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36. Saulus und Stephanus.

it dem neugierigen Frager aber hat es eine ganz eigene Geschichte gegeben, die ich dir jezt erzählen muss, weil in seinem Lebensconcert P. Hofbauer die Primgeige gespielt hat.

Du wirst dich noch erinnern, lieber Leser, wie der selige P. Hofbauer anno 1808 hinausgejagt worden ist aus Warschau, wie ein unschuldiges Vöglein aus dem Neste, das lose Buben zerstörten. Wie damals der liebe Selige im geschlossenen Wagen durch die Straßen von Warschau dahinfuhr und die Zukunft vor seinen Augen dalag wie eine tiefe Gebirgsschlucht in finsterer Mitternacht und selber nicht wusste, was noch aus ihm werden solle, da hat er den Rosen= kranz ergriffen, der liebe, selige Märtyrer, und ein tiefsinniges Gebet hinaufgeschickt wie einen Klagebrief zur Märtyrerkönigin; doch hat er nicht so sehr gebetet für sich selber oder seine Brüder oder für die lieben Kindlein, die er hilflos zurückLassen musste in der Stadt Warschau, sondern es sind ihm damals andere Menschen noch näher gestanden als sein eigenes Leben und seine Brüder und seine Waisenkinder, und das sind seine Feinde gewesen, die ihn fortjagten aus seinem Heim und Handlangerdienste thaten beim Teufel und es vielfach selber nicht wussten, bei was für einem Herrn sie im Dienste stünden. Für die hat P. Hofbauer damals besonders gebetet, es möge Gott ihnen allen die Sünde verzeihen, die sie begiengen an seinem Gesalbten und seinen kostbaren Seelen, und möge das Böse zum Guten wenden zu seiner größeren Ehre und zum Heil ihrer eigenen Seelen. Und wie er so betete, hat dies Heldengebet dem allmächtigen Gott so gefallen, dass er es auf der Stelle erhörte; denn der allbarmherzige Gott hat damals einen Blick der Erbarmung niedergeworfen auf all die verblendeten Herren, und sich einen auserlesen aus ihrer Mitte, dass er noch sein Apostel werden solle unter P. Hofbauer's Leitung, und hat sich's feiner gedacht, weder der verfolgende Beamte, noch der verfolgte Priester, was für Pläne ausgearbeitet werden in Gottes Rath und wie P. Hofbauer's Gebet einmal seine goldenen Früchte tragen werde nach Jahr und Tag. Der aber, dem P. Hofbauer die Gnade Gottes hineingebetet hat in die Seele, ohne dass er selber es wusste, ist ein großer, schlanker Herr gewesen mit markierten Zügen und schwarzen Augenbrauen und statt

licher Adlernase, dem man auf den ersten Blick hat herablesen können, dass er preußischer Beamter sein müsse. Und wenn er damals auch erst vierzig Jahre zählte, so hat er doch schon vor Gott gewaltig hohe Posten stehen gehabt in seinem Schuldbuch, das man sonst das Gewissen heißt, und ist ein arger Sünder gewesen, den nur das Gebet eines Heiligen noch retten konnte. Dieser Herr hat Friedrich Ludwig Zacharias Werner geheißen und war aus Königsberg zu Hause, wo er von seinem Herrn Vater, einem Professor der Beredsamkeit, ein gutes Mundstück und von seiner Frau Mutter, der Nichte eines Poesieprofessors, eine dichterische Ader geerbt hatte. Im Grunde seiner Seele hatte die Religion ein Häuslein, darin sie gewohnt hat, und haben bei ihr die Aufrichtigkeit logiert und die Gutmüthigkeit und Nächstenliebe; darüber ist aber gar viel Schmuß und Thorheit und Leichtsinn gelegen wie ein dichter Nebel, dass man die Religion. kaum sehen konnte im Herzensgrunde, weil er »ein Schwächling war und ein Spielball seiner Neigungen und der äußeren Lockungen, wie er später selber gar treuherzig gestand. Schon früh hat er Gedichte fabriciert voll Spott über Mönchthum und Intoleranz und Jesuiterei und als Kernlutheraner Herrn Luther verhimmelt sammt seiner Käthe, und ist ihm Luther als Urbild der Menschheit gewesen, das von der ausgesprungenen Klosterfrau verklärt worden ist. Daneben hat er auch Herrn Kant verehrt, der sein Lehrer gewesen war, und Herrn Rousseau, den er beinahe angebetet hat, und andere Aufklärungsheilige aus dem philosophischen Kirchenkalender und war auch mit Herrn Goethe und Herrn Schiller gut Freund. Die Messe aber hat er für Eselsgeschäft angeschaut und sich höchlichst geärgert, dass die Vernunft wie ein Pudelhund nach der Pfeife des Papstes tanzen solle«. Und weil er selber gern mitwirken wollte an der Weltverbesserung, aber nicht unter des Papstes Commando, ist er lieber Freimaurer geworden und hat nach Pfeifen getanzt, deren Spieler er nicht einmal kannte. Das alles wäre ihm indes nicht zu verübeln gewesen, weil er's nicht besser verstanden hat, wenn er die Weltverbesserung nur bei sich selber angefangen hätte; denn er hätte da gewaltig viel Unrath hinauszuführen gehabt aus seiner Seele. In Warschau, wo er zwölf Jahre als preußischer Beamter fungierte, hat er ein lockeres Leben geführt und ist allerlei Weibern nachgelaufen, wenn er auch selbst drei Frauen hatte, die alle noch gelebt haben

