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Nachbarin heimsuchtest, die ihre Zunge schon geschliffen hat die ganze Woche; denn das ist die wahre Nachfolge Christi. Und gehörst du zu den Leuten, die nicht recht wissen, wie sie die Zeit verkaufen sollen, weil sie deren zu viel haben, so mach' auch an Wochentagen deine Visiten bei den Kranken in der Nachbarschaft, und ist ein Krankes in deinem eigenen Hause, so thu' nicht, als ob du lahme Beine hättest, sondern Lauf' Stiegen auf und ab, und bringe ihm ein freundlich Wort und ein theilnehmend Herz. Sperr' überhaupt dein Herz nicht zu, wie die Sennerin die Alm, wenn sie zur Kirche geht, sobald dir wer seine Leiden klagt und seine Kränklichkeit und seinen siechen Leib dir zeigt und wo's ihn drückt und sticht, sondern hör' mitleidig zu. Es ist für ihn das schon Trost, wenn er eine Seele findet, die ihn anhört.

Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott und dem Vater ist dieser : Waisen und Witwen in ihrer Trübsal beinchen und sich unbefleckt von dieser Welt bewahren. Jac. 1, 27.

60. Dreißig Kreuzer.

8 ist was gar Trauriges um einen kranken Menschenleib, aber noch tausendmal trauriger ist es, wenn im franken Menschenleib eine franke Seele wohnt, die der Teufel quält mit allerhand Versuchungen zu Ungeduld und Kleinmuth, zu Verzweiflung und Unglauben und Sünden aller Art, und die sich nicht helfen. fann wie ein Kälblein am Metzgerstrick, hinter dem der Fleischerhund bellt. Und weil der Satan den Kranken mehr zu Leibe geht, als den Gesunden, darum braucht besonders der Kranke die Kraft der Gnade und den Zuspruch des Priesters und dessen Segen und muss sich nähren mit Christi Fleisch und Blut, damit die arme Seele nicht nervenschwach werde im Kampfe mit der Hölle. Darum ist es gar thöricht und wenig christlich, wenn man meint, es sei genug, den lieben Heiland nur einmal einzulassen in des Kranken Seele. Es kömmt der Bader fast alle Tage und visitiert den kranken Leib und gibt man ihm sogar öfter im Tag Pulver und Tropfen ein zur Genesung und Fleischbrüche zur Stärkung, und was für den kranken Leib der Bader und die Medicin

und die Suppe, das ist für des Kranken versuchte Seele der liebe Heiland und sein Fleisch und Blut, und was ein rechter Christenmensch ist, der lädt den lieben Heiland öfter zu Besuch in seine Seele, wenn er frank wird. Daher hat der selige P. Hofbauer den Kranken, die er besucht hat, oft den Leib des Herrn gebracht und oft ganze Nächte gewacht, um einer franken Klosterfrau gleich nach Mitternacht die heilige Communion reichen zu können. Und wenn er sah, dass die Seele eines Kranken mit schweren Versuchungen ringe, ist er stundenlang am Bette gestanden, um Waffen zu reichen. zum Kampfe und kämpfen zu helfen durch Gebet und Zuspruch, und ist oft Tag und Nacht nicht vom Krankenbette gewichen, wo seine Hilfe Noth that. Und wenn man ihn gerufen hat, einen Kranken zu versehen mit den heiligen Sacramenten oder einen Versuchten aufzurichten oder einen Sterbenden vorzubereiten auf seinen Todesgang, hat er alles liegen gelassen, was unter seinen Händen war, und ist gegangen, mochte es Tag sein oder Nacht.

