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schon brechen muss, und er ist ein gar heimtückischer Gesell und hat sein Pläsier, den Menschen von hinten zu überfallen, dass er's nicht merkt. Darum soll der Mensch nie sicher gehen, weil er nicht weiß, ob nicht der Tod seine Sense schon weßt für ihn. Und weil man sich herrichtet zum guten Sterben durch gutes Beichten, so sollst du auch jeden Augenblick bereit sein zur Beicht und Buße. Da musst darum nicht warten mit der Vorbereitung zur Beicht, bis du am Beichtstuhl kniest, sondern musst jeden Abend deine Rechnungsbücher hernehmen und schauen, ob du alle Schulden schon hast löschen lassen, und ob nicht gar neue Schuldposten auf dem Conto stehen. Und das musst du thun jeden Tag und musst auch löschen alle Tag mit Reu' und Leid, damit die Schuld nicht anwächst und du am Ende nimmer zahlen kannst beim besten Willen. Und unter Tags halt alle Seelenfräfte fein im Zaum, dass sie nicht auslaufen und dir Schulden machen, ohne dass du's weißt; dann wird dir das Rechnen leichter beim Beichtengeh'n.

Seid bereit, denn der Menschensohn wird kommen, da ihr es nicht vermuthen werdet. Luc. 12, 40.

D

15. Die Lection Augustinus.

u musst nicht denken, lieber Leser, dass alle Beichtfinder P. Hofbauer's fromme Branntweiner gewesen sind oder zahme Klosterfrauen, sondern er hat unter denselben manche Böcke gehabt, die gar sett waren, wenn auch nicht immer am Leibe, so doch an Sünden, weil sie sich gut haben füttern lassen vom Teufel und mästen für die höllische Schlachtbank. Die hat P. Hofbauer dem Teufel erst abfangen müssen und hat sie ganz anders vorbereitet zu Beicht und Sterben wie obige Klosterfrauen.

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Vielleicht werden dir ein paar Erempel hievon nicht übel gefallen, wenigstens fönnen sie dir nüßlich werden, wenn du vielleicht auch kein Capitalsünder bist. Der erste, von dem ich dir erzählen will, ist ein Roßauer gewesen das ist eine Vorstadt von Wien- und ist am 1. des Christmonats 1784 auf die Welt gekommen. Sein Vater hat Hätscher geheißen und war Milchmeier und seine Mutter ist alle Tage mit dem Milchwägelein in die Stadt und hat viele

Jahre lang die Milch geliefert für das Ursulinenkloster. Dem Büblein haben die Eltern in der Taufe den Namen Franz Xaver gegeben und es hat die Mutter alle Tage gar innig gebetet, es möge der liebe Gott aus dem kleinen Xaverl auch einen Heiligen schnigeln, wie aus dessen glorreichem Namenspatron; denn wenn sie auch ein armes Milchweib war, so ist sie doch eine fromme Frau gewesen und eine gute Mutter, die vor allem Gott zu Rathe ge= zogen hat bei der Erziehung der Kinder. Aber es hat lange geschienen, als wenn der allmächtige Gott nicht viel geben möchte um all ihr Bitten und Beten, denn Xaverl hat feinen rechten Trieb gehabt zu einem Heiligen; es ist im Gegentheil an ihm bald der Wildfang herausgetreten, wie er noch gar flein war am Leibe und die ersten Höschen getragen hat. Und der Wildfang ist mit ihm gewachsen wie der Balg mit dem Hasen, und aus dem troßigen Kinde ist ein böser Bub geworden, der keine Lust gehabt hat zum Lernen und noch weniger zum Arbeiten, am wenigsten aber zum Beten, und er ist aufgewachsen wie ein Birkenbaum, auf dem keine Apfel blühen in alle Ewigkeit. Seine Mutter hatte aber mit ihm gar schwere Noth, denn er hat zu allen ihren Mahnungen gelacht und alle ihre Worte, süß und sauer, sind an seinem Herzen abgeprallt wie Pfeilschüsse an einem granitenen. Steinblock, und wenn sie zur Ruthe gegriffen, so hat auch der Eindruck nur so lange gedauert, als der Junge die Schmerzen gespürt hat. Dafür aber hat er Allianz gemacht mit allen Gaffenjungen und ist ihr Anführer geworden, wenn es ein Spitzbubenstücklein auszuführen gab. Und weil er in diesen Dingen. gar erfinderisch war, so gab es auch immer Abwechslung und er hat bald die ganze Nachbarschaft durcheinander gebracht wie eine Horniss die Schafherde, wenn sie drunter summit. Ja, selbst die guten Ursulinen hatten vor ihm keine Ruhe; denn er hat bald die Fenster eingeworfen, bald sonst ein Schelmenstücklein aufgeführt und hatte seine helle Freude, wenn er die armen Schwestern hat ärgern können. Dass aus so einem Kloß fein Heiliger wird, das kannst du dir denken; und auch seine Mutter hat sich's gedacht und oft tief aufgeseufzt und es sind lichte Thränen in ihre Augen getreten, die ihr das Herzweh ausgestoßen, wenn sie den Xaver so betrachtet hat, dass aus ihm gar nichts werden wolle, als ein Tagdieb, und sie hat dann mit Angst und Bangen hineingeschaut in die Zukunft und ihr Mutterleid dem lieben

