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38. Der Verrath einer Uhr.

olf ist nicht der einzige Schelm gewesen unter P. Hofbauer's Schülern, sondern es hat noch mehr gegeben aus der gleichen Bruderschaft, die den Seligen betrügen wollten nach Gaunerbrauch. Aber wenn sie auch der gute P. Hofbauer bald durchschaute und das Unkraut unterscheiden konnte vom Weizen, so hat er es doch nicht ausgerissen mit unklugem Eifer, sondern es geduldet neben der guten Frucht bis zum Erntetag wie weiland sein lieber Heiland, der den Judas nicht fortjagte aus der Schar seiner Jünger, bis er selber am Baume die vergifteten Äpfel gesucht hat.

Einmal hat man dem seligen P. Hofbauer eine kostbare Repetieruhr zur Verwahrung gegeben, weil man glaubte, bei ihm sei sie sicherer als anderswo. Doch bald hat die Uhr Füße gekriegt und ist davongelaufen und wie P. Hofbauer eines Abends nach Hause kam, hat er die Uhr nimmer gesehen. Das war ihm denn doch nicht ganz lieb, weil die Uhr nicht sein Eigenthum war, und er hat darum alle Winkel durchforscht und auch alle Schüler, die gerade anwesend waren, haben ihm geholfen, den Deserteur wieder einzufangen. Einer aber war darunter und das war ein Gymnasialstudentlein, der hat aber besonders eifrig gesucht, als wäre die Uhr sein Eigen, dass es eine Freude war, wie ihm der Verlust seines Meisters selber so tief zu Herzen gieng. Und weil es möglich war, dass die Uhr doch an irgend einem dunklen Pläßchen ihr Quartier aufgeschlagen, hat er sich gebückt und auf allen Vieren niedergelassen und nach dem Flüchtling gesucht unter dem Bette. Da ist aber die Uhr rebellisch geworden und hat sich selber verrathen; denn sie hat laut geschlagen, dass alle es hören konnten, aber nicht unter dem Bette, sondern in des Studentleins Westentasche. Und nun sind alle aufgesprungen und haben abgelassen zu suchen und einander verwundert angesehen; denn in diesem Winkel hätte man nach der Uhr am wenigsten geforscht. P. Hofbauer aber hat den jungen Dieb mit einem durchdringenden Blicke gemessen von oben bis unten, der ihm hineindrang in die Seele wie ein Feuerstrom und gar mächtig gebrannt hat, dass ihm die Gluthröthe heraufstieg bis auf die Wangen. Und er hat sich selber verwünscht im Herzen und die Uhr, dass sie ihm

die Stunde geschlagen, wo er es am wenigsten wissen wollte, und ist dagestanden vor P. Hofbauer wie ein zitternder Pappelbaum und ist ihm die Zunge im Munde gelegen wie Blei und hat sie nicht rühren können. Dann griff er in die Tasche mit bebenden Händen und holte die Uhr hervor aus ihrem Verstecke und legte sie bedächtig und langsam dem Seligen in die Hand. Der aber hat ihm die weitere Strafe erspart und ihm nur bedeutet, er möge hingehen, woher er gekommen sei, und möge sich nimmer blicken lassen in seinem Hause; denn er passe so gut unter seine Schüler wie ein Rabe unter die Chorjänger. Und der Junge hat nach dem Hütlein gegriffen und sein Lebtag nie so gern gefolgt wie diesmal und hat erst wieder erleichtert aufge= athmet auf der Straße drunten. 1)

Es ist das nur ein kleines Vorspiel gewesen zum großen Trauerspiel, das der ewige Richter aufführen wird am jüngsten Gerichtstage. Hast du dem lieben Herrgott die Uhr, d. i. die Zeit gestohlen im Leben und hast sie verwendet zu geheimer Unzucht oder Diebstahl oder anderem heimlichen Sündenwerk und versteckt den ganzen Raub im untersten Heller deiner Seele, wie der Geizhals sein Geld in der Wertheimercasse, und thust so fromm wie St. Theresia und stellst dich vor der Welt so tren wie der gute Knecht im Evangelium und so rein wie ein Täublein! Heuchler, zieh' die Larve herunter im Leben noch und gib die gestohlene Uhr zurück in die Hände des Priesters an Stelle Gottes und bleib' in Zukunft ein ehrlicher Christenmensch vor Gottes Augen; denn ansonst zieht dir der allwissende Richter om jüngsten Gerichtstag die Heuchlermaske von der frechen Stirn und schlägt die Sündenuhr gar laut nicht mehr vor einigen Studentlein, sondern vor Vater und Mutter und Brüdern und Schwestern und deinen eigenen Kindern und deinem Weib oder deinem Manne, wenn du selber ein Weib bist und einen Mann hast, und vor allen Menschen und Engeln und dem ganzen Hofstaate Gottes, dass alle Welt weiß, wie viel es geschlagen hat bei dir. Wie wirst du dann dastehen in Schand und Spott wie ein gefangener Mordbrenner an der Schandsäule auf offenem Marktplatz, dass du wünschen möchtest, lieber in der Hölle zu liegen als vor Himmel und Erde auf dem Pranger zu stehen! Und was wirst du wohl

