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Lösung zu finden, welche allen unumgänglichen Rücksichten die gebührende Befriedigung gewähren könnte. Angesichts der dringenden Nothwendigkeit aber, dem Bunde șobald als möglich durch ein allgemein anerkanntes Centralorgan diejenige wirksame Leitung seiner gemeinsamen Angelegenheiten zu sichern, welche die Lage Deutschlands wie des gesammten Europa mehr denn je erheischte, wurde es unter solchen Umständen von Preussen für Pflicht erkannt, durch allgemeine Beschickung der Bundesversammlung zu Frankfurt a. M. das für den Augenblick Erreichbare zu thun 9). Die Gegenstände, über welche die Commissionsberichte bereits vorlagen, wurden als von solcher ausserordentlichen Wichtigkeit und als solche weitausgreifende Fragen bezeichnet, welche die sorgfältigste und allseitigste Erwägung erfordern. Die bei der Eröffnung der Conferenz waltende Absicht, die Berathungen hier zum Abschlusse zu bringen, wurde dem (mit der Entschliessung zu allgemeiner Beschickung des Bundestages kund gegebenen) Wunsche gegenüber aufgegeben, die ferneren Berathungen in den Schoos des letzteren zu verlegen. Da alle Regierungen sich hiermit einverstanden erklärten, so wurden noch in einer an demselben Tage (15. Mai) Nachmittags 2 Uhr abgehaltenen zehnten (Schluss-) Sitzung die Conferenzen für geschlossen erklärt. Wenn auch nicht alle, in und ausserhalb der Versammlung, gehegten Hoffnungen in erwartetem Masse in Erfüllung gegangen waren, so wurde es doch von allen Mitgliedern der Conferenz als ein befriedigendes und segensreiches Ereigniss begrüsst, dass in kürzester Frist sämmtliche Bundesgenossen wieder in der Bundesversammlung vertreten sein werden und diese daher wieder unbestritten als das verfassungsmässige Organ des Wollens und Handelns des Bundes gelten werde. Man gestand sich gegenseitig zu, durch die mühevollen und gewissenhaften Berathungen zu der Ueberzeugung gelangt zu sein, dass die alte Bundesverfassung in den eigenthümlichen Verhältnissen Deutschlands tie

9) Es war dies das erstemal, dass in den förmlichen Sitzungen der Conferenz der Wiedereintritt sämmtlicher Bundesglieder als ausgemacht erwähnt wurde. Dass die Verabredung hierzu bereits im März, ausserhalb der öffentlichen Sitzungen, geschehen war, beweist aber die unten §. 200 erwähnte preuss. Cirkulardepesche v. 27. März 1851.

fere Wurzeln habe, als man oft geglaubt habe, und dass es wesentlich darauf ankomme, diese Verfassung zu vervollständigen, und eine kräftige Handhabung derselben zu versuchen. In den Commissionsberichten erkannte man allseitig schätzbare Materialien" für die nunmehr in der Bundesversammlung fortzusetzende Revision der Bundesverfassung, und schied in der Hoffnung, dass das hier begonnene Werk bald zur Vollendung reifen und der betretene Weg in naher Zukunft zur vollen Einigung und durch diese zur dauernden Begründung der Wohlfahrt Deutschlands führen werde.

IX. So wenig glänzend der Ausgang der Dresdener Conferenzen scheinen mag, so haben dieselben doch eine grosse Bedeutung dadurch gehabt, dass durch sie dem verderblichen und kostspieligen Systeme der bewaffneten Unterhandlung ein Ende gemacht, der drohende Krieg zwischen Preussen und Oesterreich und somit der Bürgerkrieg in ganz Deutschland abgewandt, und für Preussen durch die Form der freien Conferenzen die Verständigung mit Oesterreich und den übrigen deutschen Königreichen angebahnt wurde. Deutschland aber, welches durch die Politik jener Partei, welche Einheit durch Spaltung erreichen wollte, bereits ganz zerfallen war, fand sich durch die Vermittelung der Dresdener Conferenz wieder in der bereits verlorenen Bundesverfassung zusammen, die sich somit, wenn gleich nicht als eine vollkommene und tadellose, doch aber als die für Deutschland unter den bestehenden Verhältnissen allein mögliche Verbindungsform seiner sämmtlichen Staaten ausgewiesen hat 10).

