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Roman noch niemals vorgekommen all seine Lebtag, und er hat nicht gewusst, ob er sich schämen oder freuen solle, dass er gebeichtet, ohne zu wollen, und ist vor freudigem Schrecken niedergekniet auf den Boden. P. Hofbauer aber hat die blaue Stola geholt und sie über die Schulter geworfen und hat sich hingesezt neben den knieenden Büßer und ausgebessert an seiner Beicht, was noch schadhaft gewesen ist, und hat ihm die Reue hineingesezt ins Herz mit kräftigem Zuspruch und den ernsten Vorsay. Dann hat er ihm eine kleine Buße auferlegt und ihn losgesprochen von seinen Sünden.

Jezt aber ist's licht geworden in seiner Seele, und es ist der Glaube eingezogen in sein Herz und Liebe und Trost und selige Hoffnung und die haben getanzt im Herzen drinnen, als wär' Jubelhochzeit, und er hat vergessen auf Krankheit und Leiden und die Melancholie hat das Weite gesucht mit ihrem ganzen Gefolge und bald hätte er auch vergessen aufs Danken und ist heimgeeilt zu seinem Bruder und hat ihm von weitem entgegengerufen: »Bruder, ich habe gebeichtet und bin wieder selig. Jezt sterbe ich gern, wenn's Gottes Wille ist. O, der gute, gute P. Hofbauer! Und geweint hat er vor Trost und Freude, und ist von da an fleißig zu P. Hofbauer gegangen und hat keine Angst mehr gehabt vor dem Beichten; denn es ist das jeßt seine größte Seelenlust geworden. Aber der Tod kehrte sich nicht an seine Beicht und Buße, sondern hat ein Stücklein ums andere abgerissen von seiner Lunge und er ist verdorrt wie ein Röslein auf dürrer Heide, und hat zuletzt alle Kraft verloren, dass er sich hinlegen musste aufs Krankenbett. Doch wenn er auch nimmer denken durfte an's Gesundwerden, sondern an's Grab und die Ewigkeit, so hat doch jezt der Tod ein ganz anderes Gesicht gehabt und ist ihm vorgekommen wie ein lieber Freund, der ihn einladens anlächelt, und als hätte er ein golden Gewand zierlich und faltenreich über seine Knochen geworfen. Und weil Passy selber nimmer gehen konnte zu P. Hofbauer, so ist dieser gekommen an sein Krankenbett und hat ihm erzählt von Himmel und Seligkeit, dass ihm die Sehnsucht noch mehr gekommen ist nach dem Tode und es ihm wurde wie dem Zugvogel im Herbst. Aber bald ist auch P. Hofbauer nimmer gekommen, denn er ist selber frank geworden und ist gestorben. Und wie das der kranke Jüngling hörte, dass er jezt allein sei auf der

Welt, ist bittere Wehmuth eingezogen in seine Seele, und er hat aufgeseufzt aus tiefsten Herzen und ausgerufen: »Vor mir muss mein bester väterlicher Freund hinscheiden!« Und es ist dieser lehte Schmerz gewesen wie ein reinigendes Fegefeuer für seine Seele, und wie ein Windstoß, der sie abgeschüttelt hat vom Leibe wie den reifen Apfel vom Baume; denn es hat nimmer lang gedauert mit ihm und er ist selber seinem Seelenarzte nachgewandert in die ewige Heimat.1)

Dass aber der arme Passy so melancholisch und trübsinnig geworden und von seinem Glauben gekommen ist und bald auf ewig zu Grunde gegangen wäre, wenn ihm der liebe, barmherzige Gott nicht den guten, seligen P. Hofbauer geschickt hätte, davon waren Ursach' die Romane, die er gelesen hat in seinen jungen Tagen; denn es sind die Romane eine gar giftige Kost für die Seele, wie das Opium für den Türkenleib, absonderlich, wenn sie noch jung und zart ist und sich nicht recht festgewurzelt hat in ihrem Charakter, und sind um so giftiger, je süßer sie angemacht sind, und ist nicht wie bei anderen Speisen; denn je mehr Appetit die junge Seele darnach hat, desto böser ist der Schaden, den sie anrichten. Der aber liegt darin, dass sie der Seele zu Gehirn steigen und ihr allerlei Träume machen. bei helllichtem Tage und offenen Augen, dass sie meint, es sei alles wahr, was sie träumt aus dem Romane heraus und ist doch eitel Nebelbild, und fängt selber an, romanhaft zu leben und dem Nebelbild nachzujagen, das ihr der Herr Romanschreiber vorgehert hat, und verliert Appetit und Lust zu gesunder Kost und Nahrung, d. i. an Predigt und christlicher Lesung und kriegt Eckel an der heiligen Religion und ihren frommen Übungen und verliert den Glauben und wird matt und schwach fürs Gute, weil die Romankost ihr das Blut vergiftet und versezt, dass sie zulett liegen bleibt im Sumpfe fündiger Leidenschaften und elendiglich zu Grunde geht an trauriger Täuschung. Merk' dir das, lieb Seelchen, und lass die Romane stehen, es sind die besten Teufelskraut, das seine Wurzeln in der Hölle hat.