1) Brunner: S. 276.

sagen, wenn dir der ewige Richter den Abschied gibt auf immerwährende Zeiten und dich verbannt von seinem Angesichte, weil er Füchse nicht brauchen kann unter seinen Auserwählten?

Dann werden sie anfangen, zu den
Bergen zu sagen: Fallet über uns! und
zu den Hügeln: Bedecket uns!
Luc. 23, 30.

39. Liliendust.

eßt will ich aber dich hinaufführen in P. Hofbauer's Wohnung und wollen uns zusammenseßen unter seine Schüler, um auch Profit zu ziehen aus seinen hei= ligen Lehren. Und ist dir das recht gut, wenn du selber junge Leute hast zum Erziehen, dass du weißt, was du ihnen für Futter vorzusehen habest, oder wenn du selber ein junges, flottes Bürschchen bist oder ein leichtfüßiges Mägdlein, dem eine weise Lehre gar noth thut, damit es sich den Fuß nicht bricht und zum Krüppel werde für ewige Zeiten.

Unter allen Tugenden, die P. Hofbauer seinen jungen Lieblingen eingeimpft hat, ist besonders jene gewesen, die einem jugendlichen Herzen viel schöner steht, als ein neues Kleid dem jungen Leib, und die herausduftet aus der Seele wie Lilien aus dem Garten, und das ist die heilige Unschuld und die Reinigkeit des Herzens. Mit dieser Tugend die jungen Seelen zu fleiden, war sein beständiges Streben und haben alle seine Mahnungen in diese eine Lehre ausgeklungen: »Bleibt rein und feusch! Oft hat er gerade diese Tugend die unerläßliche Bedingung des Glaubens und des christlichen Lebens genannt und er hat Recht gehabt; denn es sind viele ungläubig, weil sie nicht rein sein können, und das kommt daher, weil der Glaube ein feines Licht ist, das nicht brennen kann, und auslöscht, wenn die Luft nicht rein ist, in der es leuchtet, sondern mit unreinen Dünsten voll wie eine Branntweinkneipe, und weil zweitens der Mensch den ewigen Richter gern hinausdisputieren möchte aus der Welt, den er zu fürchten hat. Und weil der christliche Wandel nichts anderes ist, als der Kranz aller Christentugenden, den sich der Mensch flechten soll für den Tag der Vergeltung: so bringt auch den das Herz nicht

Leben d. sel. Clem. M. Hofbauer.

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zustande, in dessen Grund nicht die Reinigkeit blüht, weil gerade die Unlauterkeit die Seele entnervt und jämmerlich schwach macht, dass sie sich nicht beherrschen kann in anderen Dingen, und hängen darum an diesem Laster viele andere Sünden, wie Nadeln am Fichtenbaum. Darum hat der gute P. Hofbauer gegen dieses Laster gedonnert, mehr als gegen andere, und hat den jungen Leuten oft wiederholt, dass es die meisten Candidaten der Hölle zujage, und hat ihnen davor Furcht und Schrecken eingeflößt wie vor dem leibhaftigen Satan. »Jungfräuliche Seelen aber,« hat er gesagt, »sind Schwestern der Engel. Und auch das ist wahr; denn es führt eine Seele auf Erden ein Engelsleben, die im fündigen Fleische sich rein bewahrt von den Sünden des Fleisches. - Und darum hat P. Hofbauer so viel gethan, dass die jungen Herzen nicht befleckt werden, sondern rein und makellos bleiben, und hat einem seiner liebsten Freunde beim Abschiede kein anderes Andenken und auch keinen anderen Glückwunsch mit in die Fremde gegeben als das eine Wörtlein: Bewahre die Reinheit des Herzens und die Geradheit der Absicht! Und es geht uns jetzt ein neues Licht auf, warum der Selige so eine große Liebe gehabt hat zu Kindern und Jugend, und ist dies darum geschehen, weil er die Engel geliebt hat und ihre Tugend.

