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§. 230.

Persönliche Stellung der Gemahlinen der Mitglieder regierender Familien und der Gemahle regierender Fürstinnen.

I. Die Gemahlin des Souverains tritt mit der Verehelichung als Unterthanin unter dessen Staats- und Familiengewalt, wenn sie derselben nicht schon vorher unterworfen war1).

II. Dasselbe gilt von den Gemahlinen der Prinzen des Hauses 2), und ebenso auch umgekehrt von dem Gemahle einer durch die weibliche Thronfolge zur Selbstregierung gelangten Fürstin.

III. Die Gemahlin des Souverains nimmt übrigens an dessen Range, Titel und Würden Antheil 3) und führt, wenn sie aus einem an Rang höheren Hause stammt, nebenbei meistens ein hierauf bezügliches Prädikat fort. Andere Privilegien hat sie

einer Dos und deren Verwendung zum Nutzen des Stammes voraussetzt, der Wittwe selbst dann lebenslänglich bleibt, wenn sie zu einer zweiten Ehe schreitet. Pütter, prim. lin. §. 71. — de Ludolf, de jure feminar. illustr. P. II, c. 2, §. V, 34 seq. Eichhorn, deut. Pr.-R. §. 305.

Mittermaier, Priv.-R. §. 395.

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1) Dieser Grundsatz galt von jeher in den souverainen Familien; nicht aber in den deutschen reichsständischen und landesherrlichen Familien zur Zeit der Reichsverbindung. — Letzteres bestritt Chr. Schöne, Bedenken ob eines regierenden Fürsten oder Landesherrn Gemahlin ihres Gemahls Unterthanin sei? Leipzig 1733 u. 1750. - Siehe aber dagegen de Ludolf, de jure femin. illustr. P. I, §. 19. Moser, Staatsr. XX, p. 338 u. f. Pütter, prim. lin. §. 73. Klüber, öffentl. R. §. 248. In den neueren Hausgesetzen wird gewöhnlich die Gemahlin des regierenden Herrn ausdrücklich unter den Mitgliedern des Hauses aufgeführt, welche der Hoheit und Gerichtsbarkeit des Monarchen unterworfen sind. Würtemberg, Hausges. v. 1828, Art. 1, a. Hannover, Hausges. v. 1836, Cap. I, §. 3, a. K. Sachsen, Hausges. v. 1837, §. 1, b. In dem bayerischen Hausgesetze von 1819 ist die namentliche Aufführung der Königin auffallender Weise unterlassen worden.

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2) Bayer. Hausges. v. 1819, Tit. II, §. 1, 6; §. 2. — Würtemberg, Hausgesetz v. 1828, Art. 1, d. Hannover, Hausgesetz v. 1836, Cap. I, Art. 3, d. K. Sachsen, Hausges. v. 1837, §. 1, e.

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3) S.-Altenburg, V.-U. 1831, §. 23. „Die Gemahlin des Herzogs führt den Titel und das Wappen ihres Gemahls. Sie hat den Rang vor allen übrigen Gliedern der Familie, unmittelbar nach dem Regenten."

nicht, sofern ihr dieselben nicht durch besondere Verleihung beigelegt sind 4).

IV. Der Titel des Gemahls einer selbstregierenden Fürstin muss aber, so weit er sich auf diese Verbindung bezieht, durch ein Staatsgesetz besonders bestimmt werden.

§. 231. Ehescheidung1).

I. Hinsichtlich der katholischen Reichsstände war von jeher unbestritten anerkannt, dass dieselben in Ehescheidungssachen kein von den übrigen Mitgliedern der katholischen Kirche verschiedenes Recht haben. Es war daher bei denselben nach den Grundsätzen des tridentinischen Concils niemals eine wirkliche Ehescheidung (divortium, separatio a vinculo) statthaft, sondern nur eine Trennung von Tisch und Bett (separatio quoad thorum et mensam) 2), womit jedoch die Fälle, in welchen eine Ehe wegen eines trennenden Ehehindernisses (impedimentum dirimens) als nichtig erklärt werden kann, nicht zu verwechseln sind 3). Bei diesen Grundsätzen ist es auch heut zu Tage noch hinsichtlich der katholischen Mitglieder regierender Familien geblieben.

II. Bei den protestantischen Reichsständen, welche sich nach der Lehre ihrer Kirche hinsichtlich der Ehescheidung weder durch die Vorschriften des älteren canonischen

4) Dies war schon im römischen Rechte anerkannt. L. 31. Dig. de legib. (1, 3),, . . . Augusta autem, licet legibus soluta non est, Principes tamen eadem illae privilegia tribuunt, quae ipsi habent."

