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vom 19. Okt. 1838, Prot. §. 320, wurde aber diese Bestimmung dahin abgeändert, dass denjenigen Regierungen, deren oberste Gerichte aus mehreren Senaten bestehen, und ausser dem Präsidenten oder Direktor mehr als zwölf Mitglieder zählen, gestattet ist, einen besonderen Senat für die Austrägalsachen zu bilden, der jedoch mit Einschluss des Vorsitzenden wenigstens aus dreizehn Mitgliedern bestehen soll. Ein solcher Austrägalsenat ist entweder aus zwei Senaten des obersten Gerichtshofes unter Beobachtung einer bestimmten Reihenfolge zu bilden, oder es sind diejenigen Mitglieder, aus welchen der Austrägalsenat bleibend bestehen soll, im Voraus zu benennen und zur Stellvertretung für verhinderte oder abgegangene Mitglieder zwei Ersatzmänner zu bezeichnen, auch ist bei dem Austritt eines Mitgliedes oder Ersatzmannes die festgesetzte Zahl sogleich wieder zu ergänzen. In dem ersteren Falle, nämlich wenn eine Reihenfolge stattfindet, muss jede Austrägalsache bis zu deren Beendigung bei einem und demselben Austrägalsenate verbleiben. Sowohl die Reihenfolge, nach welcher die Bildung des Austrägalgerichts aus alternirenden Senaten statt haben soll, als auch die persönliche Zusammensetzung der bleibenden Austrägalsenate sind bei der Bundesversammlung stets in Evidenz zu halten, damit noch vor der Wahl eines Austrägalgerichts über die Zusammensetzung der Austrägalsenate bei sämmtlichen obersten Justizstellen der Bundesglieder kein Zweifel bestehen könne 5).

§. 163.

g) Das Competenz-Prüfungsrecht des zum Austrägalgericht gewählten Gerichtshofs.

I. Wenn nach Anleitung der vorläufigen AusträgalOrdnung vom 16. Juni 1817 der oberste Gerichtshof eines Bundesstaates zum Austrägalgericht gewählt ist, so steht demselben die Leitung des Processes und die Entscheidung des Streites in allen seinen Nebenpunkten unein

5) Siehe den B.-B. v. 19. Okt. 1838, Prot. §. 320, bei G. v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. 3. Aufl. Thl. II. S. 353.

geschränkt und ohne alle weitere Einwirkung der Bundesversammlung oder der Landesregierung zu1).

II. Bestritten ist, ob auch der zum Austrägalgericht gewählte Gerichtshof befugt sei, seine Competenz selbst noch zu prüfen. Während dieses Recht von der einen Seite für das Austrägalgericht als ein, jedem Gerichte nothwendig zustehendes Recht in Anspruch genommen wird, so wird dies auf der anderen Seite aus dem Grunde bestritten, weil das Austrägalgericht überhaupt keine selbstständige Competenz hat, sondern nur im Auftrage der Bundesversammlung als der eigentlichen Austrägalinstanz handeln kann 2). Es sind aber hier nothwendig einige Unterscheidungen zu machen: A. Leitender oberster Grundsatz ist, dass das Bundesausträgalgericht nach der Austrägalordnung vom 16. Juni 1817, III, 5, nur im Namen und im Auftrage der Bundesversammlung selbst erkennen kann 3). Der Gegenstand der ihm zugewiesenen Entscheidung wird daher durch den Inhalt des Auftrags, d. h. durch den Beschluss der Bundesversammlung bestimmt, welcher die Constituirung des Gerichtshofes als Austrägalinstanz enthält 4). B. Der als Austrägalgericht gewählte Gerichtshof ist daher nicht befugt, über einen Competenzpunkt zu erkennen, über welchen die committirende Bundesversammlung bereits selbst entschieden hat 5). C. Soweit die committirende Bundesversammlung über den Competenzpunkt nicht selbst entschieden, sondern ihn zur Entscheidung des gewählten Gerichtshofes verstellt hat, ist unstreitig dieser

1) W. S.-A. art. 22; auch wörtlich in dem B.-B. v. 3. August 1820 (Plenarversammlung §. 2) art. II.

2) Vergl. oben §. 159a, §. 160 a.

