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die Erde ihr Gesicht hinhält gegen die Sonne, desto schneller zieht die Sonne die Pflanzen aus der Erde und die Früchte aus den Pflanzen. Und je gerader die Seele steht gegen Gottes Gnad' ohne schiefes Fuchsgesicht und Hintergedanken, desto eher reifen in ihr die Früchte, die Gott gefallen und der Seele Speis' sind auf der himmlischen Tafel. Und je geringer die Seele ist in ihren eigenen Augen und je höher das eigene Elend und die eigene Armseligkeit vor dem Angesichte der Seele aufgehäuft ist wie der Düngerhaufen in einer Wiese, desto grüner und üppiger schießt die Tugendfaat unter der Gnadensonne in die Halme; denn es hat der allmächtige Gott den Brauch, alles aus nichts zu machen, die Erde und den Himmel und die Heiligen drin.

Die Einfalt führt richtig die Gerechten;
aber die Hinterlist stürzt die Verkehrten ins
Verderben.
Epricht. 11, 3.

65. Hüben und drüben.

s ist schon eine große Liebe, die da währt bis zum Tode und es gibt nicht viele, deren Liebe so lang= haarig wäre; aber P. Hofbauer's Liebe hat noch

längere Arme gehabt und hat hinübergereicht übers Grab und den Todten noch Hilfe gebracht, so weit es noth-. that; denn es braucht der Christenmensch auch nach dem Sterben noch Hilf' und Trost und oft noch mehr als im Leben, falls er nicht als Kind gestorben und vom Bettlein gen Himmel geschnellt ist wie ein abgeschossener Pfeil oder falls er gar in die Hölle gefallen ist, dass ihm nimmermehr geholfen werden kann in alle Ewigkeit.

Da ist in Wien ein alter Herr gewesen, der schon über die sechzig Jahre gehabt und dem Kaiser gedient hat von Jugend auf als kais. kön. Beamter. Seine Frau war gut und fromm und hat gern gebetet und ist nachgiebig gewesen, was beides zusammengehört bei einer Christenfrau, und hat den Herrn Gemahl gut gehalten und ihm schön gethan, als wär' er ihr Schußengel, und hat auch sonst alles gehabt, woran ein Mann Freud' haben kann bei seinem Weibe. Und doch hat's der Beamte bei ihr nicht so lange ausgehalten als im kaiserlichen Dienste, sondern hat sich von ihr scheiden lassen und lieber allein gelebt, als mit seiner

guten Gemahlin, der er doch ewige Liebe und Treue geschworen hatte am Hochzeitstag. Und das ist daher gekommen, weil er ein grauer Sünder gewesen ist, dem das Beten und die Frömmigkeit und Sanftmuth seiner Frau in die Nase rauchte wie der Weihrauch beim Hochamt dem Teufel, und ist ihm seine Frau ein ewiger Vorwurf gewesen wie der Hahnenschrei dem fündigen St. Petrus. Mit dem Kirchengehen hat er's nicht genau genommen und den Freitag hat er gehalten, wenn er kein Fleisch gekriegt hat, und auch sonst ist er noch an manchem Gebötlein hängen geblieben und ist dem Kaiser noch treuer gewesen als seinem Weibe und seinem ewigen Herrn im Himmel oben. Aber auch mit der Kaisertrene ist's so gestanden, und wäre auch ein helles Wunder, wenn ein Mensch, der ein schlechtes Zeugnis verdient als katholischer Christ, ein zarteres Gewissen hätte in Staatsdiensten, und ist keinem Beamten recht zu trauen ohne Christenthum, auch wenn er Hofrath oder Minister wäre. Auch der Wiener Beamte von dazumal ist um des Kaisers Geseze herumgegangen wie der Fuchs um den Hühnerstall und ist gar heimlicher Freimaurer geworden, obgleich das strenge verboten war in Österreich. Und ist es auch heute noch verboten und mit Recht, weil der Freimaurerbund ein gefährliches Wesen hat und im Geheimen arbeitet gegen Thron und Altar. Und wissen es viele selber nicht, die drinnen sind, dass sie missbraucht werden zu Revolution und Umsturz, und meinen, nur Humanität zu fördern und lichte, gute Werke zu thun zum Wohle der leidenden Menschheit; und sind doch schon ganze Bücher darüber geschrieben und mit Acten bewiesen, dass viele mächtige Ströme von Blut und Thränen im Freimaurerthum ihre Quelle haben, und erweist jeder der Menschheit einen guten Dienst, der das Schwert aufhebt zum Kampfe gegen diesen Wolf im Schafspelz. Und wenn auch der alte Wiener Freimaurer den Höllenbund lieber hatte als sein himmlisch gutes Weib und sie weggejagt und verstoßen hatte wie ein überzähliges Käßlein, so hat sie ihm doch die Lieb' und Tren' nicht aufgefündet, sondern hat geweint und gelitten und gebetet für ihn Tag und Nacht_um Gnade und Bekehrung und hat auch den seligen P. Hofbauer, der ihr Beichtwater war, ersucht ums Gebet und hat viele heilige Messen tesen lassen für seiner Seele Rettung, und ist das eine gar wundersam edle Rache ge