Herrgott geflagt, denn der hat sie doch noch am besten verstanden. Leid ist ihr aber gewesen um alle die Talente, die Gott in das Herz des Jungen hineingelegt hatte und da drinnen verfaulen mussten wie Eier im Düngerhaufen, und hätte doch so was Tüchtiges werden können, wenn ihm der Leichtsinn nicht gar so keck durch die Glieder gelaufen wäre. Dann hat sie ihm wieder vorgepredigt, sanft und ernst, und ihn beschworen bei Allem, was dem Menschen heilig sein kann, einmal anders zu werden und Raison anzunehmen; denn wenn die Seele schon lange Jahre im Leibe logiert, solle sie doch schon mehr Ordnung herhalten im eigenen Hause und nimmer so albern sein, wie ein junger Schafskopf. Weil ihm aber diese Predigten gar übel gefallen haben und es ihm auch sonst schon zu enge geworden ist im Elternhaus, darum hat er einmal schnelle Füße bekommen und ist durchgebrannt und hinaus in die Welt, und hat nicht einmal Abschied genommen von Eltern und Geschwistern, so dass Niemand gewusst hat, wohin er gekommen sei. Da sind nun gar fummervolle Tage gekommen über seine arme Mutter, und noch mehr schlaflose Nächte; denn sie hat ihn selber gesucht in ganz Wien und ihn suchen lassen, und hat ihn nirgends gefunden, und hat zuletzt nimmer gewusst, was aus ihm geworden sei, ob er ins Wasser gegangen oder ob ihm sonst ein Unglück passiert ist, und ist doch ihr Kind gewesen, das ihrem Herzen gar nahe stand, wenn er auch dessen nicht würdig war.

Viele, viele Jahre hat sie kein Sterbenswörtlein mehr von ihm gehört und zulezt angefangen, für seine arme Seele zu beten, weil sie gemeint, an seinem Fleische hätten schon längst die Würmer im Grab ihren Hunger gestillt und es sei bald nichts mehr übrig als einige Knochen. Der Franz aber ist fort in die Welt; und wenn er auch kein Geld in der Tasche gehabt hat, so ist er doch singend und pfeifend hinaus in die Fremde; denn er war froh und lustig, dass er einmal der Mutter entkommen sei und ihr Gebrumme ihm nimmer in den Ohren size. Und weil Krieg war mit den Franzosen und überall die Soldaten herumgezogen sind im Land und ein lustiges und freies Leben geführt haben, so ist auch ihm die Sache gen Kopf gestiegen und hat sich phantastisch ausgemalt. wie herrlich das Leben sein würde, wenn auch er zu den Kaiserlichen gienge, dass er eine schmucke Montur habe und brauche sie doch nicht zu zahlen,

