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eines Gesetzes und wenn alles, nothwendig ist, damit ein Entschluß zu stande komme, zu der Vollziehung desselben ge= rechnet wird, so wird der Antheil des Gesetzgebers an der Führung der öffentlichen Angelegenheiten auf speculative Meinungen beschränkt, die auf den wirklichen Zustand des Volks wenig Einfluß haben.

Soll das Wort Gesek, nach der Erklärung des Montesquieu: la Loi, c'est-à-dire, les rapports des êtres entre eux, nur die allgemeinen Verhältnisse der Dinge, und mithin die bürgerlichen Gesetze, nur die Verhältnisse der Menschen zu einander angeben, so macht die bloße einfache logische Anwendung von Gefeßen nur einen Theil der Thätigkeit eines lebendigen Wesens aus.

Jene Operation muß mehrentheils sehr häufig wiederholt werden, um von der allgemeinen Regel bis zu individuellen Fällen herabzusteigen. Vor allen Dingen aber kommt es darauf an, bis zu welchem Grade von abstracter Algemeinheit ein Sah getrieben werden muß, um für ein Gesetz zu gelten? und wie tief herab in der Reihe untergeordneter Vorschriften, eine particulåre Anwendung der höchften Willens - Erklärung, noch Geseß genannt werden solle? So können die Aussprüche, daß nur Vertheidigungskriege gerecht und erlaubt seyen; daß zu den Bedürfnissen des Ganzen, ein Jeder nach Verhältniß seiner Kräfte beytragen müsse; und viele ähnliche, Geseze genannt werden. Doch find dieses nur Marimen für den Gesekgeber; und sehr weit von der Bestimmtheit solcher Vorschriften entfernt, die mittelst eines einfachen Schlusses angewandt werden könnten. Wird hingegen die Bedeutung des Worts Gesetz so weit ausgedehnt, daß sie Alles umfaßt, was eine allgemeine Vorschrift und Befehl enthält (wie man auch sagt: faire la Loi à quelqu'un), so bleibt der vollziehenden Gewalt nichts übrig, als höchstens noch die Anwendung der speciellesten Vorschriften auf Individuen, so sinkt die Regierung zu einem Diener des Geset=

gebers herab, dem sie doch gleich gestellt werden sollte *). Ist sie mehr als dieses, und räumt man ihr das Recht ein, die Gesetze auszulegen, so kann sie sich dadurch sehr leicht über den Gesetzgeber erheben. Ist sie mit diesem verschiedener Meinung, so entsteht gar bald Zwietracht, und zuleht ein offenbarer Krieg, in welchem einer von beiden Theilen unterliegen muß. Dieses könnte nun durch eine dritte da= zwischen tretende, ebenfalls unabhängige Autorität verhindert werden. Wie sollte diese aber ihrer Entscheidung Nachdruck geben? ohne in jedem einzelnen Falle, in eine von beiden Gewalten einzugreifen, die sie versöhnen soll. Sie wird entweder die gesetzgebende oder die vollziehende an sich reiBen, oder beide von sich abhängig machen. Die Unmöglichkeit, diese Schwierigkeit zu heben, ist so einleuchtend, daß von allen Entwürfen einer StaatsOrganisation, welche aus der allgemeinen Gåhrung aller Köpfe in Frankreich hervorgegangen find, kein Einziger etwas enthält, das der Idee von einer solchen vermittelnden Autorität ähnlich såhe **). Das Princip der