zu selbiger Zeit; denn es ist ihm die erste davongegangen, weil sie selber nichts nug war, und die zweite hat er fortgejagt, weil sie ihm nicht gefiel, und die dritte hat er nicht verstanden, weil sie nichts deutsch gekannt hat und er nichts polnisch. Auch sonst hat er viel Unfug getrieben, und seine Verwandten haben sogar gesagt, dass er seine eigene Mutter unter die Erde gebracht habe, weil ihr der Gram über sein liederliches Leben zu früh das Herz abgedrückt hätte, und hatte doch seine Mutter so lieb, dass er ihr Bild sogar zu sich in den Sarg hat legen lassen. Aber es sind die Leidenschaften in der Menschenbrust, wenn man sie nicht bindet und einsperrt, gar unbändige Bestien, die der armen Seele das Herzblut aussaugen, dass sie keine Kraft mehr hat, sich zu wehren gegen ihr eigenes Unglück.

Das ist der Saulus gewesen, der bei P. Hofbauer's Vertreibung aus Warschau Henkersdienste geleistet hat, und auf den der gute Selige wie ein zweiter St. Stephanus Gottes Gnade und Erbarmen herabgefleht hatte. Lange ist Herr Werner nimmer in Warschau geblieben, denn es hat ihm dort nicht gefallen und hat selber nicht gewusst warum. Indes P. Hofbauer gen Westen geführt wurde zur Festung Küstrin, ist er gen Süden gezogen, hinein in die Schweiz und hat in der schönen Natur den Frieden gesucht, den er in den Lustbarkeiten der Großstadt nicht finden konnte. Auf dem Wege dahin hat er zwar eine goldene Feder gefunden, die ihm Fürst Primas Dalberg verehrte, zum Lohn seiner schönen Theaterstücke, die ihn bald in ganz Deutschland berühmt gemacht haben, und eine gute Pension, die ihm später noch der Großherzog von Weimar getreulich ausbezahlt hat, und auch den Hofrathstitel beim Großherzog von HessenDarmstadt; aber der Friede ist weder aus der goldenen Feder geflossen, noch bei der guten Pension gelegen, noch war er eingeschlossen im Hofrathstiteldiplom. Darum ist ihm auch die Schweiz nicht schön vorgekommen, weil Sturmwetter war in seiner eigenen Seele drinnen. Das Sturmwetter aber hat der barmherzige Gott aufgeregt; denn es ist wundersam großze Gnade, wenn der liebe Gott den Sünder nicht schlafen lässt am Höllenrande. Und das hat Gott darum gethan, um ihn so weit zu jagen, bis er den Frieden zu seinen Füßen sehe. Das aber war in Rom, wohin er hinabgestiegen ist von den Schweizerbergen. Es war ein gar schrecklicher Weg, den Herr Werner selbst besungen hat in den Worten:

»Von des baltischen Meeres dürrem Strande
Wallt' zur Stadt des Herrn ein Pilgersmann;
Jhn verwies aus seinem Vaterlande

Ein verdienter, aber schwerer Bann!
Und von Land zu Land

Jagt in dessen Hand,

Dem er zu entflieh'n vergebens rang.«

Dabei hat er beinahe verzweifelt an der Möglichkeit, dass er der Bestien in seiner Seele jemals Herr werden könne, und mit weinenden Augen hat er gesungen beim Eintritt in das lachende Italien:

Ihr kommt zu spät, ihr ewig jungen Lauben;
Ach, hätt' ich früher cuer Grün geschauet,
Als noch des Lebens Morgen mir gegrauet!

