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Augen, die er inwendig hatte in der Seele drinnen; denn es führt der Christ zweierlei Augen und trägt die einen auswendig ober der Nase und das sind Naturangen, mit denen sieht man das Auswendige an der Sache, das bei einem Feinde oder gehässigen Menschen gar stachelig und bitter ist wie eine Kastanienschale und lässt sich nicht angreifen und kann's auch der Mensch nicht verdauen. Drinnen in der Seele aber hat der Christ noch andere Augen und das sind die Glaubensaugen; die sind licht und hell und scharf, wenn man sie nicht verdorben hat mit allerhand Lesen und vorwißigem Hineinschauen in's Sonnenlicht, und sehen das Inwendige an den Dingen und das ist bei einem Feinde süß und nahrhaft und seelenstärkend wie der Kastanienkern, wenn er gut gebraten ist. Mit diesen Augen hat P. Hofbauer die bösen Menschen betrachtet und darum hat er sie lieb gehabt wie seine liebsten Freunde und manchmal gesagt: »Die Feinde sind als Wohlthäter zu betrachten, denn sie helfen einem in den Himmel kommen.1) Und das ist wahr, denn wenn man die Sach' inwendig anschaut, so ist der Feind ein gar fleißiger Handlanger, der dir Mörtel zuträgt und Stein und Ziegel, dass du draus allerhand Tugenden aufbauen kannst in deiner Seele zu einer schönen Stadt, wie: Geduld und Sanftmuth und Gottvertrauen und Hingabe an Gottes Willen, und edelherzige Nächstenliebe und was noch drum und dran hängt, und hätt'st du all' diese Tugenden nicht, wenn's keine bösen Leute gäbe, die dir Prügel werfen unter die Füße. Dafür musst du sie zahlen, wie man Handlanger zahlt, und hat sie auch P. Hofbauer bezahlt mit absonderlicher Liebe, und wenn ihm seine Feinde auch alles raubten, selbst die Hoffnung für die Zukunft, so hat er doch sein Lebtag nie gemurrt und geklagt, und über alle Verfolgungen kein Wörtlein verloren und ist ihm nie eine harte Red' entschlüpft über seine Verfolger, sondern ist immer heiter und ruhig geblieben mitten in allen Stürmen und war wie das Licht im Leuchtthurm, das alle Wellen nicht auslöschen können

Fuße des Felsens. Einmal hat eine mitleidige Schwester gar tiefes Bedauern gehabt mit dem verfolgten Priester und hat's ihm auch gesagt, wie es ihr zu Herzen gehe, dass er so viele Feinde habe, die ihm alles Gute mit

1) Summ. p. 284.

Undank heimzuzahlen, und hat ihn verwundert gefragt, ob er denn darob gar keinen Zorn verspüre in seiner Seele und ob ihm die Galle niemals überlaufe und das Herz schneller schlage und das Blut heißer aufwalle in den Adern. Da hat er ihr lächelnd die Hand hingehalten und freundlich gesagt: Schau meine Hand an; sie ist nicht mit Blut befleckt; noch habe ich kein Blut vergossen.« Statt sich zu rächen hat er gebetet für seine Feinde und alles gethan, um sie für Gott zu gewinnen und den Himmel, und ist gewesen, als müsse man ihm Böses anthun, um recht tief in seinem Herzen zu sißen. Unter denen, die das Grimmen gekriegt haben, so oft sie ihn sahen, ist auch ein geistlicher Herr gewesen, der hat dem seligen P. Hofbauer viel übles nachgeredet und viel Böses angethan und ihn heruntergesezt bei Hoch und Nieder und hat dran gearbeitet, ihn hinauszujagen aus Wien und Österreich, P. Hofbauer aber ist alle Sonntage zu ihm in die Predigt gegangen und hat andächtig zugehört und aus seinen Predigten Nußen gezogen für seine Seele und hat ihn ge= lobt, wohin er gekommen ist. Und hätten das viel andere nicht gethan, die weniger Glauben haben als der Selige und die Leut' mehr auswendig anschauen als inwendig; denn da ist manchmal ein hartköpfiger Bauer oder auch ein zartbesaiteter Stadtherr bitterbös auf seinen Seelsorger, weiß Gott warum vielleicht ist er einmal nicht losgesprochen worden von wegen seiner Unbußfertigkeit, oder es hat der Seelsorger das Lebendige angerührt an seinem Fleisch bei einer Predigt, oder den Pacht gefordert für seinen Acker, oder aber er ist ihm sonst einmal etwas rauh über die Naje gefahren und seitdem geht er zu dem Geistlichen in keine Mess' mehr und keine Predigt und zu keiner Beicht und lässt lieber Mess' und Beichten ganz stehen, als dass er selbigem Priester unter die Augen träte. Nun sag' ich, dass das gar wenig Christenlieb' verräth und noch weniger gesundes Menschenhirn; denn wer hat denn am End' den Schaden von dieser Halsstarre: der Herr Pfarrer oder sein aufgeblasenes Pfarrkind?

