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auch keines Credites, und hat daher auch keine Schulden, sondern deckt unvorhergesehene dringende Bedürfnisse durch Vorschüsse einzelner Bundesglieder 14). Der Bundesstaat legt sich dagegen selbst die Finanzgewalt und das Besteuerungsrecht über die Unterthanen aller Einzelnstaaten bei, so wie auch das Recht, Staatsschulden zu contrahiren, welche die Gesammtheit verpflichten, und beschränkt daher durch seine Concurrenz die Finanzgewalt der Einzelnstaaten in sehr empfindlicher Weise 15).

IX. Im Staatenbunde hat die Bundesversammlung als Centralorgan des Bundes keine Staatshoheit über die Unterthanen der Bundesglieder, also weder ein Recht der Gesetzgebung, noch Gerichtsbarkeit, noch vollziehende Gewalt über dieselben, sondern es sind nur die Bundesglieder verpflichtet, die bundesverfassungsmässig gefassten Beschlüsse der Bundesversammlung in ihren Ländern zu verkünden und zur Geltung zu bringen 16). In einem Bundesstaate dagegen publicirt auch die Centralgewalt Gesetze, welche unmittelbar die Unterthanen in den Einzelnstaaten binden 17): sie legt sich auch regelmässig in weit

seit dem Bestande des deutschen Bundes eine Veranlassung zu solcher Klage gewesen.

44) So ist es bisher im deutschen Bunde gehalten worden.

45) Die Frankfurter deutsche Reichsverfassung v. 1849 §. 48-51 hatte der Reichsgewalt nicht nur einen Antheil an den Einkünften aus Zöllen und den gemeinschaftlichen Produktions- und Verbrauchssteuern angewiesen, sondern auch ihr das Recht beigelegt, Matrikularbeiträge zu erheben, und in ausserordentlichen Fällen sogar Reichssteuern aufzulegen, zu erheben oder erheben zu lassen und Anleihen oder sonstige Schulden zu contrahiren. Die Einführung eines solchen doppelten Besteuerungsrechtes der Gesammtheit und der Einzelnstaaten, und namentlich die Zuweisung der Produktions- und Verbrauchssteuern an die GesammtLeit, wäre nach der Beschaffenheit der deutschen Zustände das unfehlbare Mittel, um den Staatshaushalt der Einzelnstaaten gründlich zu zerrütten, and die Steuerpflichtigen zur Verzweiflung zu bringen. Welche Sicherheit ein Staatenstaat seinen Gläubigern zu gewähren vermag, davon hat das Schicksal der Gläubiger der Reichsoperationskasse bei der Auflösung des deutschen Reichs ein schlagendes unvergessliches Beispiel gegeben.

16) So wird es im deutschen Bunde gehalten. Siehe unten §. 151. 17) Dies bestimmte auch die Frankfurter deutsche Reichsverfassung von 1849, §. 62-66.

mehreren Fällen eine Gerichtsbarkeit bei, als dies i einem Staatenbunde der Fall zu sein pflegt 18), und misch sich überhaupt weit mehr in die inneren Angelegenheiten de Einzelnstaaten ein, als dies bei einem Staatenbunde für zu lässig geachtet werden kann.

X. In einem Staatenbunde besteht demnach auch nu eine einfache Unterthanschaft und Unterthanen pflicht, nämlich im Verhältniss zum Landesherrn in jeden der verbündeten Staaten, und wird daher auch nur diesem nie aber dem Staatenbunde ein Eid der Treue von den Unter thanen und namentlich vom Militär geleistet. Im Bundes staate dagegen besteht eine doppelte Unterthanschaft und muss daher mitunter auch von dem Militär ein Eid de Treue sowohl der Centralgewalt als dem Landesherrn de betreffenden Einzelnstaats geleistet werden, wodurch namentlich da, wo man das Contingentssystem theilweise beibehält, nu Missstände hervorgerufen werden können 19).

XI. Bisher hat es noch keinen Staatenbund gegeben in welchem, wenn er ganz oder hauptsächlich aus monarchi schen Staaten besteht, eine Gesammt volksvertretung neber der Bundesversammlung eingerichtet gewesen wäre, obschor eine solche Einrichtung an sich betrachtet, nicht unmöglich wäre 20): dagegen hat man bei einem projektirten Bundesstaate mit monarchischer Spitze schon einmal die Errichtung einer Gesammtnationalvertretung in zwei Häusern beschlossen 21).

