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§. 173.

d) Von der Exekution der Austrägal- und schiedsgerichtlichen Erkenntnisse insbesondere.

I. Die Vollstreckung der compromissarischen und AusträgalErkenntnisse (so wie der Erkenntnisse des Bundesschiedsgerichtes) kann nur auf Anrufen der Parteien von der Bundesversammlung veranlasst werden. Diese hat, nach gutachtlicher Vernehmung ihrer Commission, das Geeignete hierauf zu verfügen 1).

II. Das Erkenntniss selbst darf in keinem Falle der Gegenstand einer Berathung und eines Beschlusses der Bundesversammlung werden.

III. Wenn indess gegen die Vollziehung noch zulässige Einreden vorgebracht werden, die ein weiteres rechtliches Verfahren veranlassen können; so sind diese unverzüglich an dasselbe Austrägalgericht (und beziehungsweise Bundesschiedsgerichts) zu verweisen, von welchem das Erkenntniss ausgegangen ist.

IV. In Gemässheit des hierauf erfolgten weiteren Ausspruchs ist durch die Bundesversammlung das erforderliche Exekutionsverfahren nach den gegebenen Vorschriften zu ver

anlassen.

V. Ergeben sich ähnliche Umstände bei Compromissen und gütlichen Vergleichen, so ist in gewöhnlicher Art, jedoch mit möglichster Beschleunigung, ein Austrägalgericht zu ernennen, welches über die gegen die Vollstreckung selbst noch vorkommenden Einreden und Zweifel rechtlich zu erkennen hat 2).

1) Exekutionsordnung v. 3. Aug. 1820, art. XII. Ueber die Gleichstellung der bundesschiedsgerichtlichen Erkenntnisse mit den bundesausträgalgerichtlichen, siehe oben §. 169. Ueber den Begriff der Parteien" siehe oben §. 157.

2) Diese sämmtlichen Bestimmungen (Nr. II-V) finden sich in der Exekutionsordnung, art. XII a linea 2.

§. 174.

e) Von den Kosten der Exekution.

Bezüglich der Kosten einer von der Bundesversammlung angeordneten Exekution enthält der art. XIV. der Exekutionsordnung vom 3. August 1820 folgende Bestimmungen:

I. Die Kosten der Exekution sind auf den wirklichen nach dem Zwecke zu bemessenden Aufwand zu beschränken. II. Die Bundesregierung, gegen welche die Exekution verfügt worden, hat dieselben, so weit sie liquid sind, ohne Aufenthalt zu berichtigen, oder hinreichende Sicherheit dafür zu stellen.

III. Einwendungen oder Beschwerden, welche noch dagegen erhoben werden, sind bei Exekutionen, die nicht in Folge förmlicher Rechtsstreitigkeiten verhängt worden, durch die Bundesversammlung auf erstatteten Vortrag der Exekutions - Commission auszugleichen; bei Exekutionen austrägalgerichtlicher Erkenntnisse aber sind dieselben durch das Austrägalgericht, welches das Erkenntniss erlassen hat, zu entscheiden.

IV. Der Landesregierung bleibt es in den im art. 26 der Schlussakte bezeichneten Fällen, d. h. wo die Bundesexekution wegen Aufruhrs im Lande u. dergl. nothwendig geworden war, überlassen, die Schuldigen zur Bezahlung der durch ihre Vergehen veranlassten Kosten im gesetzlichen Wege anzuhalten.

V. Wenn in Folge einer vom Bunde an eine Regierung ergangenen Aufforderung oder auf Requisition der Regierung eines Bundesstaates, Hilfstruppen zur Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe in einem Bundesstaat abgesendet werden, so haben diese nach Bundesbeschluss vom 23. August 1832, 31. Sitzung, Prot. §. 332 1), da, wo sie einrücken, unbeschadet des ihrer Regierung nach dem art. 14 der Exekutionsordnung ausserdem noch zustehenden Ersatzes der zu liquidirenden Kosten, Einquartirung und Naturalverpflegung zu

1) Bei G. v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. 3. Aufl., Thl. II., S. 253.

erhalten, und die Hilfe empfangende Regierung hat dafür, dass die Einquartirung und Naturalverpflegung nach dem Reglement des Hilfe leistenden Staates gehörig erfolge, Sorge zu tragen.

VI. Für den Fall, dass die aufrührerischen Bewegungen, welche eine Bundesexekution nothwendig gemacht haben, nicht sowohl gegen einzelne Bundesregierungen, als vielmehr gegen den Bund und den bundesvertragsmässigen Zustand von ganz Deutschland gerichtet waren, fehlt es an einer ausdrücklichen Bestimmung bezüglich der Kosten. Die Natur der Sache und die Billigkeit bringt es aber mit sich, dass in diesem Falle den einzelnen Bundesstaaten, in welchen der Ausbruch des Aufruhrs erfolgte, die Kosten der Exekution nicht allein aufgebürdet, sondern von der Gesammtheit getragen und matrikularmässig ausgetheilt werden.

§. 175.

Kritik der deutschen Bundesverfassung.

1) Die Schwierigkeit einer deutschen GesammtVerfassung überhaupt.

