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IV. Es versteht sich übrigens von selbst, dass ein Privatmann, welcher die von dem Fiskus während einer Zwischenherrschaft erkauften Güter weiter an einen anderen Privaten verkauft hat, diesem wegen deren späterer Entziehung durch eine Verordnung des restaurirten legitimen Souverains keine Entschädigung zu leisten hat, da eine solche Entwährung in Bezug auf das Kaufgeschäft ein rein casuelles und späteres Ereigniss ist 12).

Zwölfter Abschnitt.

Der Fürst und sein Haus oder das Familien- und Thronerbrecht der souverainen deutschen Familien.

§. 211.

Verhältniss des Familien- und Erbrechtes der deutschen souverainen Familien zu dem sogenannten deutschen Privatfürstenrechte1).

Zur Zeit des deutschen Reiches bezeichnete man das Familien- und Erbrecht der landesherrlichen und reichsständischen Geschlechter, welches die Grundlage der legitimen Er

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12) L. 11. Dig. de evictione (21, 2). Der Verkäufer könnte daher nur aus einem besonderen, für einen solchen Fall geleisteten CautionsVersprechen ersatzpflichtig werden.

D.

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1) Literatur: H. de Coceji, deductiones in causis illust. (T. I) Lemgo, 1725. G. M. de Ludolf, consultationes, Tom I-III, 1731–39. B. G. Struvii, jurisprudentia heroica, VII. Part. Jenae, 1743--53. J. F. W. de Neumann, meditationes juris princ. priv. Fref. a. M. T. I-IX. 1751-56. — J. J. Moser, Familienstaatsrecht der deutschen Reichsstände. II Bde. Frankf. u. Leipz. 1775. Dessen: Persönl. Staatsr. d. deut. Reichsstde. II Thle. Frkf. u. Leipz. 1775 und dessen deutsch. Staatsrecht, Theil XII u. f. J. St. Pütter, primae lineae juris privati principum, speciatim Germaniae. Götting. 1789. Dessen Beiträge z. deut. Staats- u. Fürsten-R. 2 Bde. Götting. 1777-1779. u. dessen Erörterungen u. Beispiele z. deut. St.- u. Fürsten-R. Gött. 1793. 1794. - A. W. Heffter, Beiträge z. deut. St.- u. Fürstenrecht, Berlin 1829. Vergl. auch J. C. Kohler, Handbuch des deutschen Fürstenrechtes der vormals reichsständischen, jetzt

werbung ihrer Landesregierung und Reichsstandschaft bildete, als jus privatum illustrium, persönliches, Privat- oder Familienstaatsrecht oder Privatfürstenrecht. Die wissenschaftliche Darstellung dieses Rechtes selbst pflegte man jurisprudentia heroica zu nennen 2). Da nunmehr eine grosse Anzahl der ehemals landesherrlichen und reichsständischen Familien die eigentlichen und höheren Regierungsrechte verloren hat, so kann nur noch das besondere Familien- und Erbrecht der übrigen ehemals landesherrlichen und reichsständischen Familien, welche gegenwärtig zur Souverainetät emporgestiegen sind, in der Lehre von der Erwerbung der Staatsgewalt in Betracht gezogen werden 3).

§. 212.

Stellung des Familien- und Erbrechtes der deutschen souverainen Familien im Rechtssysteme.

Das Familien- und Erbrecht der gegenwärtig souverainen deutschen Häuser gehört eben so, wie dies zur Zeit der Reichsverbindung hinsichtlich des sogenannten Privatfürstenrechts überhaupt der Fall war, in einer Beziehung dem Privatrechte, in anderer Beziehung dem öffentlichen Rechte an. Ersteres ist der Fall, insoweit die Grundsätze desselben aus dem gemeinen deutschen Privatrechte geschöpft werden, und insofern man das Familien- und Erbrecht überhaupt in das Privatrecht zu rechnen pflegt: letzteres findet dagegen insofern

mittelbaren Fürsten und Grafen. Sulzbach, 1832. A. Bauer, Beitr. z. deut. Privatfürstenrechte. Gött. 1839. Leist, Lehrb. d. deut. Staats-R. §. 24 u. f. Gönner, deut. Staats-R. §. 233 u. f. Klüber, öffentl. R. §. 11. 238 u. f. Maurenbrecher, Grds. d. deut. St.-R. §. 227 u. f. Weiss, Syst. d. deut. St.-R. §. 1. Note h; §. 6. Note b; §. 252. Note a; §. 238 u. f. H. A. Zachariae, deut. Staats. (2. Aufl.) §. 63 u. f.

