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Augen, an die du dein Lebtag nie gedacht, oder man zieht dich im Wirtshaus oder sonstwo durch die Hechel und nimmt dir die Ehre und lässt keinen guten Faden mehr an dir, und hinterher erfährst du es doch wieder, weil der Teufel überall seine Briefträger hat, die alles an Ort und Stelle bringen, und es thut dir das weh im Herzen, als fäß' der Zimmermann drauf und hoble ein Stück nach dem andern herunter davon, und du hast niemanden, der dir hälfe dein Recht suchen, und kannst's auch nicht verkünden lassen von der Kanzel, man möge dir die verlorne Ehre wieder zustellen. Getröst dich, liebe Seele, und hab' ein bischen Geduld. Reiche unterdessen eine Klagschrift ein beim ewigen Richter und appellier' gleich an die höchste Instanz, die ist der allwissende Gott selber. Der verlegt dein Gesuch nicht und bringt dir auch keinen falschen Entscheid, wie mancher klebfingrige Erdenrichter. Und es kömmt sicher der Tag, wo deine Gerichtsverhandlung zur Sprache kömmt und du mit deinem Verleumder confrontiert wirst, der dir wird Abbitte leisten müssen für jede Ehrenkränkung vor Engeln und Menschen. Und das ist der jüngste Tag. Auf den wart' in Geduld und Gottergebung wie weiland der selige P. Hofbauer.

Gott ist ein gerechter Richter, stark und langmüthig. Ps. 7, 12.

D

81. Ankerwerfen.

rei Stunden lang hat obiges Verhör gedauert und haben die Herren hiezu so wenig Recht gehabt, wie ich oder du; denn es hat sie niemand gesandt

von der Polizei, und Ritter von Hosch, der Präsident gewesen ist bei einem Appellgerichte, hat das ganze Verfahren strafwürdige Anmaßung der Gewalt« geheißen, und der hat's doch verstanden.

Die schlanen Herren hatten auch nur die schwefligen Hintergedanken, einmal was Schriftliches vom Seligen in der Hand zu haben, dass er freiwillig fortgehe aus Österreich. P. Hofbauer ist ihnen aber nicht dahinter gekommen und hat sich nicht hineindenken können in ihre Fuchsideen, denn seine Seele war viel zu gerad' und aufrichtig, und hätt' sich

auch nicht eingebildet, dass Beamte und Doctoren sich_ein= schleichen wie Diebsgesindel in fremde Häuser; doch soll es öfter vorkommen im Thierleben, dass der Bock die Concession hat zum Gärtnergewerbe. Der unendlich weise Gott aber hat auch seine Absichten gehabt dabei, und die sind den schlauen Herren über die Köpfe gewachsen, denn es geht kein Rath über Gottes Rath.

Wie aber die drei wieder draußen waren, da war es schon Mittag und Essenszeit, und P. Hofbauer hat das Glöcklein genommen, das auf dem Tische stand, und seine Schüler und die hungrigen Studentlein zusammengeläutet zum Speisen. Zuvor haben sie noch ihr Gewissen erforscht über den verronnenen Vormittag und eine Litanei gebetet zur lieben Gottesmutter und den »Engel des Herrn dazu. Beim Essen hat P. Hofbauer aufgetragen, wie er es immer gethan, und ist doch heut' ganz anders gewesen als früher und war allen Schülern, als hätte er ein schweres Leiden an der Seele oder einen argen Schaden am Leib, denn er war still und stumm und hat kein Wörtlein geredet über'm ganzen Essen. Und wie sie ihn anblickten, ist ihnen sein Antlig vorgekommen bleich und blass wie Mondschein oder Schreibpapier, und es lag was unsagbar Wehmüthiges in feinen Zügen, wie wenn eine junge Mutter am Sterbebette ihres einzigen Kindleins fißt und kann doch nicht helfen und sieht keine Rettung und muss ihren Schmerz hinunterschlucken wie bittere Galle in die eigene Seele. Innen im Herzen hat es ihm gekocht und gewallt wie siedend Wasser am Feuer, und wollte das Herz ihm springen im Leib' wie ein Damm, wenn das Wasser zu hoch geht. Gar arge Gedanken durchheulten seine arme Seele wie Sturmwind, und er dachte nach über die Bedeutung der Unterschrift, die er gegeben hatte. Jeßt war er schon an die siebzig Jahre alt und ein gebrochener Greis und sollte wieder wandern weit übers Meer und wollte man ihm nicht einmal gestatten, seine Gebeine zur Ruhe zu legen in seinem eigenen Vaterlande. Und er sollte sein theures Österreich verlassen und sein liebes Wien und wusste nicht wo aus. wo ein und war wie ein verirrter Wanderer am Abend, dem sich keine gastliche Thüre aufthut für die falte Nacht, und sollte fliehen wie ein Verbrecher, der nicht wert ist, dass ihn der heimatliche Boden trage. Und das Feuer des Eifers, das er angefacht hatte, sollte wieder erlöschen, und