Ich kann nicht leben mehr! — ich kann nur glauben.
Und doch o dass ich, ewig junge Lauben,

Nicht früher euer duftend Grün geschauet!

Es ist zu spät! - Der düstere Abend grauet!

Ich kann nicht leben mehr - werd' ich noch glauben?«

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Aber je weiter er vordringt in Italien, desto ruhiger wird's in seiner Seele und wie er am 9. December 1809 St. Peter von der Ferne herausragen sah aus dem Häusermeer, wie ein großes Segelschiff aus einem Walde kleiner Kähne, hat er wieder gesungen:

... Entschüttelnd mich dem Nebeltraume,
Will in schöner Erd' ich Wurzel schlagen,
Mich der Ceder anzuranken wagen,
Die den Wipfel schirmt vom Lorbeerbaum!
Rom, da thront es! Über Petrus Grab

Strahlt vom Petersdom des Glaubens Stab.«

Die bitterste, tiesinnerste Reue ergriff jeßt seine Seele über sein vergendetes Leben und er sang:

» Lüge war's, was ich zu singen
Wagte, dass es Liebe sei.

Macht von meiner Hölle Schwingen
Euch, von mir Verführte, frei!<

Aber noch fühlte er nicht die Kraft in sich, der Sünde ganz zu entsagen und es rang Gott mit dem Teufel mächtig in seiner Seele und schien gar manchmal, als müsse Gott weichen und das arme, zerrissene Herz dem Teufel überlassen für immer und ewig, und Werner selber schildert diesen Kampf der Gnade mit der Leidenschaft in ergreifenden Zügen:

› Selbst in der sieben Hügel Schoß
War das Gelüst mein Taggenoss,
Mein Nachtgesell das Grauen.
Geheßt, der alten Sünde treu,

Von Reu' zur Gier, von Gier zur Reu',
Selbst auf den heil'gen Bergen
Hab' ich gesündigt freventlich;

Entwürdigt hab' ich Rom und mich,
Das will ich nicht verbergen.<<

»Doch werden die Sündenbekenntnisse immer seltener und verstummen endlich ganz, die Sünde wird zum Ringen mit der Versuchung, das unruhige Suchen zum Finden, die Tage beginnen und enden mit Gebet.«1) Und wenn der Mensch einmal betet, so ist's, wie wenn er mit beiden Händen nach der Gnade griffe, die über seinem Haupte schwebt, und kann nicht fehlen, dass er selig und glücklich wird, selbst wenn's ein Kain wäre oder ein Judas, und kommt mit dem Beten die Lust zum Beten, wie mit dem Essen die Lust zum Essen sich mehrt. Und bald hat Herr Werner nicht mehr bloß am Morgen gebetet und am Abend, sondern hat einen Tag lang sich zurückgezogen in die stille Einsamkeit und hat die geistlichen Übungen des heil. Ignatius durchgemacht und ist doch kein Jesuit gewesen und nicht einmal ein katholischer Christ. Das hat ihm so wohl gethan, wie ein frisches Bad an einem heißen Sommertage, und er wiederholte das Ding dreimal hintereinander. Und jezt ist's wundersam licht geworden in seinem Innern, wie bei weiland St. Paulus, da der Herr ihn ge= blendet hatte auf der Reise nach Damaskus, und hat erst jezt Jesum recht kennen gelernt, den er verfolgt hatte sein Leben lang, und der ihm doch nachgegangen war in unbeschreiblicher Huld und Liebe, und war ihm, als rufe die Gnade in seiner Seele mit überlauter Stimme: du musst katholisch werden; denn da allein ist Ruhe und Frieden und Wahrheit und Hoffnung. Und er hat sich nimmer gesträubt, sondern beide Hände dem Herrn entgegengehalten, dass er sie erfasse und feßle und ist katholisch geworden in der heiligen Stadt Rom am 19. 19. April 1810. Jezt ist Friede und Freude eingezogen in seine Seele wie der liebe Heiland in Jerusalem am heiligen Palmsonntag und hat alles neu aufgelebt in ihm wie ein ausgedorrtes

1) Rosenthal: Convertitenbilder. 1. Bd., 1. Abth. S. 191.

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