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inniger Freude, und er brauche nichts zu beten, weil er auch gar nicht gewusst hat, um was er denn beten solle. Und weil der Mensch denn doch seinem Geiste nicht Feierabend geben kann am frühen Morgen schon und auch die Augen nicht hineinstecken kann in die Tasche, so hat der Studio Schmidt seine Gedanken spazieren gefühit in der Kirche und seine Blicke herummarschieren lassen von einem Kirchenbesucher zum andern, wer sie denn wären und was sie denn thäten. Es hat nicht lange gewährt, da hat er das Rechte gefunden; denn vorne beim Speisgitter sind zwei junge Mädchen gestanden, die ihm gewaltig in die Augen gestochen. Und nun ist er andächtig geworden, aber nicht wegen des lieben Heilandes auf dem Altare, sondern wegen der zwei Menschengesichter beim Speisgitter und hat auf alles vergessen, und auch ans Fortgehen hat er nimmer gedacht und es ist ihm nimmer recht wohl gewesen. bei der Kirchthüre hinten. Daher hat er sich nach vorne gedrängt, bis er den zwei jungen Gesichtern ganz nahe gestanden und hat sie weidlich betrachtet, und sind ihm fast die Augen zu klein geworden, denn er hat sie sperrangelweit aufgerissen und für nichts mehr Sinn gehabt als für das junge Menschenfleisch und wenn er sich satt gesehen hat an der einen Gestalt, hat er angefangen bei der andern. Dabei ist ihm gewesen, als wäre er im dritten Himmel wie weiland der Völkerapostel St. Paulus. Aber aus dieser Himmelseligkeit ist er bald herabgefallen, dass ihm die Weiberschau vergangen ist auf ewige Zeiten; denn wie er mitten drinn war in seiner Andacht, hat er klingeln gehört neben sich, und wie er sich umsicht nach dem Klingler, fällt sein Blick auf ein Ministrantenbüblein und hinter demselben geht der selige P. Hofbauer in weißem Rochet und hat eine weiße Stola darüber, und in der Hand hält er den Leib des Herrn, um ihn einem Kranken zu bringen als stärkende Seelenkost.

Wie er so daherschreitet durch die Kirche, da ist's, als sähe man einen Engel, der den lieben Gott schaut von Angesicht zu Angesicht, und er hält den Blick zu Boden gesenkt und in seinen Zügen malt sich innige Andacht und süße Liebe zu dem, den er in seinen Händen trägt. kommt er dem leichtfertigen Studio immer näher, der den andächtigen Priester betrachtet mit heiliger Schen. Wie der aber an ihm vorübergieng, hat er das Haupt erhoben und

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hinübergewendet nach dem armen Sünder und hat ihm einen durchdringenden Blick zugeworfen voll Liebe und Wehmuth, wie weiland der liebe Heiland dem guten St. Petrus, als er an ihm vorübergeführt wurde nach dessen Verläugnung. Dann hat er die Augen wieder gesenkt und ist vorübergegangen. In diesem einzigen Blick ist aber ein gar schmerzlicher Vorwurf gelegen, als hätte P. Hofbauer sagen wollen: »Freund, was hast du gethan?« Und wie das Auge des sündigen Studio dem Auge des heiligen Priesters begegnete, da ist's ihm gewesen, als hätte er in die Sonne geschaut; denn es hat ihn der Blick des Seligen geblendet, dass er auch das Auge gesenkt hat und den Blick nicht hat aushalten können. Es hat ihn gebrannt tief ins Herz hinab, dass ihm das Feuer heraufgestiegen ist in die Wangen. Und er hat sich vor sich selber geschämt, dass er bei dieser Hantierung ertappt worden sei in der Kirche. Wie der erste Schrecken sich verzogen gleich Feuerrauch, da ist's erst licht geworden in der Seele, und er hat gesehen, wie er gesün= digt, dass er Menschenfleisch angebetet habe statt den lieben Herrgott. Und wie P. Hofbauer heimgekommen ist, hat er ihn aufgesucht, sich zu seinen Füßen geworfen und eine gar reuige Beicht gethan über sein ganzes Leben und ist ein anderer Mensch geworden, dem die jungen Weiber nimmer das Gehirn verbrennen fönnen, und hat selber in alten Tagen noch freudig gesagt, dass der eine Blick der Anfang seiner Bekehrung und seines ewigen Heiles geworden sei.

