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mit seinen Neuigkeiten. So sind sie schweigsam nebeneinander gegangen, P. Hofbauer und das Studentlein, und hat sich der Selige nichts gekümmert um das Schreien der Kinder und das Raufen der Buben und das Streiten der alten Weiber und das Rasseln der Räder. Nach einer Weile hat er gemerkt, dass es dem flüchtigen Studentlein etwas lang= weilig werde in seiner Nähe, und dass es die Augen auch nimmer recht im Zaum halten könne, und hat sich hinübergewendet zu ihm und gefragt: »Weißt du, was ich jezt mache? Das hat der Junge freilich nicht errathen und ist fast erschrocken über die Frage, weil seine Gedanken herumgelaufen sind wie ein herrenloser Hund. Da hat der Selige selbst die Antwort gegeben auf seine eigene Frage und gesagt: »Ich bete den Rosenkranz.« Nun ist dem Jungen auch der Gedanke gekommen, es würde das gleiche auch ihm nicht schaden; und auch er hat sein Rosenkränzlein hervorgezogen und angefangen zu beten, und das ist ihm viel nüßlicher gewesen an der Seele als alles neugierige Schauen auf Leut' und Auslagkästen.')

Wenn P. Hofbauer am späten Abende heimgekommen ist und sich hingesetzt hat unter seine Studenten wie ein Bater unter seine Kinder, und hat einer ein Buch genommen, um zu lesen, dann ist der Selige dagesessen mit geschlossenen Augen, als wollte er schlafen, und was gelesen wurde, hat er nur mit einem Ohre gehört und ist ihm gewesen wie einem, der im Halbschlummer liegt und gar sichtbarlich träumt von der Heimat und dem traulichen Elternhaus, und doch hört, wie die Leute gehen im Zimmer und reden, und meint in seinen Träumen, es sei des lieben Vaters Gang und der Mutter goldige, süße Red', und size er zu Haus am eichenen Tisch und um ihn all die Geschwister.2) Und dabei ist ihm die Sehnsuchtsglut in die Wangen gefahren und ist sein Antlig immer röther geworden vor innerer Glut, dass die Studenten gesehen haben, wie es an der Zeit sei, ihn allein zu lassen. Und wenn sie dann alle fortgegangen waren und er allein noch im Zimmer war mit Sabelli und Stark und dem jungen Srna, dann hat er sich noch vorlesen lassen aus dem schönen Brief, den der liebe Gott den glaubenden Menschen geschrieben hat zum un

1) Summ. pag. 107.

2) Summ. pag. 90.

erschöpflichen Trost in der Fremde, das ist die heilige Schrift, und hat absonderlich das alte Testament und die Geschichte der Apostel gerne gehört. Und dann hat er auch die verabschiedet und allein noch lange Zeit hingebracht in süßem Denken an die ewige Heimat und hat diese Gedanken im Bette noch fortgesponnen wie ein goldenes Fädlein, bis er müde ward und die Augen ihm zufielen zu sanftem Schlaf. Im Schlafe aber hat er geträumt von den süßen Freuden des Himmels.

Am allerliebsten ist ihm gewesen, wenn er allein sein konnte und es um ihn still und ruhig war wie im stillen Wald und der Weltlärm höchstens von der Ferne an sein Ohr schlug.

Da hat er sich dann niederkniet zu den Füßen seines lieben, gekreuzigten Heilandes oder zu Jesus im allerheiligsten Sacrament oder hat ein Bild herausgenommen. von seiner guten Mutter Maria und hat es betrachtet und ist stundenlang knien geblieben in süßem Betrachten und hat seine Seele hineinversenkt in Gott und Ewigkeit wie in ein unergründetes Meer und hat sich gedacht, wie's ausschauen mag im Himmelreich und was jezt der liebe Gott thun werde und sein lieber Sohn Jesus Christus und wie etwa seine liebe Mutter ausschaue und für wessen Seele sie jezt beten möge und was die Heiligen alle machen und welches Lied jezt die Engel singen und wo wohl sein Hüttlein stehe im Himmelreich, und hat zurückgedacht an die hundert Jahre und an die tausend Jahre, wo der liebe Gott auf der Welt mit den Leuten gesprochen hat wie ein Monarch mit seinen Unterthanen, und an Paradies und Schöpfung und an alle Gnaden, die Gott den Menschen gespendet, und wie Jesus auf Erden gelebt hat und seine gute Mutter, und hätt' gern damals gelebt und wäre am liebsten ein Zimmermann ge= wesen in St. Josef's Diensten, dass er hätt essen können mit Maria und Josef aus einer Schüssel, und hat gedacht an Blut und Tod seines Herrn und seine unendliche Liebe zu den Menschen, die wärmer sei als Sonnenfeuer und größer als das große Weltmeer. Und bei all dem Denken an seine Lieben und seine Heimat ist ihm die Zeit verrauscht wie ein Gießbach und sind ihm die Stunden vergangen wie Minuten, und in seiner Seele ist's immer wärmer geworden vor Lieb' und Heimweh, und gar oft ist das innere Feuer durchgebrochen durch den sterblichen Leib

