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darin, dass sie den beiden deutschen Grossmächten, ohne eine der andern unterzuordnen, also mit Anerkennung deren vollständiger Parität, einen jederzeit offenen Weg zur Verständigung und Ausgleichung ihrer besonderen Interessen, und dadurch zur formellen Feststellung dessen, was von ihnen als gemeinsames deutsches Interesse anerkannt wird, eröffnet, und den übrigen Bundesstaaten, deren politische Wohlfahrt, so wie die politische Existenz von Deutschland überhaupt, von der Einigkeit der beiden Grossmächte unmittelbar abhängt, dabei die ihren Machtverhältnissen angemessene Stellung als Vermittler zum Behufe der Beförderung einer solchen Verständigung anweist.

Zehnter Abschnitt.

Die Versuche der Umgestaltung des deutschen Staatenbundes in ein Reich (Bundesstaat) und die Wiederherstellung der Bundesverfassung.

Literatur.

Allgemeine Quellensammlungen für diesen Abschnitt: C. Weil, Quellen und Aktenstücke zur deutschen Verfassungsgeschichte. Berlin, 1850.

P. Roth und H. Merck, Quellensammlung zum deutschen öffentlichen Recht. II Bde. Erlangen, 1850-52.

H. Laube, das erste deutsche Parlament. III Bde. Leipzig, 1849.

K. Biedermann, Erinnerungen aus der Paulskirche. Leipzig 1849. K. A. v. Wangenheim, Oesterreich, Preussen und das reine Deutschland etc. Weimar, 1849.

v. Kamptz, die deutsche constituirende Nationalversammlung in Frankfurt vor der Kritik des Staatsrechts. Berlin, 1849.

K. Jürgens, zur Geschichte des deutschen Verfassungswerkes 1848-49. Abthlg. I u. II; erste Hälfte, bis zum Schluss der ersten Verfassungsberathung. Braunschw. 1850.

A. Boden, gesammelte kleine Schriften, Frankf. 1850, S. 265–344. (Zweite Ausgabe unter dem Titel: Zur Charakteristik Deutschlands, 1856.)

v. Radowitz, Gesammelte Schriften, Bd. II. Berlin, 1852.

Klüpfel, die deutschen Einheitsbestrebungen in ihrem geschichtlichen Zusammenhange. Leipzig, 1853.

Beda Weber, Charakterbilder. Frankf. 1853, S. 323–474.

C. v. Kaltenborn, Geschichte der deutschen Bundesverhältnisse und Einheitsbestrebungen von 1806-1856. 2 Bde. Berlin, 1857.

F. Nöllner, die deutschen Einheitsbestrebungen im Sinne nationaler Gesetzgebung und Rechtspflege. Leipzig, 1857.

R. v. Mohl, Politik, Bd. I. (1862), S. 54 flg.:,,Ueber die Gründe des Misslingens der von den Regierungen ausgegangenen Versuche zur Bundesverbesserung."

(Die Quellen und Schriften über einzelne Ereignisse sind am betreffenden Orte angegeben).

§. 181.

Die Ereignisse vom 2. März 1848 bis zu dem Zusammentritt des sog. Vorparlaments (30. März 1848).

I. Auf die Nachricht von der französischen Revolution (24. Februar 1848) erliess die Bundesversammlung am 1. März 1848 an die deutschen Regierungen und das deutsche Volk einen Aufruf, worin dieselben zur Eintracht, zur Aufrechthaltung der gesetzlichen Ordnung und Ruhe und zum Vertrauen auf die Bundesversammlung ermahnt wurden 1). Es machte derselbe im Allgemeinen keinen Eindruck 2). Einige deutsche

4) Prot. d. B.-V. 10. Sitzung, v. 1. März 1848, §. 108, S. 179. Es heisst darin u. A.: „Der Bundestag wird von seinem Standpunkt aus Alles aufbieten, um gleich eifrig für die Sicherheit Deutschlands nach Aussen, so wie für die Förderung der nationalen Interessen und des nationalen Lebens im Innern zu sorgen. Deutschland wird und muss auf die Stufe gehoben werden, die ihm unter den Nationen Europas gebührt, aber nur der Weg der Eintracht, des gesetzlichen Fortschritts und der einheitlichen Entwickelung führt dahin." — v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. Thl. II, S. 459.

2) Auch die Bundesversammlung machte sich hierüber keine Illusionen. Vortrag des politischen Ausschusses (Ref. v. Blittersdorf) in der 15. Sitzung der B.-V. v. 8. März, Prot. §. 133, S. 230: „Gewiss hat der Aufruf hoher Bundesversammlung an die deutschen Regierungen und Völker bei Vielen guten Eindruck gemacht, im Allgemeinen aber Vertrauen zu erwecken nicht vermocht."

