Page images
PDF
EPUB

Arten von Staatsverträgen mit fremden Staaten abzuschliessen, Grundgesetze zu errichten"), oder in den bestehenden Grundgesetzen auf verfassungsmässigem Wege die für zeitgemäss erachteten Abänderungen vorzunehmen).

III. Die besonderen Beschränkungen, welche einzelne deutsche Verfassungsurkunden der Regierungsgewalt des Regenten setzen, sind: 1) Alle erledigten Aemter, mit Ausnahme der Justizstellen, können während der Regentschaft nur provi sorisch besetzt werden ); 2) der Regent kann keine Krongüter veräussern); 3) keine heimfallenden Lehen verleihen und 4) keine neuen Aemter einführen 10); 5) keine Standeserhöhungen ertheilen 11); 6) keine neuen Ritterorden einführen: 7) kein Mitglied des geheimen Rathes anders als in Folge eines gerichtlichen Erkenntnisses entlassen 12); 8) keine Schmälerung der Rechte des Souverains vornehmen oder gestatten 13); 9) keine Aenderung im Grundsysteme und in den verfassungsmässigen Rechten der allgemeinen Ständeversammlung und der Provinzialstände vornehmen oder gestatten 14), oder doch 10) nur mit Zustimmmung des Familienrathes in dringenden und Nothfällen 15) oder 11) nur mit Giltigkeit auf die Dauer der Regentschaft 16).

6) An der Abfassung des deutschen Bundesakte (8. Juni 1815) haben drei, an der Abfassung der Schlussakte der wiener Ministerial conferenzen vom 15. Mai 1820 zwei vormundschaftliche Regierungen Antheil genommen.

7) Uebereinstimmend hiermit ist durch Bundesbeschluss v. 4. Nov. 183), Protok. §. 273 (bei G. v. Meyer, Corp. Jur. Confoed. Germ. 3. Aufl., Th. II. S. 221), die Rechtsgiltigkeit der von dem Könige von Hannover und England als Regierungsvormund in Braunschweig errichteten erneuerten Landschaftsordnung vom 25. April 1820 ausgesprochen worden. 8) Dies bestimmt nur Bayern, V.-U. 1818, Tit. II, §. 18. 9) Nur in Bayern, V.-U. 1818, Tit. II, §. 18.

10) Bayern, V.-U. 1818, Tit. II, §. 18; Würtemberg, V.-U. 1819, §. 15, nennt als ausgenommen nur „Hofämter".

11) Würtemberg, V.-U. 1819, §. 15; Hannover, V.-U. 1840, §. 23. 12) Würtemberg, V.-U. 1819, §. 15.

13) Hannover, V.-U. 1840, §. 23; Schwarzburg-Sonderhausen, V.-U. 1849, §. 54.

14) Hannover, V.-U. 1840, §. 23.

15) K. Sachsen, V.-U. 1831, §. 12; Oldenburg, rev. V.-U. 1852,

art. 25.

16) Diese Beschränkung hat nur Würtemberg, V.-U. 1819, §. 15.

IV. Die Verfassungsurkunden schreiben insgemein ausdrücklich vor, dass alle Verfügungen des Regenten,,im Namen" des Souverains, an dessen Stelle er regiert, erlassen werden sollen 17): die bayerische Verfassungsurkunde enthält noch die besondere Vorschrift, dass auch die Münzen mit dem Bildnisse des durch den Regenten vertretenen Souverains geprägt werden sollen 15).

V. Im Verhältniss zu den Landständen kommt dem Regenten der Charakter der Unverantwortlichkeit, wie jedem regierenden Fürsten, zu 19).

§. 244.

5) Beendigung der Regentschaft. Rechtsverhältnisse nach derselben.

I. Die Regentschaft endigt, wenn sie wegen Minderjährigkeit des Souverains eintrat, mit der Volljährigkeit desselben; ausserdem mit dem Wegfalle des Grundes seiner Behinderung an der eigenen Führung der Regierung), worüber unter Umständen ein Beschluss des Familienrathes und der Landstände nothwendig werden kann 2).