Einmal ist ein Büblein gekommen, das hat so wehmüthig dreingeschaut, als wär' ihm sein Mütterchen gestorben, und hat seine Stimme geklungen wie eine Armenfünderglocke, wenn's zum Galgengang läutet. Das Büblein hat den guten seligen P. Hofbauer gar rührend gebeten, er möge doch kommen und eine alte, franke Frau besuchen in der Vorstadt draußen. Es war schon spät Abend und haben alle Glocken schon zur Ruhe geläutet und selbst die Sonne ist schon müde gevesen von langem Laufen und ist schlafen gegangen hinter dem Kahlenberge und auch P. Hofbauer hat gefühlt, dass er müde sei von des Tages Arbeit, und hätt' sich auch am liebsten schlafen gelegt, um sich zu stärken für den kommenden Tag. Aber die alte, kranke Frau lag viel= leicht im Sterben und hatte keinen Priester, und vielleicht lag auch noch manche schwere Sünde auf ihrem Herzen, die es niederdrückte wie Schnee die Zweige im Winter, und fahre am Ende gar zur Hölle, wenn er ihr nicht Hilfe brächte noch vor Mitternacht, und liege die Rechenschaft dafür auf seiner Seele. Darum hat er die Müdigkeit überwunden und den Schlaf geopfert und ist gelaufen mit seinen alten Beinen drei Viertelstunden weit bis zum Hause der Kranken. Wie er aber eintrat in das Zimmer, hat er feine Kranke gesehen, sondern es ist nur ein altes Weiblein beim Tische gesessen, das hat ihn gemüthlich angeblickt und hat gar nicht aus

gesehen, als ob es den Doctor brauchte und den Geistlichen. Aber weil der Selige gefürchtet hat, es könnte ihr doch was fehlen im Innern, was man ihr nicht ankenne von außen, darum hat er sie freundlich gefragt, was ihr denn fehle und was sie denn wünsche. Und da hat die Alte erwidert: » Wissen Sie, fehlen thut mir nichts; aber ich brauche dreißig Kreuzer, und weil ich gehört habe, dass Sie den armen Leuten gerne helfen, hab' ich Sie kommen lassen. Jezt hat der Selige freilich nicht gewusst, was er denken solle über diese Altweiberweisheit. Doch bös ist er nicht geworden und hat auch keine gestrenge Miene aufgesezt und kein Wort des Tadels gehabt für eine solche Einladung, sondern hat das Beutelchen aus der Tasche gezogen und der höflichen Bettlerin die dreißig Kreuzer gegeben, die sie gewünscht hat.')

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Lieber Leser, erforsch' dich ein wenig auf deine Geduld und Nächstenliebe! Wie hättest es denn du gemacht an P. Hofbauer's Stelle? Vielleicht wärst und drein gefahren mit allen Donnerwettern und hättest der Alten ein Capitel gelesen aus dem Leviticus und hättest ihr schöne Titel ge= geben aus dem Zigeunerlerikon, dass auch ihr der Zorn in die Zunge gefahren wäre, wie der Bliß in den Telegraphen, zumal es bei manchen Menschen ohnehin nicht viel Zündhölzchen braucht, dass sie Feuer fangen. Und was hättest du erreicht damit? Gottes Zorn wegen deiner Zornsünd' und des anderen Menschen Sünd' und einen Arm voll Holz fürs Fegfeuer und die Revolution in deiner Brust und deines Gegners Hass und übel Nachrede und vielleicht noch mehr von dieser Gattung. Da ist doch der Selige g'scheiter ge= wesen, dass er den Groll heruntergeschluckt hat wie ein Galltröpflein und still geblieben ist und gegeben hat; denn ihm hat der liebe Gott die dreußig Kreuzer gezahlt und den langen Weg vergütet, den er gemacht hat mit guter Meinung, und hat ihm die überwundene Versuchung gut angeschrieben und die unterdrückte Red' und ist der Dreißigkreuzerweg für ihn profitabler gewesen, als der Weg zur Börs' für ein gewinnsüchtiges Jüdelchen.

Die Geduld hat das Werk vollendet.

Jac. 1, 4.

1) Brunner S. 201.

61. Ein Wolf im Sterben.

'bsonderlich zart ist P. Hofbauer's Liebe geworden, wenn er von einem Menschen hörte, der sich in schweren Sünden aufs Sterbebett gelegt und sich auch

