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schehen sei für das Begräbnis und haben zur Antwort bekommen, man werde den demüthigen Priester in aller Stille begraben.

Doch das ist anders gekommen. Einmal, wie der selige P. Hofbauer noch gelebt hat auf Erden, ist P. Stark gar besorgt gewesen um dessen Leichenfeier, als hätt' er geahnt, wie es gehen werde von Menschen halber, und hat seinen Meister auch gefragt, was er veranstalten solle für diesen Trauerfall. Doch der Selige hat ihm zur Antwort gegeben : »Sei nur ruhig, dafür wird Gott sorgen.« Und ist dies Wort Prophezeiung gewesen; denn weil die Menschen nichts gethan haben für die lehte Ehre des Gottesmannes, hat der allmächtige Gott selber eingegriffen und den Leichen= bitter gemacht bei den Wienern und hat seinem Diener eine glänzende Leichenfeier veranstaltet, dergleichen die Wiener nicht gesehen haben weder vorher noch nachher; und ist gewesen, als hätt' er P. Hofbauer's Freunden ein Schlaftränklein gereicht, damit seine allerhöchste Hand um so sichtbarer werde und sie ihm nicht dreinpfuschen könnten in seine großmächtigen Pläne. Und Gott hat's auch viel schöner gemacht, als der Eifer der Menschen hätt's machen können, und hat die Trauerfeier zu einer Festprocession gemacht und zu einem Triumphzug für seinen verewigten Clemens.

Wie die Leichenfeier hätt' angehen sollen gegen 4 Uhr nachmittags, da strömten die Leute herbei von allen Seiten aus der Stadt und den entlegensten Vorstädten, um dem Dahingeschiedenen das leßte Geleite zu geben, und wogte eine unübersehbare Menschenmenge auf all den Straßen, durch die sich der Zug bewegen sollte, und füllte die Seilerstätte und die Johannesgasse und die Kärntnerstraße und den ganzen Platz vor St. Stefan, und waren darunter die Armen, die er gespeist hatte, und die Witwen, denen er Nährer war und Stab und Stüße, und die kleinen Kinder, die er so lieb gehabt, und die Arbeiter aus den Vorstädten, die er Beicht gehört bei den Mechitharisten, und alle seiner Beichtfinder von St. Ursula, und die eifrigen Hörer seiner Predigten und alle, denen er geholfen mit Geld und Brot und Rath und Trost. Und von der Universität waren seine jungen Freunde gekommen, die Studenten, denen er so viele Stunden geschenkt hatte an späten Abenden, und gar Professoren haben sich eingefunden, wie Herr Zängerle und Herr Ziegler, und ihnen haben sich Gelehrte angeschlossen

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und Beamte, Priester und Ordensleute in großer Zahl, und die Zöglinge des fürsterzbischöflichen Seminars, die der Schußengel selber aufgefordert hatte, an der Leichenfeier theilzunehmen. Und gar die alten Invaliden find herangerückt aus der Vorstadt, und zwischen den Leuten zu Fuß find noble Wägen gefahren mit Herren und Damen aus dem höchsten Adel und Herr Graf Szechenyi hat seinen Galawagen geschickt zur Erhöhung der Feier. Und sind der wogenden Menschen so viele geworden, dass kein anderer Wagen mehr hat verkehren können während der ganzen Leichenfeier, und hat doch kein Mensch sie geladen, als nur der liebe Gott und seine heiligen Engel. Mütter haben ihre Kinder auf den Armen getragen und eine Musikcapelle hat sich aufgestellt, um ihren Trauermarsch zu spielen.

Um 4 Uhr nachmittags segnete Herr Schmidt, der P. Hofbauer's Seele so oft gesegnet hatte im Beichtgericht, nun auch seine Leiche aus in seiner Wohnung und sehte sich der ungeheure Zug nach St. Stefan in Bewegung. An Herrn Schmidt's Seite gieng Herr Werner; die Bahre trugen 12 junge Herren von der Universität, darunter mehrere vom Adel. Der Zug schritt nur langsam voran von wegen der riesigen Volksmenge und der Wägen des Adels. Viele kamen zufällig dazu und sahen das Menschengewoge und wussten nicht, was das wäre und meinten, es müsse der Erzbischof begraben werden oder ein Prinz aus dem Kaiserhaus oder gar der Kaiser selber. Und wenn sie fragten, wer denn drinnen liege in der Bahre, ward ihnen die Antwort, das sei der arme P. Hofbauer.