3) Vergl. oben §. 162, II.

4) Dieser Grundsatz ist ausdrücklich anerkannt in den Entscheidungsgründen des von dem geh. Obertribunal in Berlin am 19. December 1845 gesprochenen austrägalgerichtlichen Erkenntnisses in Sachen Waldeck gegen Grossherzogthum Hessen, Prot. der B.-V. 1846, §. 62, S. 105.

5) Ausdrücklich so erklärt in den Entscheidungsgründen des austrägalgerichtlichen Erkenntnisses des O. H. Gerichts zu Mannheim v. 20. Dec. 1838 in Sachen Schaumburg-Lippe, gegen Lippe-Detmold wegen Herausgabe der Hälfte der Aemter Schieder und Blomberg, bei v. Leonhardi Austrägalverfahren, B. II, S. 228.

befugt, denselben zu prüfen und zu entscheiden"). D. Ebenso ist der als Austrägalgericht gewählte Gerichtshof competent darüber zu entscheiden, ob der Inhalt der förmlichen Klage, jenem der bei der Bundesversammlung angebrachten Beschwerde, beziehungsweise dem von der Bundesversammlung dem Austrägalgerichtshof ertheilten Auftrage gemäss ist, oder den hierdurch bezeichneten und begränzten Umfang der austrägalgerichtlichen Entscheidung überschreitet, d. h. ob etwa eine wesentliche Veränderung des thatsächlichen oder rechtlichen Klagfundamentes oder des Klag-Petitums stattgefunden habe1). E. Endlich ist der zum Austrägalgericht gewählte Gerichtshof auch competent, über das Vorhandensein der Voraussetzungen selbstständig zu erkennen, von welchen der Bundesbeschluss vom 3. August 1820, art. III. (Plenarversammlung §. 2.) die Zulässigkeit von Widerklagen, Interventionen und Litisdenunciationen in Austrägalsachen abhängig gemacht hat 8).

§. 164.

h) Das Verfahren des Austrägalgerichts.
1) Allgemeine Grundsätze.

I. Nach der vorläufigen Austrägalordnung vom 16. Juni 1817, III, 6, geschieht die Instruktion des Processes, d. h. überhaupt die processualische Verhandlung der Austrägal-Sachen, nach der Processordnung, welche der betreffende oberste Gerichtshof überhaupt beobachtet, und ganz in derselben Art, wie die sonstigen alldort zu instruirenden Rechtssachen verhandelt werden.

6) Dies war der Fall in der eben (Note 5) angeführten Sache von Lippe-Schaumburg gegen Lippe-Detmold.

7) In dieser Weise erklärt sich das in Note 4 angeführte austrägalgerichtliche Erkenntniss des geh. Obertribunals zu Berlin in Sachen Waldeck gegen Gr. Hessen, Prot. der B.-V. 1846, §. 62, S. 105, 106.

8) Vergl. die Entscheidungsgründe des austrägalgerichtlichen Urtheils des O. H. Gerichtes zu Mannheim v. 22. Dec. 1838, in Widerklagssachen von Lippe-Detmold gegen Schaumburg-Lippe, die Souverainetät des Amtes Blomberg und Ersatzforderung betreffend, bei v. Leonhardi, Austragalverfahren, Bd. II, S. 254, 255. Vergl. unten §. 164.

II. Das Erkenntniss in der Hauptsache, (d. h. die Entscheidung über die sog. materialia causae) erfolgt aber, in Gemässheit einer ebendaselbst III, 7, aufgestellten Vorschrift in Ermangelung besonderer Entscheidungsquellen, nach den in Deutschland „,hergebrachten gemeinen Rechten." Die Wiener Schlussakte, art. 23, bestimmt dies noch genauer dahin, dass das Austrägalgericht in Fällen, wo keine besonderen Entscheidungsnormen vorhanden sind,,,nach den in Rechtsstreitigkeiten derselben Art vormals von den Reichsgerichten befolgten Rechtsquellen, insofern solche auf die jetzigen Verhältnisse der Bundesglieder noch anwendbar sind, zu erkennen habe1).