und könne spazieren gehen den ganzen Tag und krähe kein Hahn nach ihm, denn er sei sein eigener Herr; und wenn er hineinmüsste in die Schlacht, so könne er dreinhauen in die Franzosenschädel und sie spalten wie Fichtenholz, und er werde dann bald Officier werden und immer höher steigen und die anderen Soldaten werden aufschauen zu ihm voll Respect und der Herr General werde ihm selber die Medaille anheften auf der Brust links vorn; und dann könne er heim= fehren zum Mütterlein in blanker Uniform und ihr sagen: »Siehst, Mütterlein, da bin ich, ein schmucker Soldat und vornehmer Officier und brauche kein Milchwägelein zur Stadt zu führen wie mein Vater selig.« So hat er phantasiert und sich anwerben lassen als gemeinen Soldaten. Aber es ist all sein Denken nur luftiges Phantasiewerk gewesen und eitel Dichtung und ist alles ganz anders gekommen, als er sich's ausgemalt hatte in seinem jungen Gehirn. Die neue Freiheit hat ein gar sonderbares Gesicht gezeigt wie ein Todtenkopf ohne Farb' und ohne Haut und Haar, und er hat jezt spazieren gehen können alle Tage auf den Ererzierplay hinaus und konnte marschieren lernen und Gewehr probieren viele Stunden lang, bis ihm Arme und Beine steif geworden sind wie ein moderiger Zwetschkenbaum. Und wenn er heimgekommen ist vom Erercieren und sich lieber hingelegt hätte auf den Strohsack, hat man ihn wieder zum Spaziergang beordert auf die Wache und da hat er herumbummeln können die ganze Nacht, wenn ihm auch die Beine zusammenschnappten wie ein altes Rasiermesser. Damit ihm der Übermuth nicht zu Kopf steige, hat man ihn auf dünne Rationen gesezt und er hat täglich nur zu Mittag was Warmes be= kommen in homöopathischen Portionen, und wenn er auch morgens essen wollte oder abends, wie andere Leute, hat er sich ein Stück Schwarzbrot abschneiden können; darauf konnte er Butter streichen im Gedanken, was ihm aber nicht gar sonderlich viel geholfen hat. Das Werbegeld, das er bekommen. hatte, ist bald zum Wirte gewandert, und jezt hat er kaum. mehr gehabt auf ein Gläschen Schnaps; denn der Sold ist kleinwinzig tropfenweise geronnen, dass er kaum ausgereicht hat auf Zwirn und Nadel und für die Wäscherin. Das Predigen der Mutter hat er zwar nimmer gehört; aber statt dessen hat er einen lichtenthalermäßig höflichen Corporal gehabt, der ihn angeflucht hat, als sei sein Mund eine Kaserne für ein Regiment von Teufeln. Das hat nun freilich ganz

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anders ausgesehen, als eine Medaille auf der Brust und ist noch obendrein gepfeffert worden mit einer Tracht von Kolbenstößen, die es alle Tag schockweise abgesezt hat, mehr als Commissbrot bei der Fassung. Und wenn auch dadurch sein Hunger nicht gestillt wurde, so ist doch sein Rücken wunderbar blau geworden wie ein blühendes Flachsfeld. Dafür hat er noch ein freundliches Gesicht schneiden müssen. und durfte sich nicht muchsen, wenn ihm auch der Magen gefnurrt hat wie ein bissiger Kettenhund und ihm jedes Fluchwort in der Seele stecken geblieben ist wie das Schrot im Hasen; denn sonst wäre er in den Arrest gesteckt worden oder man hätte ihm mit Stockschlägen die Unzufriedenheit ausgetrieben. Was hat es ihm jezt geholfen, dass seine Uniform gar schmuck und blank gewesen ist; denn auch ein schöner Rock macht das Herz nicht glücklich, wenn's sonst wo fehlt und wenn man überdies den Rock selber noch pußen und säubern muss und flicken, wenn er zerreißt. Da ist ihm jezt das Singen und Springen vergangen und der Leichtsinn ist ihm abgelaufen wie die frische Farb' am neuen Gartenhaus, wenn ein Plazregen fällt, und war ihm zu Muthe, wie weiland dem verlorenen Sohne, da er beim Speisen der jungen Schweinlein serviert hat und er hat heimgedacht ans Mütterchen in der Roßau und sich zurückgesehnt ins Elternhaus und nach den guten Tagen von ehemals und wäre nimmer böse geworden, wenn ihm auch die Mutter vorgepredigt hätte stundenlang, und hat gemeint, es wäre auch das Predigen nimmer nothwendig, weil er anders ansehen möchte, könnte er den Lebensweg wieder von vorn anfangen. Aber das war wieder so ein eitel Sinnen, wie wenn ein armer Bettelbub nachdenkt, was er denn thät', wenn er Millionär wäre; denn er war Soldat und da macht man nicht viel Federlesen, wenn einer davonläuft und desertiert, sondern jagt ihm nach und schießt ihn zusammen wie einen räudigen Pudel. Und darum ist Franz das Herz immer schwerer geworden und es hat ihn das Heimweh immer gewaltiger gepackt und er hätt gern weinen mögen, wenn er sich nicht geschämt hätte vor den andern. Dafür aber hat sich der ganze Schmerz hinabgesezt ins Herz wie das Geläger im Faß und er ist gar trübsinnig und schwermüthig geworden und hat den Kopf hängen lassen wie ein Pflänzlein, dem drunten an der Wurzel ein Wurm sigt und frisst daran.

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