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6% Jahre alt. Er hatte den Vater lieb gehabt und es that ihm tief in der Seele weh, schon so frühe keinen Vater mehr zu haben. Da nahm die fromme Mutter das Händchen des Kindes und führte dasselbe vor ein Crucifir. Mutter und Kind blickten hinauf zum Kreuze, und je länger Johannes den leidenden Heiland ansah, desto mehr Mitleid fühlte er mit Jesus und desto mehr vergaß er auf seinen eigenen Schmerz. Er hatte ja von der Mutter schon gehört, dass Jesus so unendlich viel aus Liebe zu uns gelitten habe. Da wies die Mutter mit der Hand auf den lieben Heiland und sagte: »Siehe, dieser ist jezt dein Vater; gib acht, daß du auf dem Wege wandelst, der ihm wohlgefällt.« Das Kind verstand diese Worte und grub sie tief in sein Herz, so dass sie nimmer verwischt wurden. Die Mutter aber sorgte, Johannes auf dem Wege zu führen, der dem Gekreuzigten gefalle.1)

Wer die Ruthe spart, haßt seinen Sohn; wer ihn aber liebt, unterweist ihn ohne Unterlaß. Sprichw. 13, 24.

3. Edle Keime.

ie auf dem Felde der Samen bald aufgeht, und man erkennt, ob es Weizen- oder Distelsamen ist: so gehen auch im Herzen des Kindes bald die Lehren

auf, welche die Mutter in demselben ausgestreut hat. Man kann jedoch nicht immer aus einem bösen Kinde auf eine schlechte Erziehung schließen; denn das Unkraut kann auch oft von fremder Hand in die Seele ausgesät sein, und lieg schon vielfach von Geburt an in dem Kinde, und alle Sorgfalt einer guten, frommen Mutter ist oft nicht im Stande, dasselbe auszurotten; umsomehr, da jeder Mensch seinen eigenen Willen hat, mit dem er sich zu seinem Unglück sogar Vater und Mutter widersehen kann; wie auch mancher Boden so schlecht und steinig ist, dass darauf kein Weizen wächst, sondern nur Disteln und anderes schlechtes Gewächs.

So ein Steinfeld war das Herz des kleinen Johannes nicht. Er liebte seine Mutter und ehrte sie und hieng an ihr wie das Jesufind an der lieben Gottesmutter. Und selbst da er schon alt war und die Gebeine seiner guten Mutter schon in Staub zerfielen, redete er noch mit tiefer Ehrfurcht von ihr und dankte Gott, das er ihm eine so brave, fromme

1) Sum. etc. de virtutibus pag. 24.

Mutter gegeben habe. Und so oft er später auf seinen Reisen in die Nähe seiner Heimat kam, gieng er hinaus auf den Friedhof neben der Kirche, und suchte das Pläßchen auf, wo man seine Mutter begraben hatte, und kniete dort nieder und betete für die Ruhe ihrer Seele. So lieb hatte Johannes seine Mutter.

