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geübt 3). Die Reichsstädte waren wahre Reichsstände, aber eben desshalb so wenig souveraine Republiken, als die übrigen Reichsstände souveraine Fürsten 4).

III. In den älteren Zeiten war es streitig gewesen, ob die Reichsstädte eine entscheidende Stimme auf dem Reichstage hätten sie wurde ihnen aber endlich in dem westphälischen Frieden ausdrücklich zugestanden 5). Nur bei gewissen Sachen hatten sie überhaupt kein Stimmrecht, nämlich a) bei Aufnahme von Reichsständen in den Fürstenrath); b) bei Wiederverleihung solcher heimfallenden Reichslehen, welche die Reichsstädte nicht berührten), und c) seit 1803, bei Reichskriegen, wogegen ihnen eine längst gewünschte Neutralität beigelegt wurde).

IV. Die Reichsstädte verhandelten in zwei Bänken, der rheinischen und der schwäbischen Städtebank. Die Erstere bildeten 14, die Letztere 37 Städte"). Davon wurden 13 als katholisch, 33 als protestantisch und 5 als gemischt betrachtet. Jede Stadt führte auf der betreffenden Bank eine Virilstimme.

3) Reichshofrathsconclusum v. 1746 bei Moser, v. d. reichsstädtischen Regimentsverfassung (N. Staatsr. XVIII.) S. 64:,,Kais. Majestät befehlen dem Stadtmagistrat zu F. in seinen Gränzen zu bleiben, und sich denen Ständen des Reichs nicht gleich zu achten, sondern wie er in der That nichts anders ist, als ein Collegium solcher Männer, die autoritate caesarea von der Bürgerschaft erwählet worden, nicht jure proprio zu regieren, sondern als bestellte Administratores dem gemeinen Wesen vorzustehen.“ Von der eigentlichen Bürgerschaft in den Reichsstädten waren aber deren Schutzgenossen oder Schutzbürger, so wie die Landbewohner auf den reichsstädtischen Gebieten wohl zu unterscheiden, welche zu der Bürgerschaft in dem Verhältnisse von Unterthanen standen, und an dem Stadtregiment keinen Antheil oder doch nur beschränkte politische Rechte hatten. Ueberreste dieses Verhältnisses haben sich z. B. in Frankfurt bis auf die neueste Zeit erhalten.

4) Gönner, Staatsr. §. 161. III. Mit Unrecht tadelt aber derselbe die Bezeichnung der Reichsstädte als kaiserliche, freie Städte. Siehe meine deutsche Rechtsgesch. u. meine Alterthümer des deutschen Reichs u. Rechts a. a. O. (siehe Note 1).

5) J. P. O. art. VIII. §. 4:

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Tam in universalibus vero, quam particularibus diaetis liberis Imperii civitatibus, non minus quam caeteris Statibus Imperii, competat votum decisivum.“

6) W.-K. art I. §. 5 (s. oben §. 90. Note 6 und §. 92. VI.).

7) W.-K. art. XI. §. 10.

8) R.-D.-H.-S. v. 25. Febr. 1803. §. 27.

9) Siehe die Eintheilung in diese beiden Bänke bei Pütter, inst. §. 104.

V. Durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurden 45 Städte mediatisirt, so dass das reichsstädtische Collegium nur noch von sechs Städten, Augsburg, Lübeck, Nürnberg, Frankfurt, Bremen und Hamburg gebildet wurde 10).

VI. Das Direktorium in dem reichsstädtischen Collegium führte früher die Stadt, in welcher der Reichstag gehalten wurde, also seit 1663 Regensburg. Unter dem 4. Mai 1803 hatten die übrig gebliebenen sechs Städte einen Vertrag errichtet, wonach das Direktorium unter ihnen von zwei zu zwei Jahren wechseln sollte 11).

§. 96.

Verhandlungsweise auf dem Reichstage. Reichsgutachten.
Reichsschlüsse. Reichsabschiede1).

