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einer regierenden (früher reichsständischen) Familie gemeinrechtlich auch durch Abstammung aus einer standesgleichen Ehe bedingt sei1).

II. Dass eine gemein verbindliche positiv gesetz

2) Diese Frage wurde sehr vielseitig in neuerer Zeit erörtet: I) in Bezug auf die Ansprüche des Obersten August von Este, auf die Thronfolge in Hannover. (Siehe die vorzüglichsten hierher gehörigen Schriften oben §. 217. Note 2.) - II) In Betreff der Ansprüche der Krone Bayern an Landestheile des Grossherzogthums Baden (sog. sponheimer Successionsstreit). Die bedeutendsten Schriften hierüber (für Baden) sind: Ueber die Ansprüche der Krone Bayern an Landestheile des Grossh. Baden. Mannheim 1827. - K. S. Zachariae, Ueber die Ansprüche etc. Heidelberg 1828. (Auch in den Heidelb. Jahrb.) (Klüber) Der sponheimische Surrogat- und Successionsstreit. Giessen 1828. Für den Sieg der histor. und rechtl. Wahrheit etc. Giessen. - Ueberblick der Controversund Wechselschriften u. s. w. 2 Hefte. Giessen 1828. 1829. (In dem zweiten Hefte, S. 7 u. f. sind die von bayerischer Seite dagegen erschienenen Schriften angeführt.) III) In Betreff der Ansprüche des fürstl. Löwenstein'schen Hauses auf Successionsrecht in Bayern: (Constantin, Erbprinz von Löwenstein-Rosenberg) Widerlegung einiger falschen Nachrichten in Bezug auf den Ursprung des hochfürstl. Hauses L.-W. etc. Werthheim 1831. Klüber, die eheliche Abstammung des f. Hauses L.-W. etc. Frkf. a. M. 1837. K. S. Zachariae, Ueber das Recht des f. Hauses L.-W. etc. Heidelberg 1838. (Auch in d. Heidelb. Jahrb.) (Heffter), Votum eines norddeutschen Publicisten etc. Halle, 1838. Meine Schrift: Kritische Bemerkungen zu den Schriften Klüber's und eines norddeutschen Publicisten. Heidelberg 1838. Vollgraff, des fürstl. Hauses L.-W. ehel. Abstammung. Halle 1838. IV) In Bezug auf den gräflich bentinck'schen Successionsstreit: Ausser den oben §. 219 Note 1) angeführten Schriften von Klüber, Dieck und Michaelis gehören hieher die sämmtlichen in Druck erschienenen beiderseitigen Prozessschriften: Jenaer Urtheil (herausg. v. Dieck, 1843, S. 273 u. f.) (Es gebührt diesem Fakultätsurtheile eine um so grössere Beachtung, als dessen Ausarbeitung von einem der letzten, noch in der Reichszeit selbst theoretisch und praktisch gebildeten und als ausgezeichnet tüchtig anerkannten Publicisten, dem verst. Geh.-Rathe Schmid herrührt.) — K. S. Zachariae, in d. Heidelb. Jahrb. 1840. S. 27 u. f. Michaelis in Richter's Jahrb. 1840. S. 260 u. f. Deutsche Vierteljahrsschrift 1842, Januar-März, S. 117 u. f. Reichard, in der Zeitschr. f. ges. Staatsw. 1844, Hft. III, S. 540. (Heffter), die gegenwärtige Lage des reichsgräfi. bentinck'schen Rechtsstreites, Berlin 1840, S. 136 u. f. Welcker, der reichsgräfl. bentinck'sche Erbfolgestreit, Heidelberg, 1847. S. 38 u. f. Meine Schrift: Ueber hohen Adel und Ebenbürtigkeit. Stuttgart 1853. S. 139 u. f.

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liche Norm, welche ein solches Erforderniss aufgestellt hätte, vor der Abfassung der Wahlkapitulation K. Karl's VII. (1742) nicht vorhanden war, und dass die in die Wahlkapitulation K. Karl's VII. art. XXII. §. 4 aufgenommene und in den nachfolgenden Wahlkapitulationen beibehaltene Bestimmung die Sache nicht erschöpft, darf als unstreitig und allgemein anerkannt betrachtet werden.

III. Dagegen fand die Ansicht vielfache Vertreter, dass durch ein uraltes gemeines deutsches Herkommen, welches nur durch die im XVI. und XVII. Jahrhundert vorwiegende romanisirende Richtung in seiner doktrinellen Anerkennung einigermassen erschüttert worden, die Geburt aus standesgleicher Ehe als ein wesentliches gemeinrechtliches Erforderniss für die Zuständigkeit der vollen Familien- und namentlich Successionsrechte als Mitglied eines reichsständischen oder überhaupt landesherrlichen Hauses eingeführt worden sei3). Es entbehrt jedoch diese Ansicht allen geschichtlichen Grundes und ist daher auch jederzeit auf das Lebhafteste und mit vollem Rechte bestritten worden 4).

