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die Adoption gewählt wurde, um eine voraussichtlich lange andauernde vormundschaftliche Regierung zu vermeiden 3).

III. Heut zu Tage ist die Adoption in den souverainen deutschen Regentenhäusern ungebräuchlich. Abgesehen hiervon ist in denselben ein Recht, durch Adoption Familien- und Regierungsnachfolgerecht zu übertragen, überhaupt nur in dem Umfange und unter denselben Voraussetzungen anzuerkennen, wie von dem Adoptirenden ein Erbvertrag mit gleicher Wirkung geschlossen werden könnte "), und auch dies nur, in so fern der Adoption nicht die besonderen Haus- oder Staatsgesetze entgegen stehen. Bei constitutionell - monarchischer Staatsform kann daher eine Adoption nur mit landständischer Zustimmung, also nur kraft eines hinzukommenden förmlichen Verfassungsgesetzes, Thronfolgerechte begründen").

IV. Wo zur Giltigkeit der Ehen der Mitglieder des regierenden Hauses die Einwilligung des Familienhauptes erforderlich ist, muss dieselbe wegen Gleichheit des Grundes auch bei den Adoptionen derselben für nothwendig geachtet werden.

V. In mehreren neueren Hausgesetzen souverainer deutscher Familien ist den Mitgliedern derselben die Adoption durchaus untersagt).

§. 237.

Volljährigkeit und Volljährigkeitserklärung.

I. Zur Zeit der Reichsverbindung bestand keine allgemeine reichsgesetzliche Norm hinsichtlich des Eintrittes der Volljährigkeit und beziehungsweise Regierungsfähigkeit bei den Mitgliedern der reichsständischen Familien. Es galt daher

5) In dieser Weise adoptirte Kurfürst Friedrich der Siegreiche von der Pfalz den unmündigen Kurprinzen Philipp, Sohn seines Bruders Ludwig. Moser, Famil.-Staatsr. II, S. 889. und dessen deut. Staatsr. Bd. XVII, S. 321; Bd. XIX. S. 84.

6) Vergl. über die Thronfolge aus Erbverträgen, unten §. 255.
7) J. Held, System des Verf.-Rechtes. Bd. II (1857), S. 224.

8) K. bayer. Famil.-Statut, v. 1819. Tit. II, §. 5. „,Keinem Mitgliede des königlichen Hauses ist eine Adoption gestattet." Ebenso im kgl. sächsischen Hausgesetze v. 30. Dec. 1837, §. 13; S.-Coburg-Gotha, Hausges. 1855, Art. 97. (fügt bei): eine gleichwohl vorgenommene

wäre nichtig."

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als gemeinrechtlich die römisch-rechtliche Bestimmung des Eintrittes der Volljährigkeit mit dem 25. Jahre 1).

II. In den Ländern des sächsischen Rechtes trat auch in den reichsständischen Häusern, insofern keine besonderen hausgesetzlichen Normen bestanden, die Volljährigkeit mit dem vollendeten 21. Jahre ein 2).

III. Für die Erbprinzen in den kurfürstlichen Häusern (sog. Kurprinzen) war durch die goldene Bulle das achtzehnte Jahr als Volljährigkeitstermin festgesetzt worden 3).

IV. Auch gegenwärtig besteht keine Gleichmässigkeit hinsichtlich der Volljährigkeit in den deutschen souverainen Häu

sern.

Die ehemals kurfürstlichen Häuser haben den in der goldenen Bulle für die Erbprinzen festgestellten Termin beibehalten; derselbe ist auch nunmehr in mehreren anderen regierenden Häusern angenommen worden 1). Die Volljährigkeit der übrigen Prinzen eines solchen Hauses ist mitunter auf einen späteren Termin (das 21. Jahr) gesetzt3).

Dessen per

1) Moser, Staatsr. XVIII, S. 383 u. f. 419 u. f. sönliches Staatsr. I, 559 u. f. Gönner, Staatsr., §. 80. 2) Siehe §. 213. Note 4. Pütter, prim. lin. §. 77.

3) Aurea Bulla Caroli IV., a. 1356. Cap. VII, §. 4. legitimam aetatem . . . quam in Principe Electore decem et octo annos completos censeri volumus." Es war dies der allgemeine Volljährigkeitstermin nach dem älteren süddeutschen Rechte. Schwabenspiegel (Lassberg) c. 51.,,Als ein man kumt hinz achtzehen iarn, so hat (er) sine volle tage, wil er so mag er vormunt haben. wil er. er mag sin wol och enbern. aber kunic Karle hat gesetzet er sul pfleger han vnz fiunf zweinzec iarn."