es sollte Österreich weiterschlafen in josefinischer Morphiumbetäubung.

Zwölf Jahre hatte er in Österreich gearbeitet an Österreichs Heil und am Ende seiner Tage erhielt er als Dank und Lohn dafür die Verjagung ins Eril. Und auch das that ihm weh. Dann gedachte er an seine liebe Congregation, der er sein Leben geweiht hatte, und war sein erster Gedanke bei seinem Eintritt in dieselbe gewesen, sie einzuführen in Österreich, und hatte seit vielen Jahren diese Idee mit sich herumgetragen, wie einen kostbaren Schaß. Und er hat selber einmal aufgeschrieben: »In dieser Welt liebe ich nichts so sehr als die Congregation, für deren Ausbreitung keine Arbeit und keine Beschwerde mich schreckt. « Gar manches Jahr und manchen Tag hatte er in Wien gerungen, sie einzuführen und hatte Schüler um sich gesammelt und eingeweiht in den Geist des heiligen Alphonsus und sah schon die Zeit, wo sie zusammentreten könnten zu einem geordneten Klosterleben. Und jetzt, da er sein Herzenswerk vollendet glaubte, stürzten alle seine Hoffnungen zusammen wie ein schadhaftes Haus, und es schien in gar weite Fernen gerückt, dass in Österreich die Congregation festen Fuß fassen könnte, und es war ihm, als wäre all sein Beten und Leiden und Arbeiten gewesen, wie wenn man Wasser schüttet in einen Getreidesack. Wie alle diese Gedanken an seinem Geiste vorüberzogen, wie ein langer, trauriger Leichenzug, da ist ihm so schwarz und schwer und so traurig und trüb geworden, als wär' seine eigene Seele eine todte Leiche, die man hinausbringt auf den Friedhof zu Grabe, und da bei hat er doch den Studenten aufgetragen und sie bedient und hat dabei Gedanken gehabt wie der liebe Heiland beim letzten Abendmahl. Und auch die Studenten sind an diesem Tage traurig gewesen wie die Apostel am Gründonnerstag und war ihnen nichts um Lachen und Reden.

Gesagt aber hat ihnen der Selige nichts von seinem Herzweh, denn sie hätten ihm ja doch nicht helfen können, und er hätt' sich auch gefürchtet, er fönnte was verlieren von seinem Verdienste, wenn er das Kreuz auch auf fremde Schultern legte, und wär' sein Schmerz noch größer gewesen, wenn er auch andere hätt' leiden sehen müssen um seinetwillen. Darum hat er den ganzen Kummer hinabgewürgt in sein eigen Herz. Lange jedoch hat's nicht gewährt, da ist auch seine Seele wieder zur Ruhe gekommen; denn sie ist gewesen,

