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langen vermogt, daß die Fürsten bey der Verleihung eröffneter Lehne auf die Ritterbürtigkeit beschränkt wåren: Sie mögen vielmehr unter ihre Vasallen aufnehmen, wen fie wollen. Außerdem ist das Lehnssystem in solchem Widerstreite mit den Bedürfnissen und Sitten der neuen Zeit, daß seine Auflösung, welche von allen Theilen gewünscht wird, wohl aufgehalten werden kann, unfehlbar aber früher oder spåter erfolgen wird.

Mit oder ohne Lehnssystem, könnte der Adel seine Vorzüge nur durch ein Geseß behaupten, welches die Erwerbung von Rittergütern jedem untersagte, der nicht zu den anerkannten Geschlechtern gehört: und ein solches besteht wirklich in mehreren deutschen Ländern: vorzüglich in den preußis schen Staaten *). . ·

Der von der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts an, zu einer militairischen Monarchie ausgebildete preußische Staat, konnte den Adel nicht in der Gestalt des alten Ritterthums benußen. Dennoch war der Adel dem Regenten auch unter den neuen Verhåltnissen unentbehrlich. Die zahlreichen Geschlechter des armen Landadels in den unfruchtbaren alten Provinzen des Churhauses Brandenburg lieferten die große Menge von Officieren, deren das besoldete Heer bedurfte. Sie hielten den Kriegsdienst unbedingt für ihre Bestimmung: die ausgehobne Mannschaft sah in ihnen die gebohrnen Anführer. Die Erhaltung dieser Gesinnungen, nebst der damit verbundnen Trennung des Adels vom Bürgerstande, machten wesentliche Bedingungen des Systems aus, das Friedrich der II. bey seinem Regierungsantritte vollkommen ausgebildet fand, und welchem er ein unentbehrliches Werkzeug seiner emporstrebenden Größe verdankte. Sein Kriegsheer überstieg die Kräfte seines Landes sehr weit; und nur dadurch, daß er die alten Marimen in der Bildung dieser Armee befolgte, war er im Stande,

*) Es ist in der neuen Gesetzgebung seit 1807 aufgehoben.

zuerst so außerordentliche Kriegs-Thaten zu vollbringen, und darauf zwanzig Jahre lang ein Gleichgewicht unter den Mächten von Europa zu erhalten, welche sein stets schlag= fertiges Heer anstaunten, und von ihm gelähmt wurden.

Von dieser Ordnung machte das Geset, wodurch die Veräußerung von Rittergütern an Unadliche untersagt war, einen Theil aus. Es diente dazu, die alten Geschlechter zu erhalten, und beförderte die Vermehrung ihrer Glieder.

Seitdem aber ist der ganze Charakter der Zeit veråndert. Es besteht noch immer eine natürliche und deswegen unzerstörbare Verbindung zwischen dem Landadel und dem Kriegsdienste. Der junge Edelmann ist mehrentheils auf dem Lande erzogen, oder hat doch daselbst einige Zeit seiz nes Lebens zugebracht und zwar auf dem Hofe seines Vaters oder Verwandten, eines Gutsherrn. Er hat sich immer über den großen Haufen der Gutsleute erhaben gefühlt. Er ist gewohnt zu befehlen: und Befehlen will eben so wohl durch Erziehung und Gewohnheit erlernt werden, als Gehorchen. Mancher einsichtsvolle und in aller Absicht würdige Mann lernt es nie, weil sein Geist an andre Verhältnisse gewöhnt worden, und er keinen neuen Anstand, Ton, Haltung, mehr annehmen kann.

Auch dem Staate ist es sehr vortheilhaft, den Adel so viel als möglich in das Militair zu ziehen. Die Rauhheit und Hårte, die der Stand des Kriegers mit sich bringt, wird durch das Gefühl der Ehre, die angebohrne Gleichheit mit seinen Vorgeseßten, und angebohrne Ueberlegenheit über den Haufen, dem er befiehlt, gemildert. Dieses Alles findet sich nicht allgemein und nicht ausschließlich im Adel, aber doch vorzüglich in demselben: und es ist für den Geist des militairischen Corps ein Gewinn, wenn ihn der Geist des ererbten Standes unterstüßt.

Aber die stehenden Heere sind so groß geworden, daß auch der zahlreichste Adel des bevölkertesten Landes nicht hin

reichen würde, sie zu füllen. Auch genügt für den Militairdienst nicht mehr die einfache und rohe Lebensart eines auf seine Güter beschränkten Landadels. Bey den großen Fortschritten und der allgemeinen Verbreitung der Wissenschaf= ten, werden auch im Kriegsstande mehr Kenntnisse gefodert, als vormals. Diese sind aber, so wie Alles, was durch persönliche Bemühung erworben werden kann, ein Gemeingut aller Classen der Nation. Wenn diese sich einander nåhern, so ist auch ein häufiger Uebergang zu der Bestimmung einer andern unvermeidlich: und Geseße, welche ihn hindern sollen, müssen weichen. Wird allgemein gefühlt und erkannt, daß sie schädlich sind, so werden sie aufgehoben, oder umgangen und vereitelt.