1) Siehe besonders Moser, Familienstaatsr. Bd. II, S. 395 u. f. Estor de divortio praesertim personar. illustr. in Germ. 1747. 2) Concil. Trid. de reform. matrim. Sess. 24, c. 7. Geschichtliche: Glück, Comment. XXVI. p. 346 u. f.

Vergl. über das

3) In diesen Fällen bleibt es bei den Vorschriften des canonischen Rechtes, und ist daher in einigen Fällen, z. B. wenn Zwang zur Eingehung der Ehe, und nicht erfolgte consummatio matrimonii behauptet wird, fortwährend auch die Beweisführung durch Eide shelfer bei den geistlichen (namentlich päpstlichen) Gerichten in Gebrauch. Nach diesem Grundsatze wurde bei der Trennung der Ehe der Prinzessin Charlotte Auguste von Bayern (nachherigen vierten Gemahlin des Kaisers Franz I. von Oesterreich) und des damaligen Kronprinzen von Würtemberg (1814) verfahren.

Rechts, noch des tridentinischen Concils gebunden halten und überhaupt die Ehe nicht als Sakrament betrachten, wurde nicht nur die eigentliche Ehescheidung aus den im gemeinen protestantischen Kirchenrechte anerkannten Gründen (divortium ob indignationem) für statthaft erachtet, sondern auch mitunter die Behauptung aufgestellt, dass protestantische Reichsstände das Recht hätten, durch freiwillige Uebereinkunft (divortium bona gratia) ihre Ehe aufzulösen 1), und dass bei ihnen auch aus anderen als gemeinrechtlichen Gründen die Ehe getrennt werden könne3). Allein diese (ohnehin nur vereinzelten) Behauptungen widerstreiten der allgemeinen Lehre der protestantischen Kirche von der Ehescheidung, da auch diese, als eine christliche Kirche, keine Willkühr in dieser Beziehung anerkennen kann), obwohl allerdings in einzelnen Fällen solche Willkühr unterlaufen ist). Der Grundsatz, dass in protestantischen Fürstenhäusern eine Ehescheidung nur aus den nach dem protestantischen Kirchenrechte giltigen Scheidungsursachen für statthaft erachtet werden kann, muss auch hinsichtlich der jetzt souverainen Familien als fortwährend geltend betrachtet werden.

III. Die Frage, wer in Ehestreitigkeiten der Mitglieder protestantischer Fürstenhäuser der competente Richter sei, war schon zur Reichszeit vielfach streitig ).

§. 232.

Legitimation unehelicher Kinder1).

I) Legitimatio per rescriptum.

I. Dass den unehelichen Kindern der Mitglieder eines ehemals reichsständischen, jetzt souverainen Hauses, als solchen

4) Moser, Familienstaatsr. II, S. 402, §. 29.

5) Dies behauptet Maurenbrecher, Staatsr. §. 246.

6) Moser, Famil.-Staatsr. II, S. 425. Bekanntlich eiferten auch die ausgezeichnetsten protestantischen Reformatoren jederzeit mit grösster Entschiedenheit gegen die Willkühr der landesherrlichen Ehescheidungen, z. B. Heinrich's VIII. von England.

7) Beispiele bei Moser, 1. c.

8) Davon unten §. 268.

1) Pütter, prim. lin. §. 27.

Moser, Famil.-Staatsr. II, 853 u. f.

H. A. Zachariae, deut. Staatsr. (2. Aufl.) §. 67.

keine Successionsrechte und andere damit zusammenhängende Familienrechte zukommen können, ist unbestritten anerkannt 2).

II. Was aber die Wirkung einer legitimatio anbelangt, so muss man die legitimatio per rescriptum und die legitimatio per subsequens matrimonium unterscheiden.

III. Hinsichtlich der legitimatio per rescriptum betrachtete man es zur Reichszeit als einen durch das lombardische Recht3) und durch ein damit übereinstimmendes, beständiges, uraltes deutsches Herkommen überhaupt festgestellten Grundsatz, dass die durch kaiserliches Rescript legitimirten Kinder (sog. Buchkinder)4) von aller adeligen Stammguts, Lehen- und Familienfideicommissfolge zum Vortheile der anderen legitimen Erbfolgeberechtigten ausgeschlossen seien 5).