2) Einige zogen auch das Familien- und Erbrecht der nicht-reichsständischen, reichsunmittelbaren adeligen Familien, welche sie mit den reichsständischen unter der Bezeichnung illustres zusammenstellten, unter den Begriff des Privatfürstenrechts; so z. B. Pütter, prim. lineae, §. 2.

3) Davon, in wiefern die standesherrlichen und andere früher reichsunmittelbare Familien noch an den Grundsätzen des Privatfürstenrechts Theil nehmen, wird unten bei der Darstellung der staatsrechtlichen Stellung des Adels gehandelt.

statt, als eines Theils die eigenthümlichen Grundsätze des Familien- und Erbrechtes der deutschen souverainen Familien in Staatsgrundgesetzen oder anderen politischen Rechtsnormen wurzeln und andern Theils dieses Familien- und Erbrecht eine unmittelbare Wirkung auf die politischen Verhältnisse selbst äussert. Dieser zweiseitige Charakter des Privatfürstenrechtes der souverainen Familien ist ein unmittelbarer Ausfluss des Begriffes der Erbmonarchie, in welchem der Begriff der politischen Herrschaft mit einem privatrechtlichen Begriffe (der Erbfolge) zu einem Ganzen verbunden ist 1).

§. 213.

Von den Quellen des Familien- und Erbrechtes der deutschen souverainen Familien überhaupt.

I. Neben einigen wenigen reichsgesetzlichen Bestimmungen erschien zur Zeit des Reichsverbandes als die vorzüglichste Quelle des Familien- und Erbrechtes der reichsständischen Geschlechter, aus welchen die jetzt regierenden souverainen Familien hervorgegangen sind, die denselben zugestandene, sehr ausgedehnte, jedoch keineswegs unbeschränkte Autonomie1), welche sich bald in der Form des Herkommens, bald in jener von Hausverträgen, Testamenten, Statuten, sog. Hausgesetzen und pragmatischen Sanktionen äusserte. So weit keine solche besonderen Quellen vorlagen, kam das gemeine deutsche Privatrecht zur Anwendung. Subsidiär galten dabei die recipirten Rechte, als gemeines Reichsrecht 2). Es bedarf daher das fürstliche Familien- und Erbrecht hier einer besonderen Darstellung nur insoweit, als es auf Grundsätzen beruht, die vom gemeinen Reichsrechte abweichen.

II. Das partikuläre Landesrecht kam dabei unstreitig nicht in Anwendung, es mochte auf Herkommen

1) Siehe oben §. 39 a. E.

1) Vergl. die im §. 214, Note 1. angeführten Schriften. Ueber die Beschränkung der reichsständischen Autonomie in Familiensachen vergl. §. 214, III.

2) Siehe oben §. 73.

oder auf landesherrlicher Gesetzgebung beruhen 3), indem dem jeweiligen Landesherrn keine gesetzgebende und richterliche Gewalt über die Mitglieder seines Hauses zustand, sondern diese wegen ihrer Eigenschaft als Reichsunmittelbare nur der gesetzgebenden und richterlichen Gewalt des Kaisers unterworfen waren. Mitunter findet sich aber, dass sich das Familienherkommen eines reichsständischen Hauses in einzelnen Beziehungen an solche Grundsätze des partikulären Landesrechtes anschloss, welche im Landesherkommen wurzelten, oder dass landesherrliche Familien ausdrücklich das Landesrecht als Rechtsquelle ihres Familienrechts erklärten 1).

§. 214.

Von den Hausgesetzen der souverainen deutschen Familien insbesondere.

1) Nach reichsrechtlichen Grundsätzen1).

I. Zur Zeit des Reiches war unstreitig, dass bei der Errichtung hausgesetzlicher Normen in den reichsständischen Fa

3) G. M. de Ludolf, de jure feminar. illustr. (1734). P. II. c. 1. §. XV, b.,,De privato jure provinciarum adhuc addendum, illustres familias eo non uti, nisi libera receptione, eaque ab asserente probata.“

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4) So z. B. nicht selten in Betreff der Volljährigkeit der Prinzen. In dieser Weise betrachteten bereits die Karolinger die Lex Ripuariorum als massgebend für ihre Familienrechtsverhältnisse, nach dem Zeugnisse der Charta divisionis Ludovici Pü, a. 817. c. 16, welche wohl als das älteste fürstliche Hausgesetz in Europa zu betrachten ist. (Vergleiche meine deutsche R.-Gesch. (3. Aufl.) Stuttgart 1858, Thl. II, §. 36, Note 13. Unbestritten findet in den sächsischen Fürstenhäusern das sächsische Recht nach dem Naumburger Vergleich v. 1554 Anwendung. Pütter, prim. lin. §. 3. Siehe besonders v. Ludolf, 1. c. P. II. c. 1. §. XV, 7.

