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Xaverl hat sie nichts geredet. Da hat ihr P. Hofbauer geholfen und gefragt: »Und was ist's denn mit dem Franz?« Doch hiebei ist er recht angekommen; denn bei der Frage hat sie ihn erst angesehen, ob sie auch richtig gehört habe; dann aber ist sie aufgefahren wie ein Hund, dem man aufs Schweiflein tritt, und hat geantwortet: »Ach, der Lump ist gewiss schon lange gehenkt!« Über diese Antwort hat selbst der Selige lächeln müssen und hat seine Zweifel geäußert über die Wahrheit dieser Besorgnis und meinte: »Das Hängen geht doch nicht so schnell. Vielleicht hat er sich bekehrt!«

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Jezt ist die Reihe, zu zweifeln, an das Milchweib gekommen und sie hat den Kopf geschüttelt und erklärt: »Der der befehrt sich in alle Ewigkeit nimmer!« Nun ist P. Hofbauer zur Thüre gegangen, die hineingeführt hat ins andere Zimmer, und hat sie geöffnet und aus dem Zimmer ist der Xaverl herausgestürzt und hat sich der Mutter zu Füßen geworfen und die Hände gefaltet hinauf zu ihr und hat seine Schuld gestanden und hat sie gar demüthig um Verzeihung gebeten für all die Unbilden, die er ihr zugefügt habe, und sie möge alles vergessen und möge ihm wieder Mutter sein, denn er wolle ein anderer Mensch werden und ihr in Zukunft so viele Freude machen, als er ihr bisher Kummer bereitet habe. Und wie er so dafniete und sein Confiteor betete und ihm die Thränen über

die Wangen liefen wie Ameisen über den Gartenweg, da hat's auch im Kopfe der Mutter herumgewühlt wie in einem Ameisenhausen und es sind ihr die Gedanken durcheinander gelaufen, als wären es auch Ameisen, in deren Wohnung ein Gassenbub eingebrochen ist, und sie hat sich lange nicht fassen können und hat bald den P. Hofbauer angeblickt, bald den armen Sünder zu ihren Füßen und wusste nicht, soll sie der Freude das Hausrecht geben im Herzen oder dem Zorn, und hat aufs Frühstück vergessen und die halbe Beicht des Sohnes überhört und ist ihr heiß und kalt aufgestiegen im Kopf wie vor einer Übelkeit. Und wie er fertig war mit seinem Bekenntnis, ist bei ihr der Zorn gerade obenauf gewesen und sie hat ihn ausgeschüttet über den armen Sünder und hat ihm eine gesalzene Strafpredigt gehalten und ihn ernst noch selber erinnert an all das Unrecht, das er ihr zugefügt habe, und ihm seinen Wandel vor die Seele gehalten, wie einen Spiegel, dass er drein sehen könne, wie schön es ausschaue in seiner Seele. Dabei hat sie ihrer Zunge keine Glacéhandschuhe angezogen, sondern es ist herausgekommen, wie es drunten war in ihrem Herzen, und das war hübsch grob, denn sie war ja eine Roßauerin. Der Sohn aber hat das Donnerwetter über sich ergehen lassen, und hat den Kopf gesenkt wie einer, der sich bewusst ist, dass er es gar wohl verdient habe. Eine Zeitlang hat P. Hofbauer ruhig zugehört und sich gewundert über das Milchweib und ihr Zungenwerk; wie aber der erste Guß vorüber war, hat er selber dreingegriffen und das Wetter verjagt mit dem freundlichen Zauberspruch: »Jezt ist's genug, jezt nehmt mitsammen. das Frühstück!« Es hat zwar noch ein bischen nachgebrummt und auch die Wolfen sind noch einige Augenblicke hängen geblieben auf der Mutterstirn. Aber die Mutter hat sich doch hingesetzt neben dem Sohn und P. Hofbauer hat eine zweite Schale geholt und dazu einen Löffel für den Xaver und hat ihm auch eingeschenkt, dass er sich erholen solle von diesem Schrecken, und sind Mutter und Kind zum erstenmale seit langer Zeit wieder beisammen gesessen an einem Tische. Bald hat die Sonne wieder geschienen im Mutterherzen und hat herausgeleuchtet aus ihrem Auge und sie hat ihren Franzl angeschaut recht lieb und freundlich und hatte selber eine innige Freude, dass er noch nicht gehenkt wäre, sondern sich bekehrt habe und wieder da sei, und hat