und hat geleuchtet wie ein Nachtlämpchen durch das Fenster.1)

Daher ist's auch gewesen, dass in seinem Herzen immer wieder die Sehnsucht auftauchte nach dem Einsiedlerleben, wo er ungestört sich seinem Heimweh hätte hingeben können. Er hat diese Sehnsucht auch nicht verstecken können vor seinen Freunden, und wenn man ihn fragte, ob er's denn aushalten könne in der Einöde, wo er doch so vieles entbehren müsste, woran sich das Herz gewöhnt in der Menschengesellschaft, hat er die merkwürdige Antwort gegeben: »Ich brauche nichts als Brevier und Rosenkranz. «2)

Wenn er aber in Gesellschaft gewesen ist mit anderen und es hat einer angefangen zu reden von himmlischen Dingen, dann hat sein Auge geleuchtet in Lust und Wonne,. wie wenn ein Bote kömmt von der fernen Heimat und dir erzählt von Vater und Mutter und Grüße bringt von den Deinigen. Und sein ganzes Leben ist ein langes Sehnen gewesen nach dem Himmel, und indes sein Leib auf Erden weilte, hat seine Seele mit ihrem Sinnen und Denken im Himmel gewohnt.

Und soll jeder Mensch dieses Heimweh pflegen und wahren in stetem Denken an seine Heimat und soll es auswachsen lassen zu christlichem Leben und Wandel. Und soll sich die Gedanken an Gott und Ewigkeit nicht aus dem Sinne jagen wie ein undankbarer Bursch die Gedanken ans Vaterland draußen in der Fremde. Am frühen Morgen soll dein erster Gedanke sich hinaufschwingen zu Gottes Thron wie ein lieber Morgengruß zu deinem Vater und deiner Mutter, und sollst dich niederknien zu andächtigem Morgengebet und nicht hinausrennen zur Arbeit wie die Almkuh auf die Weide. Und bist du bei der Arbeit, so dent', dass du kein Maschinrad bist, sondern ein Mensch mit einer unsterblichen Seele, und lass deine Gedanken auch oft unter der Arbeit heimreisen in den Himmel in kurzen Schlussgebetlein. Hast du Heimweh', wie's sein soll, so wird dir das nicht viel Studieren kosten. Und gehst du am Abend zur Ruh', so leg' dich nicht nieder wie ein Hündlein, wenn's gefressen hat, sondern bet' zuvor dein Abendgebet und schicke die leßten Grüße heim.

1) Summ. p. 90.

2) Brunner S. 166.

durch deinen Schußengel wie die Sonne die Bergspigen noch vergoldet, bevor sie verschwindet im Thal. Und kömmt ein Sonntag oder Festtag, an dem dein Leib rastet, führ' nicht bloß deinen Leichnam spazieren auf Erden, sondern geh' mit der Seele in den Heimgarten zu Gott und seinen Heiligen. Du findest sie beisammen in der Kirche und auch zu Haus in deinem Kämmerlein. Das ist Christenheimweh.

Unser Wandel aber ist im Himmel.
Philipp. 3, 20.

J

2. Bettelbriefe.

eht will ich dir erzählen, lieber geduldiger Lejer, was denn das alles im einzelnen war, wonach P. Hofbauer Lieb' und Verlangen getragen hat im Himmel oben.