10) Oesterreich hatte sich nur ungern zu den Conferenzen in Dresden entschlossen und nur dem dringenden Wunsche Preussens darin nachgegeben, da es von Anfang an daran festgehalten hatte, dass die Bundesversammlung der einzige Boden sei, auf dem, wenn überhaupt, irgend etwas zu Stande gebracht werden könne. Diese Ansicht hatte nun Preussen auf den Dresdener Conferenzen ebenfalls gewonnen. Durch eine eigenthümliche Fügung des Schicksals war es sogar dahin gekommen, dass nunmehr gerade dieselbe Partei, welche früher am heftigsten die Abschaffung der Bundesversammlung verlangt hatte, nunmehr eben so heftig an Preussen drängte, in den alten Bundestag, ohne Einwilligung in irgend eine wesentliche Reform desselben, zurückzutreten. Vergl. die Schrift: Die Dresdener Conferenzen, S. 75 Al.

§. 200.

Die Thätigkeit der Bundesversammlung in staatsrechtlicher Beziehung seit dem Wiedereintritte sämmtlicher Bundesglieder (1851-1862).

I. Schon während der Dresdener Conferenzen hatte Preussen durch eine Cirkulardepesche vom 27. März 1851 den mit ihm noch verbündeten Regierungen angezeigt, dass es mit Rücksicht auf die damaligen Zeitverhältnisse die Thätigkeit einer gesetzlichen Bundesbehörde für unumgänglich nothwendig erachte, und da der Schluss der Conferenzen sich länger, als im Anfange erwartet wurde, verzögere, es für das Angemessenste erachte, die frühere Bundesversammlung wieder in Wirksamkeit zu setzen. Es lud daher Preussen die verbündeten Regierungen ein, sich hiermit einverstanden zu erklären und über den Zeitpunkt, zu welchem die Bundestagsgesandten nach Frankfurt a. M. zu senden wären, eine Uebereinkunft zu treffen 1). In der zweiten Hälfte des April zeigte Preussen den verbündeten Regierungen an, dass es am 12. Mai in den Bundestag in Frankfurt a. M. wieder eintreten werde und verband damit die Einladung zu gemeinschaftlichem Eintritt. Mehrere dieser Regierungen warteten jedoch den Eintritt des k. preussischen Gesandten in den Bundestag nicht ab; überhaupt fand kein gemeinschaftlicher Eintritt der bisher in der Bundesversammlung nicht vertretenen Regierungen statt 2). Die Anregung einer Principienfrage darüber, ob die eintretenden Staaten diejenigen Beschlüsse der Bundesversammlung anzuerkennen hätten, welche vor ihrem Eintritte gefasst worden waren, wurde vermieden 3).

1) Siehe den Abdruck in der Frankf. Postamtszeitung, vom 12. April 1851, Beil. z. Nr. 88.

2) Baden trat in die B.-V. ein in d. 5. Sitzung v. 2. Mai; Nassau, beide Reuss und die vier freien Städte in der 6. Sitzung v. 10. Mai; Preussen und Mecklenburg-Schwerin in der 7. Sitzung am 14. Mai; die grossh. und herzogl. sächsischen Häuser, Braunschweig. Oldenburg, die anhaltischen und schwarzburgischen Häuser und Lippe in der 8. Sitzung v. 30. Mai; Waldeck in der 11. Sitzung v. 13. Juni 1851.

3) Erklärung des Präsidium in der 8. Sitzung v. 30. Mai 1851, Prot. 36, S. 44.

II. Die Bundesversammlung liess sich hierauf angelegen sein, die auf den Dresdener Conferenzen zu Stande gebrachten Materialien weiter zu verarbeiten und die nothwendige Verbesserung des Bundesorganismus und der Bundesgesetze herbeizuführen; sie ernannte zu diesem Behufe Commissionen, deren Thätigkeit an diese Vorarbeiten anschliessen sollte 1). Aber auch hier traten, je weiter die Commissionsarbeiten fortschritten, in vielen Beziehungen vermehrte Schwierigkeiten hervor, so dass als Bundesbeschlüsse, welche auf Grundlage der Dresdener Conferenzen wirklich zu Stande gekommen sind, zur Zeit nur genannt werden können: 1) der Bundesbeschluss vom 23. August 1851, über die Aufhebung der (Frankfurter) Grundrechte des deutschen Volkes, und die Herstellung der Uebereinstimmung der deutschen Staatsverfassungen mit den Bundesgrundgesetzen 5); 2) die revidirte Geschäftsordnung des deutschen Bundes vom 16. Juni 1854); 3) der Bundesbeschluss vom 6. Juli 1854, die Verhinderung des Missbrauchs der Pressfreiheit betreffend; und 4) der Bundesbeschluss vom 13. Juli 1854, das Vereinswesen betreffend 7).