II. Ueber das Rechtsverhältniss des Regenten zu dem durch ihn vertretenen Souverain nach Beendigung der Regentschaft, namentlich bei erlangter Volljährigkeit des minderjährigen Thronerben, finden sich in den neueren Verfassungsurkunden keine ausdrücklichen Bestimmungen. Zur Zeit des Reiches betrachtete man hinsichtlich der Beurtheilung der Verbindlichkeit der Handlungen des Regierungsverwesers für den grossjährig gewordenen Thronerben nicht selten die Grundsätze des gemeinen römischen Rechtes über die Vormundschaften

47) Siehe die oben in Note 4 u. 5 angeführten Verfassungsurkunden. 18) Bayern, V.-U. 1818, Tit. II, §. 15.

19) Ausdrücklich ist dies aber nur gesagt in: S.-Coburg-Gotha, V.-U. 1852, §. 21.

4) Bayern, V.-U. 1818, Tit. II, §. 21; Würtemberg, V.-U. 1819, §. 17; Hannover, V.-U. 1840, §. 24; Oldenburg, rev. V.-U. 1852, art. 26.

*) Dies schreibt vor: Hannover, V.-U. 1840, §. 24; Oldenburg, V.-U. 1852, art. 26; Coburg-Gotha, V.-U. 1852, §. 18.

als massgebend, und dies konnte auch bei kleineren landesherrlichen Häusern, wo die Regierungsvormundschaft sich wenig von einer bürgerlichen Vormundschaft unterschied, insbesondere aus dem Grunde für zulässig gelten, weil damals in den obersten Reichsgerichten eine Instanz bestand, vor welcher über die Verbindlichkeit der Handlungen des Regierungsverwesers und seine etwaige Haftung und Verantwortlichkeit gegenüber von dem bisherigen Pupillen gestritten und auch Restitution gegen verletzende Handlungen des Regierungsvormundes ertheilt werden konnte. Allein schon bei den grösseren, namentlich bei den kurfürstlichen Häusern, musste die Anwendung der gemeinen oder römisch rechtlichen Grundsätze in dieser Beziehung mindestens als unzulänglich erscheinen, und zwar schon desshalb, weil nach der goldenen Bulle der Regierungsverweser in den kurfürstlichen Staaten nicht wie ein blosser Administrator oder Vormund im civilrechtlichen Sinne, son fern als ein selbstberechtigter regierender Herr während der Dauer seiner Regentschaft betrachtet werden sollte 3).

III. Diese Auffassung der Stellung des Regenten zu dem bevormundeten Souverain ist jetzt, wegen Gleichheit des Grundes, als die gemeinrechtliche zu erachten. Es muss daher als Princip betrachtet werden, dass der volljährig gewordene Thronerbe oder der zu eigener Führung der Regierung geistig wie körperlich wieder befähigte Souverain alle Regierungshandlungen des Regenten so anerkennen muss, wie er die eines jeden anderen legitimen Regierungsvorgängers anerkennen müsste 1).

IV. Kein neueres Verfassungsgesetz behandelt den Fall, welche Rechtsfolge eintreten solle, wenn der Regent etwa seine Gewalt benutzen wollte, den Souverain von der Regierung ganz zu verdrängen, indem man unverkennbar davon ausging, dass ein solches Beginnen nach den über die Einrichtung der Regentschaft angenommenen Grundsätzen gar nicht denkbar sei.

V. Von einer in integrum restitutio des volljährig gewor denen oder wieder genesenen Souverains gegen die Regierungshandlungen des Regenten kann heut zu Tage bei dem Mangel

3) Aurea Bulla, a. 1356, cap. VII, §. 4, siehe oben §. 243, Note 3). 4) Siehe unten §. 266.

einer zu ihrer Ertheilung competenten gerichtlichen Instanz nicht mehr die Rede sein. Wohl aber sind jene Regierungshandlungen des Regenten als ipso jure nichtig zu betrachten, welche der Regent in verfassungswidriger Weise oder gegen ein ausdrückliches Verbot der Verfassungsurkunde vorgenommen haben sollte. Wenn solche Regierungshandlungen des Regenten etwa den in der Bundesgesetzgebung aufgestellten Grundsätzen über die Aufrechthaltung des monarchischen Princips oder über andere bundesmässige Verpflichtungen zuwider sein sollten, so würde dadurch auch ein Einschreiten der Bundesversammlung begründet werden 5).

