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als Bundesakte am 10. Juni 1815 zu Wien unterzeichnet wurden 5). Für Baden und Würtemberg wurde der Beitritt ausdrücklich vorbehalten). Baden trat sodann am 26. Juli 1815, Würtemberg am 1. Sept. 1815 dem deutschen Bunde bei 7). Hessen-Homburg, das zur Zeit der Abschliessung der Bundesakte unter der Hoheit von Hessen-Darmstadt stand, wurde erst am 7. Juli 1817 in den deutschen Bund aufgenommen). Von den früheren Rheinbundsfürsten, die zur Zeit des Wiener Congresses noch souverain waren, wurde nur zweien, nämlich dem Fürsten von Isenburg und dem Fürsten von der Leyen, die Bundesgenossenschaft verweigert 9). Beide wurden durch die Wiener Congressakte vom 9. Juni 1815, wegen ihrer früheren Anhänglichkeit an Napoleon, der Hoheit von Oesterreich unterworfen 10). Eben so bemühte sich der Graf v. Bentinck vergeblich, den souverainen Besitz seiner früher reichsunmittelbaren Herrschaft Kniphausen wieder zu erlangen und in die Bundesgenossenschaft aufgenommen zu werden 11). Dagegen wurde Frankfurt wieder als freie

5) Die Grundlage der Berathungen bildete ein in der Sitzung v. 23. Mai von dem Oesterreichischen ersten Bevollmächtigten im Einverständnisse mit Preussen vorgelegter Entwurf; hierauf wurde noch von einer dazu ernannten Redaktions-Commission ein Entwurf ausgearbeitet (vorgelegt am 2. Juni 1815). Ueber die verschiedenen amtlichen Entwürfe des Grundvertrags des deutschen Bundes vergl. Klüber, Uebersicht, S. 61 u. flg. 567; und dessen Akten des Wiener Congr., Bd. II., S. 293.

6) Klüber, Akten des Wiener Congresses, II. Bd. S. 457 u. 564. 7) S. die Urk. bei G. v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. 3. Aufl. Thl. II. S. 15.

8) v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. 3. Aufl. Thl. II. S. 51. Das Stimmverhältniss Hessen-Homburgs blieb hier noch ausgesetzt. Vergl. unten §. 114.

9) Klüber, Akten des Wiener Congr. II. Bd. S. 579. 581. 10) W. C.-A. art. 51 u. 52.

Klüber, Uebersicht, S. 90.

11) Erst durch ein unter Vermittelung von Oesterreich, Preussen und Russland zu Stande gekommenes Abkommen mit Oldenburg, d. d. Berlin, den 8. Juni 1825, welches sodann der deutsche Bund garantirte, erhielt der Graf v. Bentinck die Landesregierung der Herrschaft Kniphausen in dem Masse wieder, wie sie ihm vor der Auflösung des deutschen Reiches zugestanden, und Oldenburg trat in Bezug auf ihn und die Herrschaft Kniphausen ganz in das ehemalige Verhältniss von Kaiser und Reich, dass also die Herrschaft Kniphausen als ein halbsouverainer Staat erschien, der in Bezug auf den deutschen Bund durch Oldenburg vertreten wurde, Zöpfl, Staatsrecht. 5. Aufl. I.

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Stadt anerkannt und als Bundesglied aufgenommen 12). Die Eröffnung der deutschen Bundesversammlung verzögerte sich aber bis zum 5. September 1816 13).

§. 109.

Quellen des deutschen Bundesrechts.

A) Grundverträge oder Grundgesetze des deutschen

Bundes.

Die Grundverträge oder sogen. Grundgesetze des deutschen Bundes 1), d. h. diejenigen Staatsverträge, welche die Bestimmungen über die Eingehung des deutschen Bundes, seine Zwecke, die Form desselben, das Subjekt der Bundesgewalt und die Verbürgung der Rechte der einzelnen Mitglieder des Bundes enthalten, sind: 1. Die Bundesakte vom 8. Juni 1815; 2. die Schlussakte der Wiener Ministerialkonferenzen vom 15. Mai 1820.

I. Von den 20 Artikeln der deutschen Bundesakte betreffen nur die 11 ersten Artikel unter der Rubrik: „Allgemeine Bestimmungen" das eigentliche Bundesrecht. Die Artikel 12-19 umfassen dagegen unter der Rubrik: „Besondere Bestimmungen" vertragsmässige Bestimmungen zur gleichmässigen Regulirung einzelner staatsrechtlicher Verhältnisse in den einzelnen Bundesstaaten, über deren Vollzug die Bundesversamm

und das Oberappellationsgericht von Oldenburg als oberstes Gericht an der Stelle der ehemaligen höchsten Reichsgerichte anzuerkennen hatte. Siehe die hierher gehörigen Aktenstücke, bei G. v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. 3. Aufl. Thl. II. S. 178 ff. Nunmehr ist die Herrschaft Kniphausen vertragsmässig von Oldenburg erworben und in Besitz genommen worden (1. Aug. 1854), und somit diese staatsrechtliche Singularität vollständig beseitigt. Protok. der B.-V. 1854, Sitz. 25, §. 248, S. 773, in G. v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. 3. Aufl. Thl. II. S. 608 flg. 12) W. C.-A. art. 46.