18) Vergl. den Abschnitt V., das Reichsgericht, in der Frankfurter deutschen Reichsverfassung von 1849, §. 124, mit der Bestimmung der deutschen B.-A. art. 11, a linea 4, und der hieran sich anschliessenden Verfassung der Bundesausträgalinstanz; siehe unten §. 159.

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19) Vergl. oben Note 12. In der Frankfurter Reichsverfassung von 1849 war bestimmt: Art. 14:,,In den Fahneneid ist die Verpflichtung zur Treue gegen das Reichsoberhaupt und die Reichsverfassung an erster Stelle aufzunehmen."

20) Vergl. meine Schrift: Bundesreform, deutsches Parlament un Bundesgericht, Heidelberg 1848.

21) Vergl. die Frankfurter deutsche Reichsverfassung v. 1849, Abschn. IV Der Reichstag, §. 85 u. folg. Das Staatenhaus sollte die deutscher Einzelnstaaten als solche, das Volkshaus das deutsche Volk in seine nationalen Gesammtheit vertreten. Wo ein Bundesstaat allein von kleiner Republiken gebildet wird, wie in der Schweiz und Nordamerika, ha

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XII. In einem Staatenbunde kann die Centralgewalt nur in der Versammlung sämmtlicher Bundesglieder, der Bundesversammlung, liegen: die Mitglieder der Bundesversammlung erscheinen hier als Mandatare der Bundesglieder und haben nach deren Instruktionen zu handeln; auch findet man hier kein Bundesministerium 22). In dem Bundesstaate dagegen kann sogar ein als souverainer Monarch anerkanntes Haupt des Gesammtstaates an der Spitze stehen 23), und wenn eine Gesammtnationalvertretung eingerichtet ist, so erscheinen die Mitglieder derselben als eigentliche Repräsentanten der ganzen Nation, die nach eigenem Ermessen stimmen 24), auch findet man daselbst mitunter ein Ministerium der Centralgewalt, oder des Inhabers der vollziehenden Gewalt 25).

§. 65.

Personalunion. Realunion. Incorporation.

Abgesehen von dem Staatenbunde und Bundes- oder Staatenstaate können noch folgende Verbindungen unter ursprünglich selbstständigen Staaten stattfinden:

die Einrichtung einer Gesammtrepräsentation weit weniger Schwierigkeiten, als wenn der Bundesstaat, wie in Deutschland, aus hauptsächlich monarchischen Staaten, und zwar von sehr verschiedenen Machtverhältnissen gebildet werden will.

22) So verhält es sich im deutschen Bunde. Siehe unten §. 121 flg.

3) Frankfurter deutsche Reichsverfassung von 1849, Abschn. III., vom Reichsoberhaupt, §. 68 ff.

#) Frankfurter deutsche Reichsverfassung von 1849, §. 96: „, Die Mitglieder beider Häuser können durch Instruktionen nicht gebunden werden."

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*) Frankfurter deutsche Reichsverfassung von 1849, §. 73, a linea 2: Der Kaiser übt die ihm übertragene Gewalt durch verantwortliche, von ihm ernannte Minister aus. 66 Auch die Verf. v. Nordamerika, Art. II, Abschn. 2. §. 2, legt dem Präsidenten der vereinigten Staaten das Recht bei, Minister zu ernennen. Nach der Schweizer Bundesverfassung von 1848 werden die Geschäfte des aus sieben Mitgliedern bestehenden Bundesrathes, welcher die oberste vollziehende und leitende Behörde der Eidgenossenschaft ist (art. 83), unter die einzelnen Mitglieder nach Departementen vertheilt (art. 91).

I. Die Personalunion: dies ist der Fall, wenn zwei an sich selbstständige monarchische Staaten nur dadurch unter einem Scepter vereinigt werden, dass in Folge einer zufälligen Uebereinstimmung der Successionsgesetze dieselbe Person zu beiden Kronen berufen wird. Hier bleiben beide Staaten fortwährend in Verfassung, Recht und Verwaltung vollständig von einander unabhängig. Diese Verbindung endigt, so wie ein Successionsfall eintritt, für welchen die Successionsgesetze dieser Staaten abweichende Bestimmungen enthalten 1).

