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gar bitter geweint, und es haben besonders die Studenten geschluchzt wie Kinder, denen die Mutter zu Grabe getragen wird, und ihre Thränen sind niedergefallen von ihren Augen auf seine Brust und haben auf seinem Herzen gebrannt wie Feuerfunken; weinen aber hat er nicht können, denn wenn das Herz übervoll ist von Ach und Weh, dann hat das Auge keine Thräne mehr. Jeder hat ihm heilig versprochen, auch in der Welt zu leben, als wäre er im Kloster, und alle haben ihm gedankt für alles Gute, das er ihnen erwiesen hatte. Dann aber hat er sich losgemacht von ihnen und hat mit Fr. Stark das Gefängnis verlassen, das ihm so lieb geworden war wie ein Kloster. Die Zurückgebliebenen aber schauten ihm lange nach, denn sie haben ihn nimmer gesehen im Leben. Und bald sind auch sie heimgeschickt worden in ihr Vaterland, und man hat nichts mehr von ihnen gehört, weder vom Rector Jestersheim, noch vom berühmten Prediger Blumenau, noch sonst einem anderen; nur P. Appenzeller ist hinein in die Schweiz und nach Bischenberg im Elsaß und P. Podgorski ist viele Jahre hernach dem seligen P. Hofbauer gefolgt nach Wien; die anderen aber sind verschollen, dass man nicht weiß, wohin sie gekommen sind, und auch die Gräber des guten P. Hübl und der anderen Redemptoristen, die sich niedergelegt hatten in Warschau zur ewigen Ruhe, sind verlassen und vergessen, und es klingt die Erzählung vom Leben des seligen P. Hofbauer und seiner Gefährten in Warschau wie ein alter Ritterroman aus längst verschollenen Zeiten, und es kommt einem vor, als sähe man das Kloster und die Kirche St. Benno wie ein altes Ritterschloss tief im Walde drinnen, das schon lange in Trümmern liegt und Bäume wachsen und Eulen ihre Nester bauen lässt in seinen Ruinen, in denen es auch einmal lustig hergegangen und musiciert und gesungen worden ist, dass einem das Herz im Leibe gelacht hat. Und jezt ist es so geisterhaft still ringsum, dass man nichts hört, als das Rauschen der Baumwipfeln und den Flügelschlag der Krähen, die das Schloss umfliegen, und es ziehen in die Seele gar schwarze Gedanken ein von dem, was der Mensch thut und schafft auf Erden, wie kurzleibig und schnellfüßig es ist, dass man's bald nicht mehr sieht und dass man bald nichts mehr weiß davon, und wie der Mensch selber nur ein Flieglein ist, das einige Augenblicke lustig durch die Welt summt und dann umfällt und stirbt. Und wenn sein Thun

und Lassen nicht geschieht aus Liebe zu Gott und angeknüpft ist an die Ewigkeit, dann hat er nichts davon und es ist, als ob er und seine Werke niemals bestanden hätten auf Erden.

P. Hofbauer aber ist mit Fr. Stark hinausgeschritten bei den Thoren von Küstrin und ist weiter marschiert auf der Straße nach Süden. Diesmal aber ist er nicht in einer königlichen Kutsche gefahren und auch nicht von Soldaten begleitet worden, sondern ist zu Fuße gewandert durch Brandenburg und Schlesien herunter an Österreichs Grenze. Er hat wieder gebetet und gesungen den ganzen Tag, wie damals, wo er hineingereist ist mit seinem Freunde Hübl nach Rom. Und jeden Tag hat er Messe gelesen in einer katholischen Kirche oder Capelle; denn er konnte nicht leben ohne Messe und Communion. Und wenn er auf dem Wege, der ihm vorgezeichnet war in dem Passe drinnen, keine Kirche fand, in der er hätte seine Seele speisen können mit dem Brote der Engel, weil im protestantischen Brandenburg die katholischen Kirchen gar rar sind, wie reife Weintrauben um Jacobi, so ist er abgewichen von der Marschroute und hat ein katholisches Dorf aufgesucht oder eine katholische Stadt; denn er hat sich gedacht, dass keine weltliche Regierung einem Geistlichen verbieten könne, Messe zu lesen. So kamen die beiden Reisenden bis nach Schlesien und es hat sie niemand belästigt in ihren frommen Gebeten. Weil aber hier wieder der Weg durch protestantische Gegenden führte, mussten sie abermals einen Umweg machen und kamen so in eine katholische Stadt, von der man nimmer sagen kann, wie sie geheißen hat. Da drinnen aber lagen französische Soldaten als Besazung und an jedem Thore war einer aufpostiert als Wache, wie ein Kettenhund vor einem einschichtigen Bauernhofe. Und wie die zwei Wanderer hineinwollten in die Stadt, fuhr sie der Wächter an, sie möchten den Pass vorweisen; denn ohne Pass könne er sie nicht hineinlassen in das Städtlein. Da hat Bruder Stark schnell in die Tasche gegriffen um seinen Reisepass ; aber wenn er auch hinuntergelangt hat bis auf den Boden der Tasche und sie umkehrte, dass das Innere nach Außen. sah, und wenn er auch ängstlich und verzagt alle anderen Taschen durchmusterte, so hat er doch keinen Pass mehr gefunden; denn der hatte bereits das Weite gesucht und lag irgendwo auf dem Wege, den sie gegangen waren. Wie aber alles Suchen nichts half und der arme Bruder sah, daß er

