Wesen zu brin gen abgeschickt worden, hatten dafür möglichsten Fleiß angewandt. Aber sie wurden aller Orten mit schlechtem Respekt und kurzer Antwort angesehen. Der aufrührische Haufe (welchen sie das Strafgericht nennten) batte den kaiserlichen Landvogt im Brettigäu, Georg Beeli, obschon er ihnen das kaiserlich Necht und Geleit vorgewiesen und des Bischofs und ganzer Thumstift Tröftung für Leib und Gut anerboten, gleichsam im Angesicht der eidgenössischen Gesandten mit Aufsprengung der Pforten an dem bischoflichen Hof zu Chur nebst beiden Hauptleuten, Kaspar Baselga und Georg Wilhelm Scarpata, in

Gefangenschaft geworfen. Viele ansehnliche Personen des Landes nahmen aus Furcht gleichen Traktaments den Weiten. Des Oberßen, Johann Gulers, Haab und Gut wurde konfiszirt, der Landshauptmann Gügelberg von Müß um 20,000, Herkules von Salis aber von Geisch im Prättigau, und Burgermeister Bavier von Chur, wurden neben Entseßung ihrer Ehren, jeder um 25000, und Hauptmann Joachim von Jochberg von Lay, um 15000 Kronen gestraft. Weil diese alle von der französischen Faktion, erklagte sich der französische Ambassador Pascal in Bündten, bei den Gemeinden solcher parteiischen Prozedur. Darüber entrüfteten sich die Engadiner. Sie brachen am 22. Funi von neuem mit fliegenden Fahnen auf und für die Stadt Chur, und machten wider die mailändische Partei so viel Ges schrei, daß Kaspar Baselga und Landvogt Beeli nach ausgestandener Folter und Bekanntnuß: „daß sie mit dem von dem Gubernator zu Mailand empfangenen Geld diesen Auflauf geholfen anstiften und die geschlossene mailändische Kapitulation viel gefördert" mit dem Schwert bingerichtet wurden.

Hierauf ist von gemeinen Bundsgenossen der Vergleich getroffen worden: „daß sie alle sowohl unter sich felbft als mit fremden Ständen gemachte Bünde nisse und Verträge in Treuen halten wollen. Der geheime Nath der Fünfzehner foll aufgebebt sein. Es sollen keine Privatpensionen mehr von ausländischen Fürsten genommen werden, auch soll kein Bundsmann mehr ge meiner Landsgeschäfte halb mit dergleichen Fürfen für sich selbst etwas traktiren. Frem de Sinterfäß sollen zu gemeinen Sachen nichts mehr zu reden haben." Diese schimpfliche Vernichtung gemeineidgenössischer Gesandschaften und wohlgemeinter, schriftlicher Erinnerungen, nicht weniger die Gewalthandlungen des Strafgerichts gegen die zu Maienfeld

und Davos hat gemeine Eidgenossen dergestalten erzörnt, daß der mehrentheils Drten wider solch ungestümes Wesen offenbare Gewalt zu brauchen resolvirt. Also ist zur Stund ein Projekt in die Feder gefaßt worden, wie die Bündner durch einen feindlichen Ueberzug von zwei Regimentern von allen Orten und Sugewandten der Eidgenossenschaft zu schuldiger Gebühr zu weisen wären. Für einmal aber mußte dieses unterbleiben. Denn die von Zürich bemüheten sich eifrig, die. Thätlichkeit annoch - inne zu halten zu Vermeidung Blutvergießens, und weil ihre Unterthanen zu diesem Feldzug keinen guten Magen batten.

XI.

Rudolf Stadler von Stein am Rhein (geb. 1610) ftirbt als Blutzeuge seines Glaubens in Ispahan in Persien.

Vor den Thoren Sspahans, der Hauptstadt von Bersien, in der schönen Vorstadt Zulpha so bekannt durch den Handel und die Reichthümer der Armenter die sie bewohnen, erhebt sich ein merkwürdiges Grab. Es ist auf dem Gottesacker einer der zwölf Kirchen dieser Vorstadt gelegen, und mit einer Kuppel gedeckt, die von vier Säulen von polirtem Steine getragen wird.

Hier ruht Rudolf Stadler, dessen traurige Ge schichte gekannt zu sein verdient, und das besonders von feinen Landsleuten. Dieser merkwürdige Mann wurde im Fahr 1610 zu Stein am Rhein, einer kleinen Stadt des Kantons Zürich, geboren; wo sein Vater Burgermeißter war. Er lernte die Uhrmacherei mehr aus Liebhaberei als Erzähl. a. d. Schweizergesch. Bd. IV.