Darum hat P. Hofbauer auch auf der Kanzel und im Beichtstuhl die Feindesliebe tief in die Herzen gegraben und gar dringend gemahut, man solle nicht schlafen gehen, ohne zuvor seinen Feinden verziehen zu haben. »Verzeiht,« hat er

Leben d. fel. Clem. M. Hofbauer.

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gesagt, dann wird auch euch verziehen«), und hat dies Wort nicht selber zusammengestellt, sondern hat's gelernt aus Christi des Herrn Mund, der es hinein hat schreiben Lassen ins heilige Evangelium, darinnen es heute noch steht, allen sanften Seelen zu Trost und Labung.

Einmal ist's gewesen, da gieng der selige P. Hofbauer aus der Ursulinenkirche heim in seine Wohnung und schritt gesammelt und mit gesenktem Blicke durch die Johannesgasse. Im Herzen aber hat er gebetet und sich mit Gott unterhalten, der dir überall Audienz gibt, auch auf dem Straßenpflaster. Auf der andern Seite der Gasse ist ein Pärchen gegangen, ein Er und eine Sie und ist die Sie im Arme des Er ge= hängt. Ob sie zusammengehört haben wie Mann und Frau, das weiß ich nicht, will auch nicht freventlich urtheilen, obwohl gar viele tausend Pärchen Arm in Arm dahinschweben, nicht bloß in der Wienerstadt, sondern auch anderswo, die der Teufel copulirt hat mit sündiger Liebe und kömmt das Arminarivandeln nach dem Heiraten viel seltener vor, als vor demselben, dass einem das völlig zu denken gibt. Und ob das Pärchen jung oder alt, oder aus hohem Adel war, ist auch nicht berichtet, nur adelige Herzen haben sie nicht gehabt; denn sie haben sich über P. Hofbauer unterhalten, dass er es hören konnte, ihm spöttische Blicke zugeworfen und ihn Wunderthäter genannt und einen Heiligen und einen Liguorianer und darob gelacht, dass die Spaßen auf den Dächern erschrocken sind, und haben an diese drei Titel Dinge gehängt, die ich dir nicht herschreiben will, weil mir das Papier erbarmt und die Tinte und auch dein eigenes Schamgefühl. P. Hofbaner aber hat sich aus all dem geistreichen Reden nichts gemacht und vielleicht gedacht, was der Mensch an Hen nicht hat, hat er an Stroh. Und wäre wohl auch thöricht gewesen, wenn er darob seiner Galle Arbeit gegeben hätt'; denn wenn du ein Wunderthäter wärest, so würdest du dir das wahrscheinlich nicht zur Schande anrechnen, und sich einen Heiligen schelten lassen, ist ein gar erfreuliches Com pliment und gilt dieser Titel mehr bei Sr. göttlichen Majestät und Dero ganzem Hofstaat im Himmel und all seinen Unterthanen auf Erden als alle andern noch so hohen; und wenn einer ein Liguorianer ist, so ist das auch noch keine Schande, sintemalen Liguori selber ein Heiliger war und