da noch in seinen Sünden gedreht hat, wie eine Thür in den Angeln und hat noch nicht lassen wollen von seinem Lasterleben, oder wenn ein Mensch, der schon auf der letzten Pfeife gepfiffen hat, noch an Erd' und Leben geklebt ist wie Koth an einem Husarenmantel und von der Reise in die andere Welt nichts hat wissen wollen. Hat man ihn an so eines schwerhörigen Erdmenschen Bett gerufen, dann hat er den Rosenkranz ergriffen und ihn mit doppelter Andacht gebetet, damit ihm die liebe Gottesmutter helfe, die Eisrinde schmelzen, die sich um des Sterbenden Seele gelegt hat, und ist gar froh gewesen, wenn der Weg zum Kranken hübsch weit war, weil er mehr hat beten können für dessen Seelenheil. »Ja«, hat er einmal gesagt, »da geht's schon gut, wenn so ein Kranker in der Vorstadt wohnt, da hab' ich Zeit, den Rosen- franz zu beten, und ich wüsste nicht, dass ein Sünder sich nicht bekehrt hätte, wenn ich früher Zeit zu diesem Gebet gefunden.«1) Und wenn er zum Kranken kam, hat er einen goldenen Schlüssel herausgeholt aus seinem innersten Herzen, um sich des Kranken Herz zu erschließen, und ist zerschmolzen in inniger Liebe, wie ein brennendes Wachskerzlein in der Gnadencapelle und ist gar freundlich gewesen mit dem Sünder, wenn auch seine Freundlichkeit kein Echo fand in der erd= haften Seele, und hat alle Kälte und jedes harte Wort abprallen lassen an seinem Herzen und ist nur um so theilnehmender geworden, je eisiger der Empfang gewesen ist. Und selten ist's geschehen, dass des Sünders Eis hart und fest war wie Nordpoleis und sich nicht wegschmelzen ließ durch Liebe und Beten, sondern es hat des Seligen Eifer gerade am Kranken- und Sterbebette die schönsten Triumphe gefeiert und sterbende Sünder mit Gott versöhnt, die schon an die dreißig und vierzig Jahre nicht mehr gebeichtet hatten. Wenn man daher einen Kranken gehabt hat irgendwo in der Wienerstadt, mit dem kein Geistlicher was richten konnte, hat man den Seligen berufen, dass er den Teufel beschwöre in des Beseffenen Seele, und der ist bald fertig geworden mit

1) Brunner, S. 207.

Seiner höllischen Majestät. Horch ein bisschen, ich will dir jezt ein Stücklein ums andere herseßen und sind lauter Sterbebilder, die gar licht gemalt sind auf schwarzem Hintergrund.

Der erste, mit dem's anhebt, ist ein steinalter Wiener Herr gewesen, den auch einmal der Tod gepackt hat, wenn er auch hohe Titel hatte und auf hohen Stühlen gesessen ist und viele Leute vor ihm den Hut heruntergenommen haben zu einem tiefen Compliment; denn es ist der Tod nicht so höflich wie andere civilisierte Menschen und macht nicht so viel Federlesens mit hohen Herrschaften, und wenn auch die nicht gern von ihm reden hören, so macht er ihnen doch auch seine Visite und führt sie spazieren in Grab und Ewigkeit. Zudem hat er bei dem noblen Wiener-Herrn ohnehin lange zugeschaut und ist neben ihm hergelaufen viele Jahre lang und hat ihm Rippenstöße gegeben als Vergissmeinnicht ins Gebetbuch und hat ihm die Zähne ausgerissen und die Haare gebleicht und den Rücken gekrümmt und das Gesicht gefaltet und seinen Kopf geschwächt und hat das Zittern hineingelegt in seine Glieder, dass er sich lang bereiten konnte zur Abfahrt. Der aber hat sich nicht gerichtet, sondern ist mit seiner Seele um so fester sizen geblieben im Leib wie ein Stammgast beim Bierkrug. Sein Name ist zwar in einem katholischen Taufbuch gestanden, aber das katholische Leben hat ihm nie viel schlaflose Nächte bereitet. Und jetzt haben seine Verwandten den Tod schon gerochen an seinem Bette; er aber hat sich die Nase zugehalten und hat gemeint, der Tod werde wohl so vernünftig sein und ihn auf Erden lassen, bis er Herein sage. Und wie ihn die Verwandten gemahnt haben an des mageren Gastes Nähe und dass er Rechnung machen möge mit dem ewigen Richter, che Neujahr kommt, hat er den Kopf geschüttelt und gemeint, es habe hiezu noch Zeit in Fülle; denn es stehe die Sonne noch hoch am Himmel. Da haben seine Freunde Priester gerufen einen nach dem andern. bis an die zwölf aus dem Weltpriesterstande und Klostergeistliche aus verschiedenen Klöstern und meinten, es hätte der Kranke mehr Respect vor Priesterkleid und Priesterwort als vor Weiberrock und Weiberred'. Aber die hat der Kranke gar unmanierlich empfangen; denn wenn ein Geistlicher eintrat zur Zimmerthüre, hat ihm der Kranke einen Blick zugeworfen wie ein Wolf dem Schäflein und hat

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