Ihre Lehren und Mahnungen gruben sich wie zarte Würzelchen tief in sein Herz, und das Beispiel der Mutter trieb das unverdorbene Kind zur Nachahmung. Wie sie liebte auch er das Gebet. Niemand weilte so lange in der Kirche, als der kleine Johannes; Niemand betete da so andächtig, als er. Wenn er an der Seite seiner Mutter in der Kirche kniete; die Händchen gefaltet, im unschuldigen Gesichtchen den Ernst der Andacht, die Aenglein auf den Tabernakel oder auf ein Muttergottesbild geheftet: so glich er einem vom Himmel gestiegenen Engel. Je näher er Jesus war, desto mehr jubelte er. So oft er nur durfte, diente er am Altare mit einer Andacht, die selbst die Erwachsenen erbaute. Schon frühe zeigten sich die ersten Reime der Liebe zur seligen Gottesmutter, welche ihm im späteren Leben so viele Gnaden verschafft hat. Der Rosenkranz war ihm das liebste Gebet. Jeder Samstag galt ihm als heiliger Tag, an welchem er der lieben Himmelmutter noch größere Freude machen wollte, als an anderen Tagen. Bis zum Abende aß er da nichts oder nur gar wenig. Die Speisen, die er sich am Munde absparte, trug er in die Nachbarhäuser und schenkte sie dort den armen Kindern; und er hatte seine helle Freude daran, wenn sie angenommen und mit gutem Appetite verzehrt wurden. Und wenn ihm die Mutter oder sonst ein guter Mensch einige Kreuzer schenkte: so gab er auch diese den Armen, oder er sparte sie zusammen und brachte sie dann dem Herrn Pfarrer, damit dieser für ihn und seine liebe Mutter und seinen verstorbenen Vater eine heilige Messe lese. Bald wurde er ein kleiner Prediger, der die Geschwister und Hausgenossen zum Beten mähnte. Er konnte nicht begreifen, wie dem Menschen das Gebet nicht die süßeste Erholung sei. Es war einmal, da gieng das achtjährige Metzgerbüblein mit seiner Mutter, wir wissen nicht, wohin. Sie redeten mit einander von Gott und den lieben Heiligen, als ihnen einige Verwandte begegneten. Die Mutter des kleinen Johannes war auch eine gar höfliche Frau und sie grüßte ihre Verwandten und fragte sie freundlich, wohin sie denn gehen und

was sie denn machen. Und die Verwandten, die gerade spazieren giengen, antworteten ihr: »Wir vertreiben uns die Zeit. Die Mutter wünschte ihnen gute Unterhaltung und gieng mit Johannes wieder fürbass.

Die Kinder haben gute Ohren und neugierige Köpfchen. Und so hatte auch das Hofbauerbüblein jedes Wort der Unterhaltung zwischen seiner Mutter und den Verwandten gehört, aber nicht verstanden, was das sei: sich die Zeit vertreiben? Und wie sie so weitergiengen, zupfte es seine Mutter am Kleide und fragte sie: »Mutter, liebe Mutter, sag' mir einmal: Was ist denn das: die Zeit vertreiben?« Und die Mutter erwiderte: »Wenn man nichts zu thun hat, so wird einem die Zeit lang, und man sucht ein Mittel, die Zeit fürzer zu machen, und geht spazieren oder geht zu Unterhaltungen oder sucht gute Freunde auf, um mit ihnen zu plaudern. Das heißt die Zeit vertreiben.« Da sah das Büblein seine Mutter an und machte große Augen und sagte verwundert: »Mutter, wenn die Leute nichts zu thun haben, so sollen sie beten.«*) Es ist dies ein gar kluges Wort aus Kindermund gewesen, wie denn überhaupt unschuldige Kinder oft viel gescheidter sind, als manche große Leute, denen Sünde und Leidenschaft schon einen dichten Nebel über den Verstand gezogen haben, dass sie den schönen Himmel nimmer sehen und die schmußige Erde für ein Paradies halten.

Es ist zwar noch lange keine Sünde, wenn man in freien Stunden zu guten Freunden in den Heimgarten geht, oder im Wirtshauskeller ein Glas Bier oder Wein trinkt, oder wenn man ein Regelspiel oder auch ein Kartenspiel macht, falls nur dabei sonst keine Beleidigung Gottes vorkommt; aber besser ist es, wenn man die freien Augenblicke zum Gebete benüßt und den Rosenkranz oder den Kreuzweg betet oder aus einem frommen Buche liest oder sonst ein frommes Werk verrichtet, das auch der armen Seele nüße ist: denn die Zeit ist so kostbar, dass man sie nicht vertändeln soll, und hat so schnelle Füße, dass man sie nicht zu vertreiben braucht; denn sie läuft selber davon und kommt nimmer wieder.

Ueber dem Beten hat aber Johannes das Arbeiten nicht vergessen. Da er noch klein war, gieng er in die Schule, obwohl noch kein Schulzwang existiert hat, und war unter allen

*) Sum. pag. 23.