Es sind die Augen gefährliche Fenster im Menschenkopf, durch welche der Teufel hineinschaut in die Menschenseele und die gar verführerisch liebängeln mit dessen Brüdern, da drinnen logieren im Parterre seit Adams Sünde. Und ist Frau Eva gefallen durch die Augen und war doch im Paradiese und hatte noch keine Teufel logieren im Herzen, und Herr David, und war doch ein guter Freund zum lieben Gott und sonst der Heiligen viele. Darum hat dir Gott einen Deckel gemacht über den Augen, wie einen Fensterladen, dass du ihn zumachen sollst, wenn was Gefährliches draußen steht vor dem Fenster und dir verführerisch hineinlacht in die Seele. Und wenn du das versäumst, so wirst auch du fallen, wie die gute Frau Eva und der gute Herr David und der Wiener Studio und es wird einmal der ewige Richter einen Blick auf dich werfen, blendender als Sonnenglanz, dafs dir alles Schauen vergeht und du lieber

wünschen möchtest, es lägen alle Erdenberge auf dir, dass du Gott und seinen schrecklichen Blick nicht sehen könntest.

Hefte deine Augen auf dass ihre Schönheit dir werde.

teine Jungfrau, nicht zur Falle Eccli. 9, 5.

17. Ein verlegener Komiker.

sist oft nicht einmal eine Predigt vonnöthen ge= wesen und auch kein Blick aus P. Hofbauer's Augen, um einen Sünder aufzuwecken von seinem Todtenschlafe, sondern seine Gegenwart allein war schon eine ergreifende Predigt, die wie eine Bußglocke hineingeläutet hat in die Sündenherzen. Dies Bußgeläute ist aber manchem Schläfer zu laut gewesen und haben ihm darob die Ohren weh gethan, dass er's nicht fonnte aushalten, bis er sich daran gewöhnt hat. Zu diesen zartohrigen Menschen hat auch Herr Beckmann gehört, der war Schauspieler am f. f. Burgtheater zu Wien und ein gar lustiger Komiker und sind ihm die lustigen Stücklein nie ausgegangen; denn es sind ihm die Wize heruntergelaufen über die Zunge wie das Wasser übers Mühlrad, und war noch obendrein so gelehrt, was sonst bei wißigen Köpfen nicht immer der Fall ist, dass er Artikel geschrieben hat in den »>Österreichischen Beobachter«, den damals Herr von Pilat herausgab. Darum ist er oft ins Haus gekommen zu Herrn von Pilat und ist gut Freund geworden mit ihm. Weil aber dieser nicht bloß Zeitschriften redigiert, sondern auch ein frommer Christ gewesen ist und P. Hofbauer zum Beichtvater gehabt hat, auch sonst oft wichtige Dinge zu verhan= deln hatte mit dem Seligen, darum ist auch P. Hofbauer oft erschienen in Herrn von Pilat's Hause und es ist nicht selten geschehen, dass sie da beide zusammengetroffen sind: der gute, selige P. Hofbauer und der lustige Komiker Herr Beckmann. Der Komiker aber hat den Heiligengeruch nicht vertragen können; denn so oft P. Hofbauer hereingetreten ist zur Zimmerthür, ist ihm übel geworden, als hätte er Maifäfer gegessen in der Fleischbrühe, und wenn ihm auch bis zu diesem Augenblicke die Wiße herausgeflogen sind zwischen den Zähnen wie Schneeflocken vom Himmel im Winter,