wesen, würdig eines braven Christenweibes. Dieser Edelmuth hat auch den lieben Gott im Himmel gerührt und hat Gott es gefügt, dass der Freimaurer sogar einmal in eine Predigt kam vom seligen P. Clemens. Wie er aber einmal drinnen war, ist er wunderbar gefesselt worden von der Feuerrede des Seligen und ist auch der Hahn wach geworden. in seinem Gewissen und hat ihm gar laut in die Ohren gekräht, dass er's nimmer überhören konnte. Und doch hat ihm die Predigt überaus gefallen und er ist von da an jeden Sonntag in die Ursulinenkirche gegangen zu Amt und Predigt und ist P. Hofbauer's eifrigster Zuhörer gewesen. Dabei sind die Vorwürfe immer lauter geworden, die er sich machte über sein Sündenleben und seinen Undank gegen Gott und seine gute Frau und er hat sich entschlossen, die alte. Sündenhaut auszuziehen und eine ordentliche Beicht zu verrichten über sein ganzes Leben und sich wieder auszusöhnen mit seiner Frau und dem Freimaurerthum zu entsagen und fortan zu leben als braver, katholischer Christ. Und er hat sich selber Wort gehalten, wie sich's ziemt für einen Mann von Charakter und eine Generalbeicht abgelegt bei Herrn Werner; die hat freilich lange gedauert, aber gut und gründlich ist sie gewesen, dass ihm selber leicht und wohl wurde in der Seele wie einem Zigeunerbüblein, wenn es sich wieder einmal gewaschen hat nach Jahr und Tag. Darauf hat er seine Frau zurückgerufen und demüthig um Verzeihung gebeten für all das Unrecht, und hat Freudenthränen geweint und ihren Mann noch lieber gehabt als zuvor. Und auch Schurz und Kelle hat er ausgeliefert und sich gründlich bekehrt wie der Schächer am Kreuze rechts.

die

Aber lang hat's nimmer gedauert mit selbigem Menschen und ist gewesen, als hätt' unser Herr mur gewartet auf seine Bekehrung; denn schon vierzehn Tage nach obiger Beicht hat er Stechen gefühlt in der Lunge, wie wenn Nadeln darin wären, und ist ihm das Athmen schwer geworden, und wie man den Doctor rief, hat er bedenklich die Achseln. gezuckt und gemeint, diese Lungenentzündung dürfte wohl stärker sein als des alten Mannes Lebenskraft, und hatte auch Recht; denn es ist mit dem Manne schnell bergab gegangen und er hat selber gefühlt, dass bald die Todtentruhe sein Bett sein werde; doch hat ihn diese trübe Aussicht nicht erschreckt, sondern er hat dem Tode ruhig ins Auge