den Pass nimmer habe, ist er blaß geworden und dann wieder roth vor Angst und Schrecken und hat dem Wächter gesagt, dass er den Pass verloren hätte auf der Reise. Doch der hat keinen Spass verstanden, sondern ungläubig den Kopf geschüttelt und es sind ihm die zwei Reisenden verdächtig vorgekommen, dass er glaubte, er dürfe sie nicht weiterziehen lassen. Darum hat er andere Soldaten herbeigerufen und diese haben die zwei Fremden in ihre Mitte genommen, damit sie nicht entlaufen könnten, und sie hineingeführt in die Stadt zum Herrn Commandanten. Der war aber ein gewaltig strenger Mann und hat die zwei Fremden gemustert von oben bis unten mit finsterem Blick. Dann hat auch er den Pass abverlangt. Und wenn sie ihm auch hoch und heilig betheuerten, dass sie den Pass verloren hätten, und ganz unschuldige Menschen seien, die von Küstrin kämen, um hinabzureisen in die Wienerstadt, so ist ihm doch das vorgekommen, wie Gaukelspiel, und er hat den P. Hofbauer und seinen Begleiter für Spione gehalten, welche die Stadt verrathen möchten an die Preußen und sie einsperren wollen in ein finsteres Gefängnis und ihnen noch die Strafe prophezeit, die sie zu erwarten hätten; denn sie sollten erschossen werden als Verräther an der französischen Nation. Jezt ist dem guten Stark gar angst und bange geworden, und es ist ihm bittere Reue gekommen über seine Nachlässigkeit, mehr, als hätte er ein Schlösslein verspielt, in einer Nacht und sein ganzes Geld dazu, so dass ihm P. Hofbauer hat trösten müssen in seiner Betrübnis. Der selige P. Hofbauer aber hatte einen guten Schußengel, der ihm mehr geholfen hat, als der beste Reisepass, und der ihm auch jezt einen Helfer schickte in der größten Gefahr; denn beim Commandanten ist ein polnischer Officier gewesen, der den P. Hofbauer gut gekannt hat von Warschau her, und der hat dem zornigen Herrn erklärt, dass das zwei würdige Geistliche seien und keine Spione, und dass er für sie gut stehen könne mit seiner Ehre und seinem Blut. Da hat sich der Zorn des Commandanten wieder gelegt und er hat freundlicher dreingesehen und sich hingesezt und hat nach Küstrin geschrieben, was es sei mit dem Passe für Hofbauer und Stark. Die zwei Gefangenen aber mussten in einem Kloster bleiben, bis die Antwort ankam. Und als man von Küstrin geschrieben hatte, dass die zwei Reisenden einen Pass bekommen hätten, aber abgewichen seien vom vorgeschriebenen Wege, hat ihnen der Commandant einen

neuen Pass gegeben und eine tüchtige Predigt dazu, dass sie besser achtgeben sollen, und dass sie es nicht mehr wagen. möchten, den vorgezeichneten Weg zu verlassen; denn das sei verboten und verdächtig und könne ihnen das Leben kosten. Sodann hat er sie gnädig entlassen und sie sind weiter gezogen und haben Gott gedankt, dass sie mit heiler Haut herausgekommen seien aus Franzosenhand, und Stark hat jezt besser geachtet auf den Pass in der Tasche.