I. Die Versammlung der Reichsstände unter den Auspicien des Kaisers, d. h. auf Berufung durch denselben und unter dessen hoheitlicher Gewalt, zur Verhandlung und Erledigung von Reichsangelegenheiten hiess: allgemeine Reichsversammlung oder Reichstag (Comitia imperii universalia, Dieta imperii). Nur der Kaiser hatte das Recht, den Reichstag zu berufen und seine Beschlüsse zu sanktioniren (sog. Ratifikationsrecht) 2). Der Kaiser war verpflichtet, mindestens alle zehn Jahre, oder so oft es des Reichs Nothdurft erforderte, einen Reichstag zu halten und hatte sich desshalb jedesmal vorher mit den Kurfürsten zu verständigen 3). Als Versammlungsort wurde eine Reichsstadt gewählt. Seit 1663 war aber der Reichstag permanent geworden, und hatte bis zur Auflösung des Reichs seinen Sitz zu Regensburg.

II. Da der Reichstag nur unter den Auspicien des Kaisers handeln konnte, so musste dieser fortwährend auf dem Reichstage gegenwärtig sein, entweder in Person, was aber schon

10) R.-D.-H.-S. art. 27.

11) Leist, Staatsr. §. 79.

1) Moser, v. d. Reichstagsgeschäften 1768; v. d. deutschen Reichstagen, II Thle. 1774. Pütter, inst. §. 139 flg. Gönner, Staatsr. §. 168.

Leist, Staatsr. §. 80 flg.

2) Siehe oben §. 84. Note 3.

3) W.-K. art. XIII. §. 1.

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seit dem XVII. Jahrhundert ausser Gebrauch gekommen war, oder durch einen Commissarius mit Repräsentativ - Charakter. Dieser hiess,, kaiserlicher Principalcommissär“ und wurde nach der Praxis nur aus dem Fürstenstande des Reichs genommen 4). Auch dieser trat nur bei der feierlichen Eröffnung und am Schlusse des Reichstags persönlich auf: im Uebrigen handelte er mit dem Reichstage schriftlich durch sog. Commissions dekrete. Dem Kaiser war jedoch unbenommen, schriftliche Erlasse auch unmittelbar dem Reichstage zugehen zu lassen solche hiessen Hofdekrete. Dem kaiserlichen Principalcommissär war noch ein sog. Concommissarius beigegeben, d. h. ein Staatsmann ohne Repräsentativcharakter, welcher mit der eigentlichen Geschäftsführung betraut war.

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III. Auch die Reichsstände erschienen seit dem XVII. Jahrhundert auf dem Reichstage regelmässig nur noch durch Gesandte (sog. Reichstags gesandte).

IV. Das allgemeine reichstägliche oder Reichsdirektorium führte Mainz als Reichserzkanzler 5) durch den von ihm ernannten Reichsdirektorialgesandten. An dasselbe gelangten alle kaiserlichen Erlasse, Zuschriften und anderen Eingaben von Reichsständen oder anderen Personen und wurden von ihm zur Kenntniss des Reichstags gebracht. Die Vervielfältigung zum Behufe der Vertheilung an die Reichstagsgesandten geschah durch Diktatur: der diktirende Sekretär hiess Reichsdiktator. Das Reichsdirektorium hatte ausser der allgemeinen Leitung der Reichstagsverhandlungen auch die Reichsgutachten und Reichsabschiede zu entwerfen, und die Protokolle, sowie überhaupt das Reichstagsarchiv zu bewahren.

V. Die Veranlassung zu Berathungen des Reichstags gaben zunächst die kaiserlichen Propositionen, welche durch Hofdekrete oder Commissionsdekrete eingebracht wurden, oder ein vom Kurfürstenkolleg ausgehender Gesetzesvorschlag (§. 93), oder ein Antrag einzelner Reichsstände oder anderer Personen. Das Reichsdirektorium bestimmte die Reihenfolge der Berathungs

4) Man wollte hierfür auch eine gesetzliche Grundlage in dem R.-A. v. 1548. §. 17 finden (N. S. der R.-A. Thl. II. S. 486): „, kaiserl. Majestät verordneten Commissarien, so Fürsten des Reichs sein sollen."

5) W.-K. art. XIII. §. 6.

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gegenstände, und sollte dieselben längstens innerhalb zweier Monate nach dem Einlaufe zur Berathung bringen. Die Notifikation an die Reichstagsgesandten geschah durch Ansagezettel, welche die Einladung zur Sitzung enthielten; dann folgte die Aufforderung zur Instruktionseinholung und die Verlassnahme, d. h. die Uebereinkunft der Gesandten über einen Termin zur Eröffnung des Abstimmungsprotokolls ),,, stando in circulo", d. h. ohne ordentliche collegienweise Sitzung und ohne förmlichen Aufruf zur Abstimmung. Am bestimmten Tage erfolgte sodann die DirektorialProposition, d. h. der Vorschlag zur Beschlussfassung von Seiten des Reichsdirektoriums in circulo, und hierüber wurde nunmehr in den einzelnen Collegien berathen und abgestimmt und jede einzelne Abstimmung zu Protokoll genommen.