Da ist's weitaus an erster Stelle der liebe Gott selber gewesen, in dem P. Hofbauer seinen Vater erkannte und ehrte, als steinreichen, herzensguten Herrn, der seinen Kindern sein Wort verpfändet hat mit Eid und Siegel, dass er ihnen helfen wolle in jeglicher Noth, die sie leiden sollten in der Fremde. Darum ist er auch nicht betteln gegangen zu den Geschöpfen, die selber arme Dinger sind Gott gegenüber und die oft so viel Nächstenliebe und Herz für fremdes Elend haben wie ein kalter Regenwurm unter einem Schieferstein. Er hat sich gleich direct an Gott gewendet, wenn ihm das Geld ausgegangen ist in der Börse, oder wenn er einen neuen Rock gebraucht hat, oder wenn seine Feinde seine Pläne durchkreuzen wollten, oder wenn ihm der Teufel eine Versuchung ins Ohr züngelte, oder guter Rath theuer war, und vor jeder Predigt und so oft er in den Beichtstuhl gieng oder auf seinem Wege zu den Kranken, oder wenn ihm sonst was fehlte am Leib oder an der Seele. Und er hat nie umsonst gebettelt; denn es hat ihm sein Vater jede Bitte gewährt, klein oder groß. Und wenn er jetzt im Himmel ist auf goldenem Throne und ein Seliger in den Augen der Kirche, und wenn er ein Apostel von Wien geworden ist und von Österreich, und so viele Seelen gerettet und Sünder bekehrt hat, und wenn er den Strom der Zeit in ein anderes

Bett hat leiten können, so ist das alles die Frucht seines Gebetes gewesen, das er wie Bittgesuch und Bettelbrief ans Vaterherz Gottes adressierte. Und weil sein Vertrauen so groß und sein Glaube so lebendig war, hat er auch betteln fönnen, wie feiner, dass es Gott nicht möglich war, »Nein« zu sagen.

Einmal hat er erfahren von einem gar verhärteten Sünder, der war schon an die langen Jahre bei keiner Beicht und in keiner Kirch' und hat alle Mahnungen abgewiesen und alle Gnaden zurückgeworfen wie das Eis die Sonnenstrahlen und ist doch nicht aufgethaut und wärmer geworden, und es war, als hätte seine Seele eine Krokodilshaut, durch die nichts dringen kann, und size schon der Teufel drauf und lasse sie nimmer los und reite drauf heim in die Hölle hinunter. Und wie der Selige vom traurigen Zustande dieser armen, blinden Seele gehört hat, die in ihren Sünden dahinsterben solle wie eine bleiche Blume in sonnenlosem Dorngebüsch, da ist's ihm zu Herzen gegangen und hat ihn das Mitleid gepackt, denn er war ja doch sein Bruder durch Christus den Herrn. Und wie es Mittag geworden ist und die guten Schwestern bei Tische saßzen und auch die anderen Menschen an die Fütterung der Maschine dachten und er meinte, allein sein zu können in der Kirche, ist er auf der untersten Stufe des Altars in die Knie gesunken vor dem Tabernakel und hat da gebetet lang, lang. Und sein Gebet ist immer heißer geworden und immer inbrünstiger wie Seraphsandacht und seine Sellung wurde immer demüthiger, dass zulezt sein Haupt den Boden berührte, als wäre er nicht wert, nur ein Bröselein Gnade von Gottes Barmherzigkeit zu erhalten. Heiße Thränen rollten ihm über die Wangen, Tropfen auf Tropfen und rannen herab auf das kalte Pflaster und flossen nieder auf Jesu Herz, um es zu erweichen und zum Mitleid zu stimmen. Und es war, als läge auf ihm selber ein schwerer Stein und er bitte, es möge Gott ihn wegwälzen von seiner Seele. Zuletzt brach er in lautes Schluchzen aus vor zartem Mitleid und innigem Beten, und dakniend wie ein von schwerer Schneelast zu Boden gedrücktes Bäumchen, rief er mit lauter Stimme: » geliebtester Herr Jesus, schenke mir diese Seele. Ich bitte Dich, erhöre mich! Sonst muss ich mich an Deine Mutter wenden; sie wird mich gewiss erhören. Er ist aber nicht allein gewesen, sondern im Chore ist eine Ursulinin gekniet, und wie die gesehen und

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