13) G. v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. 3. Aufl. Thl. II. (1859) S. 20.

1) Dass Grundverträge und Grundgesetze des deutschen Bundes ganz gleichbedeutend sind (in demselben Sinne, wie von Lex contractus gesprochen werden kann), sagt ausdrücklich die W. S. A., art. 3. — Ueber den Begriff der Grundgesetze vergl. v. Dresch, Abhandl. 1832. Nr. II. S. 23. Reyscher, publ. Vers., S. 114.

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lung zu wachen hat. Der Art. 20 enthält nur die Ratifikationsformel. Die deutsche Bundesakte ist im Art. 118, Nr. 9 der Wiener Congress akte vom 9. Juni 1815 im Ganzen als ein integrirender Theil derselben erklärt 2). In der Wiener Congressakte sind übrigens (als deren Artikel 53–63) nur die 11 ersten Artikel der Bundesakte wörtlich aufgenommen, jedoch mit dem ausdrücklichen Beifügen (im Art. 64 der W. C.-A.), dass die übrigen Artikel, welche unter der Bezeichnung,, besondere Bestimmungen" zusammengestellt sind, dieselbe Kraft und Geltung haben sollen, als wenn sie ebenfalls wörtlich in die Congressakte aufgenommen worden wären. Aus dieser Einverleibung der deutschen Bundesakte in die Wiener Congress akte darf aber kein Recht der Mächte, welche diese letztere unterzeichnet haben, abgeleitet werden, sich in die rein deutschen Angelegenheiten einzumischen. Dies ist auch bereits positiv durch einen Bundesbeschluss vom 18. Sept. 1834, Protok. §. 4553), und wiederholt durch die Bundesbeschlüsse vom 17. Juli 18514), Protok.

2) Ueber den rechtlichen Werth der franz. Uebersetzung der deutschen Bundesakte, als Beil. 9 der Wiener Congressakte, vergl. Klüber, Abhandlungen (1830), Bd. I., Nr. 2.

3) Der B.-B. v. 18. Sept. 1834, welcher die versuchte Einmischung der französischen und englischen Gesandtschaft in Betreff der Verhältnisse der freien Stadt Frankfurt zurückwies, ist abgedruckt in G. v. Meyer, Corp. Jur. Conf. Germ. 3. Aufl. Thl. II. S. 310.

4) Der B.-B. v. 17. Juli 1851, Prot. §. 75, bei G. v. Meyer, a. a. O. Thl. II. S. 552, erklärt die mit Noten der französischen und englischen Gesandtschaft v. 9. Juli 1851 übergebenen Protestationen Frankreichs und Englands gegen den (übrigens bei der B.-V. gar nie in Antrag gewesenen) Gesammteintritt von Oesterreich und Preussen in den deutschen Bund als eine fremde Einmischung in die inneren Angelegenheiten des deutschen Bundes, und eine Anforderung von Rechten und Befugnissen, welche, als mit der deutschen Bundesakte in Widerspruch stehend, niemals zugestanden werden können.“ Der ebendas. erstattete Präsidialvortrag erklärt die B.-V. für „rechtlich gebunden" an ihre frühere (im B.-B. vom 18. Sept. 1834) ausgesprochene Auffassung, „von welcher sie nicht abweichen kann, ohne den Rechtsboden ihrer Selbstständigkeit zu untergraben, und ihre darauf ruhende Autorität der Willkühr des Auslandes preiszugeben.“ Vergl. auch das auf dieselbe Angelegenheit bezügliche Protok. d. B.-V. vom 6. Sept. 1851, §. 132; und Protok. vom 30. Sept. 1851, §. 161 bei G. v. Meyer, a. a. O. Thl. II. S. 563, 564.

§. 79, und vom 6. Mai 1858, Protok. §. 2235), ausgesprochen worden ®).

II. Die Schlussakte der Wiener Ministerialconferenzen vom 15. Mai 1820 (sog. Wiener Schlussakte) umfasst in 65 Artikeln, eben so wie die Bundesakte, sowohl die eigentlich bundesrechtlichen, als auch die nach gemeinsamen Principien zu regulirenden inneren Verfassungsangelegenheiten der deutschen Staaten. Sie wurde zur Vervollständigung und Erläuterung der Bundesakte, und zwar, so viel die Verfassung der einzelnen Länder anbelangt, zum Behufe der Kräftigung des monarchischen Princips, durch Minister und andere Bevollmächtigte sämmtlicher deutschen Staatsregierungen auf den sogenannten Wiener Ministerialconferenzen in den Jahren 1819 und 1820 berathen und beschlossen 7) und sodann von der Bundesversammlung durch Bundesbeschluss vom 8. Juni 1820 ausdrücklich als ein Grundgesetz des deutschen Bundes anerkannt 8).

