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eben dieser Commission ertheilte Auftrag, einen Entwurf für eine allgemeine Gesetzgebung über die Leistung gegenseitigen Rechtshilfe in Civilprocesssachen auszuarbeiten 13); auch wurden am Bundestage die Verhandlungen zur Verständigung über allgemeine Grundsätze bezüglich des Heimathsrechtes fortgesetzt 14), der Schutz musikalischer und dramatischer Werke gegen unbefugte Aufführung erweitert 15) u. s. w.

VI. Die auf den Dresdener Conferenzen in erster Reihe gestandene Bundes-Verfassungsreform gewann jedoch keinen Fortgang überdies trat im weiteren Verlaufe des orientalischen Krieges (1855) ein Gegensatz der Politik der beiden Grossmächte hervor, der kaum in dem Bundesbeschlusse vom 8. Februar 1855 eine scheinbare Ausgleichung fand 16), dagegen sich in noch empfindlicherer Weise während des italienischen Krieges (1859) bemerkbar machte und die Unthätigkeit des deutschen Bundes im entscheidenden Momente zum grossen Nachtheile nicht blos der deutschen, sondern auch der europäischen Zustände zur Folge hatte. Seitdem zeigt sich bei Preussen noch entschiedener wie früher eine Abneigung, über gemeinnützige Anordnungen am Bunde zu verhandeln und zu Bundesbeschlüssen darüber mitzuwirken 17).

VII. Gerade durch dieses Verfahren, welches in systematischer Fortsetzung zu einer Lahmlegung oder Auflösung des deutschen Bundes führen müsste, wurde aber in den neuesten Tagen die Reform der Bundesverfassung wieder in den Vordergrund gedrängt. In der Bundesversammlung selbst kam jedoch hierüber zur Zeit noch nichts weiteres vor als eine Erklärung von Sachsen-Coburg-Gotha über die Nothwendigkeit einer Verbesserung der deutschen Bundesverfassung in der 30. Sitzung vom 31. Oktober 1861, Prot. §. 260 18), welcher

13) B.-B. vom 12. März 1857, 10. Sitzung, Prot. §. 129, ebendas. S. 668. Das Ergebniss siehe oben §. 145 Note 9.

44) Das Ergebniss siehe oben §. 145 Note 10.

15) Siehe unten §. 476.

16) Siehe unten §. 499 Note 1.

17) Siehe oben §. 145 Note 5.

18) In G. v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. 3. Aufl. Thl. III, Lief. 2. (1862) S. 256.

keine weitere Folge gegeben werden konnte, da kein Antrag damit verbunden war.

VII. Eine stärkere Anregung hat aber die Reformfrage durch einen von dem k. sächsischen Staatsminister v. Beust den deutschen Staatsregierungen vorgelegten Reformplan vom 15. Oktober 1861 erhalten 19), wodurch bereits ein lebhafter Notenwechsel und Austausch der freilich noch sehr weit auseinandergehenden Ansichten der deutschen Staatsregierungen hervorgerufen worden ist, und sich insbesondere bereits gezeigt hat, dass die k. preussische Regierung auf den schon einmal und zwar unter viel günstigeren Umständen gescheiterten Plan der Gründung eines engeren Bundes unter preussischer Hegemonie in dem deutschen Bunde und die Beschränkung dieses letzteren auf rein völkerrechtliche Verhältnisse, d. h. seine Umwandelung in eine blosse Allianz, zurückzugreifen gemeint ist 20).

19) Siehe den Abdruck dieses Projectes nebst Denkschrift v. 15. Okt. 1861 und Nachtrag dazu vom 20. Nov. 1861, bei L. Aegidi u. A. Klauhold, Staatsarchiv, Jahrg. 1861, Nr. 164; 1862 Nr. 175, 176.

20) Vergl. die preussischen Depeschen vom 20. November 1861, 2. und 14. Februar 1862.

555

Eilfter Abschnitt.

Von der Erwerbung der Souverainetät in den EinzelnStaaten, insbesondere von der Legitimität des

Staatsherrschers.

§. 201.

Eintheilung der Erwerbsarten der Souverainetät: rechtliche und widerrechtliche Erwerbsarten.

I. Da das Bestehen einer Staatsgewalt an sich vernünftig, und darum (absolut) rechtlich ist (§: 45), so ist jede Erwerbung oder geschichtliche Entstehung derselben rechtlich, welche nicht mit einem älteren, rechtlich noch nicht erloschenen Kronbesitzrechte eines anderen Subjektes im Widerspruche steht, und umgekehrt ist sie da, aber auch nur da, widerrrechtlich, wo und so lange ein solcher Widerspruch mit einem solchen älteren Kronbesitzrechte eines anderen Subjektes fortbesteht.

II. Da jede geschichtlich bestehende Souverainetät zufolge des Territorialprincipes sich als eine Rechtswirkung des politischen Besitzes (jus possessionis), d. h. als Ausfluss der Innehabung des Staatsgebietes, oder nach der Terminologie des germanischen Rechtes, als eine Gewere darstellt (§. 57), so kann obiger Grundsatz auch so ausgedrückt werden: Jede faktisch bestehende Souverainetät ist eine Gewere, aber nicht jede ist eine redliche, d. h. bona fide und justo titulo erlangte Gewere. Jede faktisch bestehende Souverainetät hat daher, schon als solche, rechtliche Wirkungen; aber ebenso wie bei einem Widerstreite der blos faktischen, mit einer überdies noch besonders (historisch) titulirten Gewere, die Frage nach der besseren Gewere entsteht, so entsteht auch da, wo ein sog. Staatsherrscher de facto einem aus einem äl

teren geschichtlichen Titel herrschaftsberechtigten Subjekte, einem sog. Herrscher de jure, gegenüber steht, die Frage nach besserer Berechtigung zur Herrschaft, und somit nach der Herrschaftsberechtigung des faktischen Staatsherrschers überhaupt.

