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Gattung zwei, und ist herumgeschwommen in selbigem Haus viel Monate lang, weil eine schreckliche Sündfluth war auf Erden. Endlich ist das Haus stehen geblieben auf einem Berg in Armenien und Herr Noe hat drei Monate lang hinausgesehen beim Fenster, ob denn die Wasser nicht weniger werden. Die aber haben sich langsam verlaufen. Da hat Noe noch vierzig Tage gewartet, dann hat er das Fenster aufgethan in der Arche und einen Vogel fliegen lassen und das ist ein Rabe gewesen. Der Vogel aber ist auf und davon und ist nimmer gekommen.

Mein liebes Buch, ich schick' dich jezt auch hinaus in die Welt, wie Herr Noe den Raben und bist wohl auch nicht mehr geworden als ein armer einfältiger Rabenvogel; aber lass dir darob keine grauen Federn wachsen und flieg' herum in der weiten Welt in Städte und Märkte und Dörfer und auch in die Häuser in der Einschicht. Schau dir die Leute an, bevor du dich einlässt damit. Ist er ein nobler Herr, dem der Hochmuth im Rücken sitt, dass er steif ist, und im Gehirn, dass kein Glaube Plaß hat drin und keine Religion, da sei vorsichtig. Denn so einer hat nur Verachtung für einen armen Vogel, wie du bist. Und ist sie eine noble Frau, die alle Tage schläft bis Mittag und dann auch nichts thut, als französische Romane lesen, da sei auch auf der Hut; denn der wird gransen vor deinem schwarzen Rock. Und ist er ein flotter Bursch mit dem Hut auf dem linken Ohr, ein guter Tänzer und ein wackerer Trinker, der nicht viel Schlaf hat bei der Nacht, da nimm dich auch in acht; denn der hätt ein Täublein lieber als einen Raben. Und ist sie eine fesche Dirn, in deren Herzen ein Liebhaber sißt, du merkst es bald da gib wieder acht; denn bei der steht nur ein schönes Mannsgesicht gut angeschrieben, nicht aber ein schwarzer Rabenkopf. Triffst du aber unschuldige Kinder auf deiner Reis', oder sittsame Mägdlein in ihrem Kämmerlein oder Burschen mit freiem Blick und rothen Wangen und reinem Herzen oder aber ein sündhaftes Christenkind, das

weint und trauert um die verlorne Unschuld und schier gar der Verzweiflung nahe ist, oder arme Leute in Noth und Elend und verlassene Witwen oder Menschen mit rothgeweinten Augen oder alte Leute, die schon bald mit dem Tode werden Rechnung machen müssen, das sind die Deinen: da mach' dich dran. Und führt dich der Weg bei der Nacht an einem Hause vorüber, und guckt ein Licht heraus, so schau hinein beim Fenster. Ist das Zimmer licht und hell und hörst du fideln drin und siehst du Paare sich drehen. im lustigen Tanz; oder kann das Licht kaum brennen vor Tabaksqualm und sizen finstere Männer drin, vor jedem ein Bierkrug und wird da gespielt und gelärmt, so steh' und horch' ein Bischen. Geht's schon dem Morgen zu, oder hörst du fündhafte Lieder und hässliche Reden und siehst du Dinge, die Gott verboten hat in seinem Gesetzbuch, oder wie der lezte Kreuzer wandert zum Wirt oder Spielkameraden, so flieg' vorüber. Brennt aber das Lichtlein vor einem Krankenbett, darin eins liegt, das nicht schlafen kann vor Schmerz und Leiden, oder steht es vor einem Paradebett, darauf ein Todter liegt, vielleicht der alte Vater oder die alte Mutter oder ein rüstiger Mann oder ein junges Weib oder ein liebes Kindlein; oder siht davor eine Näherin und arbeitet bis tief in die Nacht, oder ein armes Weib, die alle Augenblick nach der Uhr schaut, ob denn ihr Mann, der ein Säufer ist, noch immer nicht heimkommt; oder ist's ein Wachsstock, davor die Hausleut' den Rosenkranz beten, da klopf' an und tritt ein: denn für solche Menschen bist du auf der Welt zu Trost und Hilf. Geh' mir auch an den Klöstern nicht vorüber, darin noch Zucht und Ordnung ist; und kehr' in den Pfarrhöfen ein, weil du auch dem Herrn Pfarrer gute Dienste leisten kannst und auch seiner Wirtschafterin und dem geistlichen Herrn, wenn er einen hat. Im Allgemeinen halt' dich lieber an die Bauerndörfer als an die Städte und an die kleinen Häuser mehr als an die großen; denn für die noble (Hofbaue

5542elt bis du doch nicht genug ausstaffiert.

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Hat ein nobler Herr oder eine vornehme Frau Verlangen nach dir, so wird sie dich schon rufen; denn so ist's Brauch bei hohen Leuten. Und kömmst du in ein Haus, so zieh' dein Käpplein ab und mach' ein Compliment und grüß' die Leut' mit Gelobt sei Jesus Christus«. Wirst schon hören, was dein Gruß für ein Echo hervorruft in der Stube; nach dem richt' dich. Jagt man dich fort, so sag': »Behüt euch Gott!« und geh'; denn derlei Leute, denen ein katholischer Gruß schon Ohrensausen macht, können auch dein Gered' nicht vertragen. Und schaut man dich nach der Seite an und will dich auskundschaften, warum du so elend aussiehst, ein so gemeines Gefieder hast, keine Stiefel an den Füßen und daherkömmst ohne Handschuh' und Cylinder und warum du nicht schöner singen gelernt hast in jungen Tagen, und meint man, so ein elender Tropf verdiene gehenkt zu werden, denn er gehöre gar nicht in die Welt, und passe nicht herein in unsere Zeit: so gib Red' und Antwort denn der ist ein schlechter Tropf, der kein Wort hat zur rechten Zeit - und sag: du könnest nichts dafür, dass du ein Rabenvogel geworden seiest und kein vornehmes Thier; denn du habest dich nicht selbst erschaffen und sei nicht der Frack die Hauptsach' in der Welt, sondern was inwendig ist und laufen der Spizbuben genug herum mit Seidencylindern, und habe andererseits unser Herrgott selber nicht nur süß flötende Nachtigallen und bunte Colibri erschaffen, sondern auch aschgraue Spaßen und kohlschwarze Raben und hat davon noch keinen erschossen bis auf diese Stund', sondern nährt und kleidet sie mit allerhöchst eigener Hand!

Findest du aber Leute, die dich gerne aufnehmen und auch anhören, was du erzählen kannst, da fang an zu erzählen vom seligen P. Clemens Maria Hofbauer, den ein römischer Cardinal den Apostel des Nordens genannt hat, und erzähl' den Kindern vom folgsamen Mezgerbüblein und den Arbeitern vom fleißigen Bäckergesellen und der lieben Unschuld von seinem reinen Herzen und den Armen von

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