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4) Aeltere Schriften s. bei Pütter, Literatur III, §. 1523. Klüber, Lit. S. 611. Chr. Majer, Autonomie des Fürsten- und übrigen unmittelbaren Adelsstandes. Tübingen 1782. - Jaup, de valore et efficacia pactor. s. statuto fam. illustr. Giessen 1792. Moser, Famil.-Staatsr. II, S. 964 u. f. Klüber, öffentl. R. §. 75, Note a. Kohler, Handbuch,

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S. 535 u. f. H. A. Zachariae, deut. Staatsr. 2. Auflage. I, §. 34, Note 9. J. D. Reiche, chronologisch-systematisches Verzeichniss zur Erläuterung des deutschen Privatfürstenrechts vorzüglich gehöriger Urkunden. Bückeburg, 1785. Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürsten

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milien die Landstände gemeinrechtlich nicht befugt waren, eine Mitwirkung zu beanspruchen, gleichviel ob die Form eines Testamentes oder eines Vertrages unter den Familiengliedern beliebt worden war 2).

II. Desgleichen war zur Reichszeit die Publikation der hausgesetzlichen Normen keine Bedingung ihrer Giltigkeit und Verbindlichkeit gegenüber von dritten Personen, wie Unterthanen und Gläubiger 3).

III. Eine kaiserliche Confirmation hausgesetzlicher Dispositionen war nur dann nothwendig 4), wenn durch solche

häuser, herausgegeben und eingeleitet von Dr. Hermann Schulze, Bd. I. Jena 1862. (Bd. II u. III wird folgen.)

2) Es war dies eine nothwendige Folgerung aus dem Patrimonialprincip, auf welchem die Landesherrlichkeit beruhte. S. oben §. 39.

3) Es konnten hieraus für Dritte, namentlich für Gläubiger, grosse Nachtheile entstehen, z. B. da, wo ein nicht bekannt gemachtes Hausgesetz die Unveräusserlichkeit der Besitzungen festsetzte, oder dem jeweiligen Landesherrn die Belastung derselben mit Schulden untersagte. Man betrachtete aber derartige Beschränkungen des regierenden Herrn nicht als Ausflüsse einer von ihm blos vertragsmässig übernommenen persönlichen Verbindlichkeit, sondern als Ausflüsse eines der gesammten Familie aus einer Fideicommissstiftung, Testament oder Familienvertrag zuständigen sog. condominium eventuale, in Folge dessen der jeweilige Landesherr selbst nur in dem Verhältnisse eines Usufructuars zu den Besitzungen zu stehen schien.

4) Die Reichsgesetze stellen nirgends ausdrückliche Grundsätze über den Umfang der reichsständischen Autonomie in Familiensachen, noch auch über die Fälle auf, wo eine kaiserliche Confirmation nöthig sei. Die gewöhnlich, z. B. von Kohler Privatfürstenrecht §. 221, angezogene Stelle der W. K. art. I, §. 9. gehört gar nicht hierher; denn unter den hier erwähnten,, den Reichsconstitutionen gemäss gemachten Unionen“ sind nicht die in den einzelnen reichsständischen Familien errichteten Hausgesetze, sondern Verträge unter mehreren solchen Familien, wie Erbverbrüderungen, zu verstehen. Die einzige Stelle, die von den pactis familiae handelt, (W.-K. art. VI, §. 2.) bestimmt nur, dass der Kaiser die Reichsstände,,bei Belehnungserneuerungen mit der Edition der alten pactorum familiae nicht beschweren, vielweniger die Reichsbelehnung wegen erstgedachter Edition der pactorum familiae, sie seien neue oder alte.. aufhalten" solle, und dabei wird nur beiläufig, in einem Zwischensatze, gesagt, dass durch die Ertheilung einer solchen Belehnung den nicht vorgelegten pactis familiae (woraus etwa ein anderes als das belehnte Mitglied der Familie ein besseres Recht auf die Belehnung herleiten könnte), nicht präjudizirt werden (,,an ihrer Verbindlichkeit nichts abgehen") soll,,wenn sie den

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