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III. Eine förmliche Reichshuldigung leisteten nur die Reichsstädte; die übrigen Reichsstände leisteten den Huldigungseid zugleich mit dem Lehenseid bei der Belehnung mit ihren Reichslehen und Hoheitsrechten 7).

§. 87.

Ende der kaiserlichen Regierung 1).

Die kaiserliche Regierung endigte 1): durch den Tod des Kaisers; 2) durch Resignation (Abdankung), d. h. durch freiwillige Niederlegung der Krone 2); 3) durch Absetzung, worüber es jedoch an ausreichenden gesetzlichen Bestimmungen fehlte. Der Sachsenspiegel und der Schwabenspiegel 3) sowie auch die goldene Bulle Karls IV.4) sprechen zwar von einer Jurisdiktion des Pfalzgrafen bei Rhein über den Kaiser. Diese galt aber später entschieden für unpraktisch, obschon die betreffende Stelle der goldenen Bulle durch kein neueres Reichsgesetz ausdrücklich aufgehoben worden war. Die Theoretiker aus der letzten Zeit des Reiches hielten mindestens einen Comitialschluss für nothwendig, wie bei der Absetzung eines Reichsstandes 5).

Leist, Staatsr. §. 66; besonders Gönner, Staatsr. §. 279.

1) Leist, Staatsr. §. 67.

2) So z. B. Karl V.

Gönner, Staatsr. §. 106.

Schwabensp. c. 121. 128.

3) Sachsensp. III. 52. §. 3.

Meine deutsche Rechtsgesch. 3. Aufl. 1858. Thl. II. §. 46. Note 14. (Siehe auch oben §. 58. Note 5). A. Schulze, de jurisdictione principum, praesertim Comitis palatini in imperatorem exercita, Jena 1847.

4) Gold. Bulle c. V. §. 3:,,Et quamvis Imperator sive Rex Romanorum super causis, pro quibus imperator impetitus fuerit, habeat, sicut ez consuetudine introductum dicitur, coram comite Palatino Rheni . . . respondere, illud tamen judicium comes Palatinus ipse non alibi, praeterquam in imperiali curia, ubi Imperator seu Romanorum Rex praesens extiterit, poterit exercere.

66

5) Man bezog sich auf die Analogie der W.-K. art. I. §. 3. 4, wonach auch kein Reichsstand ohne Comitialbewilligung entsetzt oder suspendirt werden durfte. Gönner, Staatsr. §. 106. 310. Leist, §. 67. 143. Moser, Staatsr. Thl. VII. S. 71 flg.

§. 88.

Der römische König1).

I. Wenn bei dem Leben eines Kaisers ein Nachfolger desselben gewählt wurde, so führte dieser den Titel römischer König (Rex Romanorum).

II. Die Frage, wer über die Nothwendigkeit, einen solchen römischen König zu wählen, entscheiden solle, war im westphälischen Frieden unerledigt geblieben 2). Später kam auf dem Reichstage in den Jahren 1691 und 1711 ein Vergleich zwischen den Kurfürsten und den übrigen Fürsten zu Stande, dessen Inhalt seitdem auch in die Wahlkapitulationen aufgenommen wurde. Hiernach sollten die Kurfürsten nur bei dem Vorhandensein besonderer Gründe zur Wahl eines römischen Königs bei dem Leben des Kaisers schreiten.

III. Ueber das Vorhandensein eines solchen Grundes entschieden jedoch die Kurfürsten allein. Sie mussten von ihrem Beschlusse, eine römische Königswahl vorzunehmen, dem Kaiser Anzeige machen, und dessen Genehmigung zur Vornahme der Wahl nachsuchen, konnten aber damit doch vorschreiten, wenn sie die Verweigerung der kaiserlichen Zustimmung nicht für hinreichend begründet erachteten 3). Es lag jedoch in dem

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Schmalz, Staatsr.

1) Pütter, inst. §. 504 flg. Leist, Staatsr. §. 69. 70. Staatsr. §. 116 flg. Schmid, Staatsr. §. 134. Moser, v. römischen Kaiser, §. 671 flg.

§. 154.

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2) J. P. O. art. VIII. §. 3. Ueber die früher übliche Bezeichnung des erwählten Kaisers selbst vor der Krönung durch den Papst als Rez Romanorum, s. oben §. 83. Note 2.