Regierungen fanden sich durch die politische Bewegung, welche sich überall bedenklich ankündigte, alsbald bewogen, die Censur in ihren Staaten aufzuheben, ohne einen Bundesbeschluss hierüber abzuwarten, so z. B. Würtemberg und Baden (beide am 1. März 1848). Ersteres stellte sein Pressgesetz vom 30. Januar 1817 3), Letzteres sein Pressgesetz vom 28. December 1831 wieder her, welches früher in Befolgung eines Beschlusses der Bundesversammlung vom 5. Juli 1832 (Sitz. 24) hatte aufgehoben werden müssen 1). Am 3. März 1848 hob sodann die Bundesversammlung selbst die Censur als bundesgesetzliche Einrichtung auf, indem sie jedem Staate frei stellte, die Censur abzuschaffen und Pressfreiheit, unter Garantien zur Sicherstellung des Bundes und der anderen Bundesstaaten gegen den Missbrauch der Presse, einzuführen 3).

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3) Vergl. die Anzeige Würtemberg's von diesem Schritte, in der 13. Sitzung der B.-V. v. 4. März 1848, Prot. §. 123, S. 207. — Ausser den Gründen, welche in den Zeitverhältnissen, der „,ungewohnten Aufregung“ u. s. w. lagen, wurde besonders darauf Gewicht gelegt, dass das Bestehen der Censur der Landesverfassung §. 28 zuwider, und auch in Baden die Aufhebung der Censur erklärt worden sei. Schon in der 9. Sitzung der B.-V. v. 29. Febr. 1848, Prot. §. 106, S. 175 hatte Würtemberg erklärt, dass bei längerer Verzögerung eines Bundesbeschlusses über die Freiheit der Presse, es sich in dem Falle sehen dürfte, provisorische Anordnungen hinsichtlich derselben in seinem Staate zu treffen.

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4) Vergl. die Anzeige von Baden, ebendas. (Prot. 4. März §. 123, S. 208). Das badische provisor. Gesetz, die Pressfreiheit betr. vom 1. März, 1848, führte unter seinen Gründen besonders auf, dass eine allgemeine Bundespressgesetzgebung,,in neuerer Zeit bei der B.-V. wieder in Verhandlung begriffen, und auf Aufhebung der Censur mit Erlassung von Repressivgesetzen angetragen sei." Baden hatte schon in der 10. Sitz. der B.-V. v. 1. März 1848, Prot. §. 109, im Wesentlichen übereinstimmend mit Würtemberg (s. Note 3), erklärt, dass es bei längerer Zögerung mit der Aufhebung der unhaltbar gewordenen Censur durch einen Bundesbeschluss, in den Fall kommen würde, den dringenden Anträgen seiner Stände durch provisorische Anordnungen hinsichtlich der Presse entgegen zu kommen.

5) 12. Sitz. der B.-V. vom 3. März 1848, Prot. §. 119, S. 203; bei v. Meyer, l. c. Thl. II, S. 460. — Im Publikum konnte dieser B.-B. kaum anders als ein der B.-V. durch die Umstände abgenöthigter betrachtet werden. Es waren aber schon im Jahre 1847 von Preussen, Königr. Sachsen, Würtemberg, Baden und Grossherz. Hessen eifrige Anstrengungen gemacht worden, an die Stelle der Censur von Bundeswegen ein RepressivSystem treten zu lassen, und schon am 9. Septbr. 1847 (Prot. §. 268) waren

Um dem allgemeinen Drange nach einem Symbol der deutschen Einheit zu entsprechen, beschloss die Bundesversammlung am 9. März den alten Reichsadler und die Farben des alten Reichspaniers, unbeschadet der Landesfarben, als Bundesfarben einzuführen 6). Am 20. März wurde beschlossen, das Bundeswappen und die Bundesfarben in den Bundesfestungen anzubringen, und dem deutschen Militär ein entsprechendes Erkennungszeichen in diesen Farben zu geben, was schon längst die Bundeskriegsverfassung art. 36 in Aussicht gestellt hatte").

II. Unterdessen war (am 5. März) eine Anzahl von (51) Männern aus verschiedenen Theilen Deutschlands in Heidelberg zusammengetreten ), und beschloss eine ,,vollständigere Versammlung von Männern des Vertrauens aller deutschen Volksstämme zu veranlassen," um über die Lage und Bedürfnisse Deutschlands und insbesondere über die Einrichtung „,einer in allen deutschen Ländern nach der Kopfzahl gewählten Nationalvertretung zu berathen 9)". Es wurde zugleich ein

drei Vorfragen zur Abstimmung gestellt worden, worauf der B.-B. v. 3. März 1848 nur die entscheidende Antwort enthielt.

