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Liebste nimmt, was der Mensch hat auf dieser Welt. Es fließen gar manchem Thränlein über die Wangen, wenn er am Grabe eines lieben Menschen steht und er fängt sie auf in ein weißes Tüchlein, als wollte er sie aufheben sein Lebetag, und wenn er heimkömmt, sind die Thränen vertrocknet und nach einigen Tagen hat er auch des lieben Menschen im Grabe vergessen, und wenn es auch Vater oder Mutter war oder das liebe Weib, und schenkt Herz und Liebe anderen Menschen und vielleicht trägt er noch ein Bildchen im Gebetbuch als Andenken an den Verstorbenen und wüsste nach einem Jahre nimmer, an wen ihn das Bildchen erinnern soll, wenn nicht rückwärts der Name stünde und der Sterbetag dabei. Es ist aber eine so kurzlebige Liebe nicht viel wert, weil sie keine tiefe Wurzel hat in der Seele drinnen. Aber noch viel öfter geschieht es, dass einer Frau ihr Mann zugrabe getragen wird oder der Mutter das Lieblingskind gestorben ist, oder sonst eine theure Seele abscheidet von der Welt, und es blickt dann aus dem Auge des Zurückbleibenden die wilde Verzweiflung und man ringt die Hände, als hätt' man Krampf oder Gicht, und möchte sich hinabstürzen ins Grab und will nimmer leben und geberdet sich wie ein Tiger im Käfig und murrt und flucht gegen Gott im Himmel, und meint, er habe Unrecht gethan, dass er diese Seele abgerufen hat von der Erde, die einem so lieb und theuer war, oder deren Hiersein nothwendig war zu unserem Leben. Es ist aber das ein heidnischer Schmerz und gewaltiges Unrecht gegen Gott, und vor dem Herrn ein Gräuel, weil er aus einem Herzen aufschießt, das größere Liebe hat zum vergänglichen Geschöpfe als zum ewigen Schöpfer.

Wenn dir daher der liebe Gott einen lieben Menschen wegnimmt durch den Tod, so musst du die rechte Mitte gehen, wie der selige P. Hofbauer, und dem Verstorbenen die treue Liebe bewahren bis zu deinem Tode und dabei beten aus ganzem Herzen: »Ich ergebe mich in den Willen Gottes, und betheuere, immer nur zu wollen, was Gott will.« Das ist christlich und fromm und dem Verstorbenen lieb und auch dem allmächtigen Gott.

Über die Entschlafenen seid nicht betrübt, wie die Übrigen, die teine Hoffnung haben. 1. Thessal. 4, 12.

Leben d. sel. Clem. M. Hofbauer.

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35. Der Sturm aufs Kloster.

eber den Tod des guten P. Hübl haben die Freimaurer in Warschau gar sehr gejubelt; denn sie haben es bald herausgefunden, dass die Bennoniten den Schild verloren haben, der sie gedeckt und beschüßt hat gegen die Angriffe ihrer Feinde, und rüsteten sich jetzt zum letzten Kampfe gegen das wehrlose Kloster und schworen einander, nicht zu ruhen, solange noch ein Redemptorist athmete innerhalb der Mauern von Warschau. P. Hofbauer legte sein ganzes Schicksal in die allmächtigen Hände Gottes und arbeitete rastlos fort am Wohle des Volkes, als wäre er im tiefsten Frieden und hätte keinen Feind zu fürchten und keine Verfolgung. Den guten P. Jestersheim hat er an P. Hübl's Stelle geseßt und zum Rector des Hauses gemacht; die Waisenkinder hat er verpflegt und erzogen wie früher, und hat sogar ein Gesuch eingereicht an den Herrn König, er möge ihm gnädigst gestatten, Redemptoristinnen berufen zu dürfen zur Erziehung der armen Waisenmädchen. Auf das Land hinaus hat er 1806 seine Mitbrüder geschickt, Missionen zu halten wie früher und in St. Benno selber ist alle Tage Festtag gewesen wie seit Jahren her. Und wenn auch die Verfolgung immer stärker geworden und der Hass immer höher angeschwollen und der Sturm immer näher gerückt ist, so hat P. Hofbauer im Eifer nicht nachgelassen, sondern fallen wollen mit den Waffen in der Hand, wie ein braver Soldat.