VI. Hierauf folgte sodann die Re- und Correlation, d. h. dasjenige der beiden ersten Collegien, welches mit seinem Beschlusse zuerst fertig war, theilte diesen dem anderen mit (sog. Relation): die hierauf folgende Erklärung des anderen hiess sodann Correlation. Das Kurfürstencolleg und der Fürstenrath setzten in solcher Weise ihre gegenseitige Verhandlung fort, bis eine Vereinbarung erzielt, oder Gewissheit erlangt war, dass sich diese beiden Collegien über den betreffenden Gegenstand nicht einigen würden. In letzterem Falle blieb die Sache beruhen; hatten sich aber diese beiden Collegien über einen Beschluss vereinigt, so ging die Sache nunmehr zu gleicher Re- und Correlation an das Collegium der Reichsstädte, sofern deren Zustimmung nöthig war1).

VII. Stimmten hierauf die Reichsstädte ebenfalls bei, so hiess der Beschluss commune trium (sc. collegiorum) und der Aufsatz darüber Reichsgutachten (consultum s. suffragium imperii). Stimmte das Collegium der Reichsstädte aber nicht

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6) W.- K. art. XIII. §. 8: Darob besonders zu halten, dass die beim Reichskonvent einkommenden gravamina und desideria statuum . . . von dem Reichsdirektorium, nach vorgängiger herkömmlicher und gebührlicher Verlassnehmung, längstens innerhalb zwei Monaten, oder wo periculum in mora ist, noch eher, zur Proposition und Berathschlagung gebracht werden." Gewöhnlich bestimmte man sechs Wochen: mindestens aber zehn

Tage.

7) Siehe oben §. 95. III.

bei, so war die Sache ebenfalls abgethan und beseitigt, da zwischen den drei reichsständischen Collegien unter sich keine Majorität galt, und auch der Kaiser bei Meinungsverschiedenheit der Reichscollegien keine entscheidende Stimme hatte.

VIII. Auf dieses Reichsgutachten sollte der Kaiser schleunig nach Beirath des Reichsvicekanzlers durch eine sog. kaiserliche Resolution seine Genehmigung oder Nichtgenehmigung erklären ). Wenn der Kaiser das Reichsgutachten ratificirte, so war es hiermit in einen Reichsschluss (conclusum imperi) verwandelt, d. h. es war der Beschluss jetzt publikationsfähig und vollziehbar 9).

IX. Bevor der Reichstag zu Regensburg permanent geworden war, pflegte man die auf einem Reichstage zu Stande gekommenen Reichsschlüsse nicht sofort einzeln zu publiciren, sondern man verschob ihre Publikation regelmässig bis zu dem Ende des Reichstags, und verkündete sie sodann zusammen und gleichzeitig in einer Urkunde, welche Reichsabschied (recessus imperii) genannt wurde. Der letzte, sog. jüngste Reichsabschied (recessus imperii novissimus) ist vom Jahre 1654.

§. 97.

Von der Reichsregierung.
A. Reichsministerium ').

Da die Reichsregierung wegen des neben dem Principe der Reichseinheit zur vorwiegenden Geltung gekommenen Principes der Staatentrennung (§. 77) hauptsächlich nur das Verhältniss der Stände zum Kaiser und Reiche, die Erhaltung der äussern und innern Sicherheit Deutschlands, den sog. Landfrieden, und eine beschränkte Aufsicht über die Landesregierungen zum Gegenstand hatte, so bedurfte man auch nur weniger ständiger Reichsbehörden.

I. Der oberste Reichsbeamte und gleichsam geborene Reichsminister war der Reichs-Erzkanzler (Mainz), welcher

8) Siehe oben §. 84. Note 3.

9) Ob ein Reichsbeschluss als Reichsgesetz publicirt werden konnte, hing von seinem Gegenstande ab.

1) Pütter, inst. §. 68. 69. 132 sq. Gönner, Staatsr. §. 203 flg. Schmid, Staatsr. §. 145.

Zöpfl, Staatsrecht. 5. Aufl. I. ·

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