wie ein Schifflein auf weitem, salzigem Meer, und hatte einen gar festen, guten Anker, und der hieß Ergebung. Den senkte er hinab tief unter's Wasser in festen Grund und Boden, und der ist Gottes Willen, und wenn da hinein der Mensch seinen Anker senkt in Leid und Jammer, so wankt und schwankt sein Schifflein nimmer, sondern steht fest wie ein Eichbaum im Boden. Das hat P. Hofbauer gethan in diesem schrecklichen Sturm, damit seine Seele nicht zerschmettert werde und untersinke in Jammer und Elend. Das Gottvertrauen ist überhaupt in seiner Seele gesessen wie ein Fels im Erdboden und war nichts imstande, es loszutrennen von seines Herzens Grund. Gar oft, wenn er an die Menge seiner Fehler und Sünden dachte, und es ihn überlaufen wollte wie Kleinmuth und Verzweiflung denn die Heiligen haben ganz andere Augen für ihre eigenen Schwächen als ein grobkörniger Sünder, der auch über Balken steigt, und meint, es sei nur ein Rosshaar gewesen - hat er doch wieder vertraut auf Gott und seine Barmherzigkeit, und hat ausgerufen: »Ich bin ein armer Sünder; aber ich hoffe Verzeihung meiner Sünden, die Gnade der Beharrlichkeit und die ewige Seligkeit. Und wenn oft kein Brot mehr da war und kein Geld und kein Credit bei reichen Leuten, und es schien, als müsste der Magen blauen Montag machen von wegen Mangel an Arbeit, hat er an den reichen Millionär über den Sternen gedacht, und dass er noch Credit bei ihm habe und auch andere ermuntert, dort anzupumpen, wenn auf Erden keine Quelle mehr rinnen will, und hat gesagt: »Habt keine Furcht! Suchet nur das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und das andere wird euch Gott geben. Und wenn manchmal Leiden. und Widerwärtigkeiten über ihn herfielen wie Prügel über einen ungezogenen Jungen, und er sich keine Hilfe mehr wusste auf Gottes weiter Erde und dies und jenes zu misslingen und schief zu gehen schien mit unfehlbarer Gewissheit, hat er sein Sprichwort in den Mund genommen und gesagt: Man muss hoffen gegen die Hoffnung. Und dann hat er sich angeklammert an Gottes heilige Vorsehung mit festem Vertrauen wie ein Schiffbrüchiger an einem Balken und ist auch der Balken nicht davongeschwommen vor ihm und auch nicht untergegangen mit ihm und hat ihn auch nicht abgeworfen, sondern ans ersehnte Ziel getragen, nach welchem ein anderer, der schwachgläubiger gewesen wäre, als

er, nimmer zu schauen gewagt hätte.')

Darum hat er auch heute nicht verzweifelt, sondern sich Gott in die Arme geworfen auf Gnad' und Ungnad', denn er hat gewusst, dass der liebe Herrgott nicht eingeschlafen sei auf seinem Throne, sondern die Augen über ihm offen halte, und ihn nicht verlassen werde in seiner allmächtigen Fürsicht, wenn auch die ganze Welt ihm die Thüre weisen sollte. Das Opfer aber, das Gott von ihm verlangte, hat er muthig gebracht, und ist daher auch seine Seele bald ins alte Geleise gefahren und ist's wunderbar stille geworden in ihm und er hat mit heiterem Blicke hinübergeschaut ins ferne Amerika, wo auch der liebe Herrgott zu Haus ist und die Wirtschaft führt über Land und Leute, so gut wie in Österreich. Und es ist ihm vorgekommen, als gienge er nur in ein anderes Zimmer im großen Gotteshause, das man Erde heißt.

Wie nachmittags jemand ihn besuchen wollte, hat er schon von weitem singen gehört in gar kräftigen, innigen Tönen. Der Sänger aber ist P. Hofbauer gewesen, der sein Lieblingslied hinausjubelte zu seinem Gott im Himmelreich, als wäre ihm von da heut Morgen ein Extrabot' zugeschickt worden mit einer absonderlich fröhlichen Nachricht. Das Lied aber, das er gesungen hat an diesem stürmischen Tage, kannst du anderswo nachsehen; es steht rückwärts im folgenden Theile, hübsch am Anfang.

Zieh dir, lieber Leser, auch eine Lehr' daraus, und zünd' nicht gleich die Sterbeferze an, wenn dir das Glück kurzen Athem kriegt, und heul' nicht wie ein alter oder junger Kater im Mai, wenn ein Unglück sich bei dir einquartiert, wie ungeladene Soldaten, und fluch' nicht wie ein Alttürk oder ein italienischer Eseltreiber, wenn dir die Rechnung nicht zusammengeht, die du dir gemacht hast für die Zukunft. Es hilft am Ende doch nichts, sondern entzieht dir auch noch den leßten Freund, den du hast, den allmächtigen Vater im Himmel, und wird das Feuer erst recht groß, wenn du auch noch dreinbläsest mit zornigem Athem. Denk' dir lieber, ich werd's wohl so verdient haben. Und gewiss hast du's auch verdient mit gar manchen Seitensprüngen, die du gemacht hast im Leben, Und bitt' Gott dafür um Verzeihung und bet' seinen heiligen Willen an, und fundamentiere auf Gott dein Vertrauen, wie P. Hofbauer; er ist am Ende doch dein

1) Summ. pag. 148.

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