Zu keiner Zeit ist verkannt oder bestritten worden, dass die deutsche Bundesakte ein Werk der Eile und unter dem Drange drohender kriegerischer Gefahren, somit unter Umständen zu Stande gebracht worden war, welche die Gründer des deutschen Bundes nöthigten, sich auf die allgemeinsten Umrisse und die nothdürftigsten Grundlagen der Bundesverfassung zu beschränken 1). Der Ausbau und die Entwickelung der Bundesverfassung musste daher den künftigen Zeiten selbst überlassen werden; auch war in vielen Beziehungen unmöglich, bei der neuen politischen Gestaltung, in welche Deutschland durch

1) Ausdrücklich ist dies anerkannt, in dem Vortrage des politischen Ausschusses (Ref. v. Blittersdorff) in der 15. Sitzung der B.-V. vom 8. März 1848, Prot. §. 133, S. 228. „Schon die Grundverfassung des Bundes war eine mangelhafte und ungenügende." Vergl. auch den Artikel ,,der deutsche Bund" von L. V. Aegidi, in Bluntschli u. Brater, Staatswörterbuch, Bd. III., S. 1 flg.

die Stiftung des Bundes gebracht worden war, schon alle die Verhältnisse zu übersehen oder vielmehr vorauszusehen, welche einer positiven und gemeinsamen Regelung bedürfen würden. Bei der Gründung des deutschen Bundes fand man gewisse gegebene Elemente vor, welche man theils nicht beseitigen konnte, theils nicht beseitigen wollte: nämlich die Souverainetät der einzelnen Bundesglieder, und die ausserordentliche Verschiedenheit der im Bunde zu vereinigenden Staaten an Macht, d. h. Grösse und Hilfsquellen des Landes und der Zahl der Bevölkerung. In diesen noch jetzt, eben so wie damals, vorhandenen Elementen, namentlich in der Machtverschiedenheit der Bundesglieder, liegen Schwierigkeiten verborgen, welche nicht weniger bei dem Ausbau, als bei der Gründung des Bundes empfunden wurden. Diese Schwierigkeiten sind von solcher Bedeutung, dass der vielfachsten langjährigen Bemühungen der verbündeten Regierungen und der steigenden Ungeduld der Nation ungeachtet, welche letztere endlich Deutschland nahezu an den Abgrund einer Revolution geführt hatte, nach einem mehr als vierzigjährigen Bestande, die Bundesverfassung nur weniges über ihre ersten Grundlagen hinausgerückt, und es fast noch als eine Begünstigung des Schicksals zu betrachten ist, dass Deutschland, nachdem es sogar (1848-1850) diese Grundlage seiner politischen Gesammtexistenz verloren hatte, sich auf derselben endlich wieder zusammenfinden konnte. Es liegt hierin der erfahrungsmässige Beweis, dass, so gross und bemerklich auch die Mängel der deutschen Bundesverfassung sind, nichts desto weniger doch in derselben eine Grundlage enthalten ist, welche ohne allgemeinen Schaden nicht oder doch mindestens so lange nicht aufgegeben werden kann, als die angegebenen Elemente, die Souverainetät der Bundesglieder und die Machtverschiedenheit der Bundesstaaten fortdauern und bestehen werden.

§. 176.

2) Einfluss der auf die Souverainetät der Bundesglieder genommenen Rücksichten bei der Bestimmung des Stimmgewichtes.

Der Rücksicht auf die Souverainetät der einzelnen Bundesglieder glaubten es die Stifter des Bundes schuldig zu sein, den Grundsatz der Rechtsgleichheit an die Spitze des Systemes zu stellen 1). Obschon sich sofort zeigte, dass es bei der Machtverschiedenheit der Bundesglieder, von welchen zwei, Oesterreich und Preussen, sogar zugleich europäische Mächte ersten Ranges, und noch zwei andere Bundesglieder (die Niederlande und Dänemark) Träger auswärtiger Kronen sind, von Haus aus eine Unmöglichkeit war, die Rechtsgleichheit in voller Strenge durchzuführen 2), so wurde doch jenes Grundsatzes wegen, das Stimmgewicht der Bundesglieder in einer Weise geordnet, dass dadurch, wenn es je in der Praxis so zur Geltung gebracht werden wollte, wie es dem Wortlaute der Bundesakte nach möglich ist, der Schwerpunkt künstlich verrückt und auf eine Seite geschoben sein würde, wo er nach der Natur der gegebenen Verhältnisse, und somit in Wahrheit, niemals sein kann. Berücksichtigt man nämlich, dass bei Zugrundlegung der Bundesmatrikel ein Bundesglied allein (Oesterreich) nahezu ein Drittel, ein anderes (Preussen, mit Hinzurechnung der hohenzollernschen Fürstenthümer) mehr als ein Viertel, ein drittes (Bayern) nahezu ein Achtel der Gesammtbevölkerung Deutschlands befasst3), und dass die sieben grösseren Bundesstaaten, d. h. diejenigen, deren betreffende Bevölkerung bundesmatrikularmässig mindestens zu einer Mil

1) Siehe oben §. 118.

2) Dies zeigt sich z. B. namentlich in der Verweisung der kleineren Bundesglieder in Curiatstimmen, und in der Zutheilung mehrerer Stimmen im Plenum an die grösseren Bundesglieder. Siehe oben §. 123.

3) Die Gesammtbevölkerung Deutschlands beträgt nach der seit 1839 beibehaltenen Bundesmatrikel 30,164,392 Seelen. Davon kommen auf Oesterreich 9,482,227; auf Preussen, einschlüssig der hohenzollern'schen Fürstenthümer, 7,998,499; auf Bayern 3,560,000.

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