§. 221.

2) Begriff von Missheirath und unstandesmässiger Ehe. I. Unstandesmässig ist eine jede Ehe, bei welcher die Ehegatten nicht von gleichem Geburtsstande sind.

II. Unter Missheirath (disparagium) versteht man insbesondere eine unstandesmässige Ehe, welche wegen Standesungleichheit der Ehegatten von Rechtswegen (sei es zufolge eines Staats- oder Hausgesetzes, allgemeinen oder Familienherkommens) keine volle Rechtswirkung für den standesniederen Ehegatten und die aus solcher Ehe erzeugten Kinder haben kann 1), und insbesondere den Nachtheil mit sich bringt, dass der standesniedere Ehegatte und

3) Dies ist die Grundidee der oben Note 1) angeführten Pütter'schen Schrift über die Missheirathen.

4) Die nähere Ausführung und Begründung dieser Ansicht hat sich meine Schrift über Missheirathen, 1853, zur Aufgabe gemacht.

1) Daher erklärt man das disparagium gewöhnlich als:,,matrimonium

ex lege inaequale."

Zöpfl, Staatsrecht. 5. Aufl. I.

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die Kinder nicht an dem Range und Stande des höhergeborenen Ehegatten Theil nehmen können, und die Kinder eben desshalb auch von der Succession in die Regierung und das damit zusammenhängende Stammgut, Lehen und Hausfideicommiss zum Vortheile der übrigen Erbfolgeberechtigten ausgeschlossen sind 2).

III. Die Eigenschaft einer Ehe als Missheirath wird hauptsächlich da in Frage kommen, wo die Gemahlin von niederem Stande ist: insoweit jedoch eine cognatische Succession in eine Landesregierung und damit zusammenhängendes Stammgut, Lehen oder Hausfideicommiss zulässig ist, kann diese Frage wohl auch in dem Falle zur Beurtheilung kommen, wenn sich ein weibliches Mitglied einer regierenden Familie mit einem Manne niedrigeren Standes vermählt hat.

IV. Da aber nicht jede Abstufung des Geburtsstandes der Ehegatten die vorgedachten Nachtheile zur Folge haben kann, so muss zwischen eigentlichen Miss heirathen und anderen unstandesmässigen Ehen wohl unterschieden werden 3).

V. Als leitender Grundsatz muss bei der Lehre von der Missheirath vorangestellt werden, dass die Ehe überhaupt ein so wichtiges und in die gesellschaftliche Ordnung so tief eingreifendes Institut ist, dass da, wo das Vorhandensein einer

2) In anderer Beziehung als zu den Erbfolgeberechtigten, welchen bei Lehen auch der Lehnsherr wegen seines Heimfallrechtes (sog. Folge des Herrn) gleichsteht, kommt die Missheirath heut zu Tage nicht mehr in Frage. Jenaer Urtheil im gräfl. Bentinck'schen Successionsstreit, S. 283: „Von einem Rechte der Lehnsleute oder sogar der Unterthanen, Kindern aus ungleicher, aber wahrer rechtmässiger und kirchlich gültiger Ehe des Landesherrn die Regierungs-Nachfolge streitig zu machen, etwa nach Analogie der Rechtsbücher der hohenstaufischen Zeit (Sächs. Lehn-R. art. 20; Schwäb. Lehnr. art. 41 (39), kann heut zu Tage nicht mehr die Rede sein." Uebrigens sagen diese Stellen auch keineswegs, dass die Lehnsleute dem nicht ebenbürtigen Sohne den Antritt der Landesregierung verwehren dürfen, sondern es ergibt sich daraus, namentlich aus dem schwäb. Lehnr. (Lassb.) c. 39 klar, dass es ihnen nur frei stand, ihm ihre Lehen zu refutiren, wenn sie nicht seine Vasallen sein wollten.

3) Jenaer Urtheil S. 275: ,,Die blosse Ungleichheit des Standes, des Vermögens, der Bildung, macht aber eine Ehe noch nicht zur Missheirath, so oft auch eine solche unstandesmässige und ungleiche Verbindung im gemeinen Leben mit diesem Namen belegt wird."

wahren und insbesondere mit voller kirchlicher Form eingegangenen Ehe feststeht, den Kindern auch alle Rechte wahrer Ehekinder zugesprochen werden müssen, so weit nicht eine positive Rechtsquelle ausnahmsweise eine Beschränkung eintreten zu lassen nöthigt1).

§. 222.

3) Geschichtliches in Bezug auf Missheirathen und unstandesmässige Ehen bis zum XV. Jahrhundert ').

I. Aus der Zeit vor der Völkerwanderung fehlt es an allen Beweisen für die Behauptung, dass Ehen unter den etwa vorhandenen verschiedenen Klassen der vollfreien Leute Missheirathen gewesen wären 2).