3) W.-K. art. III. (1711. §. 11) 1792. §. 10: , Und nachdem von Kurfürsten und Fürsten zu Regensburg, nach Anleitung articuli VIII Instrumenti Pacis, von der Wahl eines römischen Königs bei Lebzeiten eines erwählten römischen Kaisers gehandelt und verglichen worden, dass die Kurfürsten nicht leichtlich zur Wahl eines römischen Königs vivente imperatore schreiten, es wäre dann, dass entweder der erwählte und regierende römische Kaiser sich aus dem römischen Reich begeben, und beständig oder allzulang aufhalten wollte, oder derselbe wegen seines hohen Alters oder beharrlicher Unpässlichkeit der Regierung nicht mehr vorstehen könnte, oder sonst eine anderweitige hohe Nothdurft ... erforderte einen römischen König noch bei Leb

Interesse der Kaiser selbst, einem ihrer Söhne oder einem anderen Mitgliede ihres Hauses durch Veranlassung der Kurfürsten zur römischen Königswahl schon bei ihrem Leben die Nachfolge in der kaiserlichen Würde zu sichern.

IV. Die Rechte des römischen Königs waren: 1) der Majestätstitel; 2) der einköpfige Adler als Wappenträger; 3) der Vorrang vor allen Reichsständen. 4) Er war Reichsverweser bei Verhinderung des Kaisers zur Ausübung der kaiserlichen Regierung, durfte sich aber ausserdem ohne dessen Auftrag in die Reichsregierung nicht einmischen '); bei dem Tode des Kaisers oder bei Resignation desselben ging die Reichsregierung ipso jure an ihn über, und zwar ohne neue Krönung und Beschwörung der Wahlkapitulation, da dies alles gleich bei der römischen Königswahl selbst stattfand.

§. 89.

Die Reichsvikarien1).

I. Eine Reichsverwesung war zur Reichszeit schon darum oft nothwendig, weil das Reich Wahlreich war, und daher leicht ein kaiserloser Zustand, sog. Zwischenreich, Interregnum, eintreten konnte.

zeiten des regierenden Kaisers zu erwählen, und dann dass in solchem ein und andern angeregten, wie auch erstgedachtem Nothfalle die Wahl eines romischen Königs durch die Kurfürsten, mit oder ohne des regierenden Kaisers Consens, wenn derselbe auf angelegte Bitte ohne erhebliche Ursache verweigert werden sollte, vorgenommen, und damit ... frei und ungehindert verfahren werden solle; so wollen und sollen Wir diesen der Kurfürsten und Fürsten unter einander verfassten Schluss, wie hiermit geschieht, für genehm und Uns demselben gemäss und conform halten."

4) Z. B. W.-K. Josephs II. (1764) art. XXX. §. 3: „Wir sollen und wollen auch keine Regierung und Administration im heil. Römischen Reich, so lange ihre Kaiserliche Majestät im Leben, ohne Dero ausdrücklichen Auftrag und Einwilligung Uns unterziehen, noch Ihro an der Hoheit und Würde des Kaiserthums einigen Eintrag thun."

1) Pütter, inst. §. 478 flg. Moser, v. dem röm. Kaiser, S. 737. Leist, Staatsr. §. 95 flg. Gönner, Staatsr. §. 118 flg. Schmid, Staatsr. §. 135. Schmalz, Staatsr. §. 190. Meine deutsche Rechtsgeschichte 3. Aufl. 1858. Thl. II. §. 47. 59. 67.

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Jos. v. Sartori, reichs

II. Durch Herkommen 2) und dessen ausdrückliche Bestätigung in der goldenen Bulle 3) und in den kaiserlichen Wablkapitulationen 4) waren Kurpfalz und Kursachsen die Reichsverweser (Provisores sive vicarii imperii) in den deutschen Landen. In Italien war (dem Namen nach) Savoyen Reichsverweser 5).

III. Kurpfalz und Kursachsen behandelten als Reichsverweser in Deutschland, wenn kein Kaiser vorhanden war, nur jene Reichsgeschäfte gemeinschaftlich, welche ihrer Natur nach untheilbar waren): im Uebrigen führten sie die Reichsverwesung in getheilten Distrikten, wofür die Bezeichnung Länder des sächsischen Rechts und Ländes des fränkischen Rechts" gebräuchlich geworden war 7).

IV. Ueber die Theilung ihrer Amtsbezirke bestand ein Vergleich v. J. 1750 8).

vikariatisches Staatsr., Augsburg 1790. J. Ch. Knötschker, Versuch einer Geschichte des Reichsvikariats durch Deutschland und Italien in den Zwischenreichen vor der goldenen Bulle, Leipzig 1796.