Mitschülern der fleißigste. Und als er größer wurde, half er seiner Mutter im Weinberge und auf dem Felde, oder suchte sich sonst eine Arbeit. Dabei war er immer freundlich und höflich, eingezogen und sittsam. Und alle Leute von Taßwiz hatten das kleine Meßgerbüblein so lieb, wie ihr eigen Kind oder Bruder, und der Lehrer stellte ihn den anderen Schülern als Muster auf und der Herr Pfarrer freute sich, so oft er am Altare ministrierte, und die Mutter dankte Gott für das gute Kind, und Gott selber freute sich noch mehr als alle Menschen über den guten Boden, auf den der Samen seiner Gnade gefallen war.

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ohannes war erst 14 Jahre alt, da wurde es schon einsam um ihn im Mutterhause. Der Vater war schon längst gestorben. Neben ihm ruhten vier Schwestern und drei Brüder im Grabe. Die übrigen drei Brüder waren in die Fremde gezogen: Karl war gegen die Türken marschiert und focht weit unten im Ungarlande mit dem Erbfeinde der Christenheit. Hermann lernte in Znaim das Fleischerhandwerk

und Lorenz that das Gleiche in Bratelsbrunn bei Nikolsburg. Die Mutter war im Auszugsstüblein. Das Haus hatte sie ihrer Tocher Barbara übergeben und diese hatte sich bereits verheiratet. Alles um Johannes war jest anders geworden. Auch für ihn war die Zeit gekommen, etwas Tüchtiges zu lernen. Ihn aber zog es zum Altar, wie das Lämmchen zum Hirten. Johannes wäre gar so gerne Priester geworden. Der Priester darf ja nicht bloß ministrieren; er kann selber Messe lesen, und darf predigen und Sünder bekehren, und hat von unserem. Herrn Jesus Christus die Vollmacht, die Menschen von ihren Sünden loszusprechen, und hat eine so hohe Würde, dass selbst der Kaiser auf Erden so hoch nicht steht, wie der Priester am Altare. Aber Johannes hatte kein Geld, und seine Mutter auch nicht, und ohne Geld geht auch das Studieren und das Priesterwerden nicht. Fromme Christenmenschen, denen der liebe Herrgott zeitliche Güter geschenkt hat, können sich große Schäße im Himmel verdienen, wenn sie ein talentiertes, braves, armes Büblein studieren lassen, damit es einmal Priester werde; denn es fällt ihnen ein großer Antheil an allem Guten zu, was der Priester einmal wirken wird in seinem Amte. So gute und mildthätige Menschen fand aber Johannes nicht; und daher mußte er den heißen Wunsch seiner Seele Gott zum Opfer bringen und ein Handwerk lernen. Sein Vater war ein ehrlicher Fleischhauer gewesen, und seine drei Brüder sind es auch geworden; Johann aber hatte eine zu zartfühlende Seele, als dass er einem Thierlein hätte weh thun können. Er wählte lieber das friedliche Bäckerhandwerk.

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Im Beginne des Jahres 1767 schnürte er sein kleines Bündelchen, nahm Abschied von seiner lieben Mutter, seiner Schwester und seinem Schwager und wanderte nach Znaim in die Werkstätte. Am 31. März - es war der Montag nach dem vierten Fastensonntage trat er bei Franz Dobsch in die Lehre. Das war ein gar braver, grundehrlicher, christlicher Meister, und seine Frau eine fromme, schlichte Bäckerin; und so war der 15jährige Lehrling auch hier gut aufgehoben, wie im Elternhause. Der Meister sorgte dafür, dass sein Lehrling nicht bloß ein guter Bäcker werde, sondern auch ein frommer Christ bleibe; und die Meisterin glaubte, sie sei keine gute Meisterin, wenn sie dem Lehrling nicht auch Mutter sei. Es haben die Meister einmal vor Gott eine strenge Prüfung zu bestehen wegen ihrer Lehrbuben. Wenn heute oft schon junge Gesellen keinen Glauben mehr haben und kein Gebet

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