II. Ebenso fehlt es auch in der merowingischen und karolingischen Zeit an allen Beweisen, dass eine Ehe eines vollfreien Mannes höheren Ranges mit einer vollfreien Frau niedrigeren Ranges als Missheirath betrachtet worden wäre 3): und nach dem Principe des Ständeverhältnisses jener Zeit war dies geradezu unmöglich). Dass eine freie Frau

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4) Jenaer Urtheil S. 277, Nr. 3. Die Heilighaltung der Rechte der Ehekinder, der Schutz derselben in ihrem Successionsrechte und, seit der Bekanntschaft mit dem römischen Rechte, mindestens in ihrem Pflichttheilsrechte, ist ein hervorragender Charakterzug der mittelalterlichen Rechtspflege, wie sich dies aus den nachfolgenden Darstellungen deutlich ergeben wird.

1) Siehe hierüber: meine Schrift über Missheirathen, Stuttgart, 1853; meine deut. Rechtsgeschichte, 3. Aufl. (1858) Thl. II. §. 82. 90a; und besonders meine Alterthümer des deut. Reichs und Rechts, Bd. II (1860), Abhandl. III. IV. V. und `VII.

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2) Meine Schrift: Ueber Missheirathen, S. 2. Die Nachweisungen, welche Waitz, Verfassungsgeschichte Bd. I, 1844, darüber gegeben hat, dass sich aus der Zeit der Völkerwanderung durchaus keine Rechtsunterschiede zwischen dem Adel und den übrigen Freien in Bezug auf Ehe, Wehrgeld u. s. w. nachweisen lassen, dürfen als erschöpfend betrachtet werden.

3) Meine Schrift: Ueber Missheirathen, §. 3; meine deut. Rechtsgeschichte, 3. Aufl. (1858) Thl. II, §. 82.

4) Cap. Caroli M. a. 803. §. 1:,,Non est nisi liber et servus." Ueber die Stelle aus Meginhard, translatio S. Alexandri, welche mitunter dagegen angeführt werden will, s. meine Schrift: über Missheirathen S. 5,

höheren Standes, wenn sie sich mit einem freien Manne niederen Standes verband, nur noch den Stand ihres Ehegatten haben konnte, und dass in diesem Falle auch nur der Rang und Stand des Vaters auf die Kinder überging, kann unmöglich als Beweis für das Dasein einer Missheirath in einem solchen Falle angenommen werden, da das Wesen der vollen Rechtswirkung einer Ehe gerade darin besteht, dass Frau und Kinder am Range und Stande des Vaters Theil nehmen. Nur die Ehe zwischen Freien und Unfreien war in dieser Periode mit Nachtheilen bedroht, und zwar in sehr verschiedener Weise nach den einzelnen Volksrechten. Eine solche Ehe wurde nach einigen Volksrechten als nichtig oder sogar als strafbares Verbrechen behandelt; nach anderen wurde der freie Ehegatte in den Stand des unfreien hinabgestossen; nach wieder anderen blieb er zwar persönlich frei, die Unfreiheit des anderen Ehetheils aber vererbte sich auf die Kinder3), und dies ist der Sinn der Paroemie:,,das Kind folgt der ärgeren Hand."

III. Auch das canonische Recht, welches schon um dieselbe Zeit zu den germanischen Völkern kam, weiss durchaus nichts von Missheirathen unter den verschiedenen Klassen der Freien; es schliesst sich vielmehr genau den damaligen Ansichten der germanischen Völker an, betrachtet die Ehen unter allen Freien ohne Unterschied als vollwirkend und die daraus entsprungenen Kinder als erbfähig). Bei der Verbindung zwischen Freien und Unfreien dagegen präsumirt das canonische Recht, bis zum Beweise des Gegentheils, nur Concubinat); es hält aber die Ehe, wo der animus conjugalis fest

Note; und ausführlicher meine deut. R.-Gesch. 3. Aufl. Thl. II (1858), §. 82. Note 7; meine Alterthümer d. deut. Reichs u. Rechts, Bd. II (1860) S. 232 u. flg.

5) Siehe die Beweisstellen in meiner deutschen R.-Gesch. 3. Aufl. (1858) Thl. II, §. 82.

6) Causa 32, Qu. 2. can. 3. (Leo, papa, a. 443): „Nuptiarum autem foedera inter ingenuos sunt legitima, et inter coaequales." Meine Schrift: Ueber Missheirathen, §. 4; meine deut. Rechtsgesch. 3. Aufl. (1858) Thl. II, §. 82. Note 6.

7) Siehe die Beweisstellen in meiner deut. R.-Gesch. 3. Aufl. (1858) Th. II, §. 82. Note 18 flg. Uebereinstimmt hiermit ferner: Causa 32, Qu. 2. can. 15: „Liberi dicti, qui ex libero sunt matrimonio orti. Nam

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