So gieng es fort bis zum 16. April des Jahres 1808. An diesem Tage ist in der katholischen Kirche die Auferstehung Jesu Christi gefeiert worden, weil Charsamstag war, und die ganze gläubige Welt hat gejubelt und sich gefreut bei dem Gedanken an den Sieg des lieben Heilandes über Tod und Verwesung. Auch in St. Benno ist es gar feierlich zugegangen, und man hat dort die Auferstehung des Herrn begangen am späten Abende zwischen 9 und 10 Uhr, wie es Gebrauch ist in Polen. Die Kirche war geschmückt wie eine Braut am Hochzeitstage und strahlte im Glanze der brennenden Kerzen und in der Farbenpracht der Blumen, die auf allen Altären standen, und war gefüllt mit Menschen aus allen Ständen, dass kein Pläßchen mehr da war, an dem auch nur ein Kindlein hätte stehen können, und in aller Herzen war Osterjubel, als der Priester am Altare fang:

Der Heiland ist erstanden, und das tausendstimmige Alleluja hallte hinaus wie feierlicher Engelsang in die stille, heilige Östernacht. Und vom Thurme läuteten die Glocken das Osterlied, als wollten sie das Glück und die Freude der unzähligen Christen in St. Benno allen Bewohnern von Warschau verfünden.

Als der Gottesdienst zu Ende war, wurde es wieder stiller in der Kirche und die frommen Leute verließen das Gotteshaus und eilten nach ihrem eigenen Hause und niemand ahnte, dass noch in dieser Nacht das Alleluja sich verwandeln sollte in Weinen und Schmerzensrufe. Neben der Sacristei befand sich eine enge Thüre und diese führte durch einen schmalen Gang hinaus in das Freie. Die guten Leute waren gewohnt, durch diese Thüre die Kirche zu verlassen, und weil an diesem Abende viele zu St. Benno gewesen waren, so gab es da ein gewaltiges Drängen. Da kamen zwei Männer in Civilkleidern, die waren betrunken und wollten mit Gewalt hinein in die Kirche, um einige Damen zu holen; und weil das nicht möglich war wegen der herausdrängenden Volksmenge, fiengen sie an um sich zu schlagen, und schrien, dass sie französische Officiere seien, die hinein müssten in die Kirche. Weil sich aber niemand gerne schlagen lässt, am wenigsten, wenn keine rechte Ursache da ist, oder von einem betrunkenen Menschen; darum wurden auch die Leute böse, und fiengen an zu murren über die Frechheit der Fremden und einige derselben gaben auch die Stöße zurück, die sie erhalten hatten, und vielleicht noch etwas darüber. Das trieb den Franzosen erst recht das Blut zu Kopf, und sie ergriffen einige der Männer und schleppten sie hinaus vor die Kirche und misshandelten sie da auf gar gräuliche Weise. Jezt flammte der Zorn der Volksmenge auf und aus dem stillen Murren wurde ein schrecklicher Lärm, der einen schrillen Gegensatz bildete zu den früheren Allelujagesängen. Zufällig kam ein polnischer Officier des Weges. Wie der das gewaltige Lärmen hörte, fragte er, was da wäre. Und nun schrien die Franzosen, sie seien misshandelt worden, da sie hinein wollten in die Kirche; die Polen aber sagten, das sei eine freche Lüge und nicht wahr; denn die fremden Herren hätten auf sie geschlagen und sie hätten sich bloß vertheidigt. Der Pole aber glaubte lieber seinen Landsleuten, als den betrunkenen Fremden, und wie er die blutig geschlagenen Männer sah, da wusste er erst recht, wo die größere Schuld liege. In

seinem Herzen flammte der Zorn auf und er zog den Säbel aus der Scheide und drang mit blanker Waffe auf die schamlosen Lügner ein. In diesem Momente fam P. Jestersheim auf die Unglücksstelle und warf sich zwischen die Streitenden, um in dieser heiligen Nacht das Blutvergießen zu verhindern. Und indem er den polnischen Officier zu beschwichtigen suchte und ihn schön bat, er möge den Zorn niederkämpfen in seiner Seele und den Säbel in die Scheide stecken aus Liebe zu dem, der für seine Feinde am Kreuze gebetet habe, und nicht Öl ins Feuer gießen durch unzeitigen. Eifer, stürzte sich einer der beiden Franzosen auf ihn und schlug ihn mit seinen Fäusten, als hätte er die Schuld an diesem traurigen Auftritt. P. Jestersheim aber bewahrte die Ruhe, wie sein göttlicher Meister in der schrecklichen Leidensnacht, und mahnte auch den wüthenden Franzosen zur Ruhe; denn sonst müsse er die Anzeige machen beim Herrn Marschall Davoust, dem obersten Commandanten von Warschau. Da hörte man Commandorufe und die erschreckten Leute wichen zu beiden Seiten der Straße aus; denn es waren französische Soldaten erschienen, die von der Hauptwache kamen, um ihre Officiere zu rächen.