Der Weise fürchtet und meidet das Böse: der Thor seyt sich darüber weg und hält sich für sicher. Sprichw. 14, 16.

1) Summ. p. 206.

E

19. Die Büßerin im Ursulinenkloster.

8 ist was staunenswert Wunderbares um Gottes Barmherzigkeit, dass sie dem Sünder nachrennt oft bis an die Höllenthüre wie ein treues Hündlein und ihn da noch zurückzieht von der ewigen Verdammnis, als wär gar so viel dran an einer untreuen Seele, und ist schon viel geschrieben worden darüber und ist doch, als wenn kein Tropfen Tinte dran wäre verwendet worden, weil diese Barmherzigkeit gar unendlich groß ist, dass der arme Mensch sie nicht fassen fann. Drum joll keiner verzagen dran, denn das wär der größten Sünden eine.

War in Wien zu P. Hofbauer's Zeiten ein gar nobles Jungfräulein, das hat Barbara geheißen, und ist schrecklich reich gewesen und ist gar fein erzogen worden, als sollte sie ewig da bleiben auf Erden und brauche in jungen Tagen nichts anderes zu lernen, als wie man lustig lebt und die Tage hinbringt, ohne sich wehe zu thun, und ist in der gleichen Luft aufgewachsen wie ihre heilige Namenspatronin ; und war doch ein gewaltiger Unterschied zwischen der guten St. Barbara und der Wiener Barbara, denn jene hat eine starke Seele gehabt, die nicht verweichlicht wurde durch alle Vornehmheit der Erziehung, sondern ist hinaufgewachsen gen Himmel wie ein schlanker Tannenbaum, und hat sich nicht niederbeugen lassen zur Erde, sondern ist eher gebrochen im Martertod. Das aber ist die Wiener Barbara nicht gewesen, sondern es hat wohlhäbige Erziehung sie nervenschwach gemacht an der Seele, dass sie nichts hat ertragen können als süßen Kaffee und feines Essen und Spazierfahrten und Soiréen und Theegesellschaften und Theater und schöne Kleider und was sonst zum Vornehmsein gehört. Und es war, als ob sie ein absonderliches Sonntagskind wäre, auf das die Glückssonne mit ganzem Gesichte herniederlacht; denn da sie noch gar jung war an Jahren, hat der Tod eine nahe Verwandte von ihr abgeholt in die andere Welt und sie ist eine reiche Erbin geworden und hat eine große, schöne Villa geerbt. Weil sie sich aber selber das junge Köpfchen nicht zerbrechen wollte mit Verwaltungssorgen wäre auch jammerschade gewesen so hat sie die Villa verkauft um 80.000 fl. und das viele Geld in Staatspapieren angelegt und hat ihr Pläsier gehabt, dass sie nichts anderes zu thun branche, als Coupons abschneiden zum Zeitvertreib und doch dadurch

reicher werde, als viele Handwerker zusammen mit saurer Arbeit. Und wie sie die vielen Staatspapiere in Händen. hatte, hat sie sich schon ausgeklügelt, wie sie gut leben würde, und hat zu ihrer eigenen Seele gesagt, wie der reiche Mann im Evangelium bei St. Lucas am 12.: »Liebe Seele, du hast jezt viele Güter auf gar viele Jahre. Ruh' dich aus, und iss und trink und gieb gute Tafeln!« Und hat dabei vergessen, dass Papier ein gar flodriges Ding sei, das leicht verbrennt und zerreißt und auch sonst keinen Wert besist als alten Lumpenwert und dass auch kein Segen liegt auf Gewinn ohne Arbeit, und dass sich auch sonst das Glück von ihr abwenden könne wie ein treuloses Weib von seinem Ehegespons.