III. Das Erkenntniss in der Hauptsache muss längstens binnen Jahresfrist, vom Tage der (bei dem Austrägalgericht) überreichten ersten Klage oder Beschwerdeschrift, erfolgen. Sollte dies ausnahmsweise nicht thunlich sein, so hat das Austrägalgericht einen Bericht an die Bundesversammlung zu erstatten, die Gründe eines nothwendig geglaubten längeren Verzugs anzuzeigen und die Bewilligung oder Missbilligung vom Bundestage zu empfangen 2). Auch kann die betreffende Landesregierung sowohl von der Bundesversammlung als auch von den streitenden Theilen angegangen werden, im Falle einer Zögerung von Seiten des Gerichtes, die zur Beförderung der Entscheidung nöthigen Verfügungen zu erlassen 3).

IV. Die Erkenntnisse des Austrägalgerichts werden,,im Namen und aus Auftrag der Bundesversammlung" abgefasst, und von dem Austrägalgerichte den Parteien eröffnet. Es müssen denselben jederzeit die vollständigen Entscheidungsgründe beigefügt werden 4).

V. Ist das Erkenntniss nur ein Zwischen urtheil, so wird das Verfahren an dem Austrägalgerichte fortgesetzt, ohne

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1) Siehe oben §. 72 und §. 113. Dieselbe Bestimmung ist auch wörtlich in den B.-B. v. 3. August 1820, (Plenarvers. §. 2) art. IV. übergegangen.

2) Austrägalordnung, III, 8.

3) W. S.-A. art. 22 a. E. Auch wörtlich in dem B.-B. v. 3. August 1820, (Plenarvers. §. 2) art. II.

4) B.-B. vom 3. August 1820, (Plenars. §. 2) art. V, vergl. mit der Austrägalordnung v. 16. Juni 1817, III, 5.

dass es einer Benachrichtigung der Bundesversammlung von dem gefällten Zwischenurtheile bedarf. Ist das Erkenntniss aber ein definitives, so hat der Gerichtshof die Akten und das Erkenntniss der Bundesversammlung zu überschicken, um auf dessen Befolgung halten zu können 5).

VI. Ueber den Kostenpunkt soll das erwählte Austrägalgericht nach gemeinrechtlichen Grundsätzen erkennen und bei deren Bestimmung die bei ihm vorgeschriebene Taxordnung befolgen, ohne weitere Gebühren in Ansatz zu bringen). In Uebereinstimmung hiermit wurde durch den Bundesbeschluss vom 23. Juni 1836, Prot. §. 171, weiter festgesetzt), dass der Anwendung des Stempelpapiers, so wie der Erhebung von Sporteln, sowohl bei den auf Grund der Artikel 21, 24 und 30 der Wiener Schlussakte vorkommenden Austrägal- und Compromiss -Verhandlungen, als bei dem nach dem art. 20 der Wiener Schlussakte in Streitigkeiten über den jüngsten Besitz eingeleiteten Verfahren nicht statt zu geben sei.

VII. Die von dem Austrägalgerichte gefällten Enderkenntnisse sind gemäss des art. 11 der Bundesakte für die streitenden Theile verbindlich $). Sie sind sofort nach ihrer Eröffnung als rechtskräftig anzusehen und zu befolgen 9). Es sind demnach gegen austrägalgerichtliche Erkenntnisse alle sogenannten ordentlichen Rechtsmittel durchaus unzulässig. Es gibt keine zweite oder höhere Instanz, an welche von dem Erkenntnisse des Austrägalgerichts Berufung eingelegt werden könnte.

VIII. Von den ausserordentlichen Rechtsmitteln ist in der Austrägalordnung vom 16. Juni 1817, wie der Bundesbeschluss vom 3. August 1820, VI, erläutert, „wegen neu aufgefundener Thatsachen und Beweismittel nur allein das ,,Rechtsmittel der Resitution ex capite novorum" für zulässig "für erklärt worden. Ob auch eine Nullitätsquerel wegen un

5) Austrägalordnung III, 5.

6) B.-B. v. 3. August 1820, (Plenarvers. §. 2). art. V. a linea 2. 7) Bei G. v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. 3. Aufl. Thl. II. S. 346.

8) Austrägalordnung, III, 9.

9) B.-B. v. 3. August 1820, (Plenarvers. §. 2), art. VI.

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