1) Summ. p. 213

seinen Orden stiftete, damit auch andere heilig werden. Und was das höfliche Pärchen an die Titel hängte, das hat eben dran gehört, wie ein Dieb an den Kirschenbaum. Es ist überhaupt merkwürdig, was Hass und Zorn für Schimpfwörter erfinden, um sie frommen, gottesfürchtigen Leuten an den Kopf zu werfen, dass diese viele Ursache hätten, sich mündlich und schriftlich zu bedanken für die artigen Complimente. Während die zwei ihrer Galle Luft machten und einander secundierten in ihren Spottliedern und nach jedem Verslein ein Höllengelächter dranknüpften, wie der Steirer den Jodler, ist der schimpflustigen Madame das Taschentuch entfallen, ohne dass sie es bemerkte, weil ihre Augen und Gedanken auf den wunderthätigen Liguorianer gerichtet waren. Der aber hat es bemerkt und ist zurückgekehrt zur Stelle, wo das Tüchlein lag und hat sich gebückt und es aufgehoben und ist mit raschen Schritten den zweien nachgegangen, bis er sie erreichte. Und da hat er dasselbe der Verlustträgerin mit freundlichem Lächeln übergeben. Die aber ist jezt roth geworden wie Purpur und hat sich geschämt bis ins innerste Mark und hat verlegen zu Boden geschaut, als läge das Taschentuch noch auf dem Pflaster. Und auch ihr Begleiter ward verwirrt und sind ihm die Gedanken durcheinandergelegen wie die Biergläser am Aschermittwoch im Wirtshaus und hat was gestammelt wie: »Bitt' um Verzeihung.“1)

Es ist die Feindeslieb' ein gar edles Pflänzlein, so edel wie Edelweiß und Edelraute und noch viel edler und hat ihre Heimat droben auf den höchsten Bergen in den Herzen der Heiligen und hat die größte und schönste Blüte getrieben auf dem allerhöchsten Berge, dem Calvarienberg im Judenlande. Und wenn du auch grad' kein Heiliger bist und auch keiner wirst und dein Herz noch tief drunten liegt, wie ein Gärtlein im Thal, so sollst und musst doch auch du das Pflänzlein ansehen in deiner Seele, wenn du anders willst selig werden; denn es kommt auch fort im Thale drunten, wenn's auch da nicht so schön blüht, wie droben auf den Bergen; nur braucht's die rechte Behandlung und den rechten Boden. Hast du einen Menschen in der Nähe, der dir nicht recht gut will und dir schadet, wo er kann, und dich angreift an der Ehre oder unrecht Process führt wider dich oder dich verkürzt hat am Erbtheil oder dich quält mit kleinen Nadel

1) Summ. pag. 263, 345.

stichen, so denk nicht viel nach über all das Üble, das er dir angethan hat; er ist am Ende doch nur Gottes Gärtner, der an deiner Seele herumsticht, damit sie mehr Früchte trage für die Ewigkeit, und kann dir mit all seinem bösen Gemüth kein Härlein krümmen ohne Gottes heiligen Willen, und schlägt all seine Bosheit zu deinem Nußen aus und zieht nur Sünd' und Straf' aus deiner Seele, wie der Bienenstich den Rheumatismus aus dem siechen Leib, wenn du's nur geduldig hinnimmst. Denk lieber an all das Böse, das du Gott schon angethan host in deinen Lebenstagen und wie du mit deinen Sünden dem lieben, leidenden Heilande Pfeffer und Glasscherben in die brennenden Wunden gestreut hast, und hat trotzdem auch für dich gebetet: »Vater, verzeih' ihm; er weiß nicht, was er thut«. Und denk' an dein eigenes Sterbestündlein und den gewaltigen Schuldbrief, den dir der Teufel einmal unter die Augen hält. Wie froh wirst du dann sein, wenn du einen Schwamm unter dem Polster hast, mit dem du die Schuld abwischen kannst von der Tafel und das ist die Feindesliebe; denn es hat der liebe Heiland selbst geschworen: »Verzeiht, so wird auch euch verziehen«. Vergrab' dich recht in diese Gedanken, du wirst sehen, es wird dir nimmer so schwer, deinem Feinde guten Morgen zu wünschen.

Gedenk an die letzten Dinge und lass' alle Feindschaft. E.cli. 28, 6.

W

71. Guter Boden.

illst du aber, dass das edle Gewächs der Feindesliebe frisch und lebendig blühe und dir auch nicht viel Mühe mache und Arbeit, so musst du sorgen, dass der Boden nicht steinig ist und sandig, auf dem das Blümchen herauswachsen soll, sondern schwarz und fett und fruchtbar und muss tief hinab gut Erdreich haben, weil die Feindeslieb' gar tief hineinwurzelt in der Seele Boden. Dies gute Erdreich hat aber einen eigenen Namen und heißt Demuth und braucht auch seine eigne Pfleg', wie Alles auf Erden. Und wie das ist, kannst du auch lernen vom seligen P. Hofbauer.

Auf sich selber hat er gar nichts gehalten, und wenn er auch große Dinge vollführt hat in Warschau und Wien,

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