4) Bayern, Verf.-Urk. 1818, Tit. II, §. 7.,,Die Volljährigkeit der Prinzen und Prinzessinnen des k. Hauses tritt mit dem zurückgelegten 18. Jahre ein.". - K. Sachsen, V.-U. 1831. §. 8. „Der König wird volljährig, sobald er das 18. Jahr zurückgelegt hat." Ebenso: Preussen, V.-U. 1850. Art. 54. Hannover, V.-U. 1840. §. 13. Würtemberg, V.-U. 1819, §. 9. 1839, Reg.-Bl. 24; §. 5. schweig, neue Ldschftsord. Staatsgrundges. 1852. §. 19. Grdges. 1829. Art. 4.

-Baden, Apanagengesetz v. 21. Juli Kurhessen, V.-U. 1831. §. 5. Braun1832. §. 15. (12.). Oldenburg, rev. Das 21. Jahr fordern: S.-Meiningen, S.-Altenburg, Grundges. 1831, §. 15. S.-Coburg-Gotha, Verf.-U. 1852. §. 11. und Hausges. 1855. §. 86. Schwarzburg-Sondershausen, 1849. §. 52. Anhalt-Bernburg, Waldeck, V.-U. 1852, §. 16.

V.-U. 1850. §. 90.

V.-U. 1852. §. 48.

Reuss, j. L.,

5) So z. B. K. Sachsen, Hausges. 1837. §. 61.

Hannover,

V. Eine Volljährigkeitserklärung (venia aetatis) minderjähriger Mitglieder reichsständischer Familien musste musste zur Reichszeit bei dem Kaiser nachgesucht werden. Aus diesem Grunde hielt man auch die kaiserliche Confirmation von hausgesetzlichen Bestimmungen, wodurch der Volljährigkeitstermin kürzer, als im gemeinen (römischen) Rechte bestimmt werden wollte, für nothwendig. Heut zu Tage muss es als ein Recht des Souverains als Haupt des Hauses betrachtet werden, den Prinzen und Prinzessinnen desselben eine Volljährigkeitserklärung zu ertheilen und zwar auch sogar dem Erbprinzen zum Behufe des Regierungsantrittes, sofern nicht eine ausdrückliche Bestimmung der Landesverfassungsurkunde entgegensteht, wonach die Zustimmung der Landstände oder Agnaten einzuholen wäre 6), oder nach dem Geiste der Verfassung jede Volljährigkeitserklärung des Thronfolgers an sich als ausgeschlossen zu erachten ist).

Hausges., Cap. 5, §. 2.

Baden, Apanagenges. v. 21. Juli 1839, Reg.-Bl. 24; §. 6. Im würtemberg. Hausges. 1828. Art. 15. ist die Volljährigkeit der königlichen Prinzen und Prinzessinnen (ausser dem Thronfolger) auf das 21. Jahr, die der übrigen Prinzen und Prinzessinnen des Hauses auf das 22. Jahr festgesetzt. In den Grundgesetzen, welche die Volljährigkeit des regierenden Herrn auf 21 Jahre bestimmen, (Note 4.) wird regelmässig ausdrücklich derselbe Termin für die Volljährigkeit der übrigen Mitglieder des Hauses festgesetzt.

6) Besondere Bestimmungen über die Volljährigkeitserklärung enthalten: S.-Altenburg, Grdges. 1831, §. 15. a linea 2 und 3: „Den Prinzen des Hauses kann der regierende Herzog, auf Ansuchen ihres bisherigen oder hierzu besonders bestellten Vormunds, die Grossjährigkeit ertheilen, wenn sie wenigstens das 18. Jahr ihres Lebens erfüllt haben. Der Herzog selbst kann von dem an Jahren ältesten Herrn des sächsischen Gesammthauses aller Linien, nach zurückgelegtem 18. Lebensjahre unter Zustimmung der bisherigen Vormundschaft und Regentschaft für grossjährig erklärt werden." - Fast wörtlich übereinstimmt: S.- Meiningen, Grdges. 1829, Art. 4. — S.-Coburg-Gotha, Hausges. 1855, §. 87. „Den Prinzen und Prinzessinnen des herzogl. Hauses kann der Herzog auf Ansuchen ihres Vaters oder Vormundes die Rechte der Volljährigkeit ertheilen, wenn sie wenigstens das 18. Jahr ihres Alters erfüllt haben."

7) Dies darf als Regel bei allen jenen neueren Verfassungsurkunden angenommen werden, welche einen kurzen Volljährigkeitstermin (18 Jahre) festsetzen und specielle Vorschriften über die bis zu diesem Termine eintretende Regierungsvormundschaft enthalten.

§. 238. Vormundschaft.