II. Realunion heisst die Verbindung, wenn sie grundsätzlich als eine bleibende in der Art errichtet ist, dass der Herrscher des einen Staates jederzeit auch als Herrscher in dem anderen anerkannt werden muss. Hiernach erscheint das eine Land als das Hauptland, das andere als Nebenland, gleichviel welches das grössere oder volkreichere ist. In monarchischen Staaten beruht die Realunion darauf, dass das Thron successionsgesetz des einen Landes auch für das andere unbedingt als giltig anerkannt ist. Uebrigens können auch bei der Realunion die unirten Staaten eine verschiedene Verfassung, ein anderes Recht und getrennte innere Verwaltung behalten, und ist diese Trennung mitunter sogar grundgesetzlich ausgesprochen 2).

III. Incorporation heisst die Verbindung, wenn mehrere Staaten so mit einander vereinigt werden, dass für sie ausser dem gemeinschaftlichen Thronsuccessionsgesetze auch nur noch ein und dasselbe politische Grundgesetz gilt, und insofern eine Repräsentativ-Verfassung besteht, auch nur eine

1) So z. B. waren Hannover und England noch unter dem König Wilhelm IV. in solcher Personalunion (bis 20. Juni 1837).

2) Die Frankfurter deutsche Reichsverfassung von 1849 enthielt in Abschnitt I, das Reich, §. 2 ff. mehrere Bestimmungen, welche darauf abzielten, den deutschen Ländern, welche mit einem nichtdeutschen Lande dasselbe Staatsoberhaupt hatten, ihre Selbstständigkeit in Verfassung, Regierung und Verwaltung zu erhalten. Im §. 4 war überdies ausgesprochen:,,Abgesehen von den bereits bestehenden Verbindungen deutscher und nichtdeutscher Länder soll kein Staatsoberhaupt eines nichtdeutschen Landes zugleich zur Regierung eines deutschen Landes gelangen, noch darf ein in Deutschland regierender Fürst, ohne seine deutsche Regierung abzutreten, eine fremde Krone annehmen."

einzige Repräsentation stattfindet. Hiermit endigt die bisherige politische Selbstständigkeit des incorporirten Staates vollständig, und besteht fortan nur noch ein Einheitsstaat, sei es, dass der eine Staat den anderen vollständig in sich aufnimmt, oder aus beiden ein Staat unter neuem Namen gebildet wird 3). Ob etwa in den einzelnen Landestheilen noch die hergebrachten Civil- oder Strafgesetze, oder Besonderheiten in dem Verwaltungsorganismus bestehen bleiben, ist für das Wesen der Incorporation gleichgiltig 4).

Sechster Abschnitt.

Begriff, Eintheilung und Quellen des deutschen
Staatsrechts.

§. 66.

Begriff des deutschen Staatsrechts.

Unter deutschem Staatsrecht versteht man im Allgemeinen den Inbegriff aller politischen, d. h. auf den Staatszustand bezüglichen Rechtsnormen, welche überhaupt in Deutschland seit seiner ersten Gestaltung zu einem Staatskörper in Anwendung gekommen sind, oder noch jetzt, d. h. seit der Stiftung des deutschen Bundes, zur Anwendung kommen 1). In einem

3) Nach Analogie der kirchlichen Benefizien sprach man hier früher vo Unio per suppressionem und Unio per novationem.

4) So z. B. haben die bayerischen Rheinlande die französischen Gesetzbucher und die französische Gerichtsverfassung behalten.

1) Hiermit ist auch die Eintheilung in antiquirtes und praktisches (sog. heutiges oder dogmatisches) deutsches Staatsrecht gegeben. Ungenau ist es, wenn Manche das erstere auch als historisches bezeichnen, denn auf dieses Prädikat hat auch das praktische Staatsrecht Anspruch: auch lässt sich, was antiquirtes deutsches Staatsrecht ist, nicht durch die Aufstellung gewisser Perioden bestimmen, indem sehr vieles aus der Zeit der alten Reichsverfassung und des Rheinbundes sich fortwährend praktisch erhalten hat.

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