6) 16. Sitz. der B.-V. vom 9. März 1848, Prot. §. 137, S. 234; auch bei v. Meyer, 1. c. Thl. II. S. 465.

7) 21. Sitz. der B.-V. v. 20. März 1848, Prot. §. 161, S. 263; auch bei v. Meyer, 1. c. Thl. II, S. 467. — Vergl. den B.-B. v. 7. April 1848, Prot. §. 240, S. 355. (Siehe auch oben §. 132).

8) Nach dem Vorworte von Dr. Jucho, zu der „Officiellen Ausgabe der Verhandlungen des Frankfurter Parlaments, (bei Sauerländer in Frankf.) Lief. I, S. V, war die Idee, Vereinigungen deutscher Abgeordneten gleichen Strebens aus verschiedenen Ländern zu veranlassen und in den Angelegenheiten Deutschlands gemeinsam oder doch möglichst nach gleichem Plane zu handeln, von den Männern der badischen Opposition ausgegangen. Die erste derartige Vereinigung fand im Herbste 1839 zu Hattersheim statt, sodann versammelte man sich fast alljährlich an verschiedenen Orten, so z. B. 1847 zu Heppenheim, wo,,die Versammlung völlig ans Tageslicht trat, und in den öffentlichen Blättern Bericht über ihre Verhandlungen gab. Die Zeit war weiter vorgerückt, die Frucht reifer geworden, und was früher nicht wohl zu wagen gewesen wäre, war nunmehr ungefährlich.“ Ebendas. S. VI. ,,Die Badener, denen hier wieder der Ruhm des ersten Angriffs gebührt", luden auch zur Versammlung auf den 5. März nach Heidelberg ein.

9) Vergleiche die Erklärung dieser Versammlung bei Jucho, a. a. O. S. VIII; und hiernach auch in Roth u. Merck, Quellensammlung I,

Ausschuss von sieben Personen, sog. Siebener-Ausschuss, zur vorläufigen Berathung einer nationalen Parlamentsverfassung und um die Einladung einer grösseren Versammlung schleunigst zu besorgen, gewählt. Dieser Ausschuss erliess alsbald (12. März) eine Einladung zu einer Versammlung auf den 30. und 31. März nach Frankfurt, an ,,alle früheren oder gegenwärtigen Ständemitglieder und Theilnehmer an gesetzgebenden Versammlungen in allen deutschen Landen, natürlich Ost- und Westpreussen und Schleswig-Holstein mit inbegriffen," mit dem Beifügen, dass auch ,,eine bestimmte Anzahl anderer durch das Vertrauen des deutschen Volkes ausgezeichneter Männer, die bisher nicht Ständemitglieder waren, noch besondere Einladungen erhalten würden" 10). Um einer solchen voraussichtlichen Versammlung gegenüber nicht unthätig zu bleiben, und um auch von Seite des Bundes die Reform der deutschen Verfassung in Angriff zu nehmen, beschloss die Bundesversammlung am 10. März, die Regierungen aufzufordern,,,Männer des allgemeinen Vertrauens (sog. Vertrauensmänner) bis Ende März nach Frankfurt zu senden, und zwar Einen für jede der 17 Stimmen im engeren Rathe der Bundesversammlung, um bei der Revision der deutschen Verfassung gutachtlichen Beirath zu geben 11). Wiederholt

S. 103,,,Einmüthig . . . sprachen Alle die Ueberzeugung aus, dass die Herstellung und Vertheidigung der höchsten Güter (der Nation) im Zusammenwirken aller deutschen Volksstämme mit ihren Regierungen so lange auf diesem Wege Rettung noch möglich ist — erstrebt werden müsse.“ Die Hauptgedanken dieses politischen Programmes waren: Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Frankreichs; Anerkennung seiner republikanischen Regierung; kein russisches Bündniss; eine deutsche Nationalvertretung.

10) Siehe dieses öffentliche Ausschreiben des Siebener-Ausschusses vom 12. März 1848, bei Jucho a. a. O. S. IX; bei Roth und Merck, a. a. O. I, S. 122.

11) B.-B. v. 10. März, Prot. §. 140. S. 238; bei v. Meyer, l. c. Thl. II, S. 465. - In meiner Schrift: Bundesreform, etc. 1848 (5. März), war der Vorschlag gemacht, eine stärkere Anzahl von Vertrauensmännern, nämlich 69, entsprechend der damals im Plenum bestehenden Stimmenzahl, zu berufen, welche Zahl weit geeigneter gewesen sein würde, einen von ihr ausgearbeiteten Entwurf in einer nachfolgenden grösseren Versammlung zu halten und durchzubringen, also die von der Bundesversammlung hierauf beliebte geringe Anzahl von 17 Stimmen, nach Massgabe der 17 Stimmen des engeren Rathes.

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