I. Regierungsvormundschaft im Falle der Minderjährigkeit des Thronfolgers1). 1) Geschichtliches.

I. Die vormundschaftliche Landesregierung (RegierungsVormundschaft, Regentschaft) bei Minderjährigkeit des Thronfolgers, welcher selbstverständlich der Fall gleich steht, wenn bei eintretender Thronerledigung die Geburt eines Nachfolgers erwartet wird 2), gebührte nach den Grundsätzen des älteren deutschen Rechts von Rechtswegen dem nächsten grossjährigen successionsberechtigten Agnaten, und zwar als ein jus quaesitum, gleichsam als eine ihm ebenfalls erbrechtlich zustehende Befugniss3). Doch gelangte dieser Grundsatz nur in Bezug auf die kurfürstlichen Häuser zu einer ausdrücklichen reichsgesetzlichen Sanktion, welche aber hier unverkennbar kein besonderes

1) Pütter, prim. lin. §. 74 u. f. Dessen persönliches Staatsrecht I,

Moser, Staatsr., Bd. XVII. XVIII.
S. 288 u. f. Leist, Staatsrecht

Weiss, Staatsr. §. 249. H. A.

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(2. Aufl.) §. 49. Gönner, Staatsr. §. 245. - Klüber, öffentl. R. §. 247.
Kohler, Handb. §. 64 u. f.
Zachariae, Staatsr. (2. Aufl.) I, §. 80 u. f. J. Held, System des
Verf.-Rechts, Bd. II (1857), S. 276 flg. Vergl. meine Schrift: die
Regierungsvormundschaft im Verhältnisse zur Landesverfassung. Heidelbg.
1830. Bluntschli, allgem. Staatsr. (2. Aufl. 1857) Thl. II, S. 51 flg.
W. Th. Kraut, die Vormundschaft nach den Grundsätzen des deut.
Rechts. Bd. III, die Lehens- und Regierungsvormundschaft enthaltend;
Göttingen 1859. R. v. Mohl, Staatsrecht, Völkerrecht u. Politik, Thl. I,

(Tübingen 1860) S. 144-206.

2) Uebrigens erwähnen diesen Fall nur allein die (wieder ausser Wirkung gesetzte) Verfassungsurkunde v. Mecklenburg-Schwerin von 1849. §. 65, und der badische Entwurf eines Regentschaftsgesetzes von 1862, art. 12, ausdrücklich.

3) Schwabenspiegel (Lassberg) c. 26. „Swa die sune ze ir iarn (niht) sint chomen, da sol der elteste bruder sins vater swert nemen, ze tot leibe. und er ist der chinde voget, biz daz si zir iarn choment."- Ueber den Begriff von Todleib als hereditas, reliquiae, siehe meine deutsche Rechtsgeschichte, 3. Aufl. 1858. Thl. II. §. 119, Note 13, S. 815.

Recht für dieselben begründen, als vielmehr nur das gemeine alte Herkommen für dieselben sicher stellen wollte 4).

II. In vielen, insbesondere in den kleineren reichsständischen Häusern drangen aber allmählig, jedoch unter häufigem Widerstreite der Agnaten, die Grundsätze des römischen Vormundschaftsrechts in der Art und Weise ein, wie dieselben überhaupt in Deutschland recipirt worden waren, so dass man häufig die Regierungsvormundschaft des nächsten Agnaten nur noch als eine tutela legitima betrachtete und ihren Eintritt auf den Fall beschränkte, wenn der Vater nicht durch testamentarische Anordnung (tutela testamentaria) oder etwa auch, nach den Grundsätzen des deutschen Privatrechts, durch einen Vertrag (tutela pactitia) Vorsorge getroffen hatte. Wo die römischen Grundsätze eingedrungen waren, liess man auch die Mutter und die Grossmutter vor den Agnaten zur Uebernahme der vormundschaftlichen Regierung.

III. Auch legten sich die obersten Reichsgerichte als die unmittelbaren Organe der kaiserlichen Gerichtsbarkeit über die reichsständischen Familien in Ermangelung testamentarischer oder gesetzlicher Vormünder die Befugniss bei, subsidiär eine tutela dativa anzuordnen.

IV. Mitunter findet sich auch eine Mitwirkung der Landstände bei der Anordnung und Führung der vormundschaftlichen Regierung.

V. Der Kampf des alten deutschen und des römischen Rechts in dieser Lehre hatte zur Folge, dass sich nicht selten in einer und derselben Familie eine verschiedenartige Behandlung der einzelnen Vormundschaftsfälle zeigt 5).

4) Aurea Bulla, cap. 7. §. 4. „Si principem electorem seu ejus primogenitum aut filium seniorem laicum mori et heredes masculo legitimos, laicos, defectum aetatis patientes, relinquere contingeret; tunc frater senior ejusdem primogeniti tutor eorum et administrator existat, donec senior ex his legitimam aetatem attigerit" etc.

5) Vergl. Moser, badisches Staatsr. §. 43.

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