*) Die Zweydeutigkeit des Wortes Geseß wird recht einleuchtend, durch die Berathschlagungen der Stände des Königreichs Wirtemberg im Jahre 1830, als die Frage aufgeworfen ward, ob der Zinsfuß der Staatsschuld anders regulirt werden könne, als durch ein Geseß. Wie kann ein Beschluß über eine blos administrative Maaßregel, der für keinen Andern als für die Verwalter der StaatsCaffe verbindliche Kraft hat, Geseß ge= nannt werden? Offenbar ward eine Handlung des Gesetzgebers, mit einer bloßen Anwendung der geseßgebenden Gewalt verwechselt. **) In spåtern Zeiten, im Jahre 1790, wollte Syèyès bey der Errichtung des Consulats, die von ihm mit dem Titel Pouvoir executif decorirte Gewalt, der Beurtheilung eines hohen Staatsamts unterwerfen, welches gleich einem Cassationshofe, ohne Befugniß selbst zu entscheiden oder zu gebieten, die Misbilligung bereits getroffner Maaßregeln aussprechen, und das Beharren dabey, mit der Erklärung hindern könnte, der Verweser der executiven Gewalt handle dem Interesse des Staats nicht ge= måß, und solle in den Senat zurück treten, von demselben hieß es, absorbirt werden, damit ein Andrer seine Stelle einnehme. Napoleon aber sprach: ich will mich nicht in den Fall sehen, absorbirt werden zu können.

was

Trennung der Gewalten soll zwar, als ein allgemeiner Grundsak, auf alle Formen der Staatsverfassung anwendbar seyn. Es wird damit aber in der That ausgesprochen, daß es gar keine wahre Monarchie geben dürfe. Ein König, der verpflichtet ist, Gefeße zu vollziehen, die er selbst misbilligt, ist nur Diener einer höhern Autoritåt: und dadurch, daß seine Würde erblich ist, wird er nur desto abhängiger. Die französischen Staatskünstler, welche den Titel König durch die Benennung Pouvoir exécutif verdrångten, wußten nicht; - einige von ihnen wußten nur allzu gut, fie damit thaten. Und nun mogten sie wohl seine Person für unverleßlich erklären. Wer nicht nach eigner Einsicht handeln darf, ist einem Höhern unterworfen. Wer dieses auch sey, kann er jenen zur Rechenschaft ziehen: und diejenigen, welche spåterhin ihren unverleßlichen König für Handlungen bestraften, ́ zu denen er doch vermöge der Constitution befugt gewesen war, machten sich keiner so großen Inconsequenz schuldig, als ihre Vorgånger, die ihm eine Stellung angewiesen hatten, in welcher es ein Widerspruch ist, über alle Verantwortlichkeit erhaben zu seyn. Dieses ihm aus Gnaden ertheilte Privilegium sahe einer Verhöhnung ähnlicher, als einem Beweise des Respects.

Auch in England wird der König, head of the executive Government genannt. In dieser Eigenschaft bestellt er die Staatsbeamten, welche der Nation, so wie ihm, verantwortlich sind: davon wird aber der Monarch als Oberhaupt der Nation, King in Parliament, sorgfältig unterschieden. Vermöge dieser lehten Eigenschaft wird seine Zustimmung zu allen Gesehen erfodert: und hierin liegt der eigentlichste Charakter der Monarchie. Schon das ist eine gefährliche Verdrehung der Begriffe, wenn jenes Recht in eine bloße Befugniß, die Einwilligung zu verweigern, verwandelt wird. Der unschickliche Ausdruck veto, der für diese in Frankreich ersonnen ward, wirft ein falsches Licht auf den König. Er sollte auch nur dazu dienen, ihn verdächtig, ge= håssig, und verächtlich zu machen: und dazu hat er sehr viel Rehb. Schr. Bd. II.

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beygetragen. Der Monarch ward damit als ein Gegner des Volks bezeichnet; sein Wille den Wünschen der Nation ge= genüber gestellt und was håtte davon abhalten können, ein solches Hinderniß der allgemeinen Wohlfahrt wegzuräumen ? In dieser Verfassung war für die Königliche Würde kein Plaß.