IV. In Bezug auf die legitimatio per rescriptum gab es für die reichsständischen Familien daher ebenso wenig ein besonderes Recht, als wie für den ritterlichen Adel. Ueberdies konnte in den reichsständischen Familien einer vom Kaiser ohne Zustimmung der Agnaten oder anderen Erbfolgeberechtigten (einschliesslich des Lehensherrn bei Territoriallehen)

2) Pütter, prim. lin. §. 27. „Illegitimae prolis plane nulla in terris paternis successio est." Siehe über natürliche Kinder reichsständischer Herren überhaupt: Moser, Familienstaatsr. II, S. 860 u. f.

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3) II. Feud. 26. §. 10. , Naturales filii, liceat postea, fiant legitimi, ad successionem feudi nec soli, nec cum aliis admittuntur." So verschieden auch die Ansichten über den Sinn dieser Stelle waren (siehe unten §. 234 Note 2 und 6), so verstand sie doch die Theorie und Praxis seit den Zeiten der Glossatoren ausnahmslos mindestens dahin, dass uneheliche, durch Rescript legitimirte Kinder von der Lehenfolge ausgeschlossen seien.

4) Sie hiessen so, weil sie häufig eine ausführliche Urkunde in forma libelli erhielten.

5) Schwabenspiegel, (Lassberg) c. 47. „Gewinnet aber ein man ein sun vnelichen, den mag de pabest wol zeinem ekind machen. vnd och der Keiser ... aber weder pabest noch Keiser die mogen in daz reht nimen geben, daz si ir mage geerben mugen, als ob sie in ir muter libe ekind warin gewesin." Man sieht daraus, dass die deutsche Praxis im XIII. Jahrhunderte der Legitimatio per rescriptum principis überhaupt keine andere Wirkung beilegte, als die, welche man nachher mit dem Begriffe einer sog. Legitimatio minus plena verband: d. h. dass der Kaiser wohl in staatsbürgerlichen Beziehungen den Makel der unehelichen Geburt auslöschen, nicht aber Familienrechte gegen den Willen der Familienglieder verleihen könne.

erwirkten legitimatio per rescriptum um so weniger die Wirkung beigelegt werden, den Mangel der rechtmässigen Geburt in Bezug auf das Successionsrecht und die Familientitel und Würden zu beseitigen, als schon in Bezug auf Missheirathen und morganatische Ehen die kaiserliche Machtvollkommenheit durch die Wahlkapitulation Art. XXII. §. 4 (seit 1742 und 1790) beschränkt worden war).

V. Wenn aber die Zustimmung der Agnaten oder anderen Erbfolgeberechtigten (und bei Lehen des Lehensherrn) erfolgte, oder keine solchen Erbberechtigten vorhanden waren, so stand der Succession der durch kaiserliches Rescript legitimirten Kinder eines Reichsstandes in Land und Leute nichts im Wege.

VI. Von Legitimationen durch kaiserliches Rescript kann. heut zu Tage seit der Auflösung des Reichsverbandes keine Rede mehr sein. Dagegen lässt sich nicht bestreiten, dass in den jetzt souverainen Häusern der Souverain seinen (oder anderer Mitglieder des Hauses) unehelichen Kindern volle Familien- oder Successionsrechte durch Rescript unter denselben Voraussetzungen giltig beilegen kann, unter welchen ein solches früher vom Kaiser giltig erbeten und ertheilt werden konnte, d. h. unter der Voraussetzung, dass keine Rechte anderer Erbberechtigten gekränkt werden und nicht die Landesverfassung in dieser Beziehung dem Souverain Beschränkungen auflegt). Letzteres ist namentlich der Fall in allen jenen Staaten, in welchen ein Verfassungsgesetz die Successionsfähigkeit von der Geburt in wahrer, ebenbürtiger und hausgesetzlicher Ehe abhängig macht. In den neueren Hausgesetzen ist daher von einer derartigen legitimatio per rescriptum nicht mehr die Rede und dieselbe stillschweigend als ausgeschlossen zu erachten.

6) Siehe oben §. 224. 227. VI.

7) Schon im Mittelalter wurde das Recht souverainer Herrscher, einen ihrer natürlichen Söhne durch Legitimatio per rescriptum zur Regierungsnachfolge zu befähigen, als selbstverständlich betrachtet; zur Beseitigung etwaiger Zweifel wurde aber von den Souverainen mitunter ein päpstliches Rescript nachgesucht. Vergl. Cap. 13. X. qui filii sint legitimi (4, 17): „Insuper cum Rex superiorem in temporalibus minime recognoscat, sine juris alterius laesione in eo se jurisdictioni nostrae subjicere potuit, in quo videretur aliquibus, quod per se ipsum (non tanquam Pater cum filiis, sed tanquam princeps cum subditis) potuit dispensare.“

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