geschaut und Gott gedankt mit aufgehobenen Händen für seine unendliche Gnad' und Erbarmnis. Einige Stunden vor dem Sterben hat ihn der selige P. Hofbauer noch heimgesucht, um ihn zu trösten und ihn vorzubereiten auf einen seligen Hingang. Aber er hat den Kranken schon wundersam vorbereitet gefunden und hat derselbe nur gebetet und das Kreuz geküsst in seiner Hand und Ströme von Thränen geweint über sein sündenhaftes Leben und hat Tod und Schmerzen angenommen als Buße für seine Verirrung und ist dabei doch voll Vertrauen gewesen auf Gottes Huld und Liebe und hat sich gewaltig gesehnt nach dem Augenblick, wo er seinen barmherzigen Heiland sehen sollte von Angesicht zu Angesicht. Dann hat er noch nach seiner Frau verlangt jezt ist sie auch schon todt, Gott hab' sie selig und ihr mit weinenden Augen gedankt für Gebet und Messen und hat ihr die kalte Hand hingehalten und sie angeschaut mit einem gar flehentlichen Blick und hat sie gefragt: »Weib, kannst Du mir alles verzeihen, was ich Dir angethan hab' ?« Der sind jezt auch die Augen nafs geworden, und sie hat seine Hand ergriffen und gesagt: »Mann, sei still; Du weißt's ja!« Und so ist er gestorben als reuiger Büßer und man hätt' meinen sollen, er sei in den Himmel gefahren mit Extrapost und habe das Fegfener rechts liegen gelassen von wegen seiner Keu' und Gotteslieb'. Aber man darf sich den ewigen Richter nicht vorstellen als einen alten weinerlichen Herrn, der alle Sünden vergisst und den Himmel sperrangelweit aufthut, wenn ihm der Mensch nach einem langen Sündenleben nur ein schönes Compliment macht und ihm einen schönen Titel gibt auf gut hochdeutsch oder gar auf französisch. Und wenn er auch unendlich barmherzig ist, so barmherzig wie alle Engel und Menschen zusammen es nicht sein können, so ist er doch auch ebenso gerecht und lässt kein unreines Seelchen hinein in den Himmel, auch wenn's tausend Empfehlungsbriefe mitbrächte von guten Gottesfreunden. Und wenn der Mensch im Leben auch alle Sünden bereut und giltig gebeichtet hat, so lässt ihn doch der strenge Richter nicht ins Himmelreich, wenn noch ein Fleckchen ungelöschter Schuld oder ungetilgter Strafe sich findet, und schickt ihn hinab in einen großen, tiefen See, darin er sich baden muss, bis er rein ist, und dauert das oft gar schrecklich lang, an die zehn und hundert Jahre und darüber; denn es frisst sich die Sünde hinein in

die Seele, viel ärger noch als Fett ins Tuch, wenn dir ein ungeschickter Diener beim Auftragen die Suppe auf deinem Rock präsentiert. Und das ist nicht etwa ein Bad von lauwarmem Wasser, das an die 25 Grad hat; denn so was greift nicht an an der Seele, sondern ist pures, lediges Feuer, an die viele hundert Grad heiß, darin die arme Seele sich baden muss, bis alle Sünden ausgebrannt und weggefegt sind von ihr, und heißt darum das Fegfeuer. Und wäre die Seele selber nicht unverbrennlich, sie müsste schon in ein paar Augenblicken zugrundegehen vor Feuer und Hig' wie ein armes Thierlein im Hochofen. Wenn auch obiger Wiener Beamte reuig und selig gestorben ist, dass P. Hofbauer selber nicht Worte genug finden konnte über dessen bildschönen Tod, so hat doch auch er hinunter müssen ins Fegfeuer, wie andere Seelen; aber eine Gnade hat ihm der liebe Gott erwiesen nach dem Tode noch, die er tausend anderen Seelen nicht erweist, weil es ein absonderlich großes Privilegium ist, dass er hat guten Leuten seine Noth klagen dürfen und sein Elend. Bald nachdem er gestorben war und sein Leib schon Ruhe gefunden hatte in geweihter Erde, hat einmal seine Frau gut geschlafen, wie ihres Mannes Leib im Grabe, und mitten im Schlafe hat sie den verstorbenen Mann gesehen, dass sie selbst darüber erschrack, weil mit den Todten niemand gerne zu thun hat, selbst wenn's Eltern sind oder Kinder. Der Mann aber ist vor ihrem Bette gestanden und hat sie wehmüthig angeblickt, als möcht' er sie um was bitten und hat doch nichts gesagt, und ist sein Antlig so bleich gewesen wie frischgebleichte Leinwand, und ein stiller, stummer Schmerz war darein begraben wie Inschrift auf dem Grabstein, und über all dem Schmerz und Weh war doch eine süße, gottergebene Ruhe ausgegossen wie über all der Qual eines heiligen Märtyrers. An seinem Leibe aber trug er kein schönes Gewand, wie man's im Himmel hat, und auch keines jener Kleider, die er auf Erden getragen hatte, sondern er war in elende Lumpen gehüllt, die in Fezen von seinen Gliedern hingen und nicht einmal seine Blöße bedeckten, und stand der Herr vor seiner Gemahlin wie ein zerlumpter Bettler im Friedhof am Allerscelentage und war doch ein reicher Herr gewesen und ein hoher Beamter. So ist er da gestanden eine Zeit lang und hat seine Frau angeblickt und sie hat ihn angeblickt und hat keines ein Wort geredet, und dann ist er verschwunden. Bei ihr

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