Wird das Veto als ein der executiven Gewalt besonders verliehenes Vorrecht angesehn, so kann es auch be= schränkt werden. In Frankreich ward vorgeschlagen, (und dies ist in manche spåtere Constitutionen wirklich aufgenommen), das Recht, Anträge der gefeßgebenden Versammlung zu verwerfen, folle nur zweymal ausgeübt werden können, und der zum dritten Male erneuerte Vorschlag, auch ohne Königliche Genehmigung Gesekeskraft erhalten. Mit solchen ganz antimonarchischen Bestimmungen wird eine in den Mantel des Königthums schlecht verhüllte Republik geschaffen, und die Souverainetåt des Volks aus einem abstracten Principe in ein sehr fråftiges Triebrad der Staatsverfassung verwandelt.

Wenn also die höchsten Staatsgewalten weder getrennt neben einander bestehen können, noch auch Vermittlung durch eine dritte statt findet, so bleibt nichts übrig, als eine geschickte Verbindung unter ihnen, worin jeder Theil Mittel findet, sich gegen die Eingriffe des andern zu schüßen. Die Engländer haben die Auflösung dieser Aufgabe, die in allen alten Republiken verfehlt, und in den neuen Monarchieen nie versucht ist, darin gefunden, daß die persönlich verantwortlichen Diener der Krone, in der gesetzgebenden Versammlung, als Mitglieder, die gleich andern vom Volke gewählt find, die Berathungen leiten, die gesammten Vertreter des Volks aber durch ihre Abstimmungen zu erkennen geben, wie weit sie mit der executiven Macht einverstanden sind.

Das Parlament ist der Schauplah, wo die Minister ihre Entwürfe vorlegen, erklären, vertheidigen, und annehmlich zu machen suchen: wo sie den Kampf des Ehrgeizes und des

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ihren Gegnern offen zu führen haben. Dieses alles berührt indessen die Krone nicht. Sie ist über alle Partheyen und Partheyhäupter erhaben, und vermag die Nation mit einer einfachen Handlung zu beruhigen, indem sie den Minister, gegen den die öffentliche Meinung sich erklärt, entfernt, und zugleich mit den Personen, das System der Regierung veråndert, ohne ihrer Würde etwas zu vergeben.

Die Rathgeber der Krone sind für ihre Entwürfe und für die Ausführung, nicht blos dem Könige, sondern auch der Nation verantwortlich. Dieses lautet zwar sehr gefähr= lich: aber sie können sich gegen beyde schüßen, indem sie sich der Mehrheit der Stimmen im Parlamente zum Voraus versichern.

Die französische Nationalversammlung stellte sich hingegen dem Monarchen und seinen Ministern gegenüber, und lehnte alle Gemeinschaft mit ihnen ab, um sich als Richter über sie zu erheben. Der Minister der alles anordnete, Necker, hatte es selbst so gewollt. Es mogte wohl seiner Eitelkeit schmeicheln, in der Versammlung nur bey feierlichen Gelegenheiten als Begleiter des Königs zu erscheinen, Beschlüsse und Antråge des Monarchen zu eröffnen, und sich sodann hinter den Thron zurückzuziehen. Aber es ward bald offenbar, daß er dem Glanze einer hdhern Stellung, wesentliche Vortheile aufgeopfert hatte. Im englischen Parlamente ist der Minister den Unannehmlichkeiten einer Discussion unter anscheinend gleichen Personen ausgesetzt: aber er kann auch in ihr versuchen, einer Anklage zuvorzukommen. ́ Necker hatte sich dessen begeben, indem er fich von der Berathschlagung ausschloß: und nun war er der Beschimpfung förmlicher Vorladungen ausgesetzt, in denen mancher Deputirte vielleicht eine Vergeltung der Demüthigungen suchen mogte, denen er sich im Vorzimmer des Ministers hatte unterwerfen müssen. Nun kann zwar eine enge Verbindung der Staatsgewalten allerdings auch zur Unterdrückung des Volks gemisbraucht werden: und Montesquieu giebt auf die Frage, wann und wie die englische Ver

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