alles vergessen, weil sie Mutter war und dem Franzl hat der Sonnenblick aus dem Mutterauge so wohl gethan wie der erste Sonnengruß dem Vöglein am Frühlingsmorgen, wenn's wach wird, und es ist ihm erst jest wieder recht wohl geworden, seit auch sein Mütterlein ihm verziehen hat, und hätt auch singen mögen wie jung Waldvöglein ein Te Deum Gott zu Dank und Ehr'.

Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende, denn es hat P. Hofbauer noch jemanden gewusst, dem der Büßer Abbitte thun musste für alle zugefügten Kränkungen, und das ist die Oberin gewesen im Ursulinenkloster, wo er als Knabe so viele Fenster eingeschlagen und so viel Schabernak getrieben hatte. Die hat damals, wie der Franz seine Altfünderhaut abgelegt hat, Maria Juliana von Trautmannsdorf geheißen. Einige Tage nach obigem Auftritt ist P. Hofbauer zuerst allein hingegangen zu ihr und hat sie gefragt, ob sie es gestatte, dass er ihr einen Augustin bringe. Der aber ist es gegangen, wie den Aposteln, wenn ihnen der liebe Heiland in Parabeln geredet und sie hat auch nicht begriffen, was er denn für einen Augustin hereinbringen wolle ins Ursulinenkloster, und meinte, er hätte wieder ein Bild vom großen, heiligen Büßer St. Augustin. Weil aber deren schon mehrere im Kloster waren, hat sie es abgelehnt und geantwortet: »Vielleicht können Euer Hochwürden den Augustin an einem andern Ort aufhängen, wir haben im Kloster schon mehrere.« Da aber hat ihr P. Hofbauer auseinandergelegt, dass sich der Augustin nicht aufhängen lasse ohne Schaden zu nehmen, weil es ein lebendiger Mensch wäre und doch noch den Galgen nicht verdiene; denn er hätte sich bekehrt wie St. Augustin und hat ihr erklärt, dass er Franz Hätscher heiße und der Sohn sei vom Milchweib, das alle Tage die Milch bringe ins Kloster. Jezt hat sie freilich eingewilligt, dass er kommen dürfe, und er ist gekommen mit P. Hofbauer und hat auch sie um Verzeihung gebeten, wie's recht und gut war.

Von nun an aber hat er keine Fenster mehr eingeworfen, und auch kein sündiges Leben mehr geführt, sondern P. Hofbauer hat ihn bei sich behalten und ihm am 15. October 1814 gar das Kleid der Congregation angezogen und ein Jahr darauf hat er ihn hinabgeschickt nach Bukarest in Rumänien; dort hat er Gelübde gethan und ist Priester geworden und ist nimmer desertiert, sondern hat in seinem Leben viel Gutes

gewirkt in Rumänien und Amerika und England und Öster= reich, dass man's gar nicht sagen kann, ohne ein neues großes Buch zu schreiben, und ist anno 1863 am 3. Jänner gar fromm und selig im Redemptoristenkloster zu Leoben in Steiermark gestorben.