Und sie giengen auch mit und schlossen sich an und ward der Zug immer größer. Im ganzen Zug aber herrschte eine feierliche Stille und die ward nur durch die schwermüthigen Töne der Trauermusik unterbrochen. Dazwischen hörte man das laute Schluchzen der Menge und weinten die Mütter und die Kinder auf ihrem Arme, und auch die vornehmen Herren und Damen und selbst den armen Invaliden rannen die Thränen über die gebrännten Wagen. Sie Alle hatten einen guten Vater verloren, der todt und regungslos in der Bähre lag, und fühlten erst jest recht, wie verlassen sie wären. Viele blickten starr vor sich hin und beteten still um Trost und Ergebung.

Wie der Trauerzug am Ursulinenkloster vorüberzog, scholl lautes Weinen von den Fenstern herab, denn droben

standen die armen verlassenen Nonnen, dennen der Verblichene so lange ihr Vater gewesen war für Leib und Seele, und die wollten noch einen Abschiedsblick werfen auf das Ruhebett des schlummernden Wohlthäters. An ihrer Kirche hielt der Zug, die Bahre ward niedergesezt und Herr Schmidt sprach die Absolution. Dann gieng es weiter in die Kärtnerstraße hinab nach St. Stefan. Das Wetter war trüb, dichter Nebel lag in den Straßen und der Wind jagte den Leuten leichte Regentropfen ins Gesicht, und es war, als hätt auch der Himmel ein Trauergewand angezogen und wär' ergriffen vom Schmerze der Wiener. Und wie man in die Nähe von St. Stefan kam, um 5 Uhr nachmittags, war's bereits dunkel, aber hier bot sich ein feenhafter Anblick.

Da stand eine vieltausendköpfige Menge und trugen die meisten brennende Kerzen und war der ganze riesige Platz wie ein wogendes Meer von funkelnden Lichtern, und soweit das Auge reichte, sah es im Dunkel des abends eine von viel tausend Kerzen beleuchtete Menge, und war das gar wunderbar schön und ein rührender Triumph, und weiß kein Mensch, woher die Kerzen gekommen und wer sie gekauft habe.

Wie man aber dem Dome sich näherte, da gab's eine nene Überraschung; denn hier stand das Riesenthor offen, das doch nur aufgethan wird bei außerordentlichen Gelegenheiten und bei Begräbnissen hochgestellter Personen und musste man immer hundert Gulden in Silber zahlen, wenn man's wollt öffnen lassen, und diesmal hatte gar das Kirchenmeisteramt das Öffnen des Thores rundweg abgeschlagen, und doch stand es offen, und weiß auch da niemand bis zur Stunde, wer es hat aufmachen lassen. Durch das offene Thor aber wogte die Menge hinein in den Dom und waren darinnen der Menschen so viele, dass sie den Riesendom bis in die äußersten Winkel erfüllten, und war noch ein großes Gedränge, dass man sich kaum mehr bewegen konnte.

Im Dome hat Herr Werner die Absolution gesprochen. über die Leiche und dabei hat seine Stimme gebebt und gezittert vor Schmerz und Trauer. Die Leiche selber blieb über Nacht in der Kirche; die Leute aber sind still und traurig nach Hause gegangen und haben noch lange gesprochen von diesem wunderbaren Trinu hzuge.

Am anderen Morgen hat man den Leib des Seligen hinausgeführt nach Maria-Enzersdorf ins Gebirge, und da draußen hat Herr Werner noch ein Requiem gesungen in der Franciscanerkirche und darnach haben sie die Leiche hinabgesenkt in das Grab, das Herr Baron Penkler besorgt hat in der Nähe seiner eigenen Familiengruft. Und über das Grab ist ein steinernes Kreuz gekommen und an den Fuß desselben hat man die einfache Inschrift gesetzt:

„Joannes Clemens Maria Hofbauer, Cong. Ssmi. Redemptoris Vicarius generalis, natus Tassovici in Moravia anno 1751, obiit Vindobonae, die 15. Martii anni 1820.