§. 202.

Das Legitimitätsprincip. Die Usurpation.

I. Die Uebereinstimmung des von einem Subjekte auf die Staatsherrschaft erhobenen Anspruches mit dem hierüber in dem betreffenden Staate giltigen historischen (gesetzlichen) Rechtstitel wird Legitimität genannt.

II. Das Legitimitätsprincip ist daher auch nichts anderes, als der Grundsatz, dass nur dasjenige Subjekt als herrschaftsberechtigt anzuerkennen sei, welches durch einen solchen historischen Rechtstitel zur Herrschaft in einem Staate berufen ist. Praktische Bedeutung hat dieses Princip nur für die Monarchie1), und zwar vorzugsweise für die Erbmonarchie2), weil nur bei dieser Staatsform der Gegensatz eines Herrschers de facto und eines Herrschers de jure geschichtlich hervortreten, d. h. ein herrschaftsberechtigtes Subjekt neben dem faktisch herrschenden fortbestehen und sein Recht auf die Herrschaft verfolgen kann.

III. Die faktische Herrschaft erscheint hierbei als eine rechtswidrige (illegitime) Unterbrechung der bisher bestandenen Herrschaft, und wird eben daher auch im Gegensatze zu dieser nach Analogie der unbefugten Besitzstörungen (§. 201.) als Usurpation bezeichnet.

1) Der Ausdruck Legitimität" wird auch seit dem Wiener Congresse v. 1814, wo sich v. Talleyrand zuerst desselben bediente, von der Diplomatie stets nur in Bezug auf Erbmonarchien gebraucht. Ueber die verschiedenen, zum Theil sehr unklaren Ideen Anderer, vergl. Klüber, öffentl. R. §. 98. Maurenbrecher, Staatsr. §. 46. - Weiss, Staatsr. §. 239, 248, 250. K. S. Zachariae, 40 Bücher, (Umarb.) Bd. I, S. 116 u. f. Stahl, Rechtsphilosophie, 2. Aufl. Bd. II, Abth. II, §. 71. S. 219. H. A. Zachariae, Staatsr. 2. Aufl. §. 21. III. S. 72. J. Held, über Legitimität und Legitimitätsprincip. Würzburg, 1859.

2) Siehe §. 204. Da ausser dem Kirchenstaate in Europa keine Wahlmonarchie mehr besteht, so wird sich die folgende Darstellung auf die Entwickelung der Legitimitäts-Theorie für die Erbmonarchie beschränken.

IV. In den Republiken ist, da sie auf dem Principe der Volks-Souverainetät beruhen, von der Legitimität der Herrschaft (des Volkes) nie die Rede. Bei dieser Staatsform erscheint die Frage nach dem Rechtsgrunde der Herrschaft geradezu als überflüssig: das Volk hält sich hier lediglich an die Thatsache, dass es sich selbst regiert, und betrachtet sich hierzu so lange als berechtigt, als es die Macht hat, sich in dieser Staatsform zu behaupten; wird dieselbe aber auf irgend eine Weise umgestossen, so ist eben damit seine bisherige Herrschaftsberechtigung vollständig vernichtet.

V. In der Monarchie kann dagegen die Herrschaftsberechtigung (Legitimität) eines Subjektes in drei Beziehungen in Frage kommen: nämlich 1) in Beziehung zum Volke, 2) in Beziehung zu einer früheren, jetzt vertriebenen Dynastie oder regierenden Person aus dieser Familie, und 3) in Bezug auf dritte Staaten3).

§. 203.

I. Von der Legitimität des Staatsherrschers im Verhältnisse zum Volke.

I. Hinsichtlich der Herrschaftsberechtigung eines Subjektes oder einer Dynastie im Verhältnisse zum Volke sind zwei Fälle zu unterscheiden. A. Es ist ein Subjekt oder eine Dynastie durch den Volkswillen selbst, beziehungsweise durch die Volksvertretung, zur Regierung berufen. In diesem Falle ist von selbst klar, dass die Herrscher - Berechtigung dieses Subjektes oder der Dynastie von Seiten des Volkes nicht bezweifelt werden kann 1). Diejenigen, welche der Theorie der Volkssouverainetät huldigen, wollen ohnehin nur den Volkswillen allein als den Grund der Herrscherberechtigung (der Legitimität) anerkennen 2). B. Ist da

3) Die Richtigkeit dieser zuerst von mir gemachten scharfen Unterscheidung dieser drei Beziehungen der Legitimität hat jetzt auch H. A. Zachariae a. a. O. anerkannt, uud bezeichnet dieselben als das staatsrechtliche, privatrechtliche (richtiger wäre: privatfürstenrechtliche) und völkerrechtliche Verhältniss der Legitimität.

1) Siehe oben §. 44, Nr. II, 1).

2) Siehe oben §. 55.

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