5) Durch B.-B. vom 6. Mai 1858, Protok. §. 223, bei G. v. Meyer, a. a. O. Thl. II. S. 682, liess die B.-V. durch ihr Präsidium dem grossbritannischen Gesandten auf seine Bevorwortung einer Reclamation des Generalmajors H. J. W. Bentinck eröffnen: „,dass die Bundesversammlung stets an dem Grundsatze festgehalten hat, nur insofern auf eine Bevorwortung einer auswärtigen Macht in Betreff einer deutschen innern Angelegenheit einzugehen, als solche auf den Inhalt der zu fassenden Entschliessung sich nicht ausdehnt."

6) Ueber die Berechtigung des deutschen Bundes, sich selbstständig zu entwickeln und seine Verhältnisse in Uebereinstimmung mit dem Bundeszwecke zu ordnen, siehe v. Linde, Archiv f. d. öffentl. Recht des deut. Bundes, Bd. I. Heft 3. (Giessen 1855) S. 75 flg,

7) Die Protokolle dieser Wiener Ministerialconferenzen sind nicht officiell gedruckt, doch findet man viele Auszüge in Klüber's öffentlichem Rechte, so wie auch viele hieher gehörige Notizen in C. Welcker's wichtigen Urkunden etc., 1844. Nunmehr sind dieselben herausgegeben worden von L. K. Aegidi, die Schlussakte der Wiener Ministerial - Conferenzen zur Ausbildung und Befestigung des deut. Bundes. Urkunden, Geschichte und Commentar, Berlin 1860; und von L. Fr. Ilse, Protokolle der deutschen Ministerial-Conferenzen, gehalten zu Wien in den Jahren 1819 und 1820. Frankfurt a. M. 1860.

8) Ueber die Entstehung und den rechtlichen Werth der franz. Uebersetzung der W. S.-A. vergl. Klüber, Abhandl. Bd. I. (1830), I, Nr. 3.

§. 110.

B) Bundesbeschlüsse.

I. Die nächste hauptsächlichste Quelle für das Bundesrecht und zugleich die regelmässige Art, wie das Bundesrecht sich fortbildet, ist die Abfassung von Beschlüssen der Bundesversammlung, welche als Ausdruck des Gesammtwillens des Bundes Bundesbeschlüsse genannt werden, und den Charakter statutarischer Normen an sich tragen, welche sich die Bundesglieder in der grundvertragsmässig bestimmten Weise autonomisch geben 1).

II. In der Regel geschieht daher sowohl die Vorbereitung und Berathung, als auch die endliche Abstimmung in der Bundesversammlung; jedoch ist es schon mehrfach vorgekommen, dass einzelne Angelegenheiten in besonderen Ministerialconferenzen ausserhalb der Bundesversammlung berathen und darin Beschlüsse vorbereitet wurden, welche die Bundesversammlung nachher als die ihrigen anerkannte und verkündete, wie z. B. die eben (§. 109) erwähnte Wiener Schlussakte vom 15. Mai 1820; eben so die Beschlüsse des Ministercongresses zu Karlsbad (August 1819) über Missbrauch der Presse, Universitäten und demagogische Umtriebe, welche die Bundesversammlung einstimmig am 20. Sept. 1819 zum Bundesgesetz erhoben hat 2). Das Schlussprotokoll der Wiener Cabinetsconferenzen v. 12. Juni 1834, welches die Grundsätze enthält,

1) W. S.-A. art. 10.

2) Vergl. über die Karlsbader Beschlüsse: Schaumann, der Congress zu Karlsbad, ein Beitrag zur Geschichte der Entwicklung der deut. Gesammtverfassung, in Raumer's historischem Taschenbuch. III. Folge, 2. Jahrg. 1850, S. 193 flg. — L. K. Aegidi, Aus dem Jahre 1819. Beitrag zur deutschen Geschichte, nebst urkundlicher Beilage, die Registratur über die in der XXXV. Sitz. der Bundesversammlung v. 20. Sept. 1819 §. 220 abgegebenen Abstimmungen enthaltend, als Programm dem Verzeichniss der Vorlesungen am Hamburgischen akademischen und Real-Gymnasium beigegeben. Hamburg 1861. Siehe auch den Präsidial-Vortrag in derselben Sitzung der B.-V. in G. v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. 3. Aufl. Thl. II. S. 89 flg. Die vollständigen Protokolle der Karlsbader Conferenzen gibt Welcker, wichtige Urkunden für den Rechtszustand der deutschen Nation. Mannheim 1844 (2. Aufl. 1845); Berichtigungen hierzu siehe bei Aegidi, a. a. O. S. 12 flg.

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