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III.

Die Land stånde

der

Fürstenthümer Calenberg und Grubenhagen in den Jahren 1793 und 1794.

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III.

Die Landstände der Fürstenthümer Calenberg. und Grubenhagen, in den Jahren 1793 und 1794.

Raum

aum hatte ich den vergeblichen Kampf gegen die Verbreitung revolutionairer Ideen in Deutschland aufgegeben, als ich aufgefodert ward, meine Grundsäße über die Erhaltung und Verbesserung der bestehenden Ordnung, im eignen Vaterlande thåtig anzuwenden. Ein Heer französischer Republicaner hatte Maynz erobert, und drohte in Deutschland einzubrechen. Ihre Nähe belebte die Unzufriedenheit in einem Theile des hanndverischen Landes, über die in der That drückende Steuerverfassung: und dieses Misvergnügen war nahe dabey, in einen offenbaren Aufstand überzugehen. Dieser ward durch eine billigere Vertheilung der Abgaben verhindert. Bald aber entstanden neue Bewegungen, die in einer nåhern Verbindung mit der allgemeinen Geschichte der Zeit stehen. Auch sind es die nåmlichen Triebfedern, dasselbe Spiel der Leidenschaften, und dieselben Verhältnisse unter den Machthabern und ihren Untergebnen, welche allenthalben erscheinen, und deren mannigfaltige Combinationen so verschiedne Erscheinungen darbieten. Die Ereignisse und Handlungen, von denen hier die Rede seyn wird, und ihr Schauplak, gehen zwar nur einen kleinen Theil von Deutschland an; doch gehören sie zu der Geschichte der Nation: und sie haben durch die leidenschaftliche Theilnahme derselben an dem Schick

sale eines Mannes, der die Hauptrolle spielte, ein größeres Interesse erhalten, als ihnen an sich selbst zukam. Die Sache des Hofrichters und Schahraths von Berlepsch, ward als eine Angelegenheit aller freysinnigen Menschen, und als ein entscheidendes Ereigniß für das öffentliche Recht, ange= sehen. Der Antheil, den ich daran habe nehmen müssen, um den Pflichten der mir von meinem Landesherrn_anvertrauten Stelle Genüge zu leisten, ist oft mit vieler Heftigkeit gemisbilligt worden, und dieses hat auch einen großen Einfluß auf das allgemeine Urtheil über meine literarischen Arbeiten gehabt. Diese stehen daher auch in sofern in einer genauen Verbindung mit meiner politischen Thätigkeit.

Die ständischen Corporationen haben in jedem großen oder kleinen Theile des deutschen Reichs, im Laufe der Zeiten, eine eigenthümliche und sehr verschiedene Gestalt erhalten : so daß das deutsche Staatsrecht eine eben so bunte Mustercharte eingeschränkter Monarchieen darbot, als die Politik des Aristoteles, ein Verzeichniß republicanischer Verfassungen. Dem zufolge hatten auch sieben Fürstenthümer und Grafschaften, aus denen die hannoverschen Lande bestanden, verschiedene ständische Verfassungen, vertragsmåßige Rechte, und herkömmliche Verhältnisse zu der Landesherrschaft.

Im Fürstenthum Celle (Lüneburg) hatte die Ritterschaft ein großes Uebergewicht. In ihr hatte sich aber durch die Verfassung der Ausschüsse, eine engere Aristokratie gebildet, deren Schlußstein darauf beruhte, daß es dem Adel im Jahre 1653 gelungen war, den bedeutendsten Theil der Prålatur an sich zu ziehen, welche in andern Provinzen vielmehr ein Gegengewicht bildet. Sie hatte dem damaligen schwachen Fürsten abgedrungen, daß die Stelle eines Abtes des in der Reformation aufgehobenen Klosters S. Michaelis zu Lüneburg (zugleich Directors des ganz adlichen Landrathscollegii) von den Landråthen, aus dem Mittel der Ritterschaft erwählt werde. Diese konnte noch nicht vergessen,

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daß vor mehreren Jahrhunderten, zu zweyen Malen, bey eingetretnen Gemüthskrankheiten der Fürsten, die Vormundschaft, von Vorstehern der Ritterschaft geführt war. Auch hatte ihr engerer Ausschuß, als Administrations Collegium, ein ausnehmendes Gewicht. Im Lüneburgischen war es nicht blos, so wie in andern Provinzen, hergebracht, daß die Steuern bewilligt, sondern daß auch die Verordnungen darüber entworfen, und nur dem Landesherrn zur Genehmigung vorgelegt würden. Auch verwalteten die Stånde alle Steueraufkünfte, unter einer (ziemlich schlaffen) Aufsicht der Regierung. Die Mitglieder des Landrathscollegii benutten indessen ihr Ansehn auf löbliche Art zum Besten der ihrer Fürsorge anvertrauten Unterthanen: so fern nicht etwa ritterschaftliche Eremtionen in Frage kamen. Diese waren aber sehr ausgedehnt. Die Städte hatten bey der Berathung über Angelegenheiten der ganzen Landschaft, wenig Gewicht. Nur das, zwar von seinem großen Ansehn in der Hanse herabgesunkne, jedoch noch immer bedeutende Lüneburg, erhielt sich in ziemlicher Unabhängigkeit von den Mitstånden.

Im Fürstenthum Calenberg hingegen bestanden die Stånde, aus den Curien der Prålaten, Ritterschaft, (worin jeder Befißer eines immatriculirten Gutes eine Stimme abgab) und Städten. Beschlüsse wurden durch Mehrheit unter diesen drey Stimmen gefaßt. Die Mitglieder der Prålaten - Curie waren zwar in ihrer Eigenschaft als Stånde des Landes, mit der Ritterschaft, durch gleiches Interesse in Ansehung der Exemtionen, verbunden. Ihre persönlichen Verhältnisse wirkten aber mehrentheils zu einem Einverständnisse mit den pflichtigen. Stånden. In diesen verwickelten Verhältnissen fand die landesherrliche Regierung Mittel, auf die Gesammtbeschlüsse einzuwirken, und diese zum Besten der Unterthanen zu lenken: und es war diesen fühlbar geworden, daß sie die Erfüllung ihrer Wünsche mehr vom Fürsten als von den Stånden zu erwarten håtten. Vorzüglich hatte dieses sich im Steuerwesen gezeigt. Der Herzog Ernst August (nachmaliger Churfürst) war durch die Zeitumstände, zu bedeutendem Aufwande für kriegerische

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