VI. Im Uebrigen steht dem zur eigenen Regierung gelangten Souverain jederzeit frei, die ihm missfälligen Einrichtungen des Regenten auf dem landesverfassungsmässigen Wege, also nach Lage des Falles auf dem Wege der Gesetzgebung mit Zustimmung der Landstände zu beseitigen oder durch neue verfassungsmässige Anordnungen zu ersetzen.

VII. Eine Rechnungsablage des Regenten während der Regentschaft oder bei Beendigung derselben findet heut zu Tage, wo dieselbe einen durchaus anderen Charakter als die bürgerliche Vormundschaft angenommen hat, wenigstens in jenen Staaten, in welchen Landstände und diesen verantwortliche Ministerien bestehen, selbstverständlich nicht mehr statt.

§. 245.

Privatrechtliche Vormundschaft.

a) Ueber die Person und das Privatvermögen des minderjährigen oder behinderten Souverains.

I. Der Sache nach verschieden von der Regierungsvormundschaft (Regentschaft) ist die Vormundschaft über die Person und das Privatvermögen eines minderjährigen oder an der Führung der Regierung durch geistige oder körperliche Krankheit oder Schwäche behinderten Souverains. Zur Reichszeit wurde die Nothwendigkeit einer Vormundschaft in dieser Beziehung, so wie die Delation derselben und der Umfang der Vormundschaftlichen Rechte und Pflichten gemeinrechtlich auch

5) Wiener Schlussakte v. 15. Mai 1820, art. 57. 58.

in den reichsständischen Häusern im Allgemeinen nach den Grundsätzen des gemeinen Reichsrechtes behandelt. Daher konnte auch der Regierungsvormund recht wohl zugleich Vormund des minderjährigen oder an der Regierung behinderten Landesherrn in privatrechtlichem Sinne sein. Dies alles ist auch in den regierenden deutschen Fürstenhäusern noch als gemeines Recht zu betrachten.

II. Die neueren Verfassungsurkunden und Hausgesetze gebrauchen zum Theil das Wort Vormundschaft als Gegensatz zu Regentschaft oder Regierungsverwesung. Sie behandeln regelmässig auch nur die Vormundschaft über den minderjährigen Thronfolger. Ueber den Fall, wenn eine cura personalis über den Souverain wegen Geistesschwäche und dergl. nothwendig werden sollte, enthalten sie meistens keine Bestimmungen1), und müssen daher in solchem Falle die für die Vormundschaft über den minderjährigen Souverain aufgestellten Grundsätze zur analogen Anwendung gebracht werden.

III. Die neueren Haus- und Verfassungsgesetze legen insbesondere nicht selten das Recht der Erziehung des minderjährigen Souverains, sofern nicht von dem Vater darüber eine Bestimmung getroffen worden ist, ausdrücklich der Mutter oder auch der Grossmutter von väterlicher Seite bei, jedoch in allen Fällen unter der Oberaufsicht des Regierungsverwesers 2).

IV. Nur wenige Verfassungsurkunden untersagen dem Regierungsverweser auch zugleich die (privatrechtliche) Vormundschaft über den minderjährigen Souverain zu führen 3).

1) Nur die hannover. V.-U. 1840, §. 25 a linea 3, hat darüber eine Bestimmung. Siehe unten Note 3.

2) Nur die Mutter nennt Bayern, Hausges. 1819, Tit. IX, §. 3. Die Mutter und Grossmutter von väterlicher Seite nennen: Würtemberg, V.-U. 1819, §. 16; K. Sachsen, V.-U. 1831, §. 15; und k. sächs. Hausgesetz 1837, §. 65 u. f.; Hannover, V.-U. 1840, §. 25; Oldenburg, rev. V.-U. 1852, art. 28.

3) Oldenburg, rev. V.-U. 1852, art. 27. „,Der Regent, mit Ausnahme der Mutter und Grossmutter, kann die Vormundschaft über den minderjährigen Grossherzog nicht führen." Uebereinstimmt: Waldeck, V.-U. 1852, §. 25. Beschränkter ist die Bestimmung in Hannover, V.-U. 1840, §. 25, a linea 3. „Die Aufsicht über die Person des durch Geisteskrankheit an der Regierung verhinderten Königs, und die Sorge für denselben, darf der Regent nicht übernehmen.“ — Für

« PreviousContinue »