So hat auch dir der liebe Gott einen wundervollen Pass gegeben mit auf den Weg zum ewigen Himmelreich, wo du zu Hause bist und wohin du wandern müsst dein Leben lang, und der Pass ist geschrieben mit dem rosenfarbenen Blute deines Erlösers auf schneeweißes Pergament und heißt Taufgnade und ist dir gegeben worden am Tage der heiligen Taufe. Es hat dir der liebe Gott, der dir den Pass ausgestellt hat, auch die Marschroute vorgeschrieben, von der du nicht abgehen darfst; denn du mujst wandeln in den heiligen Geboten Gottes. Und er hat dir aufgetragen, wohl acht zu geben auf den Reisepass, weil er jedem Menschen abgefordert wird am Himmelsthor. Schau dich daher ein bischen um in der Welt, ob du noch bist auf dem rechten. Wege oder ob du schon abgewichen bist von demselben, und greife hinein in die Taschen deines Gewissens, ob der Reisepass noch drinnen ist. Und wenn du ihn verloren, so bleibe nicht lange ohne Pass, weil du nicht weißt, wann du stehst vor dem ewigen Richter; den es läuft dir der Tod nach auf allen Wegen und Straßen, und der ist der Gendarm des göttlichen Richters und fahndet nach dir, und wenn er dich ohne Reisepass findet, so geht es dir jämmerlich schlecht; denn du findest keinen Fürsprecher, wie der selige P. Hofbauer, sondern wirst veurtheilt zu ewigem Kerker und Tod, als Verräther an Gott und seiner heiligen Sache. Schau dich daher bei Zeiten wieder um den Reisepass um; du kannst ihn bekommen bei jedem katholischen Priester in einer heiligen Kanzlei, die heißt Beichtstuhl. Er ist zwar nimmer so schön, wie der, den du verloren hast, sondern auf blaues Papier geschrieben; aber er gilt auch vor Gott und gewährt dir Einlass ins Himmelreich. Gib aber wohl acht darauf und verwahre ihn gut; denn Gott lässt seiner nicht spotten.

Wir alle müssen erscheinen vor dem Richterstuhle Christi, damit ein jeder, je nachdem er in seinem Leben Gutes oder Böses gethan hat, darnach empfange.

2. Cor. 5, 10.

2. Kaisertreu.

er Reisepass, den P. Hofbauer und Fr. Stark bekommen haben, hat nur gegolten bis an Österreichs Grenzen und daher mussten sie allda wieder warten,

bis ihnen eine polnische Dame gute Pässe besorgte aus Wien, und es war, als ob ihnen der Teufel den Weg verlegte mit Hindernissen, damit Hofbauer nicht gelangen könnte an das Ziel seiner Reise; denn der Satan fürchtet einen heiligen Priester mehr, als tausend andere Geistliche, die keinen Eifer haben und ruhig zuschauen, wenn auch der Versucher die Seelen hinunterschleppt in die Hölle, dass ihrer nimmer Rath wird. Mit österreichischen Pässen sind nun die zwei Wanderer weitergereist nach Olmüz und Brünn und von da nach Taßwiß. Hier ist der gute selige P. Hofbauer wieder zum Grab seiner Mutter gegangen und hat da ge= betet für ihre Seele und ist dann hinab in sein Vaterhaus bei der Schule drunten und hat seine gute Schwester Barbara heimgesucht in ihrem Hause. Die ist auch schon ein altes Weiblein gewesen, wie er hineingetreten ist bei der niedrigen Thüre, und ist beinahe umgefallen vor freudigem Schrecken, wie sie ihn sah; denn sie hat nicht gewusst, wie er herkomme und hat geglaubt, er sei tief in Polen drinnen.

P. Hofbauer aber hat ihr nicht lange Zeit gelassen zum Schrecken, sondern sie freundlich gegrüsst mit >>Gelobt sei Jesus Christus « und hat ihr die Hand gereicht. Dann ist sie fort in die Küche und hat aufgekocht, was sie gehabt, denn sie wusste, dass er Hunger habe und dass auch sein Begleiter das Essen nicht verschmähen werde. Hierauf haben sie sich zusammengesezt in der Stube, der gute, selige P. Hof. bauer und der junge Stark und die gute Barbara und ihr Mann und auch die Kinder sind gekommen und haben dem Herrn Onkel treuherzig ins Gesicht geschaut, weil das gar freundlich und gut gewesen ist, und in Taßwit ist es bald von Haus zu Haus gegangen, dass der Herr Hofbauer wieder da sei und bei seiner Schwester eingekehrt wäre, drüben im Fleischhauerhause, und es sind die Nachbarn zusammengekommen und die guten Freunde von ehedem, dass das Stüblein bald voll geworden ist.

Unter ihnen ist aber eine gewesen und die hat Elisabeth Jahn geheißen und war mit P. Hofbauer verwandt. Die hat ihn gefragt, wie es ihm denn gehe und wohin er reise

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