Mit gefälltem Bajonette rannten sie hinein in die Sacristei und schlugen die Bennoniten, die sie hier fanden, und trieben die Leute von dannen; diese aber weinten und schrieen hinaus in die Nacht, als würde Warschau von Feinden geplündert. Unterdessen hatte auch der polnische Officier die Fassung wieder gewonnen und klärte die Soldaten auf über die Entstehung des Tumultes, dass auch diese ruhig. wurden und ihre Bajonette von den Gewehren nahmen und stille heimkehrten in ihre Kasernen. Dem weinenden Volke aber rief er zu, es möge heimgehen und schlafen die noch übrige Nacht; denn es sei alles in Ordnung. Und die Leute sind heimgegangen und der Plaz wurde leer und es wurde wieder stille rings um St. Benno. Der gute Pole aber ist nicht zur Ruhe gegangen, sondern hat die erschreckten Priester getröstet und sie ermahnt, alle Thore zu schließen, damit die Franzosen nicht nochmals eindringen könnten in das Hans Gottes. Dann hat er noch in der Nacht einen Laienbruder mit sich genommen und ist selber zur Wache in die Altstadt hinunter und hat von dort herauf vier Mann gesendet zum Schuße des Klosters. Dem Herrn Commandanten. aber hat er getreuen Bericht erstattet von allem, was ge

schehen war. Der ist noch bei dunkler Nacht hinaufge= stiegen zum Kloster mit einer großen Wache und hat den engen Gang untersucht und das Thürchen und ist auch ins Zimmer gekommen zu P. Rector Jestersheim und hat auch das untersucht und sich alles erzählen lassen haarklein. Und wie er gesehen hat, dass die Bennoniten unschuldig seien, hat er sie freundlich getröstet und seines Schußes versichert, dass sie sich nicht zu fürchten brauchen.

Aber der Schuß des Herrn Commandanten hat nicht viel geholfen; denn es war, als ob die zwei Franzosen nur die Schleußen geöffnet hätten durch ihren Übermuth, dass die Verfolgungen hereinbrechen könnten über das arme Kloster wie angestaute Wasserströme, um es wegzuwaschen vom Boden der Erde; denn jest traten die Freimaurer offen auf gegen St. Benno. Schon am hochheiligen Osterfeste hatte der Herr Cultusminister ein Schreiben gerichtet an den Vice-Administrator der Diöcese und hat ihm darin nicht etwa ein glückliches Alleluja gewünscht zum Ostertage, wie es sonst der Brauch ist unter den Christen, sondern ihm die Osterfreude getrübt und verbittert; denn er hat gewaltig losgedonnert über die Bennoniten, dass sie französische Officiere misshandeln und den Aufruhr schüren im Vaterlande und fanatische Geistliche seien, die strenge gestraft werden müssten. Der Herr Administrator hat das Schreiben ruhig gelesen und P. Jestersheim rufen lassen. Der hat ihm erzählt, wie es zugegangen in der vergangenen Nacht. Und das alles hat er auch niederschreiben müssen am Ostersonntage noch und dazu hat auch der Administrator einen Brief geschrieben, der war nicht süß und fein, sondern gar ernst und streng und hat den Bennoniten ein großes Lob gespendet; denn darinnen hat es also geheißen:

»Die Patres, die leicht das blutige Opfer wahnsinniger Rache hätten werden können, wenn nicht der Playcommandant herbeigeeilt wäre, sind weit mehr berechtigt zur Klage, als ihre Feinde, und doch haben sie nicht das mindeste zum Nachtheile ihrer Beleidiger thun wollen; selbst der Bericht über die Ereignisse ist ihnen nur durch den ausdrücklichen Befehl gleichsam abgenöthigt worden. Wenn sie bei dem Tumulte einen thätigen Antheil genommen haben, so ist es der gewesen, dass sie sich bemühten, die aufgeregten Gemüther zu beschwichtigen und die Ruhe und Ordnung wieder herzustellen. Ein Redemptorist hat nie einen französischen Officier

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