Du musst aber nicht denken, lieber Leser, dass P. Hofbauer bloß anderen schön vorgepredigt hat von der Unschuld, und sich selber davon freigebig dispensiert hätte; denn es wäre das eine schlechte Liebe zur Tugend, wenn man sie am liebsten in fremden Häusern wohnen sähe, nicht aber im eigenen Herzen.

So hat der Selige die Unschuld nicht geliebt, sondern ist sein eigenes Leben eine wundersam schöne Predigt ge= wesen von des Herzens Reinheit und hat er selber wie eine hellweiße Lilie geblüht und geduftet im Garten der Kirche. Nie in seinem langen Leben ist auch nur ein Blättlein davon abgefallen oder hat sich ein Schmutzfleck drauf niedergelassen, sondern er hat seine Seele so rein dem Schöpfer zurückgegeben. im Sterben, wie er sie bekommen hatte, und wenn auch die Wiener gar scharfe Augen im Kopfe trugen, so haben sie an dieser reinen Seele doch mit all ihrer Neugier nichts finden. können, was auch nur den Schatten eines Verdachtes erregt hätte. Wie seinen Augapfel hat er die Reinigkeit gelicht und gehütet und hat diese Tugend gar lieblich aus seinem Ange

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geleuchtet und seinem ganzen Wesen, und wer ihn nur sah, ist von Ehrfurcht ergriffen worden, als stünde er vor einem Engel des Himmels, Seine Person,« hat einer derselben gesagt, strahlte in englischem Glanze und schon sein Anblick entflammte die Liebe zur Unschuld.« Und wenn er die jungen Leute umarmt und an sein Herz gedrückt hat, so war es, als spränge ein heiliger Funke aus seinem Engelherzen hinüber in ihre Seele und dort entzündete sich das Feuer der göttlichen Liebe, das alles Unreine ausbrannte aus ihrem Herzen, wie das Fener das Pech in dem Fässlein.

Was ist's doch wundersam Schönes um eine Lilie im Garten, wie sie herausschießt aus dem Boden und pfeilgrad hinaufwächst zum Himmel, dass du sie fast aufhalten möchtest im Wachsen, und blüht so weiß und rein und zart, als hätt' sie Adam mitgenommen aus dem Paradiese, und hat einen so edlen Duft, dass unsere Nerven fast zu schwach sind dafür, und ist so schön, dass der liebe Heiland selber sie geadelt hat durch ein schönes Gleichnis und sie hineinsetzen ließ ins heilige Evangelium und meinte, es sei selbst der weise Salomon nicht so schön gewesen in all seiner Pracht wie eine Lilienblume, und war doch Salomon ein reicher König, der sich mit Glanz und Schönheit umgeben hat wie kein anderer König weder vorher noch nachher, und sie braucht sich auch ihr Kleid nicht zu spinnen und zu nähen, weil Gott es ge= macht hat. Und ist doch noch was tausendmal schöneres um ein reines Herz. das sich nie befleckt hat mit unreiner Sünde und schießt auch heraus aus dem Erdboden und wächst schnell dem Himmel zu und kostet ihr nicht viel Mühe, weil das Unkraut nicht so leicht wächst in einem reinen Herzen und der Herr den Boden mit seiner Gnade begießt, dass er fruchtbarer werde. Und ist die keusche Seele so schön, dass keine Kaisertochter so schön ist in all ihrer Pracht; denn sie hat Engelsschönheit, die nicht altert und welft und keinen Erdenschmuck braucht, und zieht das Herz Jesu Christi an, dass er sie zur Braut erwählt für ewige Zeiten. Und selbst die Welt hat Respect davor und hält so große Dinge auf eine unschuldige Seele, dass sie nicht recht glauben kann, dass die Lilie wo anders zu finden sei als nur in fleinen Kinderherzen. Liebe Seele! Auch in dich hat der allmächtige Gott bei der Taufe den Liliensamen hineingepflanzt gar sorgsam und der ist aufgegangen und gewachsen unter Gottes Schutz und Gnade! Halt Umschau! Steht die Lilie noch frisch und grün und blühend

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