so ist er doch jetzt auf einmal stille geworden, als wäre ihm die Zunge erfroren im Munde drinnen, und hat nach dem Hute gesucht und sich höflich empfohlen. Und weil das nicht bloß einmal geschehen ist oder zweimal, sondern jedesmal, so oft P. Hofbauer eintrat bei Herrn von Pilat, so ist die Sache auch dem Hausherrn zu Kopf gestiegen und er hat nicht gewusst, wie er dieselbe deuten solle. Darum hat er sich einmal ein Herz genommen und den Schauspieler selber gefragt, warum er es denn gar so eilig habe, wenn der fromme Priester eintrete, und warum er denn flüchtig werde vor ihm, als wäre er ein Häslein und der Geistliche ein Jäger. Da hat der Schauspieler aufrichtig gebeichtet und gesagt: »Ja, mein Herr, das hat seinen besonderen Grund. Wenn ich so längere Zeit in der Nähe dieses Geistlichen bleibe, so ist mir's, als müsste ich alles im Stiche lassen, was mir bis jezt die einzige Freude gewesen ist, und müsste bei ihm Generalbeicht thun und mich gar bekehren; und wissen Sie, das Ding gefällt mir nicht. Weil aber P. Hofbauer immer wieder gekommen ist, so hat sich mit der Zeit auch der Komiker an den Heiligengeruch gewöhnt, und es hat ihm selbst die Bekehrung gefallen und hat die Lebensbeicht abgelegt bei P. Hofbauer und ist ein anderer Mensch geworden und nimmer davongelaufen vor dem Seligen.1)

Was ist's? Hast auch du Respect vor dem Geistlichen, dass dir nicht wohl wird, wenn du den schwarzen Rock siehst, weil du dabei aus Beichten denkst und was noch dran hängt? Und möchtest ihm ausweichen, wenn er dir unterkommt auf dem Kirchgang, und steigt dir das Grüßen nicht herauf und wirst verlegen, wenn er dich anschaut und athmest erst wieder auf, wenn er dir aus den Augen ist? Sich', da fehlt's. Du hast einen verdorbenen Magen; da liegt ein Stein drunten, der heraus muss; sonst kriegst du den Krebs, dass du jämmerlich zu Grunde gehst. Lass dich curieren, aber nicht vom Bader oder Doctor; denn der versteht nichts von derlei Krankheiten, sondern geh grad zum nämlichen geistlichen Herrn, vor dem dir übel geworden ist, oder zu einem andern, der auch was versteht, und sag' ihm, wo es dich zwickt an der Seele, und beicht' und bessere dich. Und wenn dir ein andermal der Geistliche wieder unterkommt, wird's

1) Summ. p. 335.

dir nimmer im Magen krabbeln, sondern es wird dir in die Beine fahren, dass du ihm zulaufen möchtest, um ihm die Hand zu küssen wie ein Schulbüblein vor Lust und Freude, als käme dir der liebe Herrgott selber unter oder unsere liebe Frau.

Der verdorbene Mensch liebt den nicht,
der ihn straft, und geht nicht zu den
Weisen.
Sprichw. 15, 12.

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18. Wie einer beichtet, ohne es zu wissen.

m die Schauspieler ist's überhaupt ein gar merkwürdiges Ding und sind noch nicht viele heilig= gesprochen worden; denn es ist ein großer Umweg, wenn einer übers Theater gen Himmelland kommen will, und gehört viel geistige Kraft und Gnade dazu, dass er nicht abfommt vom rechten Wege, und ist auch Herr Beckmann, von dem ich dir voran erzählt habe, mit der Zeit wieder abgefallen von all seiner Frommheit. Darum hält niemand viel auf die Theaterleute, wie auf die Zigeuner, am allerwenigsten unser Herrgott im Himmel, und es ist ein ganz merkwürdig kluger Gedanke, wenn man meint, man solle die Kirchen abthun und die Geistlichen dazu und dafür Theater bauen in jedem Markt und jedem Dorfe und Schauspieler hineinstiften und Schauspielerinnen; denn es sei das Theater eine bessere Schule für seine Bildung und fromme Sitte, als wenn der Geistliche herabpredigt von der Kanzel. Ich will dir darum noch eine Historie hersehen von einem Schauspieler, aus der du die Lehre nehmen sollst, wie schwer es ist, dass ein Schauspieler ein ordentlicher Christ werde, und muss doch dies das erste sein, wenn er bei unserem Herrgott will in Gnaden stehen.

Da ist auch so ein theaterlustiges Wiener Bürschlein gewesen, das hat Josef Passy geheißen und hätte nach des Vaters Willen Kaufmann werden sollen in der Wienerstadt, damit er sich ehrlich und redlich sein Brot verdiene mit christlichem Handel; denn es ist auch sein Vater ein ehrlicher Kaufmann gewesen, der eine Seidenwaarenhandlung hatte bei St. Peter in der Stadt. Aber das Bürschlein hatte

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