Eben dazu wirken von einer andern Seite auch die Bedürfnisse der Staatswirthschaft neuerer Zeiten. Diese verlangen, daß den industriösen Classen der Weg geöffnet werde, die Früchte ihres Fleißes, die sich schnell anhåufen, auf die Cultur des Bodens zu verwenden, und Capitalien in Grundbesit zu verwandeln.

Das wahre Interesse aller Staaten erfodert daher gegenwärtig das Gegentheil der vormals befolgten Marimen. Die Schwierigkeiten, neue anzunehmen und zu befolgen, find aber in den preußischen Låndern geringer als in, andern Theilen von Deutschland: da das Haus Brandenburg schon lange das Recht seiner, dem deutschen Reiche fremden Krone, den Adel zu ertheilen, auch auf die Einwohner seiner deutschen Provinzen ausgedehnt hat *).

Der alte Adel in denselben kann nach seinen eignen Grundsätzen keinen gegründeten Widerspruch dagegen erheben, wenn die Könige, zugleich mit Adelsbriefen, die Erlaubniß ertheilen, ein Rittergut zu erwerben. Denn die

*) Alles was hier im Jahre 1803 als möglich und rathsam empfohlen ward, ist von dem Könige von Preußen im Jahre 1808 wirklich ausgeführt.

Ansprüche einer geschlossenen Ritterschaft gehen in ihrer größten Ausdehnung doch nicht auf ein Gesammteigenthum aller Grundbesitzungen der Mitglieder. Diese mögten wohl einem neu geadelten Käufer eines Rittergutes die Aufnahme in ihren Verein verweigern. Wenn ihnen solches aber auch verstattet würde, so entbehrte der Ausgeschloßne doch nur wenig, da diese Körperschaften, das Recht, Steuern zu verwilligen, nebst andern bedeutenden Befugnissen långst_ver= loren haben, und damit von ihrem ursprünglichen Ansehen sehr herab gesunken sind.

Drittes Capitel.

Der Adel als Landstand.

Die ursprüngliche Befugniß aller freyen Deutschen, nur die von ihnen selbst bewilligten Steuern zu zahlen, und sich, zum Schuße dieses und andrer Rechte, mit einander zu verbinden, wodurch die Fürsten genöthigt worden, Ståndeversammlungen zu berufen, ist im Laufe der Zeiten auf diejenigen beschränkt, welche auf solchen Landtågen herkömmlich erscheinen, und geschlossene Corporationen bilden.

Unter diesen haben die ritterschaftlichen Vereine das größte Ansehn, und seit dem Verfalle der Städte, ein immer zunehmendes Gewicht erhalten. In den Zeiten da sie entstanden sind, waren alle Rechte und Pflichten weit mehr persönlich, als in den neuesten Jahrhunderten. Es kam weniger auf äußere Güter an, als auf die Person des Befibers. Bufolge des alten Spruchs, Niemand dürfe mit rathen, der nicht auch mit thaten solle: konnten nur solche aufgenommen werden, die zu Ritterdiensten verpflichtet waren. Noch in sehr spåten Zeiten finden sich Spuren davon, in den Statuten einiger Ritterschaften, welchen zufolge, die Mitglieder mit allen ihren volljährigen Söhnen

zugleich auf Land- und Rittertagen erscheinen dürfen. Doch ist dieses Recht nirgends von dem Besize ritterlicher Güter ganz getrennt. Dieser hat nach und nach das Uebergewicht erhalten: und in manchen deutschen Provinzen hat das Realrecht der immatriculirten Güter, das persönliche Recht der Eigenthümer ganz verschlungen.

Durch diese Ritterschaften sind alle andern Grundbefizer und der bloße Bauer, von der Berathung auf gemeinem Landtage ausgeschlossen. Da Jeder, der in 'persönlicher Abhängigkeit von einem Herrn stand, von diesem gegen Höhere und gegen Fremde vertreten werden mußte, so konnte er auch nicht aufgefodert werden, neben seinem Schußherrn zugleich abzustimmen. Es ist daher ein allgemeiner Grundsak, daß pflichtige Bauern auf dem Landtage nicht erscheinen können: und auch das Beyspiel des alten Herkommens im Herzogthume Wirtemberg kann nicht dagegen angeführt wer den. Denn es wurden daselbst vom Landesfürsten nur Depu tirte seiner eignen Gutsleute berufen: und nicht Hintersassen von ritterlichen Gutsherrn, dergleichen es im Lande nicht gab. Auch in den wenigen andern deutschen Provinzen, wo die Besiter von Låndereyen, die nicht ritterpflichtig sind, berufen werden, sind es nicht zinsbare Bauern, sondern freye Eigenthümer. So in Ostfriesland, (eben wie in den damit verwandten niederländischen Provinzen Friesland und Gröningen), und in den durch freye Colonisten angebauten Alluvionen der Weser und Elbe. Aber auch solche werden nur in wenigen deutschen Låndern, zur Ausübung des ursprünglichen Rechts zugelassen.

Die Ritterschaften können daher nicht in dem Sinne des neusten allgemeinen Staatsrechts, für Repråsentanten des gesammten Grundeigenthums gelten: wiewohl ihre Rechte und Ansprüche auf dem Besite von Gütern beruhen. Auch lehnen sie selbst die Verpflichtung ab, das ganze platte Land zu vertreten: obgleich sie sich anmaaßen, Namens desselben Steuern zu bewilligen. Sie pflegen sogar bey fol

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