Zu deutsch:

Fidelis servus et prudens.

Joh. Cl. M. Hofbauer, Generalvicar der Congregation des allerheiligsten Erlösers, geboren zu Taßwiz in Mähren 1751, gestorben in Wien am 15. März 1820. Ein getreuer und kluger Knecht.1)

Dent' jest 12 Jahre zurück, lieber Leser! Wie war's damals so ganz anders! Hinter P. Hofbauer schritt ein Gensdarm und führte ihn zur Polizei, wie einen aufgegriffenen Handwerksburschen ohne Paß und Ausweisung, und sah man ihn an wie einen staatsgefährlichen Menschen, vor dem man die Augen offen halten müsse, und die Leute schauten ihm nach voll Verwunderung, was denn der Mensch müsse angestellt haben, dass ihn ein Gensdarm aufpacken müsse, und hatten nur Blicke der Verachtung und Blicke des Mitleids. Das war P. Hofbauer's Einzug in Wien. Und jetzt gehen tausende hinter seiner Bahre und in aller Herzen. hat er ein Denkmal und aus aller Aaugen stürzen Thränen des Schmerzes und Trauermusik ertönt und selbst der Kaiser seufzt auf über seinen Tod und trauert um sein verlassenes Reich, und sein Begräbnis wird schöner als das eines Fürsten und wird zum herrlichen Triumph für das Mezgerbüblein aus dem mährischen Dorfe! Das ist sein Auszug aus Wien! Und doch gehören Einzug und Auszug zusammen wie Anfang und Ende, und wie Wurzel und Frucht, und

1) Summ. p. 367 sq.

Haringer S. 378 ff.

wer weiß, wäre der Auszug so glorreich geworden, wenn der Einzug nicht so schmachvoll gewesen wär'. Das gibt zu denken, lieber Leser, und zeigt dir die lichten Höhen, zu denen der Schmachweg führt, wenn man ihn wandelt für Gott und seine heilige Sache.

Wenn Jemand mir dient, den wird mein Vater ehren. Joh. 12, 26.

D

21. Wo ist der Vater?

a ist nun P. Hofbauer's Leib draußen gelegen zu Enzersdorf im Grab und hat Ruh' gehabt von allen Leiden und Schmerzen und haben in diesem Kopf keine Sorgen mehr genistet wie Raben auf hohen Bäumen und hat dies Herz nimmer gehämmert in Schmerz und Kummer, und war alles so still in ihm und um ihn, als hätte die liebe Erde selber Sorg', seine Ruhe zu stören. Aber anders ist's gewesen in der Wienerstadt in den Herzen derer, denen der Selige Rather und Helfer ge= wesen war. Die fühlten sich jetzt einsam und verlassen in der riesigen Stadt wie ein Ausfähiger in der Wüste, und es war so leer in ihrer Seele wie in einem Stüblein, aus dem der Insaß hinausgestorben ist. Und es kamen wieder rathlose Stunden und Sorgen und Zweifel und Seelenschmerz und Familienleiden und Versuchungen und Kämpfe und kam der Hunger und die Armut und Krankheiten und all die Leiden des Erdenlebens wie Heuschreckenschwärme über die armen Wiener. Und sie wären so gern wieder in die Seilerstätte gegangen oder in die Ursulinerkirche oder zu den Mechitharisten und hätten so begierig ihre Leiden niedergelegt zu P. Hofbauer's Füßen und so gerne ihr Herz ausgeschüttet in sein weites Vaterherz und hätten Rath gebraucht und Trost und Brot und allerlei Hilf'! Doch da ist's leer gewesen in der Seilerstätte und im Beichtstuhl ist ein anderer erschienen, und die armen, verlassenen Leute haben aufge= seufzt: Ach, wo ist der Vater?« Andern ist die Zeit lang geworden um den Seligen; denn er hat so gut unterhalten fönnen und war sein Gespräch so lieb und süß, und jezt war seine Zunge verstummt und er selber nimmer da und auch sie hat Schwermuth erfaßt und Schusucht nach ver

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