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aus Nothwendigkeit, und zeichnete sich frühzeitig aus durch feine Talente für die Mechanik. Sein Freund und Landsmann Johann Nudolf Schmidt, Baron von Schwarzenborn, gleichfalls von Stein gebürtig, nahm ihn in sein Gefolge, als er von dem Hofe von Wien zur Gesandtschaft nach Konstantinopel ernannt wurde. In dieser Hauptstadt des ottomannischen Reiches machte Stadler die Bekanntschaft des berühmten Neisenden, Johann Baptifte Tavernier, Baron von Aubonne, der, ihn nach Sspa. han mitnahm. Noch nie war ein Uhrmacher nach Persien gekommen, und er erhielt dort bald einen glänzenden Ruf. Denn er hatte eine kleine schlagende Uhr von der Größe eines Thalers gemacht. Der Chan von Schiras kaufte sie und überreichte sie dem Schach Sophi, damals König von Persien. Dieser war damit so zufrieden, daß er den Arbeiter kennen lernen und in seine Dienste nehmen wollte. In dieser Absicht ließ er ihm ein Gehalt von 30 Tommans (450 Thaler) anweisen, nebst Lebensmitteln für ihn, einen Diener und zwei Pferden, mit der Bedingung daß er einzig und allein für den Palast arbeite. Feden Morgen, wenn der König auffiand, kam sein Uhrmacher die Uhr aufzuziehn. Er unterhielt sich vertraulich mit dem Monarchen, der viel Vergnügen daran fand ihn auszufragen, und ihm einen Becher mit Schiraswein geben ließ. Der Zürcher hatte die Sprache des Landes gelernt, und da er sie mit Anmuth und Leichtigkeit sprach, flieg er von Tag zu Tag in der Gunst Schachs Sophi, der zu verschiedenen Malen in ihn drang, Muselmann zu wer den. Aber Rudolf, unbeweglich bei den glänzendßten Anerbietungen, blieb dem Glauben seiner Väter unerschütterlich treu. Er war so glücklich, daß nach Verlauf von fünf Jahren er ein so beträchtliches Vermögen hatte, um sechs Diener und eben so viel Pferde zu unterhalten. Aber sein Herz war voll Heimweh nach der Schweiz; er dachte unaufhörlich an sein Vaterland und er nahm sich vor die

erfte gute Gelegenheit zu benußen, um dahin zurück zu kehren.

Seit kurzem mit einer jungen und schönen Christin von der Sekte der Neftorianer verlobt, nahm sie Nudolf in sein Haus, wo sie die Gemächer der Frauen bewohn te, welche an die ihres Gemahls stießen. Er kam von einer großen Mahlzeit zurück, die von den Gesandten des Herzog von Holstein gegeben wurde. Wie groß war sein Erstaunen einen jungen Perser in seinen Zimmern zu fin den, der bei seinem Anblick die Flucht ergriff, indem er über die Mauer sprang die den Hof seines Hauses einschloß. Als er den Namen desselben erfahren hatte, (der Bruder einer der Thürhüter des Pallastes) ließ er ihn warnen mit der Drobung ihn im Rückfall nach dem Ges brauch zu behandeln, der erlaubt jeden Fremden zu tödten der sich ohne die Erlaubniß der Herrn in ein Zimmer begibt, das von Frauen bewohnt wird. Noch nicht zufrie den damit, es dem Perser selbst gesagt zu haben, benachrichtigte er noch seinen Bruder den Pörtner davon, und übertrug ihm das gleiche Verbot zu wiederholen. Aber der junge Mann nahm darauf keine Rücksicht. Als Stadler ihn zum zweiten Male in seinem Hause überraschte, drückte er eine Pistole auf ihn ab, und tödete ihn auf der Stelle. Am folgenden Morgen, als sich der Uhrmacher nach seiner Gewohnheit in den Palast begeben hatte um die königliche Uhr aufzuziehn, fragte ihn Schach Sophi was man neues wisse. Da erzählte ihm Stadler mit großer unerschrockenheit, daß er den Bruder eines Pörtners Seiner Majestät getödtet habe, den er zum zweiten Male in seinem Hause angetroffen, nachdem er ihn war nen lassen, es nie mehr zu wagen. Der König sagte ihm: er habe wohl gethan, und begnadigte ihn. Das immer wachsende Ansehn dieses Fremden machte ihm mächtige Feinde unter den Höflingen. Unter diesen war MirzaTaka, damals erster Minister, dem er durch seine große

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