III. Die in Dresden verhandelte und bejahend begutachtete Frage über die Zulässigkeit des Eintrittes von Oesterreich und Preussen in den deutschen Bund mit ihren sämmtlichen, auch ausserdeutschen Staaten ), hat dagegen eine Lösung in ganz entgegengesetztem Sinne gefunden, indem auf einen von Preussen in der 23. Sitzung der Bundesversammlung vom 20. Sept. 1851, Prot. §. 149 gestellten Antrag, die Bundesversammlung durch Beschluss vom 3. Okt. 1851 erklärte, dass die Provinzen Ost- und Westpreussen, sowie die im Bundesprotokoll vom 22. April und 1. Mai 1848 bezeichneten Theile des Grossherzogthums Posen nicht als zum Ge

4) Es wurden noch im J. 1851 Commissionen ernannt, für die Revision der Geschäftsordnung der B.-V., für die politischen Angelegenheiten, für die Einrichtung eines obersten Bundesgerichts, u. s. w.

5) Siehe oben §. 150, VII.

6) Siehe oben §. 125 fl.

7) Von diesen beiden Bundesbeschlüssen wird unten, bei der Darstellung der polizeilichen Verhältnisse gehandelt. (Siehe §. 469. 473.)

8) Siehe §. 199, IV, Lit. B.

biete des deutschen Bundes gehörig zu betrachten seien 9). Hiernach war auch für Oesterreich keine Veranlassung mehr gegeben, die Aufnahme seines gesammten Kaiserstaates in das deutsche Bundesgebiet zu beantragen. Somit sind auch in Bezug auf das Bundesgebiet gegenwärtig die Verhältnisse wieder ganz dieselben, wie sie bis zum Jahre 1848 bestanden hatten.

IV. Als ein erfreuliches Zeichen eines gegenseitigen Verständnisses der beiden deutschen Grossmächte und als ein zu schönen Hoffnungen berechtigender Anfang eines thatkräftigen Auftretens des deutschen Bundes als politische Gesammtheit in den europäischen Angelegenheiten erschienen die Bundesbeschlüsse vom 24. Juli und 9. December 1854, die damals schwebende orientalische Angelegenheit betreffend 1o).

V. In den Jahren 1855-1857 gewann es den Anschein, als wenn auch ein ernstlicheres Zusammenwirken der Bundesglieder Platz greifen würde, um den immer dringender gefühlten Bedürfnissen der Gesammtnation durch Verbesserung der organischen Einrichtungen des Bundes und durch Verständigung über gemeinnützige Anordnungen gerecht zu werden. Den Anfang machte im Jahre 1855 eine Revision der fünf ersten Abschnitte der Kriegsverfassung des Bundes 11). Schöne Hoffnungen erweckte (1856) die Niedersetzung einer Commission zu Nürnberg, zur Bearbeitung des Entwurfes eines allgemeinen Handelsgesetzbuches 12), und der bald hernach

9) B.-B. vom 3. Oktober 1851, Protok. §. 178, S. 423. Schon in der 10. Sitzung der B.-V. v. 11. Juni 1851, Prot. §. 45, hatte Preussen bemerkt, dass mit Rücksicht auf die Bestimmungen der W. S.-A. art. 3, 4, 6, 8, 10, 12, 13, in Verbindung mit B.-A. art. 1 und 6, die begründetsten Bedenken sich darüber erheben lassen, ob die Aufnahme in genügender Form zu Stande gekommen sei.

10) B.-B. vom 24. Juli 1854, 23. Sitzung, Prot. §. 233, und B.-B. vom 9. December 1854, Prot. §. 368; in G. v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. 3. Aufl. Thl. II, S. 605, 621. Näheres über den Inhalt und die Bedeutung dieser Bundesbeschlüsse s. unten §. 548.

11) Siehe unten §. 494 flg.

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12) B.-B. vom 18. December 1856, 38. Sitzung, Prot. §. 352, bei G. v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. 3. Aufl. Thl. II, S. 665. Der Zusammentritt der Commission wurde auf den 15. Januar 1857 festgesetzt. Das Ergebniss siehe oben §. 145 Note 8.

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