2) Der Schwabens p. Ldr. (Lassb.) c. 125, weiss nur erst von einem Reichsvikariate des Pfalzgrafen bei Rhein aus speciellem kaiserlichen Auftrag während einer Abwesenheit des Kaisers.,, vnd vert der Kiunig von tutschem lande. . . da sol er dem phalentzgraven von Rine den gewalt geben. daz er rihter si. an des Kuniges stat. uber der fursten lip. vnde gibt er im dez gewaltes nüt. so hat er kein recht daran."

3) Gold. Bulle cap. V.

4) W.-K. (1792) art. III. §. 14-18; XI. §. 7; XIII. §. 9.

5) W.-K. art. XXVI. §. 2.

6) So z. B. die Fortsetzung eines Reichstags: die Bestätigung des Reichskammergerichts in seiner Funktion u. dgl.

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7) Goldene Bulle, cap. V. §. 1: ,, Quoties insuper ... sacrum vacare continget imperium, illustris Comes Palatinus Rheni. . . ad munus futuri Regis Romanorum in partibus Rheni ac Sueviae et in Jure Franconico... esse debet provisor ipsius imperii. "Ibid. §. 2. Et eodem Jure provisionis illustrem Ducem Saxoniae... frui volumus in his locis, ubi Saxonica jura servantur." Nach der Trennung der Kurhäuser Pfalz und Bayern errichteten dieselben im J. 1724 einen Vergleich wegen gemeinschaftlicher, und im J. 1745 wegen alternirender Führung des rheinischen Reichsvikariats. Schmauss, S. 1345 flg. Mit dem Erlöschen der kurbayerischen Linie (30. Dec. 1777) fiel die Bedeutung dieser Vergleiche von selbst hinweg.

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8) Ein Extrakt dieses Vergleichs, der niemals vollständig veröffentlicht worden zu sein scheint, findet sich bei Schmauss, S. 1626. Er sollte

V. Die Reichsvikarien konnten in Thätigkeit treten: 1) Sede plena, d. h. bei Verhinderung des lebenden Kaisers, z. B. wegen seiner Unmündigkeit"), sowie auch, nach vorgängigem Comitialschluss bei langer Abwesenheit, Altersschwäche u. dergl. des Kaisers, sofern nicht schon ein römischer König erwählt war 10): In diesem Falle waren sie eigentliche Regierungsvormtinder, oder,, administratores" der kaiserlichen Gewalt und handelten stets ,,im Namen" des Kaisers, und daher auch durchaus und nothwendig gemeinschaftlich, sowie auch alle Reichsgerichte hier in ununterbrochenem Gange blieben. 2) Sede vacante, d. h. wenn ein wirkliches Interregnum eintrat, so ging im Allgemeinen alle Reichsgewalt an die Reichsvikarien als ihr grundgesetzliches Recht interimistisch über.

VI. Es nennt zwar die goldene Bulle cap. V. §. 1 nur vier Rechte ausdrücklich als den Reichsvikarien zuständig; dies erklärt sich aber daraus, weil nur die Zuständigkeit dieser Rechte früher bezweifelt worden war: nämlich 1) Potestas judicia exercendi. Hierunter verstand man seit der Einrichtung des Reichskammergerichtes und des Reichshofrathes a) das Recht, das Reichskammergericht gemeinschaftlich zur Fortsetzung seiner Amtsthätigkeit zu ermächtigen und dasselbe zu visitiren 11); b) anstatt des durch den Tod des Kaisers jeweilig suspendirten Reichshofrathes durfte sogar jeder der beiden Reichsvikarien für seinen Sprengel ein sog. reichsvikariatisches Hofgericht für die Dauer des Interregnums einrichten 12); 2) Jus ad beneficia ecclesiastica praesentandi, d. h. das kirchliche Präsentationsrecht auszuüben, wo der Kaiser als Patron hatte 13); 3) das Recht, die Reichs

es

nach der W.-K. (1792) art. III. §. 17, dem Reiche zur Genehmigung vorgelegt werden, was aber nicht geschehen ist.

9) Vergl. die Bestimmungen in der W.-K. Josephs I. art. 47 (s. oben §. 86. Note 5).

19) W.-K. (1792) art. III. §. 14.

1) Pütter, inst. §. 481.

12) W.-K. (1792) art. III. §. 15.

Danz, über die Justizverfassung

in Deutschland während eines Zwischenreichs, Stuttgart 1790.

13) Nicht zu verwechseln mit dem jus precum primariarum (s. oben §. 85), welches seinem Begriffe nach nur dem Kaiser zustehen konnte.

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