Sie hat sich auch die Scheere nicht stumpf gemacht mit Couponabschneiden; denn es ist ihr gegangen wie dem= selbigen Geldproßen im Evangelium, und wenn sie auch nicht fortgehen musste von ihren Schäßen wie ihr habsüchtiges Vorbild, so hat doch in kurzer Zeit das Geld selber Füße gekriegt in der Lade drinnen, hat sich auf- und davongemacht ohne Abschied und ist ihr von all den 80.000 Gulden faum einer treu geblieben und hat doch nichts verthan mit hohem Spiel oder verschwenderischem Lurus, sondern hat die Papiere sorglich gehütet und eingesperrt, wie junge Kanarienvögel. So oft sie nachgesehen, sind sie alle noch friedlich beisammen gelegen und waren doch nichts mehr wert, wie ein Balg, aus dem der Weinfalter ausgekrochen am warmen Frühlingstag. Und das ist also zugegangen: Vor lauter Franzosenkriegen ist Österreich immer ärmer geworden und hat zulezt spiegelblank ausgesehen in der Staatscassa und ist kein Geld mehr dagewesen, die Schulden zu zahlen. Darum hat der Staat die Staatsschuld reduciert, anno 1811, was zwar ein bischen nobel klingt, weil es ausländisch ist und französisch, aber ist im Grunde doch nicht viel besser, als wenn ein Kaufmann Crida ansagt und Bankerott macht, dass sich die Gläubiger abfinden müssen. mit etlichen Procenten. Es haben daher alle Staatspapiere feinen Wert mehr gehabt, wie Schuldscheine von einem Bettelbüblein und zu nichts getaugt als zum Kaffeewärmen auf dem Sparherd. Und gar viele Leute, die früher reich gewejen an Geld und Gut, sind über Nacht bettelarm geworden, und auch die flotte Wienerin hat nichts mehr gehabt von ihrem Vermögen. Und wie sie jest hineinschaute

in die Zukunft, hat sie keine Luftschlösser mehr gesehen, weil die zerronnen sind wie ein Wassertropfen an der Fensterscheibe und statt der Luftschlösser ist ihr die nackte Armut entgegengetreten und hat ihre Kinder mit sich geführt und das ist der Hunger gewesen und sein Schwesterlein, die Schande, die sich bei ihr einlogieren wollten ohne Zins auf Lebenszeit. Und sie hat nicht gewusst, wo sie genug Brot hernehmen soll, den Hunger zu stillen, und ist doch gestern noch so reich gewesen und war auch gute Tage gewohnt von Kindheit an und war jest ärmer dran, als ein armes Taglöhnermägdlein in einem leichten Kattunrock, das was gelernt hat und sich sein Brot suchen kann mit Arbeit bei reichen Leuten. Darum ist's gar nicht gut, wenn reiche Kinder aufwachsen mit Nichtsthun und Tagdieberei, und wenn sie gar nichts lernen, als den Magen auspolstern mit feinem Essen und feurigen Weinen; denn es kann sich gar leicht das Rad drehen, dass die unten ankommen, die zuerst oben waren, und man soll in guten Tagen auch schon an die schlimmen denken, selbst wenn sie nicht kommen sollten. Man weiß eben nicht, was alles drinnen steht im Büchlein der göttlichen Vorsehung.

Weil das die noble Wienerin vergessen hat, darum ist ihr jezt schwarz geworden vor den Augen und hat keinen Ausweg gefunden aus ihrem schrecklichen Elend. Und weil sie auch nicht beten gelernt hat in glücklichen Tagen und die Frömmigkeit nur für ein Surrogat gehalten, das gut sein mag für solche Leute, denen unser Herrgott nicht viel Erdengüter austheilt, darum hat sie auch in der Religion keinen Halt gefunden und hat sich die Verzweiflung auf ihre Seele gesetzt wie eine dicke Kröte. Aus deren Munde aber hat der Teufel geredet wie weiland aus Schlangenmund zu Frau Eva im Paradiese und hat ihr vorgepredigt, sie folle abrechnen mit ihrem Leben; denn es sei doch vernünftiger, schnell zu sterben, als langsam zu verhungern, und sei sogar ein Werk der Barmherzigkeit, denn sie schenke der Welt durch diesen Schritt gar manche Plage, da sie doch zu nichts nüße sei, als zum Schmaroßerleben wie der Spaß in den Wiener Straßen, und der liebe Gott im Himmel werde es auch nicht so übel aufnehmen, wenn sie ihm die Seele wieder zurückgebe, die er ihr geliehen, weil er ihr sogar selber den Wink gegeben habe, sie möge heimkommen in die Ewigkeit, da er für sie kein Brot mehr wachsen lasse auf Erden. Es

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