Hast du, mein lieber Leser, noch niemals eine Beicht abgelegt über dein ganzes Leben, so rathe ich dir, es zu thun, absonderlich, wenn du mit deinem Leibesleben schon hübsch drinnen stehst im Mittelalter, oder es gar schon bergab geht mit dir und du in jungen Jahren ein bischen dem Xavert geglichen hast, wenn du auch nicht gerade desertiert bist vom Militär. Denn es ist die Menschenseele wie ein großer Weiher, und die Sünden drinnen wie garstige Frösche und wenn man auch alle paar Wochen Treibjagd hält darnach in der Beicht, so verstecken sich doch oft gar manche, dass man sie nicht findet und es sind darunter auch große und dicke, die schon alt sind, und Großväter und Urgroßväter von gar vielen jungen Fröschen, und auch die jungen Frösche werden alt und die kleinen groß, wenn man sie nicht bei Zeiten austilgt und ums Leben bringt. Darum ist es nothwendig, dass man manchmal den ganzen Weiher ablässt und alle Froschzucht vernichtet, die da drinnen Quartier genommen hat seit langen Zeiten, durch eine gute Lebensbeicht. Willst du aber die Sache gut machen, dass dein ganzes Herz rein wird, so musst du auch Lection nehmen beim lieben Heiland wie der Hätscher Xaverl, und es ist gut, wenn du es thust vor jeder Beicht, weil man . auch das Treibjagen nach Sündenfröschen nicht von selber fernt. Und wenn du kein Bild des gegeißelten Heilandes hast, so hast du doch ein Crucifig zu Haus, und es steht eines in der Kirche drinnen nicht weit weg vom Beichstuhl, und hängt der nämliche Heiland dran; da knie dich hin vor der Beicht, aber nicht bloß mit dem Leibe, sondern nimm auch die Seele mit und schau hinauf ans Krenz, mehr mit den Augen des Herzens als mit den Leibesangen und schau' alle Wunden an und durch die Seitenwunde blick hinein in Jesu Herz, das gar sehr verwundet ist von der Liebe zu dir, und dann schan' in dein Herz, wie du diese Liebe vergolten hast dein Leben lang, und geh' im Geist zurück, so weit du fannst, und denk so weiter, wie's dir tommt. Es wird dein Auge bald einen Frosch um den andern sehen und wird dir nimmer vorkommen wie ein liebes Gold

fischlein, sondern wie ein hässliches dickes Vieh, vor dem du, Grausen hast und Ekel. Pack' ihn fest und fürcht' dich nicht, lass' ihn nimmer aus und wirf ihn heraus in der Beicht aus deinem Herzen, aber lass' ihn nimmer hineinspringen in alle Ewigkeit.

Leget ab den alten Menschen, der durch des Irrthums Lüste verderbt ist, erneuert euch aber im Geiste eures Gemüthes. Ezh. 4, 22-23.

16. Zwei Blicke.

as jezt kommt, ist schon wieder eine Bekehrungsgeschichte, aber nimmer von einem Milchmeierbuben, der Geistlicher geworden ist, sondern von einem flotten Studio, der Schmidt geheißen und den ein einziger Blick aus P. Hofbauer's Augen zur Besinnung gebracht hat, dass er hinübergesprungen ist von der breiten Straße auf den schmalen Weg und darauf fort= gelaufen bis zur Himmelspforte. Außer vielen andern guten und schlimmen Seelenseiten hatte der flotte Bruder Studio auch zwei wunderbar lebendige Augen, die im Kopf herumgeschossen sind, wie Fischlein im Wasserglas. Und weil sein Herz flittrig war wie Theaterdecoration und auch in seinem Gehirn das Stroh hoch aufgehäuft lag, darum hat er leicht Feuer gefangen, wenn er jungem Weibsvolk in die Nähe gekommen, und ist ihm Kopf und Herz in Feuer aufgegangen, dass er's nimmer hat löschen können. Einmal ist er auch hineingerathen in die Ursulinenkirche, denn bei aller Leichtlebigkeit ist er doch noch nicht so aufgeklärt gewesen, wie unsere modernen Studenten, dass er Angst gehabt hätte vor der Kirchenluft, und hat eine heilige Messe hören wollen wie andere Christenmenschen. Um aber bald hinauszukommen aus der Kirche, wenn ihm die Zeit zu lang würde beim Gottesdienst, ist er rückwärts stehen geblieben ganz nahe der Kirchthüre. Aber auch vom Messehören hatte er einen ganz merkwürdigen Begriff, denn er hat gemeint, wenn er sich nur anschauen lasse vom lieben Heiland im Tabernakel, so müsse der schon ein gar freundliches Gesicht machen vor

Leben d. sel. Clem. M. Hofbauer.

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